Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

- Herr Plaue, wenn die amtseidliche Verpflichtung einer Landesregierung überhaupt noch einen Sinn machen soll, dann müssen wir jetzt gemeinsam mit Ihnen darüber nachdenken, wie wir immer neue Steuern und Abgaben zulasten der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes verhindern können. Die Ökosteuer, die Tabaksteuer, die Versicherungssteuer, neue Steuergesetze belasten die Bundesrepublik Deutschland ab 2002 mit über 10 Milliarden DM zusätzlich.

(Plaue [SPD]: Haben Sie diese Rede mit McAllister abgestimmt?)

Das ist arbeitsplatzschädlich, arbeitnehmerfeindlich und konjunkturbremsend. Das ist überhaupt nicht im Sinne des Landes Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU – Plaue [SPD]: Keine Ahnung, wovon Sie sprechen!)

- Lieber Herr Plaue, ein gelegentliches Bellen als „Weltökonom an der Leine“ Richtung Berlin reicht nun einmal nicht aus. Der Ministerpräsident ist gerade nicht da. Wenn es um Niedersachsen geht, muss man vielleicht auch einmal ein wenig zubeißen und auch im Bundesrat Rückgrat zeigen, darf aber nicht, wie Sie dies in den letzten Jahren immer wieder getan haben, einknicken.

(Beifall bei der CDU)

Herr Plaue, von Ihnen wird doch offenbar nicht mehr wahrgenommen, dass sich dieses Land - die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Niedersachsen - bereits in einer Rezession befindet. Wer in einer Rezession an der Steuer- und Abgabenschraube dreht, vernichtet Arbeitsplätze und schadet dem Mittelstand in diesem Land. Deshalb muss das aufhören.

Meine Damen und Herren, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten abnimmt, gleichzeitig ein rot-grün regiertes Deutschland wachstumsschwächstes Land in Europa ist - das Sorgenkind der Europäischen Union -, das SPD-regierte Land Niedersachsen vorletzter ist, was die Arbeitsmarktdaten in Westdeutschland betrifft, dann kann man nicht mehr nur darüber lamentieren, ob man im Bundsrat eventuell einmal einen Antrag auf ein Moratorium gegen

weitere Steuer- und Abgabenbelastungen stellen könnte, sondern dann muss man handeln! Dann muss man in diesem Land endlich einmal die Schlagzahl erhöhen, um aus der Erstarrung herauszukommen!

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe gerne zu: Die Prognose des Sachverständigenrates vom letzten Jahr für dieses Jahr, die ein Wachstum von 2,8 % voraussagte, war eindeutig falsch. Wir werden im nächsten Jahr, 2002, auf das gesamte Jahr gesehen, am Ende wohl voraussichtlich nur noch bei 0,7 % landen. Aber wenn es falsche Weichenstellungen auf Bundesebene gibt, die fatale Folgen für das Land Niedersachsen haben, dann bitte ich Sie allen Ernstes, mit uns gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir die Betriebe, die Arbeitnehmer, die Menschen in diesem Land entlasten können und sie nicht mit zusätzlichen Steuern und Abgaben belasten.

Eines dürfte am Mittwoch falsch gewesen sein, lieber Herr Plaue. Sie haben davon gesprochen, dass wir in Niedersachsen ein Wachstum von 3 % hätten. Das stünde im Gegensatz zu allen anderen Wachstumsraten, die wir in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen haben. Das war eine Fehlprognose; das war bei Ihnen wahrscheinlich aber auch Selbsttäuschung.

Mit Sicherheit falsch ist die immer wieder wiederholte These, dass der 11. September, dass der Terroranschlag auf die USA letztlich Ursache für einen konjunkturellen Rückschlag gewesen ist. Ich will nur einmal daran erinnern: Keine 10 % der Exporte der Bundesrepublik Deutschland gehen in die USA. Richtig an dieser These bleibt, wenn sie denn im Ansatz richtig ist, lediglich, dass sich die Konjunktur der Bundesrepublik Deutschland immer an der Konjunktur der USA orientiert und wir grundsätzlich immer bei diesem Konjunkturverlauf mitschwingen.

Entscheidend dürfte vielmehr sein, dass die rotgrüne Bundesregierung entgegen ihren bisherigen Ankündigungen, entgegen dem, was wir tagtäglich in den Zeitungen lesen, die Ausgabenpolitik ausgeweitet hat, die Steuereinnahmen und insbesondere die Privatisierungserlöse - seit 1998 hat sie aus Privatisierungserlösen immerhin über 165 Milliarden DM eingenommen - auf Bundesebene nicht genutzt hat, um damit gleichzeitig die Schulden und die Sozialabgabenbelastung in der Bundesrepublik Deutschland zu senken. Vielmehr ist sie den

umgekehrten Weg gegangen und hat das Land sogar an die Verschuldungsgrenze von 3 % des Bruttoinlandsproduktes herangeführt.

Deshalb dürfen wir uns nicht wundern, wenn heute bzw. im nächsten Jahr die Sozialabgabenquote bei rd. 42,5 % liegen wird. Die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes schadet dem Mittelstand auch in Niedersachsen ebenso wie ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit oder das 630-DM-Gesetz. Das ist nicht mittelstandsfreundlich für unser Land.

Niedersachsen ist ein großes Flächenland mit einer eigentlich vernünftigen Infrastruktur. Aber mit solchen Weichenstellungen vernichten wir genau das, was im Ansatz eventuell noch heraufzuziehen wäre.

Wenn in Niedersachsen ein Handwerker mehr als vier Stunden arbeiten muss, um eine Arbeitsstunde eines Handwerkerkollegen bezahlen zu können, dann ist das eindeutig zu hoch.

Die Folgen dieser Politik nur einmal im Zeitraffer: geschätzte Umsätze der Schwarzarbeit 660 Milliarden DM, bundesweit 33 000 Insolvenzen - das ist ein Plus von 19 %; in Niedersachsen ein Plus von 30 % -, erstmals sinkt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Beschäftigtenzahl in der Bauindustrie unter eine Million Arbeitnehmer, in Niedersachsen minus 14 % Umsatz in der Baubranche, Baugenehmigungen minus 7 %, Arbeitsplätze minus 11 000. Auch bei den Gewerbeanmeldungen ist Niedersachsen Schlusslicht.

Solange wir diese strukturellen Probleme nicht anpacken wollen und auch den Bundesrat nicht dazu nutzen wollen – selbst eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung ist hier in der Pflicht -, werden wir die Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland nicht entsprechend senken können.

Nicht nur Ihre Parteifreunde haben es mit Ihnen nicht leicht. Zunächst wurde alles besser, dann wurde alles niedersächsischer, dann wurde alles international bzw. global, und inzwischen sind wir auch nach diesen Haushaltsberatungen auf dem Boden der Tatsachen angelangt.

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht dieses Land und wir wollen auch nicht die hier lebenden und arbeitenden Menschen schlechtreden. Aber wer wie die Wirtschaftsministerin Frau Dr. Knorre – sie ist ebenfalls nicht anwesend – nach wenigen Monaten feststellt, dass wir in Niedersachsen beim

Autobahnbau über 20 Jahre hinterherhinken, dass die Förderlandschaft für den Mittelstand zu unübersichtlich ist, dass die Antragsbearbeitungszeiten mit 15 Monaten zu lang sind, der dürfte als Kabinettsmitglied nie die Hand dafür heben, dass in diesem Land, dass in Niedersachsen die Abgaben und Gebühren bis zum Jahre 2003 noch einmal um 38 Millionen Euro angehoben werden. Das ist unredlich, lieber Herr Plaue, auch wenn Sie jetzt lachen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Schlag gegen den Mittelstand, den Sie immer mit Ihrem angeblich Ganzheitlichen Mittelstandskonzept verteidigen.

Das Gleiche gilt für die Steigerung der Steuern und Abgaben sowie der Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei einem Einkommen von 100 000 DM ergibt sich in diesem Jahr eine Mehrbelastung von mindestens 1 000 DM. Bereits bei einem Einkommen von 7 500 DM monatlich wird auch ein niedersächsischer Arbeitnehmer zu über 50 % mit Steuern und Abgaben belastet. Von daher fordern wir Sie eindringlich auf, im Bundesrat endlich in die Hände zu spucken und die nächste Stufe der Ökosteuer, die für den 1. Januar 2002 vorgesehen ist, aufzuhalten, die Erhöhung der Tabaksteuer und höhere Versicherungssteuern zu stoppen. Sie entziehen sonst Niedersachsen, unserem Bundesland, immerhin eine Nachfragesteigerung von 1,3 Milliarden DM, die hier in Niedersachsen sinnvoll investiert werden müssten, die hier ausgegeben werden müssten, um hier Arbeitsplätze zu schaffen.

(Zuruf von Wegner [SPD])

Es ist ein Unding, dass die Bundesregierung den Ländern 565 Millionen DM, lieber Herr Wegner, für den Bereich ÖPNV und für den Aufbau Ost entzogen hat. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Rede von Herrn Thierse hier in diesem Parlament, der darüber sprach, ob man nicht noch mehr in die ostdeutschen Bundesländer investieren müsste. 565 Millionen DM fehlen für die Investitionstätigkeit auch in Niedersachsen.

(Möhrmann [SPD]: Er kann nicht rechnen!)

Die nächste Stufe der Ökosteuer, die Erhöhung der Tabaksteuer, höhere Versicherungssteuern sind nicht gerechtfertigt. Ein Blick auf die Steuereinnahmen des Jahres 1998 beweist, dass wir heute

trotz neuester Steuerschätzungen über 24,6 Milliarden DM mehr auf Bundesebene zu verzeichnen haben. Wer gleichzeitig die Konsumquote auf 18 % ausweitet und die Investitionen um 10 % herunterfährt, darf nicht darauf hoffen, dass in Niedersachsen eine wohlgefällige Landesregierung sitzt, die jede Kröte schluckt, bis sie ihr womöglich mal im Halse stecken bleibt.

(Plaue [SPD]: Das ist Weltökonomie aus der Sicht einer Panzerschnecke, was Sie da machen!)

Wir brauchen ein Moratorium, Herr Plaue, für die Steuer- und Abgabenbelastung in Niedersachsen. Ein Moratorium dient ja auch zur Besinnung in einer besinnlichen Zeit. Dieses Moratorium ist für unser Land wichtig, weil es um Niedersachsen geht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe jetzt die Wortmeldung der Frau Kollegin Stief-Kreihe auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Althusmann, ich hatte mich schon gefragt, wann Sie denn eigentlich in Ihren Ausführungen zu Ihrem Antrag kommen. In der letzten Minute haben Sie noch die Kurve gekriegt. Alles andere war viel Gerede, aber nicht zu den Punkten, die in Ihrem Antrag stehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen zum krönenden Abschluss einer Sitzungswoche. Der krönende Abschluss liegt nicht nur darin, dass die Sitzungswoche zu Ende geht, sondern ich meine, ein krönender Abschluss ist dieser Antrag, den man eigentlich auch im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen sehen muss. Ich verstehe die Damen und Herren von der CDU-Fraktion nicht, warum sie diesen Antrag nicht auch in Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen eingebracht haben, wie wir das mit unserem Antrag gemacht haben.

(Zuruf von der CDU: Wir machen immer alles besser!)

Dieser Antrag zeigt - auch das ist vielleicht ein Vorteil bei der separaten Einbringung - deutlich

den Arbeitsstil der CDU. Dieser Antrag zeigt nämlich wiederum deutlich, wie unehrlich und scheinheilig Sie mit bestimmten Punkten hier im Parlament und auch draußen in der Öffentlichkeit umgehen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist eine böse Unterstel- lung!)

Würden Sie Ihren eigenen Antrag ernst nehmen, dann hätten Sie, wie gesagt, diesen Antrag mit zu den Haushaltsberatungen eingebracht, wie wir das mit unserem Antrag „Haushalt 2002/2003 - besonnene Anpassung an ökonomische Rahmenbedingungen“ gemacht haben.

Sie erwarten eine besondere Aufmerksamkeit für Ihren Antrag. Dann müssen Sie sich aber auch die Frage gefallen lassen, warum Sie die in Ihrer Begründung genannten eventuellen Gebührenerhöhungen, die in Höhe von 38 Millionen Euro in Einzelplan 13 als globale Mehreinnahmen verankert sind, nicht in Ihrem Änderungsantrag zum Einzelplan 13 wieder als globale Mindereinnahme aufgenommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Scheinheilig und unehrlich ist das deswegen, weil Sie diese 38 Millionen Euro kassiert haben. Sonst wäre erst recht deutlich geworden, dass Sie nun wirklich überhaupt keine Gegenfinanzierung zu Ihren Forderungen aufweisen können.

Herr Plaue und Frau Litfin haben gesagt, Sie könnten gerade mal fünf Monate ihre geforderten 2 500 Lehrer bezahlen. Jetzt können Sie mal überlegen, wenn Sie das auch noch mit hineingenommen hätten, wie viel Sie dann noch bezahlen könnten. Das heißt, alles wäre zusammengebrochen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion beantragt, im nächsten Jahr auf alle Gebühren- und Abgabenerhöhungen zu verzichten. Wir sagen in unserem Antrag: Zur Sicherung der Haushaltskonsolidierung müssen u. a. die rechtlichen Voraussetzungen für Einnahmeverbesserungen im Bereich der Gebühren- und Auslagenerstattung durch eine kurzfristige Anpassung der Allgemeinen Gebührenordnung geschaffen werden.

Die Gebührenregelung des Landes, insbesondere die „Allgemeine Gebührenordnung“, soll im Jahre

2002 dahin gehend überprüft werden, ob und inwieweit Kostensteigerungen im Personal- und Sachkostenbereich eine Anpassung der geltenden Gebühren erfordern. Das ist eine Notwendigkeit, die wir uns nicht einfach ausgedacht haben, sondern die sich aus dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz ergibt. Denn Gebühren sind kostendeckend zu erheben, und geltende Gebührenregelungen sind fortlaufend auf Vollständigkeit zu überprüfen.