Protokoll der Sitzung vom 10.10.2006

(Beifall bei der FDP)

Hinter allen von der SPD schon vorgelegten Schulmodellen - ich führe sie einmal auf: es begann mit der Gesamtschule, ging mit der Regionalschule weiter, dann kamen die Chancenschule, die Einheitsschule und schließlich die gemeinsame Schule - steckt die alte, leistungsschwache Gesamtschule, nichts anderes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie von PISA reden, wie Sie es ständig tun, dann denken Sie doch bitte an die Länder, die ein gegliedertes Schulwesen haben, und an die Länder, die ein integriertes Schulwesen haben. Dann wissen Sie, wo die PISA-Sieger zu finden sind: in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. Erst dann kamen die von SPD-geführten Landesregierungen herbeigeführten integrierten Schulsysteme von Nord

rhein-Westfalen, Bremen und Berlin. Diese Fakten sollten auch Sie überzeugen.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie doch endlich einmal diesen alten Einheitsbrei. Herr Kollege Klare hat Sie gebeten - -

Frau Körtner, Ihre Redezeit ist vorbei.

Lassen Sie uns über Inhalte reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächste Rednerin ist Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Glauben Sie wirklich, was Sie reden? - Gegenruf von Ursula Körtner [CDU]: Das habe ich Sie schon dreimal gefragt!)

- Ich bitte darum, dass die Gespräche bei SPD und CDU unterbleiben. - Nun hat Frau Korter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Klarstellung zu Herrn Klare: Wir haben vor den Sommerferien erbittert und sehr engagiert über die Eigenverantwortliche Schule gestritten. Das ist eine innere Reform der Schulen, Herr Klare, die an ihre äußeren Grenzen stoßen wird. Die äußeren Grenzen haben Sie bisher mit Ihrem selektiven Schulsystem gesetzt. Diese Grenzen wollen wir aufweichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt zu dem Ideologievorwurf von Herrn Schwarz: Sie haben gesagt, Gesamtschulen seien etwas ideologisch Verbohrtes. Aber in jedem Jahr, wenn die Anmeldungen zu den weiterführenden Schulen vorgenommen werden, erleben wir es wieder: In Niedersachsen gibt es zu wenige Gesamtschulen, als dass alle angemeldeten Schulkinder aufgenommen werden könnten. Dies wird in unserem Land besonders deutlich, seit Sie mit Ihrer schwarz-gelben Mehrheit ein Schulgesetz beschlossen haben, nach dem die Entscheidung

über die Zukunft der Kinder im streng gegliederten System schon in Klasse 4 getroffen werden muss.

(Joachim Albrecht [CDU]: Wie überall in Deutschland!)

Gerade vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich und nachvollziehbar, dass Eltern ihre Kinder am liebsten in eine Gesamtschule schicken, weil sie die Chancen ihrer Kinder in Bezug auf Bildungswege lange offenhalten wollen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das haben wir doch auch übernommen!)

Sie wissen, dass sich ihre Kinder unterschiedlich schnell entwickeln und ihre Begabungen und Interessen bis zur vierten Klasse noch nicht voll entfaltet haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wer sagt das?)

- Dies sollten Sie als Schulpolitiker eigentlich auch wissen. Aber Sie und Ihr Kultusminister, Herr Busemann, wollen dies nicht wahrhaben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ist das Ler- nen denn in der fünften Klasse zu En- de, Frau Korter?)

- Herr Klare, wer ein demokratisches Verständnis von gerechten Bildungschancen für alle Kinder hat und zur Grundlage seiner Entscheidungen macht, der kann gar nicht anders, als dort, wo ein ausreichendes Bedürfnis der Eltern nach Einrichtung einer Gesamtschule vorhanden ist, dieses Bedürfnis auch zuzulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und zu erfüllen!)

Dieses Bedürfnis, meine Damen und Herren, ist seit Jahren vorhanden. Im Schuljahr 2005/2006 mussten an den niedersächsischen Integrierten Gesamtschulen 2 059 Kinder abgewiesen werden. In diesem Jahr ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Gesamtschule besuchen wollten, erneut angestiegen.

Frau Korter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Albrecht?

Hinterher.

(Lachen bei der CDU)

- Sie können ja eine Kurzintervention machen.

In diesem Jahr ist der Anteil erneut gestiegen. Um alle Schülerinnen und Schüler, die an einer Gesamtschule angemeldet wurden, aufnehmen zu können, hätten wir zehn bis fünfzehn neue Gesamtschulen einrichten können. Hinzu kommen die Schülerinnen und Schüler, die gar keine Gesamtschule anwählen können, weil es in ihrem Landkreis oder in ihrer näheren Umgebung keine gibt. Dies ist in vielen Landkreisen Niedersachsens noch der Fall. Dort wird der Bedarf gar nicht erst sichtbar. In meinem Landkreis kann man nach der Laufbahnempfehlung gar keine Gesamtschule anwählen, weil es keine gibt. Da können Sie leicht sagen, es gebe ja nur soundso viele Anmeldungen.

Eben wurde davon gesprochen, die Zügigkeit zu erhöhen. So einfach ist es nicht, Herr Klare. In Wilhelmshaven gibt es beispielsweise eine achtzügige IGS, während der Bedarf im letzten Jahr deren Fassungsvermögen so weit überstieg, dass man in Friesland eine neue vierzügige Schule hätte errichten können. Dem steht aber das Gesamtschulerrichtungsverbot entgegen.

Herr Busemann, Herr Klare, Herr Schwarz, wie halten Sie es eigentlich mit dem freien Elternwillen? Zählt er nur da, wo es Ihnen passt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zählt er nur dann, wenn er Ihnen ideologisch in den Kram passt, oder zählt der Elternwille tatsächlich überall, wo es den Eltern um ihre Kinder geht?

(Glocke der Präsidentin)

Nachdem Sie mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen den Gesamtschulen das Leben schwer gemacht haben - es reichte vom Neugründungsverbot über die Abschaffung der eigenständigen Schulaufsicht bis hin zu verkürzten Anmeldefristen -, versuchen Sie jetzt, die Eltern mit diffamierenden Äußerungen über die Gesamtschulen von der Anwahl dieser Schulen abzuschrecken. Dies ist ein allzu durchsichtiger Versuch, Herr Minister Busemann, der wieder vergeblich bleiben wird.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Er hat doch noch gar nicht geredet!)

Als wir vor zwei Jahren im Landtag den Antrag gestellt hatten, den bedarfsgerechten Ausbau von Gesamtschulen wieder zuzulassen, haben Sie diesen Antrag abgelehnt, weil gemeinsame Schulen - dies haben wir auch eben wieder gehört - in Ihr ideologisch vernageltes Weltbild einfach nicht hineinpassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich stelle fest: Sie sind in den letzten zwei Jahren bezüglich einer zukunftsfähigen Schulstrukturreform nicht weiter vorangekommen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Unsinn!)

Inzwischen geht die Debatte in unseren Nachbarländern aber sehr wohl weiter. Die CDU in Hamburg will die Hauptschule abschaffen, weil sie allmählich begreift, dass diese Schule den Kindern keine Perspektive mehr bietet.

(Glocke der Präsidentin)

Schleswig-Holstein geht noch ein Stück weiter. Gemeinschaftsschulen von Klasse 1 bis 10 werden zugelassen. Herr Busemann, trauen Sie sich eigentlich weniger zu als Peter Harry Carstensen? Das sollte mich wundern.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist jetzt zu Ende.

Aber CDU und FDP glauben immer noch - -

Frau Korter, die Redezeit ist seit einer halben Minute zu Ende.

Entschuldigung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)