Wir legen großen Wert darauf, dass bereits bestehende Angebote, die zum Teil sehr gut laufen, weitergeführt und ergänzt werden können. Unser wichtigster Ansatz in dieser Frage ist die Freiwilligkeit des Nachmittagsangebotes. Wir rechnen damit, dass zwischen 20 und 40 % der Schülerinnen und Schüler das Angebot annehmen werden. In der Freiwilligkeit liegt die besondere Chance für das Gelingen dieses Angebotes. Ich halte es für sehr problematisch, wenn man so etwas verpflichtend einführt. Ich glaube, je mehr man solche Angebote als Pflichtveranstaltungen konzipiert, wie Sie sie für zwei Tage vorsehen, desto mehr gefährdet man das Konzept insgesamt. Sie müssen sich einmal anschauen, wie einige Schüler aussehen, wenn sie nur drei oder vier Stunden Unterricht genossen haben. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass es für alle Beteiligte ein Horror würde, wenn diese Schüler gegen ihren Willen verpflichtet würden, den Nachmittagsunterricht zu besuchen.
Das geht zulasten aller: der Jugendlichen und natürlich der Betreuer und der Lehrkräfte. Eine Pflichtveranstaltung am Nachmittag in unserer gesellschaftlichen Situation und unter den gegenwärtigen familiären und gesellschaftlichen Bedin
Ich sage das bewusst so: Das wäre auch ein Akt gegen unsere Familien, die ihre familiäre Situation so organisiert und ausgerichtet haben, dass sie z. B mit ihren Kindern gemeinsam Mittag essen oder ihre Kinder nachmittags gerne zu Hause haben wollen.
Unser Angebot ist in diesen Fragen offen und versucht nicht, irgendwelche Pflichtveranstaltungen überzustülpen. Ich glaube, dass Sie mit Ihrem Konzept an dem Willen der Bürger, der Eltern und Jugendlichen vorbeigehen.
Im Übrigen ist das auch eine finanzielle Frage, über die wir noch einmal nachdenken müssen, obwohl wir heute abstimmen werden. Der Landkreis Diepholz hat einmal ausgerechnet, was eine nachmittägliche Pflichtveranstaltung an zwei Wochentagen, so wie es Ihr Konzept vorsieht, im baulichen Bereich an zusätzlichen Kosten bedeuten würde. Die Verwaltung des Landkreises Diepholz hat ermittelt, dass man von einer Größenordnung von 1 Million Euro bis 1,5 Millionen Euro je Schule ausgehen müsste und dass allein das zusätzliche Personal, das im Falle einer Pflichtveranstaltung für 600 bis 800 Schüler z. B. für die Einnahme des Mittagessens vorgehalten werden müsste - Küche, Abwaschen usw. -, pro Schule zwischen 30 000 bis 50 000 Euro kosten könnte. Das sind, wie gesagt, nicht meine Zahlen, sondern die Zahlen der Verwaltung des Landkreises Diepholz. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diese Gesichtspunkte zu berücksichtigen, noch einmal ins Eingemachte zu gehen, auch die Kosten zu bedenken und den Finanzierungsvorschlag nicht schuldig zu bleiben.
Ich warne Sie dringend vor Folgendem: Verknüpfen Sie bitte nicht die Zusagen von Ganztagsangeboten mit Entscheidungen von Schulträgern für die von Ihnen favorisierten integrierten oder kooperativen Schulmodelle.
Meine Damen und Herren, diese Ungleichbehandlung würden wir nicht hinnehmen. Ich garantiere Ihnen, dass diese Ungleichbehandlung auch die
Eltern nicht akzeptieren würden, wenn Sie ihnen und den Schulen die Selbstständigkeit nehmen würden.
Meine Damen und Herren, unser Konzept baut auf ein sehr erfolgreiches Modell des ehemaligen Kultusministers Horst Horrmann auf. Das war die Ganztagsbetreuung an unseren Schulen im Jahr 1989, die an 40 Standorten installiert worden war.
Wir haben wirklich positive Erfahrungen mit diesem Modell gemacht. Ich bitte Sie, das noch einmal nachzulesen. Das ging sogar so weit, dass die Jugendlichen um 17 Uhr nach Hause geschickt werden mussten. Das war Realität! Das war natürlich ein großer Aufwand.
SPD und Grüne wollen unser Konzept leider ablehnen. Meine Damen und Herren, ich werfe Ihnen vor, dass Sie sich entweder nicht ausreichend mit unserem Konzept befasst haben oder - das wäre genauso schlimm - dass Sie parteitaktische Überlegungen voranstellen und die Interessen der Kinder hintanstellen. Das wäre schädlich. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Ich bedanke mich bei dem Kollegen Klare dafür, dass er die Redezeit, die der CDU-Fraktion zur Verfügung stand, auf die Sekunde genau eingehalten hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Klare, Sie können davon ausgehen, dass wir in dieser Frage mit Sicherheit nicht parteitaktisch agieren, wie Sie es gesagt haben,
sondern dass genau die Interessen der Kinder, der Jugendlichen und ihrer Eltern im Mittelpunkt unseres Konzepts stehen.
Die PISA-Untersuchung hat deutlich gemacht - Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen -, wie wichtig das Konzept von Ganztagsbetreuung ist. Nicht ohne Grund ist es eine Tatsache, dass die Länder, die bei der PISA-Untersuchung im Schnitt bessere Ergebnisse als Deutschland vorweisen können, mit Ganztagsangeboten, mit Ganztagsschulsystemen arbeiten. Das sollte uns in Deutschland sehr wohl zu denken geben. Natürlich hat es historische Ursachen, dass in anderen Ländern solche Modelle schon seit längerer Zeit vorhanden sind. Wir sollten uns den positiven Ergebnissen dieser Länder nicht verschließen. Dankenswerterweise haben Sie darauf ja auch rekurriert, nur bleiben Sie stehen, wenn es darum geht, die Konsequenzen zu ziehen.
Der entscheidende Punkt ist folgender: Gerade vor dem Hintergrund der bekannten und offensichtlich immer schwieriger werdenden Situation zahlreicher Kinder und Jugendlicher kommt der Ganztagsbetreuung eine zentrale Aufgabe zu. Auch der Aspekt der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätigkeit ist von uns in dem Modell, wie wir es vorschlagen, in den Mittelpunkt gestellt worden. Die Zahl allein erziehender Eltern - auch das haben Sie richtigerweise angesprochen - ist ein Indiz dafür, dass wir mit diesem Modell auch auf ein Bedürfnis reagieren. Daher ist das nicht nur ein familienpolitisch, sondern auch - allein erziehend sind zum großen Teil die Frauen - ein frauenpolitisch notwendiger Schritt nach vorn. Die Akzeptanz der Ganztagsschulen ist sehr groß. Nach dem Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Schulentwicklungsforschung gibt es im Westen Deutschlands für Ganztagsschulangebote eine Akzeptanz von 49 % und im Osten Deutschlands eine von 47 %.
(Frau Mundlos [CDU]: Was ist mit den übrigen Ländern? Was zählt der Elternwille in den übrigen Ländern?)
Unser Konzept sieht vor, dass in der Schule Nachmittagsangebote an vier Tagen mit jeweils zwei Stunden realisiert werden. Das Grundmodell sieht an zwei Tagen Unterricht vor in Form von Förderstunden, Arbeits- und Übungsstunden, Arbeitsgemeinschaften und Verfügungsstunden sowie
an zwei Tagen Freizeitangebote, freiwillige Arbeitsgemeinschaften; da steht also der Aspekt der Freiwilligkeit im Vordergrund.
Unser Ziel ist es natürlich, dass in dieser Frage insbesondere mit außerschulischen Einrichtungen zusammengearbeitet wird. Das ist, denke ich, auch richtig so. Neben dem Aspekt der Freiwilligkeit sehen wir die Beschulung am Nachmittag als entscheidend an. Im Übrigen ist es vielleicht ganz interessant, einmal festzuhalten, dass das Modell, das Sie haben, von der Bayerischen Staatsregierung realisiert wird. Der Bayerische Städtetag hat dieses Modell kritisiert. Er hat gesagt: Die Bayerische Staatsregierung gibt der reinen Aufsichtsbetreuung am Nachmittag den Vorzug, statt, wie es richtig wäre, die pädagogischen Vorzüge der Ganztagsschule zu nutzen. - Das heißt eben auch: Verpflichtung am Nachmittag.
Für uns ist sind Zusammenarbeit und das Zusammenwirken unterschiedlicher Schülerinnen und Schüler notwendig - das haben wir auch in der Diskussion im Ausschuss ganz klar zum Ausdruck gebracht -; die Aspekte des Voneinander-Lernens und der gegenseitigen Befruchtung sind in diesem Fall sehr wichtig. Natürlich wollen wir - das ist ganz eindeutig - keine Zwangsoptionen. Wir wollen die Möglichkeiten der Entwicklung von Schülerinnen und Schülern in Sportvereinen, Musikschulen usw. nicht behindern, sondern wir sehen die Chance der Zusammenarbeit von Schulen mit solchen Einrichtungen als gewährleistet an.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir seit dem Regierungsantritt die Weiterentwicklung der Ganztagsangebote gezielt betrieben haben. Das ist von 33 Schulen auf derzeit 130 Standorte gesteigert worden. Mit dem, was wir jetzt in die Wege leiten, werden wir das innerhalb von fünf Jahren auf dann 270 Standorte gesteigert haben. Die Ganztagsangebote werden für die jeweilige Region und für die daran beteiligten Schulen maßgeschneidert sein. Nach dem Konzept wollen wir die Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen in den Vordergrund rücken. Wir wollen die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler stärken. Wir wollen damit insbesondere die pädagogische Gestaltung des Unterrichts und des Freizeitangebots realisieren. „Schule öffnen“, das ist der entscheidende Punkt hierbei.
Was wir vorlegen, wird offensichtlich insbesondere auch von den Kommunen bewusst gewollt, und zwar nicht nur von irgendwelchen sozialdemokratisch geführten Kommunen. Dazu möchte ich auf einen Artikel in der Kreiszeitung in Diepholz vom 5. Februar 2002 hinweisen, in dem ein gewisser Abgeordneter Karl-Heinz Klare zitiert wird. In dem Artikel heißt es wie folgt:
„Auf Grün stehen offenbar die Zeichen für die Ganztagsbetreuung im Schulzentrum Twistringen. Zwar muss zunächst die Stadt einen Antrag an den Landkreis, und der einen Antrag ans Land stellen; doch Klare äußerte sich tendenziell positiv zu dem Plan.
Die Betreuung wäre an zwei Tagen verpflichtend, an zwei Tagen freiwillig und würde sich wahrscheinlich bis 16 Uhr erstrecken. Vielleicht, so Klare, könne das Angebot ab Sommer sichergestellt werden... Mit dem Ganztagsangebot werde dem Wunsch vieler Eltern entsprochen, so Klare...“
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das ist genauso wie bei den „Verlässlichen Grundschulen“. Auch dabei war es am Anfang so, dass insbesondere die CDU überall im Land erzählt hat, was für ein schlechtes Konzept das sei. Wer in den Kommunen hat anschließend die Anträge gestellt?
CDU-Bürgermeister, CDU-Landräte, CDUKreistagsabgeordnete haben erklärt: Das Konzept wollen wir haben. - Das Verhalten von Herrn Klare ist exemplarisch für die Widersprüchlichkeit der CDU in dieser Frage.
Einerseits stellt man sich hier hin und mosert dagegen, und andererseits beantragt man es vor Ort. Ich danke Ihnen, Herr Klare, dafür, dass Sie so ein Fürsprecher unseres Modells sind.
(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Dann stimmen Sie doch zu! - Klare [CDU]: Wo liegen wir denn auseinander? In zwei Unterrichtsstun- den! Haben Sie das gar nicht be- merkt? - Weitere Zurufe)
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Gespräche über die Bänke hinweg einzustellen. Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde wäre es überhaupt nicht nötig gewesen, dass wir das Thema in der abschließenden Beratung strittig behandeln. Betrachten wir einmal das, was wir gemeinsam wollen! Wir wollen gemeinsam, dass mehr Schulen in die Lage versetzt werden, ganztägige Bildungsangebote, keine Betreuungsangebote - bei Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren sollten wir, finde ich, nicht mehr von „Betreuung“ sprechen -, für Schüler und Schülerinnen zu machen. Wir wollen gemeinsam, dass an diesen Nachmittagen nicht nur Lehrer und Lehrerinnen eingesetzt, sondern auch außerschulische Institutionen, außerschulische Partner und Partnerinnen einbezogen werden.