Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Das Wort hat Frau Kollegin Evers-Meyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr McAllister, Ihr Antrag ist eigentlich überholt. Die Abwesenheit des Innenministers erklärt sich vielleicht dadurch, dass unser Finanzminister bereits bei der gestrigen Haushaltsdebatte ausführlich die Ablehnung dieses Antrages begründet hat.

Herr McAllister, ich muss Ihnen sagen, dass die von Ihrer Fraktion im Landtag geäußerte Kritik und Analyse im Hinblick auf die Entwicklung der Kommunalfinanzen nicht stichhaltig sind. Denn gerade die CDU/CSU war es, die zum einen gemeinsam mit ihrem damaligen gemeinsamen Koalitionspartner FDP die Gewerbesteuer immer mehr ausgehöhlt hat und sich zum anderen vehement für noch höhere Steuersenkungen mit der Folge erheblicher Steuerausfälle eingesetzt hat

(Beifall bei der SPD)

und - das hören wir immer wieder - sich auch weiterhin dafür einsetzt. Haben Sie eigentlich realisiert, dass Ihre Forderung, die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen, zu weiteren erheblichen Einnahmeausfällen bei den Kommunen führt?

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Genau!)

Bayern begründet seinen Antrag mit den aktuellen Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden sowie mit den nicht eingelösten Maßnahmen des Steuersenkungsgesetzes, die so genannten AfATabellen. Dies belegt nach Auffassung Bayerns, dass die beim Steuersenkungsgesetz getroffene Prognose über Mehreinnahmen bei den Kommunen im Verhältnis zu den übrigen Gebietskörperschaften fehlerhaft war und deshalb als Rechtfertigung für die Erhöhung der Umlage entfällt.

Auch wir in der SPD-Fraktion sehen die aktuelle Gewerbesteuerentwicklung mit Sorge.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Die Landesregierung hat sich deswegen nach Kräften dafür eingesetzt, dass die Belastungen in vertretbaren Grenzen gehalten werden.

(Dr. Stratmann [CDU]: Da waren die Kräfte aber schwach!)

Wir meinen, die Vermeidung von Steuerausfällen hilft den Kommunen mehr als eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage.

(Plaue [SPD]: So ist es!)

Vor dem Hintergrund einer notwendigen Weiterentwicklung des Gemeindefinanzsystems begrüßt meine Fraktion, dass die Bundesregierung eine Expertenkommission dazu einsetzen wird.

(Beifall bei der SPD)

Dabei muss die Frage der Zukunft der Gewerbesteuer nicht isoliert, sondern unter Einbeziehung der übrigen Einnahmen und Ausgaben und auch unter Berücksichtigung der sozialen Leistungen der Kommunen angegangen werden. Die Koalitionsfraktionen im Bund haben in Übereinstimmung mit der Bundesregierung erreicht, dass im Rahmen des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes eine Angleichung der gewerbesteuerlichen Organschaft an die körperschaftsteuerliche Organschaft vorgesehen ist. Das führt nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums zu Mehreinnahmen von

rund 1 Milliarde DM ab dem kommenden Jahr. Ebenso wird die Rechtslage zur so genannten Mehrmütterorganschaft korrigiert, wodurch weitere Gewerbesteuerausfälle verhindert werden. Man hat sich ebenfalls darauf verständigt, dass Versicherungskonzernen eine Verrechnung steuerlicher Verluste von Lebens- und Krankenversicherern mit Gewinnen von Sachversicherern auch künftig nicht möglich sein soll.

In der Sitzung des Vermittlungsausschusses am 11. Dezember wurden weitere Verbesserungen beschlossen, wie Finanzminister Heiner Aller bereits gestern ausführlich erläutert hat. Und zwar handelt es sich dabei um die Wiedereinführung der Gewerbesteuerpflicht für Dividenden aus so genanntem Streubesitz, die Beibehaltung des Verbots des Betriebsabgabenabzugs im Zusammenhang mit steuerfreien Erträgen, den Verzicht auf systemwidrige Neuregelungen bei der Grunderwerbsteuer.

Die Gewerbesteuereinnahmeminderungen in 2001, die sich übrigens sehr unterschiedlich auf die Gemeinden verteilen und insbesondere jene gewerbesteuerstärkeren Gemeinden treffen, die in den Vorjahren vom stetigen Wachstum der Gewerbesteuereinnahmen profitiert haben, sind auf viele Ursachen zurückzuführen; auf konjunkturelle Entwicklungen und auf bereits früher vorhandene steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die ich vorhin erwähnt habe, aber weniger auf das Steuersenkungsgesetz. Bund und Länder sind aufgrund vergleichbarer Ursachen genauso durch erhebliche Steuerausfälle belastet. Die meisten Länder verfügen nicht über den finanziellen Spielraum, die Absenkung zu finanzieren.

Mit Blick auf das Finanzierungsdefizit in den Ländern im Vergleich zu den westdeutschen Kommunen wird deutlich, dass eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage nicht angebracht und vor allen Dingen nicht finanzierbar ist. Bei einer Erholung der Konjunktur wird sich das Aufkommen der Gewerbesteuer voraussichtlich rasch wieder erhöhen.

Die Wirkungen der Maßnahmen des Steuersenkungsgesetzes werden sich erst in 2002 zeigen. Von daher geben die aktuellen Einbrüche des Jahres 2001 keinen Anlass dazu, dem Vorschlag Bayerns entsprechend die Gewerbesteuerumlage dauerhaft auf das Niveau vor Erlass des Steuersenkungsgesetzes zurückzufahren. Wir lehnen Ihren Antrag daher ab.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Finanzminister Aller.

(Golibrzuch [GRÜNE]: Oh nein!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Evers-Meyer hat heute hier in hervorragender Manier das vorgetragen, was ich hätte nicht besser sagen können.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Dann lassen Sie es doch!)

Sie hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der Tagesordnungspunkt im Kern schon im Rahmen der Besprechung der Dringlichen Anfrage der Fraktion der Grünen erörtert wurde und viele Details durch eine Vielzahl von Nachfragen verdeutlicht worden sind. Die CDU-Fraktion hat hier in der typischen Manier von Steuerpolitikern vorgetragen, die Aktionismus an die Stelle von kontinuierlicher und verlässlicher Steuerpolitik setzen. Es ärgert die CDU-Fraktion natürlich nach wie vor, dass die von der Bundesregierung unter Beteiligung von Grünen und SPD durchgesetzte Steuerreform den Reformstau beendet hat, der unter Kohl aufgebaut worden ist. Mit der Steuerreform wurde das getan, was getan werden musste: Die Entlastung der international tätigen Konzerne von Steuernachteilen, die Förderung des Mittelstandes und letztlich auch die Stärkung der Massenkaufkraft in diesem Land durch massive Umschichtungen zugunsten von Familien und Arbeitnehmern. Das ärgert Sie, und jetzt suchen Sie sich einzelne Aspekte der Entwicklung der Steuerreform heraus und debattieren sie isoliert.

Wenn Sie, Herr McAllister, den Bericht des Finanzplanungsrates gelesen hätten, dann hätten Sie zur Kenntnis nehmen können, dass die negative Entwicklung bei den Ländern wesentlich drastischer verläuft als bei den Kommunen. Weil diese Entwicklung flächendeckend in der gesamten Republik verläuft, gibt es nicht nur in Niedersachsen ein Problem mit der Finanzlage der Kommunen. Die Länderprognose musste von einem Minus in Höhe von 6 Milliarden DM auf 20 bzw. 17 Milliarden DM korrigiert werden; das Minus der Kommunen dagegen wird nur 3 bzw. 2 Milliarden DM betragen.

Dahinter steht eine Tendenz, die ich hier erstmals ansprechen möchte. Die Annahme, dass angesichts der schwachen Einnahmeentwicklung die Situationen im Bund, in den Ländern und in den Kommunen getrennt betrachtet werden können, ist falsch, weil das Finanzsystem ineinander greift. Das Zweite ist das Herausnehmen parallel laufender Diskussionen beispielsweise im Vermittlungsausschuss. Frau Evers-Meyer hat soeben die Verbesserungen genannt, die gegenüber der Ausgangslage für die Kommunen erreicht werden konnten. Es ist uns gelungen, Verbesserungen für die Kommunen und den Mittelstand zu erzielen.

Ich komme auf das zurück, was ich in der Antwort auf die Dringliche Anfrage gesagt habe. Wir verfolgen zwei Ziele: erstens die Stabilisierung der kommunalen Finanzen, damit die öffentliche Hand ihren Part bei der Nachfrage am Arbeitsmarkt und bei Investitionen spielen kann, und zweitens die Förderung des Mittelstandes, damit die Konjunktur anspringt und die Gründe für die gegenwärtige Finanz- und Steuerschwäche nachhaltig bekämpft werden können. Diesen Zusammenhang haben Sie völlig entkoppelt, und deshalb liegen Sie in Ihrer Beurteilung völlig falsch.

Das, was sich derzeit im Gewerbesteuerbereich abspielt, hat mit der Steuerreform nichts zu tun und ist ein kurzfristiger Effekt, der sich sofort umzukehren beginnen wird, wenn die Konjunktur anspringt.

(Dr. Stratmann [CDU]: Ja, wenn!)

Vor diesem Hintergrund ist das, was ich eben als Doppelstrategie bezeichnet habe, Herr Wiesensee, völlig richtig; denn die Einbrüche beim Gewerbesteueraufkommen haben etwas mit der allgemeinen Konjunkturlage,

(Wiesensee [CDU]: Nicht nur!)

etwas mit branchenspezifischen Problemen und zugegebenermaßen etwas damit zu tun, dass die Gewinne, die durch die Umstrukturierung von Großunternehmen weggedrückt werden können, auf die Gewerbesteuer durchschlagen. Aber auch das ist in dem Zusammenhang nichts Neues.

Ich will noch einmal das deutlich machen, was Frau Evers-Meyer hier gesagt hat. Wir haben verhindert, dass im Kontext der Veränderungen bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft Gewerbesteuerausfälle entstehen. Dadurch haben wir den Kommunen 1 Milliarde DM gesichert. Wir haben

im Vermittlungsausschuss die Wiedereinführung der Gewerbesteuerpflicht für Dividenden aus dem so genannten Streubesitz durchgesetzt. Wir haben dafür gesorgt, dass das Verbot des Betriebsabgabenabzugs im Zusammenhang mit steuerfreien Erträgen bestehen bleibt. Außerdem haben wir den Verzicht auf systemwidrige Neuregelungen der Grundwerbsteuer durchgesetzt. Das sind Bausteine zur Stärkung der Länderfinanzen und der kommunalen Finanzlage. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir die Gemeindefinanzreform in ruhigen Gesprächen diskutieren können. Dieser Weg ist richtig.

Mit Blick auf den Antrag der CDU-Fraktion, den wir als Nächstes beraten werden und der eine ähnlich schlechte Ausgangslage beschreibt, beschränkte ich mich darauf, festzustellen, dass Sie auf Steueränderungsgesetze verzichten wollen. Ich melde mich dann noch einmal unter dem nächsten Tagesordnungspunkt, weil ich ansonsten meine Redezeit jetzt überziehen würde. An Ihren Anträgen wird deutlich, dass Sie Rosinenpickerei betreiben, dass Sie opportunistisch einige Themen herausgreifen, aber kein steuerliches Gesamtkonzept haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung. Dieser Antrag soll federführend im Ausschuss für innere Verwaltung beraten und in den Ausschüssen für Haushalt und Finanzen sowie für Wirtschaft und Verkehr mitberaten werden. Wer so entscheiden will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Moratorium für Steuer- und Abgabenbelastungen: Neue Steuer- und Abgabenbelastungen schaden den Arbeitnehmern, der Wirtschaft und führen zum Arbeitsplatzabbau - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2934

Der Antrag wird vom Kollegen Althusmann eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Worte des Finanzministers gleich aufnehmen. Herr Finanzminister, das größte Problem, das auf diesem Land lastet, ist - trotz des Kompromisses zur Unternehmenssteuerreform, der jetzt im Vermittlungsausschuss des Bundestages und des Bundesrates ist - die Sprunghaftigkeit der Bundesregierung in der Steuergesetzgebung.

(Beifall bei der CDU)

Nichts ist für den Unternehmensstandort Deutschland schädlicher, als dass etwas - wie beispielsweise beim „Mittlere-Unternehmen-Erlass“ - zunächst gesetzlich abgeschafft und dann teilweise wieder eingeführt wird. Wo bleibt da eigentlich Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland? - Genau das ist das Problem, mit dem wir hier jetzt schon seit Jahren zu kämpfen haben.

Meine Damen und Herren, es dürfte unstrittig sein, dass unser Land unter einer viel zu hohen Abgabenlast leidet. Aber es dürfte ebenso unstrittig sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen auch unter der Untätigkeit der Landesregierung im Bundesrat leiden, die an diesem Zustand einer viel zu hohen Steuer- und Abgabenbelastung überhaupt nichts ändert.

In der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik des Landes Niedersachsen und des Bundes haben wir einen bedrohlichen Punkt erreicht. Die jüngste Umfrage der Landeszentralbank sieht Niedersachsen voll im Abschwung. Lassen Sie mich einmal daraus zitieren: Derart lausige Ergebnisse gab es noch nie in Umfragen unter Unternehmen in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, und dazu kommt die Situation auf der Bundesebene. Wir erreichen im Moment auf Bundesebene weder Stabilität des Preisniveaus noch ein angemessenes Wachstum. Lediglich die Exportquote ist noch ein Anker, an dem wir uns festhalten. Aber auch das Wachstum des Exports geht in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen deutlich zurück. - Das ist ein vernichtendes Urteil. Es stammt nicht von der CDULandtagsfraktion, sondern vom Sachverständigenrat der Bundesregierung. Dieses Urteil lässt aufhorchen. Auch eine Landesregierung muss sich einmal fragen, was sie dagegen unternehmen kann.

(Plaue [SPD]: Das ist so etwas von widersprüchlich! Das ist unglaubwür- dig!)

- Herr Plaue, wenn die amtseidliche Verpflichtung einer Landesregierung überhaupt noch einen Sinn machen soll, dann müssen wir jetzt gemeinsam mit Ihnen darüber nachdenken, wie wir immer neue Steuern und Abgaben zulasten der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes verhindern können. Die Ökosteuer, die Tabaksteuer, die Versicherungssteuer, neue Steuergesetze belasten die Bundesrepublik Deutschland ab 2002 mit über 10 Milliarden DM zusätzlich.