Protokoll der Sitzung vom 14.02.2002

Zur heutigen Tagesordnung nur einige kurze Anmerkungen. Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 19: Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die Sitzung soll heute gegen 19.15 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Finanzminister Aller, von der Fraktion der SPD Frau Dr. Andretta und Herr Brauns und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Litfin für heute Vormittag.

Wir sind damit bei

Tagesordnungspunkt 19: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor: a) Soziales Niedersachsen à la SPD: Werden Pflegebedürftige in die Sozialhilfe abgeschoben? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/3127 -, b) Kein Kuhhandel mit Hamburg zu Lasten der niedersächsischen Bevölkerung - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3130 - und c) Trotz Verbraucherschutzministerium erneuter BSESkandal in Bayern - Was hat Niedersachsen, was Bayern nicht hat? - Anfrage der Fraktion der SPD Drs. 14/3131.

Meine Damen und Herren, zu den Spielregeln: Jeder Abgeordnete kann nur bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zu zählen sind die einzelnen Fragen.

Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Sie sollen zur Sache gehören und dürfen die Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Vor allem dürfen sie nicht verlesen werden.

Wir kommen jetzt zu

a) Soziales Niedersachsen à la SPD: Werden Pflegebedürftige in die Sozialhilfe abgeschoben? - Anfrage der Fraktion der CDU Drs. 14/3127

Wer möchte die Dringliche Anfrage einbringen? Frau Abgeordnete Schliepack!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushaltsbegleitgesetz hat die SPD-Fraktion des Niedersächsischen Landtages, ohne auf erkennbaren Widerstand bei der Landesregierung zu stoßen, die Leistungen nach § 13 Niedersächsisches Pflegegesetz auf maximal 550 Euro monatlich begrenzt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele pflegebedürftige Personen mussten aufgrund dieser Maßnahme erstmalig am 1. Januar 2002 Sozialhilfe beantragen bzw. für wie viele pflegebedürftige Personen erhöhte sich der Betrag, den die niedersächsischen Sozialhilfeträger aufzuwenden hatten?

2. Wie viele örtliche Träger sind nicht bereit, die nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz festgestellten förderfähigen Investitionskosten der Bedarfsrechnung nach dem Sozialhilferecht zugrunde zu legen?

3. Welches sind überhaupt noch die Vorteile der Förderung nach § 13 Niedersächsisches Pflegegesetz, und wie viele pflegebedürftige Personen profitieren davon?

Die Antwort erteilt die Sozialministerin Frau Dr. Trauernicht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sprache ist verräterisch, z. B. in der Formulierung der Dringlichen Anfrage der CDUFraktion: „Werden Pflegebedürftige in die Sozialhilfe abgeschoben?“

(Frau Schliepack [CDU]: Ja!)

Nach meinem Sozialstaatsverständnis ist die Sozialhilfe kein Almosen, kein Abschiebebahnhof.

(Beifall bei der SPD)

Sozialhilfe ist eine Leistung, deren Aufgabe darin besteht, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Diese Hilfe erhalten zurzeit ca. 460 000 Menschen in Niedersachsen als Sozialhilfe. Diese Menschen - ob sie behindert, krank, allein erziehend, ohne Erwerbseinkommen, arbeitslos oder aus anderen Gründen auf die solidarische Unterstützung der Gesellschaft angewiesen sind - sind nicht abgeschoben. Sozialhilfe ist ihr gutes Recht.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Pa- welski [CDU]: Das sehen die alten Menschen aber anders! - Frau Pawel- ski [CDU]: Sprechen Sie für die Partei oder für die Regierung?)

Meine Damen und Herren, ich möchte an drei Beispielen zum Thema Pflege deutlich machen, was „soziales Niedersachsen“ für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten heißt. Das heißt erstens: seit Einführung des Niedersächsischen Pflegegesetzes mehr als 680 Millionen Euro Landesmittel für pflegebedürftige Menschen in Niedersachsen. Das heißt zweitens: qualifizierte Pflegerinnen und Pfleger mit dreijähriger Ausbildung. Mit der SPDgeführten Landesregierung wurde die Altenpflegeausbildung der Krankenpflege gleichgestellt und damit qualitativ verbessert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident. - Das heißt drittens: Qualitätssicherung in der Pflege. Es wird eine landes

weite Personalinitiative „Pflege“ im Rahmen des Dialoges „Soziales Niedersachsen“ geben. Das heißt, alle Partner gemeinsam sichern Qualität. Dieser Katalog wäre noch um vieles zu erweitern. Das ist moderne Sozialpolitik, meine Damen und Herren!

Nun zu den Fakten in Sachen Pflegewohngeld.

Erstens. Für den Bereich des Pflegewohngeldes hat das Land Niedersachsen im Rahmen des Niedersächsischen Pflegegesetzes bislang - ergänzend zu den eigenen Mitteln und Aufwendungen der stationär untergebrachten Pflegebedürftigen durchschnittlich pro Jahr ca. 107 Millionen Euro ausgegeben, und es wird in den Jahren 2002 und 2003 hierfür noch rund 100 Millionen Euro einsetzen.

Zweitens. Die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2002 festgelegte Förderhöchstgrenze von 550 Euro pro Monat liegt weit - nämlich 73 % - über dem Durchschnitt der gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen in Niedersachsen. Dieser Betrag liegt zurzeit bei 398 Euro. Das heißt, meine Damen und Herren, dass die übergroße Mehrheit der Förderfälle gar nicht von dieser Obergrenze tangiert wird.

Dieser Betrag sagt auch nichts über gute oder schlechte Qualität in Heimen aus. Die Träger erhielten 2001 für ca. 22 400 der 62 500 Pflegebedürftigen einen bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss in unterschiedlicher Höhe je nachdem, was die pflegebedürftigen Personen selbst bezahlen konnten. Von diesen 22 400 Personen waren ca. 3 700 bereits Bezieher von Sozialhilfe, weil sie wegen ihrer Einkommens- und Vermögenslage für Unterkunft und Verpflegung nicht aufkommen konnten.

Experten meines Hauses haben prognostiziert, dass durch die neue gesetzliche Regelung weitere etwa 3 500 bis 4 000 Personen Anspruch auf Sozialhilfe haben würden. In anderen Bundesländern werden die Investitionskosten ebenfalls nicht zu 100 % gefördert, sodass auch dort gegebenenfalls ergänzende Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen ist.

Drittens. Niedersachsen verfügt zurzeit über rund 68 500 zugelassene stationäre Pflegeplätze. Im Grundsatz muss gelten, dass für gleiche Leistungen auch vergleichbare Preise gezahlt werden. Das Pflegeversicherungsgesetz des Bundes geht davon aus, dass Pflegeleistungen im Wettbewerb angeboten werden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes liegt ganz auf dieser Linie. Die Ein

führung einer Obergrenze schafft einen Anreiz, die eigene Investitionsleistung so zu managen, dass dieser Betrag nicht überschritten wird.

Weil die Pflegebedürftigen ansonsten eine andere Einrichtung wählen, wird dieser Anreiz auch greifen. Die vielen guten Beispiele zeigen, dass auch mit der Obergrenze gute Leistungen zu vertretbaren Preisen angeboten werden können. Wir dürfen solche Steuerungsaspekte nicht außer Acht lassen, wenn aus öffentlichen Mitteln Leistungen in Pflegeeinrichtungen subventioniert werden.

Viertens. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgesetzgeber 1996 beschlossen, dass die Träger der Sozialhilfe mit den Trägern von Einrichtungen Vereinbarungen abschließen, in denen Leistung und Gegenleistung festgeschrieben werden. Bei allen Leistungen aus öffentlichen Mitteln - gleich, ob sie auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes oder des Niedersächsischen Pflegegesetzes erfolgen - sind Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und der Notwendigkeit zu beachten. Insofern sind große Differenzen zwischen den jeweilig berücksichtigungsfähigen Investitionskosten verschärft begründungspflichtig und zu überprüfen.

Bei der Berücksichtigung von Investitionskosten im Bereich der Sozialhilfe gibt es darum keinen Ermessensspielraum. Investitionskosten, die nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als betriebsnotwendig anzuerkennen sind, sind zu übernehmen. Daher kann die Festlegung von Obergrenzen im Rahmen des Niedersächsischen Pflegegesetzes grundsätzlich nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten gehen.

(Frau Schliepack [CDU]: Aha!)

Diese Klarstellung, meine Damen und Herren, ist mir wichtig.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Nach uns vorliegenden Informationen von den Bezirksregierungen haben rund 3 400 pflegebedürftige Heimbewohnerinnen und Heimbewohner erstmals zwecks Übernahme gesondert berechenbarer Investitionsaufwendungen Leistungen der Sozialhilfe beantragt. Das sind 6 % aller pflegebedürftigen Frauen und Männer in stationären Einrichtungen.

(Frau Pawelski [CDU]: Das sind aber viele!)

Zu Frage 2: Die nach dem BSHG anstehenden Entscheidungen werden von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe im eigenen Wirkungskreis getroffen. Basis dafür sind grundsätzlich die nach § 93 BSHG zu treffenden Vereinbarungen.

Zu Frage 3: Derzeit erhalten die Träger von vollstationären Einrichtungen der Dauerpflege für rund 21 100 Personen eine Förderung ihrer Investitionsaufwendungen nach § 13 des Niedersächsischen Pflegegesetzes. Von den Förderungen profitieren somit 35 % der pflegebedürftigen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. Abweichend von der Gewährung von Sozialhilfe erfolgt bei der Förderung nach § 13 des Niedersächsischen Pflegegesetzes keine Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Zusatzfrage hat sich die Abgeordnete Schliepack gemeldet.

(Adam [SPD]: Was kann man denn da noch fragen?)

Herr Präsident! Frau Ministerin, wir hatten eigentlich die Landesregierung und nicht die Sozialdemokratie gefragt. Sie haben das zwar so in Ihrem Redebeitrag gesagt, aber ich gehe davon aus, dass Sie für die Landesregierung geantwortet haben.

(Adam [SPD]: Wollt ihr Antworten haben oder Polemik?)