In den letzten 14 Jahren haben wir sieben sogenannte Jahrhundertreformen erlebt, im Schnitt also alle zwei Jahre eine neue Gesundheitsreform. Ziel muss es doch sein, endlich wegzukommen von dem sehr bürokratischen Gesundheitssystem hin zu mehr Wettbewerb. Nichts anderes soll dieser Vergleich mit dem Telefonmarkt aussagen. Dass es Unterschiede in der Sache gibt, darüber sind wir uns, glaube ich, im Detail einig. Trotzdem brauchen wir mehr Wettbewerb, was ja im Grunde auch die Große Koalition anerkannt hat; denn die Überschrift für diese Gesundheitsreform lautet ja „Mehr Wettbewerb“. Im Ergebnis bleibt allerdings nur Kostendämpfung stehen. Das heißt also: Sie haben sich noch nicht einmal an das gehalten, was Sie als Überschrift gewählt haben. Aber das zeigt im Ergebnis nur, wie qualifiziert diese Große Koalition für die Gesundheitspolitik nur sein kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rösler, ich habe mich nur dagegen gewehrt, wie Sie argumentieren, weil Sie widersprüchlich argumentieren. In Ihrem Papier steht:
„Positiv zu bewerten ist allenfalls, dass die Koalition sich zunächst von der aberwitzigen Idee verabschiedet hat, die Steuern zu erhöhen, um sofort Milliarden an Steuermitteln in das Krankenversicherungssystem zu pumpen.“
Das haut doch nicht hin. Sie können doch nicht in dem einen Papier sagen „Da sollen keine Steuermittel rein, und deshalb sollen auch keine Steuern erhöht werden“, und auf der anderen Seite machen Sie ein Papier - Sie haben es eben vorgetragen -, in dem Sie exakt genau das Gleiche machen - im Übrigen auch für genau den gleichen Personenkreis. Das, was die Koalition jetzt vorhat, sind Steuerzuschüsse zur Freistellung der Kinder
in der Sozialversicherung. Wenn Ihr Modell richtig ist, dann können Sie nicht genau dieses Element kritisieren, das die Bundesregierung vorsieht. Ich bleibe dabei: Es ist wirklich blanke Scharlatanerie, was Sie hier machen.
Sie haben kein in sich schlüssiges Konzept. Vielleicht darf ich Ihnen das noch einmal kurz erläutern. Das Grundprinzip, das hinter unseren Modellen steht - übrigens hinter allen -, ist, dass wir durch eine Steuerreform die Menschen nicht nur entlasten, sondern ihnen auch ein einfaches Steuersystem geben. Am Ende brauchen sie diese Entlastung nicht, um mehr Konsum zu betreiben, sondern damit sie überhaupt die finanziellen Möglichkeiten haben, um eine echte Rentenreform und eine echte Gesundheitsreform finanzieren zu können. Das ist die Grundlage.
Das heißt, Sie dürfen eine Krankenversicherung nie als ein System für sich allein sehen, sondern Sie müssen das Gesamtsystem verändern. Sie brauchen erst die Steuerreform, und dann haben Sie die finanziellen Möglichkeiten für eine Gesundheits- und für eine Rentenreform.
Wenn Sie nur an einem System arbeiten, so wie Sie das momentan machen, dann wird es in der Tat im Ergebnis teurer. Sie brauchen mehr Steuereinnahmen - was Sie selber ja auch sagen -, und trotzdem erhöhen Sie noch zusätzlich die Beiträge. Im Ergebnis zeigt das genau, wie absurd Ihr System ist. Es wird im Ergebnis eben teurer und nicht besser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass Deutschland über ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitswesen verfügt. Es gibt allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung. Ganz nebenbei bietet unser System als Gesundheitsdienstleistungsmarkt auch rund 4,2 Millionen Beschäftigten und Selbstständigen Arbeit. Neben seiner Patientenversorgung auf hohem Niveau ist es damit zugleich auch von erheblicher Bedeutung für den Standort Deutschland. Auch im internationalen Vergleich wird unser Gesundheitswesen als leistungsfähig und dessen Qualität in der Gesundheitsversorgung als hoch eingeschätzt.
Aber selbstverständlich ist der Bund gefordert, unser Gesundheitssystem den jeweiligen Veränderungen anzupassen. Viele Reformschritte hat es in der Vergangenheit im Gesundheitswesen gegeben. Sie haben es allerdings alle nicht vermocht, unser Gesundheitswesen nachhaltig zu stabilisieren. In immer kürzeren Schritten war es erforderlich, Änderungsbedarfe nachzuvollziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vor uns stehenden Herausforderungen - dabei meine ich in erster Linie den demografischen Wandel, aber auch den ständigen Fortschritt in der medizinischen und medizinisch-technischen Versorgung erfordern eine Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens. Auch steigende Kosten auf der einen Seite und sinkende Beiträge auf der anderen Seite bedingen eine nachhaltig wirkende Reform. Das gilt sowohl für die Finanzierungsseite als auch für die Angebotsstruktur im System.
Meine Damen und Herren, um eine Reform auf den Weg zu bringen, haben die Fraktionsspitzen im Bund am 4. Juli eine umfassende Veränderung auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite verabredet. Ziele waren im Einzelnen: die Verbesserung der Qualität der Versorgung, die Stärkung der Wirtschaftlichkeit, die Erhöhung der Transparenz und die Intensivierung des Wettbewerbs, die Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten, die Verminderung des
bürokratischen Aufwands bei allen Beteiligten in diesem Gesundheitswesen und vor allen Dingen die staatliche Mitfinanzierung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, nämlich die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder.
Meine Damen und Herren, diese Eckpunkte haben unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden für erheblichen Zündstoff gesorgt und zu erheblichem Diskussionsbedarf in der Öffentlichkeit geführt. Das war auch gut so. Die Niedersächsische Landesregierung hat alle Diskussionen auf Bundesebene konstruktiv auf der Fachebene begleitet. Wir waren uns immer darin einig, dass gemeinsam vereinbarte Punkte auch gemeinsam im Sinne der Sache richtig umgesetzt werden sollten. Ich möchte auf drei Bestandteile dieser Reform kurz eingehen.
Erstens. Ein Gesundheitsfonds wird eingerichtet auch um den Wettbewerb zwischen den Kassen zu ermöglichen, auch um die Beiträge der Arbeitgeber, der Sozialversicherungsträger, der Mitglieder der Krankenkassen sowie die anwachsenden Bundeszuschüsse aus Steuermitteln zu bündeln. Wichtig war: Der Beitragseinzug bleibt in den bewährten Händen der Kassen. Ich begrüße auch außerordentlich, dass der Gesundheitsfonds auf das Jahr 2009 verschoben wird, weil dies die Zeit gibt, valide, gesicherte Daten zu erheben, um die Steuerungswirkungen des Fonds zwischen den einzelnen Kassen, aber auch zwischen den Ländern transparent zu machen.
Zweitens. Das bewährte plurale Versicherungssystem bleibt mit der PKK als Vollversicherer in seinen wesentlichen Strukturen erhalten.
Drittens - dies ist mir besonders wichtig -: Nach 30 Jahren könnte dies das erste wichtige Gesetz sein, das nicht allein ein Kostendämpfungsgesetz ist.
Wichtige Leistungen werden auch für die Versicherten ausgeweitet. Ich möchte kurz einige nennen: Es betrifft z. B. sinnvolle Prävention, beispielsweise bei Schutzimpfungen, über die wir ja nachher auch noch im Plenum sprechen, die die Krankenkassen dann als Regelleistung bezahlen müssen, wenn die Ständige Impfkommission dies empfiehlt. Dies gilt auch für Rehabilitationen, die bislang eine Ermessensleistung der Krankenkassen ist. Reha wird künftig zur Pflichtleistung. Es gilt auch für wichtige Zukunftsfelder. Ich spreche hier nur die Palliativmedizin an. Unheilbar kranke Men
schen bekommen am Lebensende einen Anspruch auf qualifizierte ärztliche und pflegerische Leistungen in ihrer häuslichen Umgebung.
Ich glaube, die kommende Reform wird das Verantwortungsbewusstsein der Versicherten für ihre Gesundheit stärken. Gesundheit ist unser höchstes Gut. In allem sehe ich die Chance, unser Gesundheitswesen in die richtige Richtung weiterzuentwickeln: zu mehr Qualität, zu mehr Transparenz, aber auch zu mehr Wettbewerb und zu mehr Wahlmöglichkeiten für die Versicherten. Ich meine, es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Zum Tagesordnungspunkt 1 b) liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
c) Für ein starkes Ehrenamt in Niedersachsen - steuerliche Nachteile verhindern! Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/3218
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den kommenden Wochen dieses Herbstes 2006 wird die Bundesregierung in Person des SPD-Bundesfinanzministers Steinbrück einen Gesetzentwurf zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vorlegen. In Vorbereitung dessen hat vor wenigen Wochen ein Wissenschaftlicher Beirat ein Gutachten veröffentlicht, das die Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Frau Hendricks, als einen „wichtigen Beitrag zur Entwirrung des Gemeinnützigkeitsrechts“ gelobt hat.
Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass auf der Ebene der Bundesregierung immer gründlich vorbereitete Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht werden.
Aber es gibt ja bekanntermaßen in einigen Bereichen hier und da auch mal Irrungen und Wirrungen. Um eines ganz grundsätzlich zu sagen: Hinsichtlich der Übungsleiterförderung im Sport - derjenigen Ehrenamtlichen, die im Sportbereich für uns alle tätig sind - heißt es in diesem Gutachten wörtlich:
Meine Damen und Herren, wenn sich der Bund solche Vorschläge in Form des Bundesfinanzministers trotz leichter Dementis zu eigen machen sollte, ist mit dem erbitterten Widerstand Niedersachsens zu rechnen.
Meine Damen und Herren, deshalb hat sich der niedersächsische Innen- und Sportminister am 21./22. September in Bremen weitgehend gegen die Grundaussagen dieses Gutachtens ausgesprochen.
Aber die erwogenen Änderungen auf Bundesebene betreffen auch die gemeinnützigen Körperschaften wie die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. Das sind nicht nur mehr als 100 000 Einrichtungen des Dienstes am Menschen, das sind nicht nur 1,3 Millionen Beschäftigte in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt, sondern es sind auch Hunderttausende, die eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Gegenwert von etwa 14 Milliarden Euro erarbeiten. Dem stehen Steuermindereinnahmen - zugegeben: wir unterhalten uns immer wieder über Subventionsabbau, und es steht auch so im Subventionsbericht der Bundesregierung - durch Steuerbegünstigungen für mildtätige, kirchliche und gemeinnützige Zwecke von 810 Millionen Euro gegenüber.