Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich Herr Kollege Dinkla zu Wort gemeldet. Die CDU-Fraktion hat noch knapp zehn Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine erste Bemerkung: Herr Kollege Hagenah, ich weiß gar nicht, wie wir es bislang im Wirtschaftsausschuss ohne Ihre Anwesenheit von der Kompetenz her geschafft haben! Ich habe Sie noch nie im Wirtschaftsausschuss gesehen, sondern es waren immer nur Ihre Kollegen da, Frau Steiner oder Herr Wenzel. Insofern sollten Sie sich da mal rückkoppeln.

Meine zweite Bemerkung. Herr Kollege Schurreit, Sie waren nicht gut beraten, auf die Rahmenbedingungen des Bundes im Hinblick auf Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk einzugehen. Das war ein klassisches Eigentor!

(Zustimmung bei der CDU - Klare [CDU]: Das kann man wohl sagen! - Schurreit [SPD]: Das ist doch dum- mes Zeug!)

Denn gerade über diese Schiene kommen Belastungen auf die Betriebe auch in Niedersachsen zu. Ob ich die Ökosteuer oder die einseitige Behandlung zulasten von Personengesellschaften und zugunsten der Kapitalgesellschaften nehme, alle diese Dinge kumulieren zusammen zu der Situation, wie sie sich gegenwärtig darstellt. Insofern hätten Sie zu diesem Punkt besser nichts gesagt. Im Ergebnis bedeutet das für die nächsten Jahre, dass die Unternehmen mehr Steuern aufbringen müssen. Was uns insgesamt fehlt, ist eine steuerliche Entlastung. Alle in diesem Land wissen, dass die Eigenkapitalbasis der Unternehmen viel zu gering ist, insbesondere im Bereich des Handwerks bei den kleinen Betrieben. Das ist die Situation, meine Damen und Herren.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Das ist aber nicht die Schuld von Rot-Grün!)

Man ist ja manchmal gut beraten, hier und da auch in alten SPD-Unterlagen nachzusehen. Ich habe einmal nachgesehen, was vor zwei Jahren in der Mipla, in der mittelfristigen Finanzplanung, in Niedersachsen stand. Dort stand der wunderbare Satz: „Die Realität wollte sich der Prognose nicht anpassen.“

(Heiterkeit bei der CDU)

Das ist ein hervorragender Satz, der wohl auch im Bereich der Wirtschaftspolitik in Niedersachsen konkret die Realität beschreibt. Es ist wirklich so! Die Realität in der Wirtschaft hat sich den Prognosen tatsächlich nicht angepasst. Wenn man klug beraten ist und manchmal in bestimmten Unterlagen - ich sage nur: Wahlprogramm 1998, ein Jahr Landesregierung Sigmar Gabriel, oder wenn man das tolle Heft „Niedersachsen - eine Erfolgsstory“ nicht allzu früh dem Altpapier zuführt - nachliest, was darin alles steht, kommt man zu starken Erkenntnissen.

Meine Damen und Herren, wer die konkrete wirtschaftliche Situation in Niedersachsen - Kollege

Möllring hat das bereits gesagt - mit steigenden Arbeitslosenzahlen und tiefen Einschnitten in der Beschäftigung namhafter Unternehmen und die Situation insbesondere im Handwerk,speziell in der Baubranche,sieht, kann doch förmlich mit Händen greifen, dass Niedersachsen als Bundesland im letzten Jahrzehnt insgesamt und besonders in den letzten Jahren im Bereich der Wirtschaft, des Handels und des Handwerks eben nicht optimal aufgestellt ist, um die Herausforderungen anzunehmen.

Hinweise gibt es beispielsweise auch in dem Pamphlet „Niedersachsen - eine Erfolgsstory“; „Niedersachsen - erfolgreichster Wirtschaftsstandort“. Zum Schluss kommt der Satz: „Die sozialdemokratisch geführte Landesregierung hat dafür in den vergangenen zehn Jahren in allen entscheidenden Bereichen die Weichen gestellt.“

(Beifall bei der CDU - Decker [CDU]: Nur in die falsche Richtung!)

Prost Mahlzeit, kann ich dazu nur sagen, meine Damen und Herren. Wer so etwas schreibt und dafür noch beim Wähler um Zustimmung bittet, der kann auch Telefonbücher auf der Frankfurter Buchmesse ausstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Was?)

Die Statistik wird hier getäuscht, und das Problem der Arbeitslosigkeit in Niedersachsen hat sich erheblich verschärft. Das ist doch keine Frage. Wenn man einen korrekten Vergleich vornimmt - ob das beim Bruttoinlandsprodukt oder in anderen Bereichen ist -, dann haben wir eine entschieden schlechte Stellung in Niedersachsen.

Wenn der Ministerpräsident, wie vor einigen Wochen in Goslar - nicht in Goslar; dort macht er das besonders gerne; in diesem Fall war es Osnabrück -, sagt: Niedersachsen ist Glanzlicht; wir liegen an der Spitze im Bundesgebiet, muss ich dazu sagen: er hat entweder die Zahlen nicht gelesen oder er sagt bewusst die Unwahrheit, weil er wahrscheinlich weiß, dass Ort niemand so exakt die Listen und die Zahlen kennt, wie er es eigentlich tun müsste.

Welche Weichenstellung hat die Landesregierung im letzten Jahrzehnt für den Investitionsbereich vorgenommen? Wo hat sie sich, Herr Minister Senff, für eine Entschärfung und Lösung der EUWettbewerbsnachteile für Speditionen und Gärtne

reien und auch im Baubereich gekümmert? Das müsste hier auch einmal genannt werden.

Wirtschaft und Mittelstand, Handwerk und Handel können wahrlich mehr erwarten als das, was von der Landesregierung seit Monaten geboten wird. Die Situation in den Kommunen möchte ich gar nicht erst ansprechen. Die Zeit reicht dafür nicht aus.

Allen im Haus ist bekannt, dass die Finanzmittel und der Finanzausgleich nicht ausreichen, um vor Ort auch die Beschäftigung von Mittelstand und Handwerk zu sichern. Das wäre eigentlich auch eine zentrale Herausforderung.

(Beifall bei der CDU)

Wenn aber Herr Minister Aller als erste Antwort nur weiß, dass im Zuge sinkender Steuermindereinnahmen auch der FAG noch entschieden gekürzt wird, kann sich jeder an fünf Fingern ausrechnen, was das vor Ort für Handwerk und Mittelstand bedeutet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben eben angesprochen, Frau Ministerin Dr. Knorre, dass auch im GA-Bereich zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen sollen und - das haben Sie auch im Wirtschaftsausschuss angekündigt eine schnellere Prüfung der Anträge erfolgt. Dazu muss ich sagen, dass es in den letzten Wochen, Monaten und Jahren entschieden zu lange gedauert hat, bis GA-Anträge auf der Ebene der Bezirksregierung letztendlich entschieden worden sind.

Manchmal hat man auf die Gesetze der Natur zurückgegriffen, nach dem Motto „erst das Stadium der Eiruhe, nach langer Pause dann bebrüten, und nach einem Jahr möglicherweise sagen: Jetzt entscheiden wir“. Ich meine, was wir erwarten müssen, ist eine schnelle Entscheidung. Das ist aber in vielen Fällen nicht erfolgt. Hier besteht Handlungsbedarf bei der Landesregierung und bei den Bezirksregierungen. Das will ich für die CDUFraktion ausdrücklich anmahnen.

Enttäuschend ist eigentlich auch, dass sich bei Arbeitnehmern und besonders bei den Arbeitslosen im Lande immer mehr das Gefühl festsetzt, dass sie für diese Landesregierung nur noch eine statistische Größe sind. Es geht um Einzelschicksale; es geht um eine massive Veränderung der Lebensplanung und oft um die Frage der Betroffenen, wie sie auch die Zukunft ihrer Kinder sichern können.

Es ist weit mehr, als nur eine Strichliste darüber zu führen, wie viele Arbeitslose mehr in Niedersachsen in der Statistik erfasst worden sind. Wenn die Landesregierung ihre Politik und ihr Augenmerk bei Problemfällen nur noch auf die Großbetriebe richtet, muss sie sich nicht wundern, wenn die Betriebe des Handwerks - das sind eben mehr als 72.000 Betriebe in Niedersachsen - maßlos enttäuscht sind.

Bei allem Verständnis, Frau Ministerin Dr. Knorre, für die Bedeutung, die Sie der Internetwirtschaft zumessen - das ist ja Ihr Lieblingsbereich; ich will das nicht kritisch in den Raum stellen - sage ich eines in aller Deutlichkeit: Es darf aber keine einseitige Betrachtung werden. Wir brauchen zwar künftig die Systemadministratoren im EDVBereich; wir brauchen aber auch künftig den Maurer, den Elektroinstallateur, den Klempner und den Installateur. Dafür müssen wir in Niedersachsen Beschäftigung sichern.

(Beifall bei der CDU)

Es mangelt landesweit nicht daran, dass keine Projekte vorhanden sind. Sie können aber nicht finanziert werden.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich möchte bei der Gelegenheit noch auf eines hinweisen. Es ist schon auffällig, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn zwei Tage vor der Plenarsitzung die Pressemitteilung vom MW ergeht, man habe nun jede Einzelmaßnahme in Niedersachsen darauf geprüft, ob man sie nicht vorziehen oder schneller realisieren könne. Der Antrag der CDU-Fraktion war eigentlich schon deshalb ein Erfolg, weil das gemacht worden ist, was wir in unserem Antrag gefordert haben.

(Beifall bei der CDU - Frau Steiner [GRÜNE]: Da seid ihr aber mit wenig zufrieden! - Hagenah [GRÜNE]: Da hätte auch ein Anruf genügt!)

Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie Initiativen auf Bundesebene umsetzt und dann nicht vor Entscheidungen einknickt, wie es immer wieder der Fall ist. Das ist dann konkretes Handeln für den Mittelstand in Niedersachsen.

Wir erwarten auch keine ergebnislose Umarmungstaktik, wie sie in Niedersachsen sehr ausgeprägt ist, sondern wir erwarten konkretes Handeln,

zügig und ergebnisorientiert. Die Politik des Achselzuckens gerade für die Probleme im Bereich der Wirtschaft des Mittelstandes in Niedersachsen muss ein Ende haben. Denn zwischen dem, was in Hochglanzbroschüren der Ministerien und den Erfolgsbilanzen des Ministerpräsidenten wirklich liegt, sind Welten, quasi Lichtjahre. Das ist das, was wir kritisieren. Wir wollen eine Politik für den Mittelstand und nicht nur schöne Erklärungen auf Hochglanzpapier. Damit kommen wir nicht weit und lösen kein Problem in Niedersachsen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die restlichen anderthalb Minuten Redezeit der CDU-Fraktion hat der Kollege Gansäuer um das Wort gebeten.

(Gansäuer [CDU]: Nein, ich nehme zurück!)

Er nimmt die Wortmeldung zurück. Dann hat der Kollege Schurreit das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass die Wirtschaftsweisen die Steuerpolitik der Bundesregierung sehr klar gelobt haben, und zwar erstens dass der Kaufkraftentzug durch die Ölpreissteigerung mehr als ausgeglichen worden ist, zweitens dass die fühlbare Senkung der Steuersätze der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Leistungsanreize dauerhaft erhöht haben und dass drittens - ich kann es eigentlich nur durch andere sagen lassen, weil der Prophet im eigenen Land nichts gilt, Herr Dinkla - Personenunternehmen auch nicht, anders als vielfach behauptet, gegenüber Kapitalgesellschaften benachteiligt worden sind.

Ich kann mich nur darauf stützen, was die Wirtschaftsweisen unterbreiten.

(Decker [CDU]: Das muss auch nicht alles richtig sein! - Heineking [CDU]: Sie müssen die Zahlen sprechen las- sen!)

Machen Sie also bitte Schluss mit diesen Märchen, die Sie immer wieder aufzutischen versuchen.

Ich wollte noch einmal deutlich machen, dass auch das Vergabegesetz, das der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion angekündigt hat, im Prinzip ein ähnliches Papier ist, bei dem Sie über Jahre hinweg nicht genau gewusst haben, was Sie wollten.

(Zuruf von Decker [CDU])

Auf der einen Seite haben Sie zugestimmt das zu machen, aber dann bitte bundeseinheitlich, dann aber haben sie wieder gesagt: eigentlich nicht, sondern zügiger und schneller in Niedersachsen. Am Ende haben Sie dann gar keine Position mehr vertreten. Ich bin nur gespannt, was Sie inhaltlich damit machen.

(Decker [CDU]: Wo ist denn Ihre Po- sition? - Frau Steiner [GRÜNE]: Ihr habt auch zwei Jahre gebraucht, bis ihr zur Erkenntnis gekommen seid!)

- Die inhaltliche Position ist dort, wo sie durch den Fraktionsvorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion dargestellt wird. - Sie werden dann Farbe bekennen müssen, ob Sie an dieser oder jener Stelle eine Maßnahme mit unterstützen.