Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Gabriel kann, wie heute Morgen mitgeteilt worden ist, heute Vormittag in der Tat nicht im Plenum sein.

(Frau Zachow [CDU]: Kann? - Buse- mann [CDU]: Will! Vorsatz!)

Der Grund ist, dass der Verkehrsgerichtstag in Goslar stattfindet.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Der findet wohl nur wegen Herrn Gabriel dort statt!)

Dieser Verkehrsgerichtstag könnte in jeder anderen deutschen Stadt stattfinden. Er findet traditionsgemäß in Goslar statt.

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich doch bitte einmal an, welche Referenten dort aufgetreten sind und warum Ministerpräsident Gabriel darum gebeten worden ist, heute die Eröffnungsrede zu halten. Lassen Sie mich Ihnen vorlesen, was Herr Nehm, der Präsident der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft, gegenüber dpa erklärt hat:

„Aufgrund der aktuellen Berichterstattung in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung „Ministerpräsident verärgert Ältestenrat“ sehe ich mich veranlasst, auf folgendes hinzuweisen:

Die Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft, die den Verkehrsgerichtstag seit 40 Jahren in Goslar ausrichtet, begrüßt es außerordentlich, dass der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen sich bereit erklärt hat, anlässlich der Jubiläumstagung des Deutschen Verkehrsgerichtstages am 24. Januar 2002 den Plenarvortrag zu halten; dies umso mehr, als der Bundespräsident seine bereits zugesagte Teilnahme im Hinblick auf eine Auslandsreise absagen musste. Die Anwesenheit von Herrn Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel unterstreicht die Verbundenheit des Deutschen Verkehrsgerichtstages mit dem Tagungsort Goslar und dem Land Niedersachsen.“

Meine Damen und Herren, wenn das nicht im Interesse des Landes Niedersachsen ist, dann weiß ich nicht, welche Maßstäbe Sie anlegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Wi- derspruch bei den GRÜNEN und La- chen bei der CDU)

Ich weise darauf hin, dass auf dem 39. Verkehrsgerichtstag Frau Professor Jutta Limbach als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts geredet hat. Ich erinnere daran, dass auf dem 36. Verkehrsgerichtstag Professor Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen, geredet hat und auf dem 30. Verkehrsgerichtstag Professor Roman Herzog, immerhin Bundespräsident.

(Vizepräsident Gansäuer übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, ich verstehe die Aufregung auf Ihrer Seite und sage Ihnen auch, weshalb

Sie so aufgeregt sind. Sie regen sich nicht auf, weil der Ministerpräsident heute nicht hier sein kann und dass wir ihm zugestanden haben, im Interesse des Landes Niedersachsen dorthin zu fahren. Ihre Aufregung hängt vielmehr damit zusammen, dass wir uns in der so genannten fünften Jahreszeit befinden, in der man als Opposition jede Chance nutzt, um der Landesregierung am Zeug zu flicken. Meine Damen und Herren, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Wi- derspruch bei der CDU)

Frau Pothmer, lassen Sie mich in der Sache Folgendes hinzufügen: Es geht doch nicht an, dass wir im Ältestenrat vereinbaren, dass z. B. Minister Aller an Sitzungen von Gremien des Bundesrates teilnimmt und Sie hinterher der Bild-Zeitung stecken, dass er hier fünfmal geschwänzt habe.

(Adam [SPD]: Pfui!)

Meine Damen und Herren, auch das war im Interesse des Landes Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir sollten uns auch daran erinnern, wie wir Parlamentarier mit Veranstaltungen umgehen, wenn zeitgleich das Parlament gefordert ist. Lassen Sie mich Ihnen nur einen Hinweis geben; ich könnte derer viele geben. Während der letzten Plenarsitzung hat das Niedersächsische Landvolk eine Veranstaltung durchgeführt. Was glauben Sie, aus welcher Fraktion dort Parlamentarier anwesend waren, während hier eine Plenarsitzung stattfand, und aus welcher Fraktion nicht? Ich bitte, auch das zu bedenken.

(Beifall bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Sind wir die Regierung? - Gegenruf von Plaue [SPD]: Also ihr dürft alles! Ihr seid mir saubere Par- lamentarier!)

In diesem Sinne will ich noch darauf hinweisen, dass wir in der Erkenntnis, dass es natürlich Tagesordnungspunkte gibt, bei denen die Anwesenheit des Ministerpräsidenten sinnvoll ist, angeboten haben, diese Punkte dann zu behandeln, wenn Herr Gabriel wieder da ist. Darauf sind Sie nicht eingegangen.

(Plaue [SPD]: Hört, hört!)

Von daher lehnen wir Ihren Antrag, den Ministerpräsidenten hierher zu zitieren, ab.

(Starker Beifall bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Das stimmt nicht! Das war wirklich die Unwahrheit! - Gegenruf von Plaue [SPD]: Das ist doch falsch, was Sie da sagen! Sie nehmen doch gar nichts mehr wahr!)

Das Wort hat der Kollege Schünemann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal ist Folgendes festzustellen: Herr Möhrmann, Sie waren in der Sitzung nicht anwesend. Ihnen ist falsch berichtet worden. Es ist zu keinem Zeitpunkt angeboten worden, die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte zu ändern.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Es ist festzustellen, dass Ihr Fraktionsvorsitzender diese Debatte in einer sehr arroganten Art und Weise geführt hat. Ich will darauf nicht weiter eingehen, weil das eine nichtöffentliche Sitzung betrifft. Aber es bleibt festzustellen, dass das ein peinlicher Auftritt war.

(Beifall bei der CDU)

Zur Sache selbst, meine Damen und Herren. Der Ministerpräsident philosophiert seit vielen Wochen und Monaten über die Würde der Parlamente, über die Bedeutung von Länderparlamenten, will eine Föderalismusdebatte anschieben und vertritt die Auffassung, dass die Länderparlamente gestärkt werden müssen. Wie ernst er diese Debatte aber tatsächlich nimmt, zeigt er mit dem Verhalten, das er heute an den Tag legt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Herr Möhrmann, Frau Pothmer hat völlig zu Recht die bisher geübte Praxis dargelegt, dass die Abwesenheit von Mitgliedern der Regierung anlässlich Ministerpräsidentenkonferenzen oder Ministerkonferenzen keiner Diskussion bedarf. Ich habe Sie dafür bewundert, dass Sie im Ältestenrat immer darauf hingewiesen haben, dass die Teilnahme von Regierungsmitgliedern an solchen Konferenzen für

Sie wichtig ist. Wenn Minister einmal Anträge gestellt haben, wenn es also nicht darum ging, dann haben Sie immer versucht, darauf hinzuwirken, dass so etwas nicht geschieht. Daran kann ich mich noch gut erinnern.

(Beifall bei der CDU)

Im Dezember ging es um die Frage, ob der Innenminister bei der Landesdelegiertenkonferenz der GdP sprechen sollte. Sie haben im Ältestenrat dafür gekämpft, Herr Möhrmann.

(Möllring [CDU]: Und verloren!)

Einstimmig ist im Ältestenrat abgestimmt worden, dass der Minister dort nicht hinfährt.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das war ihm aber schnurz!)

Der Minister hat den Ältestenrat und damit natürlich auch den Präsidenten in dieser Angelegenheit nicht ernst genommen und ist trotzdem hingefahren. Das ist für mich noch heute ein ungeheuerlicher Vorgang.

(Starker Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es kann doch nicht angehen, dass ein Ministerpräsident oder ein Minister seine Teilnahme an einer - möglicherweise auch wichtigen - Veranstaltung hier im Lande zusagt, obwohl eine Plenarsitzung stattfindet, ohne dass er im Vorfeld die Parlamentarischen Geschäftsführer einbezieht. Man könnte doch durchaus schon, bevor man zusagt, Kontakt mit dem Parlament aufnehmen und unter Hinweis darauf, dass es sich um eine wichtige Veranstaltung handelt, anfragen, ob in diesem Fall nicht eine Ausnahme zugelassen werden könnte. Wenn die Kommunikation in solchen Fragen gesucht würde, könnte man vielleicht auch darauf hinwirken, dass der Ministerpräsident auf solchen Veranstaltungen eben nicht sprechen müsste, während hier eine Plenarsitzung stattfindet. Denn auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar findet ja nicht nur ein paar Stunden statt, sondern ein paar Tage lang. Insofern könnte man doch einmal darüber nachdenken, ob man es nicht einrichten könnte, dass der Ministerpräsident auf einer solchen Veranstaltung dann spricht, wenn hier im Parlament über nicht so wichtige Punkte beraten wird.

(Beifall bei der CDU - Zurufe bei der SPD)

- Nun regen Sie sich doch nicht so auf! - Einerseits sagen Sie, dass die Interessen des Landes beeinträchtigt wären, wenn Mitglieder der Landesregierung an solchen Veranstaltungen nicht teilnehmen würden; andererseits werden Sie dann, wenn wir Ihnen Wege aufzuzeigen versuchen, wie man beides miteinander vereinbaren könnte, unruhig. Das kann ich nicht verstehen. Insofern sind Sie auch nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Ministerpräsident nicht nur hier im Parlament eine besondere Stellung einnimmt und eine Vorbildfunktion hat.

(Adam [SPD]: Eine Schande für das Land Niedersachsen, was hier ab- läuft!)

Natürlich muss man sich auch vergegenwärtigen, welches Bild dadurch bei denjenigen entsteht, die ihrer Arbeit Tag für Tag - z. B. in Schulen - nachgehen müssen.

(Beifall bei der CDU - Oh! bei der SPD)

- Warten Sie doch bitte einmal ab. - Diese Beschäftigten haben vielleicht auch andere, sehr wichtige Termine und können sie nicht wahrnehmen, weil sie eben arbeiten müssen.

Meine Damen und Herren, meines Erachtens wird der Ministerpräsident in dieser Frage seiner Vorbildfunktion überhaupt nicht gerecht. Ich meine, wenn wir das Parlament wirklich ernst nehmen wollen, dann müssen wir alles daran setzen, dass bei wichtigen Debatten der Ministerpräsident hier anwesend ist. Eigentlich muss er immer anwesend sein, es sei denn, die Interessen des Landes sind wirklich gefährdet, wenn er nicht an Veranstaltungen teilnimmt. Das sehe ich hier nicht!