Wir, die wir hier für die Geschicke dieses Landes verantwortlich sind, müssen uns gegen diese Entwicklung, dass einige wenige Kinder Schulhöfe in Zonen der Angst verwandeln, mit aller Macht stemmen. Kein Mitglied dieses Hauses darf eher zur Ruhe kommen - da sollten wir im wahrsten Sinne des Wortes „Intensivtäter“ sein -, bis sichergestellt ist, dass Niedersachsen alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche vor solchen Tätern zu schützen.
Ich appelliere an die SPD-Fraktion sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, diesen Weg konstruktiv zu begleiten und von daher den gemeinsamen Antrag von CDU und FDP zu unterstützen.
Als neu gewählter Abgeordneter, der sich unvoreingenommen mit dieser Frage beschäftigt hat, musste ich feststellen: Die bisherige SPD-geführte Landesregierung hat zwar immer in der Öffentlichkeit Initiativen angekündigt, aber tatsächlich keine wirklich durchgreifenden Maßnahmen in diesem Problemfeld ergriffen.
Initiativen, die seitens der CDU-Fraktion in den vergangenen Jahren zur Bekämpfung der wachsenden Kinder- und Jugendkriminalität immer wieder eingebracht worden sind, wie beispielsweise die Unterbringung von Intensivtätern in geschlossenen Heimen, wurden von der damaligen Mehrheit abgelehnt, obwohl sowohl führende Repräsentanten der SPD als auch Experten aus der Polizei und der Jugendarbeit den Inhalten der CDU-Initiativen an anderer Stelle öffentlich zustimmten. So erklärte Ihr damaliger Innenminister Heiner Bartling - er ist leider nicht im Hause; immer, wenn man ihn braucht, ist er nicht da - in der NWZ vom 14. September 2002:
„Wir müssen zusammen mit den Möglichkeiten der Sozialarbeit intervenieren und jemanden zwei bis drei Monate wegschließen können.“
Ergänzt wurden die Äußerungen des Kollegen Bartling durch den Satz, es sei ein unhaltbarer Zustand, dass die Polizei straffällig gewordene Kinder unter 14 Jahren immer wieder den Jugendämtern überstelle und dass abschließend keine Maßnahmen eingeleitet würden.
Herr Kollege Bartling - wenn er jetzt hier wäre, würde ich es ihm gerne persönlich sagen -, wenn Ihre Äußerungen vom September 2002 eine Haltbarkeit von mehr als zehn Monaten haben, müssten Sie heute dem Antrag der CDU- und der FDPFraktion zustimmen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dieter Möhrmann [SPD]: Haben Sie unseren Antrag gelesen, Herr Kolle- ge?)
Aber auch der Vorsitzende der SPDLandtagsfraktion, der sich gerne in der Vergangenheit - aber auch heute - gefragt oder ungefragt zu allen Fragen dieses Landes äußerte, müsste heute, wenn er seinen Äußerungen treu bleiben würde, diesem Antrag der CDU- und der FDPFraktion zustimmen.
In einer Presseerklärung seitens der SPD-Fraktion sprach er sich als damaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender - Herr Gabriel, Sie sollten ruhig zuhören - dafür aus, für einen kleineren Kreis hochgradig aggressiver Jugendlicher eine zeitlich befristete Unterbringung vorzusehen.
Zustimmung erhält die Position der CDU und der FDP aber auch von Experten. So erklärte Polizeipräsident Klosa in der Neuen Presse vom 20. September 2002, dass jugendliche Intensivtäter im Extremfall auch in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden müssten.
Auch die Jugendämter in diesem Land, die meist eher für eine sensible und abwägende Position bekannt sind, haben in den vergangenen Jahren in der Frage der Behandlung von Intensivtätern klare Zeichen an die Politik gegeben, die seitens der damaligen Landesregierung leider nicht aufgenommen worden sind.
- Das stimmt nicht? Dann zitiere ich. Mehrere Vertreter von Jugendämtern aus Niedersachsen haben laut Ostfriesenzeitung vom 19. September 2002 erklärt:
„Gebraucht werden mehr geschlossene Heimplätze, in denen den Kindern und Jugendlichen auch eine Therapie angeboten wird. Leider gibt es solche Heime in Niedersachsen nicht."
Es zeigt sich, dass von unterschiedlichen Seiten ein Hilfsangebot für Intensivtäter eingefordert wird. Länder wie Bayern und Baden-Württemberg, aber auch das von SPD-FDP geführte Bundesland Rheinland-Pfalz, ja selbst das rot-grün geführte Bundesland Nordrhein-Westfalen setzen auf ge
schlossene Heimunterbringung. Auch in anderen Bundesländern sind verstärkt entsprechende Initiativen wahrzunehmen. So steht im jüngst formulierten Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU im benachbarten Bundesland Bremen, dass für kriminelle und auffällige Kinder eine heimähnliche Einrichtung geschaffen werden muss.
Meine Damen und Herren, sehen Sie diesen Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion bitte nicht als Sanktionsmittel gegen Intensivtäter, sondern als Hilfestellung für Täter an, einen Ausweg aus ihrer sinn- und perspektivlosen Gewalt- und Kriminalitätsspirale zu finden.
Die CDU-Fraktion hat diese Frage in der vergangenen Wahlperiode nicht nur theoretisch am grünen Tisch diskutiert, sondern sich auch vor Ort informiert. Ich erwähne nur den Informationsbesuch von Christian Wulff und anderen Mitgliedern der CDU-Fraktion in der Einrichtung Gauting bei München. So erklärten junge Mädchen, die in diesem geschlossenen Heim untergebracht worden waren, dass sie vor dem Hintergrund ihrer meist zerrütteten Familienverhältnisse dankbar für die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung seien. In einer offenen Einrichtung hätten sie zu leicht den Kontakt zum Drogen- und Prostituiertenmilieu gefunden. Sie können also erkennen, dass Intensivtäter eine solche Unterbringung auch als eine Chance ansehen.
Der von der SPD-Fraktion eingebrachte Änderungsantrag ist nichts anderes als eine Vertagung der Problemlösung auf unbestimmte Zeit. Herr Kollege Jüttner, Sie haben diesen Antrag für die SPD-Fraktion unterzeichnet, da Herr Kollege Gabriel dies aufgrund seiner bisherigen Aussagen schlecht tun konnte.
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einen guten Ratschlag geben. Anträge, die nicht entschieden die Probleme der Menschen in Niedersachsen lösen, haben bei der neuen Mehrheit in diesem Hause keine Chance.
In Niedersachen ist mit der neuen CDU/FDPLandtagsmehrheit ein Zeitalter des entschlossenen Handelns angebrochen. Dies gilt auch für die Jugendpolitik. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erinnern wir uns: Im März brachten die Fraktionen von CDU und FDP einen Entschließungsantrag zum Thema Hilfe für Intensivtäter ein und forderten die Landesregierung auf, erstens die bereits eingeleitete Bestandsaufnahme abzuschließen und zweitens Rahmenbedingungen zur Umsetzung eines eventuell vorhandenen Bedarfs an freiheitsentziehenden Angeboten innerhalb von Niedersachsen zu schaffen.
Werter Herr Kollege, wir haben bereits eine grundsätzliche Debatte über die Positionierung zum Thema geschlossene Unterbringung in der ersten Beratung geführt. Deswegen möchte ich eher auf den Verlauf der Debatten in der Ausschussberatung eingehen.
Es ist ein Vierteljahr her, und nichts ist klar, wie Sie den Ausschussberatungen werden entnehmen können. Erstens liegt die Bedarfserhebung nicht vor, obwohl Frau von der Leyen sie mit einer Presseinformation für Mitte April angekündigt hatte. Zweitens sind die Rahmenbedingungen nicht ausformuliert. Es liegt nämlich kein pädagogisches Konzept vor. Es gibt keine Klarheit darüber, in welchem Umfang und in welcher Form die Plätze seitens der Landesregierung subventioniert werden sollen. Im Nachtragshaushalt ist dafür kein Haushaltstitel vorgesehen. Das heißt schlicht und ergreifend, dass Sie selbst nicht damit rechnen, dass in diesem Jahr zu diesem Thema noch irgendetwas Konkretes geschieht.
Was ist dort los? Schünemann prescht vor, und Frau von der Leyen kommt nicht nach. Die Sache liegt auf der Hand. Die Fakten sind nämlich gar nicht so eindeutig, wie es von der CDU häufig proklamiert wird. Oder enthalten Sie dem Parlament die erforderlichen Informationen über den Bedarf etwa vor?
Warum ist die Lage nicht so klar? Es gibt eine in der Natur der Sache liegende Diskrepanz in der Einschätzung von Polizei und Jugendhilfe über den Bedarf. Polizisten wollen, dass Kinder, die mehrfach auffällig werden, möglichst freiheitsentzie
hend untergebracht werden. Die Jugendhilfe sieht dies deutlich differenzierter. Dort liegt der erste Knackpunkt. Hier bedarf es einer Verständigung der Jugendministerin und des Innenministers.
Meine Damen und Herren, selbst wenn die Jugendhilfe sagt, dass sie möglicherweise von diesem Angebot, wenn es in Niedersachsen geschaffen würde, Gebrauch machen werde, dann ist das noch kein Bedarf; denn es bedarf erst der Entscheidung eines Gerichts, bevor man auch bei Kindern eine freiheitsentziehende Maßnahme vornehmen kann.
Man muss sehr vorsichtig sein, dass das Angebot nicht überhaupt erst eine Nachfrage schafft. Das machen auch die Gespräche mit den niedersächsischen Jugendämtern in den letzten Monaten deutlich. Die Ansage ist häufig: Ja, wenn es eine solche Einrichtung gäbe, dann könnte es sein, dass wir diese nutzen.
Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich Niedersachsen nicht dahin gehend ideologisch positioniert hat, dass keine geschlossene Unterbringung stattfinde. Wir verweisen auf Verfahren, die dazu notwendig sind, und zwar Hilfeplanverfahren und gerichtliche Entscheidungen. Wir verweisen auf die Möglichkeit, Plätze anderer Länder zu nutzen. Ich will Ihnen ein Beispiel aus meiner neuen Heimat im Wahlkreis Osnabrück-Land nennen. Dort sind in jüngster Zeit zwei Jungs in einer benachbarten geschlossenen Einrichtung Nottuln untergebracht worden. Das liegt kurz hinter der Grenze. Meine sehr geehrten Damen und Herren, daraus resultiert kein Problem.
Ich weiß, es ist schwierig. Aber es ist erforderlich. Wir brauchen die Bestandsaufnahme. Deswegen fordern wir in unserem Entschließungsantrag, dass diese Bestandsaufnahme endlich vorgelegt wird, damit wir eine differenzierte Basis haben, und zwar eine Basis nach vielfältigen Gespräche mit den öffentlichen und freien Trägern in Niedersachsen.
Legen Sie die angekündigte Bestandsaufnahme endlich vor. Lassen Sie uns darüber sprechen, wie viele Plätze Sie wo schaffen wollen. Wie sieht das fachliche Konzept aus? Mit welcher Dauer rechnen Sie bei der geschlossenen Unterbringung? Wie wollen Sie die Plätze subventionieren? Warum wollen Sie nur freiheitsentziehende Angebote von Jugendämtern subventionieren, warum nicht offene
Was machen Sie, wenn Sie eine Gruppe z. B. für sechs oder zehn einrichten und nur zwei Plätze besetzt sind? Wer zahlt die restlichen Plätze? Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles sind konkrete Fragen, die auch ganz konkret beantwortet werden müssen.
Herr Schünemann und Frau von der Leyen haben große Ankündigungen gemacht. Sie müssen nun auf die Handlungsebene kommen. Ich weiß, dass das Sozialministerium, Frau von der Leyen, dazu sicherlich auch einiges konkret ankündigen wird. Es wird nämlich ganz offensichtlich ohne Bestandsaufnahme angefangen. Ich verstehe das. Der Druck seitens des Innenministeriums ist groß. Das Sozialministerium muss agieren. Man hat die Bestandsaufnahme noch nicht vorgenommen. Jetzt will man erst einmal anfangen. Also finden Gespräche mit dem Träger „EVI“ in Emden statt. Nichts gegen meine Heimatstadt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus den bisherigen fachlichen Diskussionen ist doch eines klar geworden: Die öffentlichen und freien Träger wünschen dezentrale Lösungen. Sie wollen das Kind nicht irgendwohin verschieben, sondern sie wollen es bei sich halten, sie wollen die pädagogische Problematik selbst bearbeiten. Deswegen löst eine Einrichtung in Emden, an der holländischen Grenze, das Problem überhaupt nicht.
Außerdem stellt sich die Frage, warum man nicht Kooperationsvereinbarungen mit anderen Ländern eingeht. Warum betreiben wir nur gemeinsam Landesinstitute und Landesämter? Warum führen wir, wenn es in der Natur der Sache vernünftig ist, nicht auch gemeinsame Jugendprojekte durch? Herr McAllister hat doch einen ganz guten Draht, ein ganz gutes Verhältnis zu Herrn Oberbürgermeister Ole von Beust, sodass sich doch sicherlich auch Kooperationsvereinbarungen treffen ließen. Die wären preiswerter für das Land
und in der Sache wahrscheinlich genauso effektiv oder eben auch nicht, denn darüber lässt sich nach wie vor trefflich streiten.