Im Gegensatz zu dem, was mein Vorredner gesagt hat, der vor allen Dingen auf einen Einzelfall abgestellt hat, muss ich hier feststellen: Es gibt in Deutschland gute Bundesrichter. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich hat es vorher auch eine politische Mehrheit gegeben, die genau nach diesem Verfahren, das wir bislang haben, Bundesrichter ausgewählt und ernannt hat.
Auch wenn wir gute Bundesrichter haben und das Wahlverfahren nach der Verfassung vorgegeben ist, heißt das nicht, dass über das Wahlverfahren nicht neu nachgedacht werden kann. Das sollte man in den entsprechenden Ausschüssen tun.
Herr Prof. Pfeiffer hat dazu frühzeitig einen Vorschlag gemacht. Ich glaube, die Diskussion bei der CDU hat eine leichte zeitliche Schieflage. Die Reihenfolge lautet wohl eher so: Pfeiffer, BadenWürttemberg, Niedersachsen und jetzt hier im
Landtag. Die CDU sollte nicht den Anschein erwecken, dieses Gedankengut hätte bei ihr vorgeherrscht.
Im Kern geht es darum, dass in dem Verfahren Transparenz eine Rolle spielen muss. Diese Transparenz ist zum jetzigen Zeitpunkt wenig zu erkennen. Das Verfahren hat aber - das wird, wenn ich es richtig verstanden habe, von der Union eher geleugnet - eine politische Komponente. Diese politische Komponente kann man nicht wegdiskutieren.
Sie besteht darin, dass 16 Bundesminister und die Justizministerin des Bundes letzten Endes darüber entscheiden, wer zum Zuge kommen soll. Dabei wird überhaupt nicht außer Kraft gesetzt, dass man an die Qualität der Bundesrichter nach wie vor hohe und höchste Anforderungen stellt.
Die CDU fordert im Einzelnen - ich erinnere an das, was mein Vorredner vorgeschlagen hat -, dass erstens die Bundesrichter-Stellen öffentlich ausgeschrieben werden sollen. Sie fordert zweitens, dass der Richterwahlausschuss - ich sage es verkürzt um Rechtsanwälte erweitert wird. Drittens - das ist auch ein interessanter Punkt - fordert sie: Wenn die Entscheidung getroffen ist, soll man in öffentlicher Aussprache den unterlegenen Kandidaten mitteilen, warum es nicht geklappt hat. - Das hat jedoch für die tatsächliche Entscheidungsfindung überhaupt keine Bedeutung.
Abschließend im Einzelnen zu dem, was Ihr Vorschlag beinhaltet: Eine Ausschreibung der Stellen führt aufgrund der verfassungsrechtlich vorgegebenen Entscheidungsstruktur im Ergebnis nur zu zwei unerwünschten und widersinnigen Konsequenzen. Erstens. Der bürokratische Aufwand würde sich für den Richterwahlausschuss auf ein kaum noch zu bewältigendes Maß erhöhen. Zweitens wäre damit zu rechnen, dass es in größerem Umfang zu Konkurrenzstreitigkeiten kommt, wenn wir dieses Verfahren zulassen würden.
Im Ansatz richtig ist die Idee einer verstärkten Einbeziehung der Präsidialräte bei den einzelnen Bundesgerichten. Ein Konfliktgespräch nach der Wahlentscheidung kommt jedoch zu spät. Die fachkundige Meinung des Präsidialrates muss deshalb im Vorfeld der Wahlentscheidung stärker in den Entscheidungsprozess integriert werden. Ich bin davon überzeugt, dass darin der Schlüssel für
Der Vorwurf, nicht die Besten, sondern die politisch Genehmen gewählt zu haben, entzündet sich, wie gerade der Fall Neskovic zeigt, immer wieder daran, dass Kandidatinnen und Kandidaten gewählt werden, die vom Präsidialrat des betroffenen Gerichts als nicht geeignet bezeichnet werden. Das Votum des Präsidialrates muss allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Das zeigt sich schon daran, dass aktuell fünf Richter beim Bundesgerichtshof inzwischen zu Senatsvorsitzenden aufgestiegen sind, die nach den damaligen Voten des Präsidialrates an sich gar nicht hätten Bundesrichter werden sollen.
Fazit: Die CDU hat einen scheinbar eigenen Vorschlag gemacht, der von Baden-Württemberg übernommen worden ist. Sie hat ihn ins Land transportiert. Dort hat der sachkundige und fachkundige Minister längst vorgedacht. Ich meine, es ist sinnvoll, dass diese Debatte kommt. Sie wird allerdings im Ergebnis anders ausgehen, als Sie es sich vorstellen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Verfahren zur Wahl der Bundesrichter nach Artikel 95 des Grundgesetzes haben die Mütter und Väter der Verfassung Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der Justiz, insbesondere mit dem Reichsgericht, in der Zeit der Weimarer Republik und des Faschismus gezogen. Weder war gewollt, die Bundesgerichte sich selbst ergänzen, sich selbst kooptieren zu lassen, um Tendenzen der Verselbständigung entgegenzuwirken, noch war gewollt, diese wichtigen Gerichte an der langen Leine - oder manchmal auch an der kurzen Leine - des Ministers zu lassen. Deswegen gibt es eine Wahl durch einen Wahlausschuss im Einvernehmen mit dem Ministerium. Hinzu kommt, dass die Entscheidungen der Bundesgerichte oft über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben. Sie machen Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfortbildung. Auch wegen ihrer quasi Recht setzenden Qualität
benötigen sie eine demokratische Legitimation. Diese haben sie auch. Dieses Verfahren ist also auch aus unserer Sicht sinnvoll und sollte beibehalten werden.
Gleichwohl gibt es Kritik an der konkreten Ausgestaltung dieses Verfahrens nach dem Richterwahlgesetz, und zwar nicht erst seit den aktuellen Fällen, sondern schon seit vielen Jahrzehnten. Wir sind ebenfalls der Auffassung, dass dieses Verfahren transparenter gestaltet werden muss. Das kann ein Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung sein. Das kann aber auch bedeuten, dass beispielsweise die Vorschlagsliste veröffentlicht wird. Bisher kommen nur diejenigen in den Vorschlagstopf, die entweder von einem Landesjustizminister oder von einem der Abgeordneten im Richterwahlausschuss vorgeschlagen werden. Ich halte das nicht für schädlich, sondern für eine Ehre, in diese Liste aufgenommen zu werden. Wir brauchen ja nicht gleich so weit zu gehen wie die USA, wo in einzelnen Staaten eine Direktwahl solcher Ämter vorgesehen ist. Aber überhaupt zu sagen, wer zur Wahl steht, ist eine denkbare Form von Transparenz. Eine weitere Möglichkeit besteht darin - das war wohl die wesentliche kritische Anmerkung, die in dem Eilverfahren Neskovic gemacht worden ist -, dass dieses Verfahren durch eine Geschäftsordnung geregelt werden muss. Denn derzeit ist überhaupt nicht klar, wer in den Vorschlagstopf hineinkommt und was mit den übrigen Bewerbern geschieht. Nicht ändern kann und muss man, dass letztlich in geheimer Wahl entschieden wird.
Diese Debatte sollte, meine ich, fortgesetzt werden. Es sollte auch - das schwebt, glaube ich, auch Herrn Minister Pfeiffer vor - das Gespräch mit dem Präsidialrat gesucht werden.
Es ist also eine stärkere Dialogorientierung und eine stärkere Transparenz dieses Verfahrens notwendig. Das kann aber nach meiner Überzeugung auch unterhalb einer Gesetzesänderung geschehen.
Problematisch finde ich die Forderung nach einem Anforderungsprofil. Wir könnten das ja einmal auf den Landtag übertragen, wer der beste Abgeordnete ist. Es sind so viele unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen gefordert, dass man Leistungen auch bei Juristen nicht rein mathematisch sicher bestimmen kann im Sinne eines Rankings, sondern da spielen sehr unterschiedliche Gesichtspunkte eine Rolle: Gesichtspunkte der Spezialisierung oder der Generalisierung, auch das föderale Element mit seinem zum
Teil unterschiedlichen Rechtstraditionen spielt eine Rolle, und diese Entscheidung hat natürlich auch politische Elemente, die in dieser demokratischen Wahlentscheidung zum Ausdruck kommen. Deswegen geht der Gedanke, es dürfe nur nach quasi bürokratischen Gesichtspunkten eine Auswahl der Besten getroffen werden, relativ stark an der Realität vorbei. Transparenz, Geschäftsordnung, Verfahrensregelungen und Dialogorientierung ja, aber alles andere ist kaum geeignet, bessere Bundesrichterinnen und -richter als bisher zu wählen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Diskussion um die Wahl von Bundesrichtern könnte den Eindruck erwecken, als ob wir dort schwach besetzt seien. Das Gegenteil ist richtig.
Niemand bestreitet, dass wir ausgesprochen gute, hervorragende Bundesgerichte haben, die ihre Aufgabe bestens wahrnehmen. Dann müssen sie auch gut besetzt sein, wenn sie zu diesen guten Arbeitsergebnissen kommen. Von daher geht es in Wahrheit nicht um ein Qualitätsproblem, sondern um ein Akzeptanzproblem. Es geht darum, dass einzelne Kandidaten den Eindruck haben, dass ihre Qualitäten im Abwägungsprozess, wer der Beste ist, nicht genügend gewürdigt worden sind. Hier gibt es vielleicht Verbesserungsmöglichkeiten. Ferner geht es darum, dass auch die Bundesgerichte nicht den Eindruck haben, dass ihre Empfehlungen, ihre Vorschläge, die sie unterbreiten, ihre Ratschläge in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Insofern stellt sich die Frage: Was ist zu tun? - Ich möchte Ihnen aus meiner Erinnerung schildern, wie ich dieses Wahlverfahren erlebt habe, als ich das erste Mal mitwirken durfte: Da treffen sich die beiden Lager in getrennten Gruppen und verhandeln intern über die Kandidaten. Man spricht mit den Kollegen der einen Seite und den dazugehörigen Abgeordneten. Dabei findet durchaus eine Debatte über die Vorzüge und Nachteile der ver
Aber es findet keine Debatte im Plenum statt. Man weiß nicht, worüber die andere Seite diskutiert. Dann entwickelt sich das Spiel so weiter, dass sich die beiden Botschafter, die Bundesjustizministerin und der Vertreter der anderen Seite, treffen, sich über die jeweiligen Vorschläge austauschen und wir dann entsprechend diesen Empfehlungen wählen. Das erweckt in der Tat nach außen den Anschein parteipolitischer Kungelei, obwohl es nicht so gemeint ist und obwohl es sich in der Vergangenheit im Großen und Ganzen durchaus bewährt hat. Ich denke, da muss man ansetzen.
Deswegen habe ich sofort nach der Rückkehr, ausgehend von diesen Erfahrungen, einen Vorschlag entwickelt, und zwar nicht allein in Beratungen mit den Mitarbeitern meines Hauses, sondern in enger Abstimmung mit dem Präsidenten des Bundesgerichtshofes. Ihm hatte ich meine Irritationen über dieses Wahlverfahren mitgeteilt. Wir waren uns einig, dass es einen sehr einfachen Weg geben könnte, hier eine Besserung herbeizuführen, wobei es gar nicht erforderlich wäre, dass der Bundesgesetzgeber selber in Aktion tritt. Das könnte schon im Februar/März, wenn wir das nächste Mal zusammentreffen, zur Anwendung kommen.
Das würde wie folgt aussehen: Der Präsident des Bundesgerichtshofes und ein weiteres Mitglied aus seinem Präsidialrat, entsprechend die drei anderen Bundesgerichte - also insgesamt acht Personen, die unsere vier Bundesgerichte repräsentieren - kommen nach Berlin und erläutern in einer Plenardebatte vor jeder Wahl als Erstes, welche Vor- und Nachteile sie bei den verschiedenen Kandidaten sehen. Wir würden dann Fragen stellen und ihre Kritik, die sie an dem einen oder anderen äußern, hinterfragen und auch die Kriterien, nach denen sie gewertet haben, zur Diskussion stellen. Natürlich hätten sie ergänzend die Möglichkeit, eigene Empfehlungen abzugeben, etwa nach dem Motto: Der Kandidat x wäre hervorragend geeignet für den Senat y; wir würden uns sehr freuen, wenn dieser gewählt würde, weil wir ihn auf Grund seiner Fähigkeiten dringend benötigen. - Wir könnten dann in eine Diskussion eintreten, aus welchem Grund sie den Kandidaten x so dringend wünschen. Bisher erfahren wir das alles nur schriftlich
Ein weiterer Vorteil: Das OVG in Schleswig hat entschieden, dass Herr Neskovic deswegen als nicht gewählt zu gelten hat, weil der andere Kandidat, der aus diesem Bundesland vorgeschlagen worden war, ohne Diskussion im Plenum, ohne eine gemeinsame Debatte über seine Qualitäten, einfach abgelehnt wurde. Ein solcher Konfliktfall könnte nach dem Verfahren, das der Präsident des Bundesgerichtshofes und ich gemeinsam entwickelt und vorgeschlagen haben, nicht mehr entstehen. Es hätte ja eine Plenardebatte gegeben und es wäre also keine Konkurrentenklage möglich, die sich darauf beruft, dass nicht abgestimmt und nicht ernsthaft gewertet und gewichtet worden sei, welche Qualitäten ein Mitbewerber habe, der sich von daher nicht angemessen behandelt fühle.
Ich fasse zusammen: Aus meiner Sicht hat das von mir vorgeschlagene Verfahren erstens den Vorteil, dass der Anspruch aller Kandidatinnen und Kandidaten auf gleichberechtigte Berücksichtigung im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses gesichert wäre und damit Konkurrentenstreitverfahren vermieden werden könnten. Zweitens würde allein die Aussicht auf eine solche Plenardebatte dazu beitragen, dass Vorschläge zur Wahl von schwächeren Kandidaten gar nicht erst unterbreitet würden. Drittens würden die fachlichen Argumente gegenüber politischen Erwägungen ein größeres Gewicht erhalten. Umgekehrt würden aber auch die Eignungskriterien des jeweiligen Präsidialrates einer kritischen Würdigung unterzogen.
Erstens. Das Ansinnen, ich sollte bei der Vorbereitung von eigenen Kandidatenvorschlägen die benannten Landtagsausschüsse anhören, muss ich zurückweisen. Das Vorschlagsrecht ist mir in meiner Eigenschaft als Justizminister zugewiesen. Natürlich bin ich gerne bereit, anschließend darzulegen, warum ich welche Person vorgeschlagen habe. Ich meine aber nicht, dass ich mich vorher rechtfertigen sollte.
Zweitens. Mir ist es ernst mit meinen Bestrebungen, in Zukunft zu Verbesserungen des Wahlverfahrens zu kommen. Deshalb habe ich einen eigenen Vorschlag entwickelt und nicht erst auf das reagiert, was die CDU in Baden-Württemberg und jetzt auch hier vorgeschlagen hat.
Drittens. Dieser Vorschlag - ich wiederhole das noch einmal - ist mit erfahrenen Leuten aus der Praxis abgestimmt worden, nicht nur mit dem BGH-Präsidenten, sondern inzwischen habe ich auch mit vielen anderen gesprochen, die dem zustimmen. Insofern sehe ich gute Chancen, dass sich dieses Verfahren in Berlin tatsächlich durchsetzen wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Wenn Sie damit einverstanden sind, dass dieser Antrag federführend im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mitberatend im Innenausschuss behandelt wird, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Das ist so beschlossen.
Ich weise darauf hin, dass die nächste Plenarsitzung vom 14. bis 16. November stattfinden wird und Sie wie immer rechtzeitig über Beginn und Tagesordnung informiert werden.
Ich schließe die heutige Sitzung und bedanke mich herzlich für Ihre Mitarbeit. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt und ein angenehmes Wochenende.