Die Föderalismusreform hat den Ländern doch die Gesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht gegeben. Sie haben es doch eingefordert. Stattdessen langweilen Sie uns mit Allgemeinplätzen
und lassen uns wissen, dass die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Politik verbessert werden muss und dass alle möglichen Lösungen künftig nur mit der Wissenschaft gefunden werden können.
Dass Wissenschaft zur besseren politischen Problemlösung beitragen kann, diese Erkenntnis ist zwar richtig, aber doch nicht neu. Das war die zentrale Idee der Aufklärung vor 250 Jahren.
Die Menschen im Lande haben einen Anspruch darauf, eine klare Auskunft dazu zu bekommen, wie diese Landesregierung die drückendsten Probleme in Angriff nehmen und lösen will. Die Hochschulpolitik ist ein zentrales Feld, auf dem Lösungen gefunden werden müssen.
Herr Minister, wenn man Ihrer Beschreibung der Aufgaben der Hochschulpolitik folgt - erstens Stärkung des Wirtschafts- und Technologiestandortes Niedersachsen, zweitens Stärkung von Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen und drittens Haushaltskonsolidierung -, dann steht bei Ihnen eindeutig die Sparpolitik im Vordergrund. Aufgabe eins und Aufgabe zwei sind bei Ihnen nachrangig. Das ist das Problem!
Genau vor drei Jahren verkündeten Sie an dieser Stelle das drastischste Kürzungsprogramm für die Hochschulen in der Geschichte Niedersachsens, HOK genannt. Bei der Verkündung rühmten Sie sich mit Rekurs auf Lichtenberg sogar als Fackelträger der Wahrheit, der die Hochschulen zu Ruhm und Glanz führen werde. Heute wissen wir: Das HOK kostet Niedersachsen Tausende von Studienplätzen. Drittmittelstarke Fakultäten wie die Fakultät für Forstwissenschaften in Göttingen haben Sie ausbluten lassen. Wichtige Berufungen der Hochschulen mussten ad acta gelegt werden.
Nur Sie, Herr Minister, glauben noch heute, dass es sich beim HOK um die niedersächsische Exzellenzinitiative handelt.
Doch damit nicht genug: Sie zwingen den Hochschulen einen sogenannten Zukunftsvertrag auf, der die Hochschuletats für fünf Jahre einfriert und die Hochschulen darüber hinaus verpflichtet, Tarif
steigerungen selbst zu erwirtschaften. Letzteres kostet die Hochschulen Jahr für Jahr 8 Millionen Euro. Hinzukommen die Erwirtschaftung der millionenschweren jährlichen globalen Minderausgaben und jetzt sogar noch die Finanzierung des Ausfallfonds für Studiengebühren. Nicht den Hochschulstandort Niedersachsen, den Finanzminister haben Sie gestärkt, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, der Minister hat richtig erkannt: Die zukünftigen Qualifikationsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt erfordern, dass der Anteil eines Altersjahrgangs, der ein Studium aufnimmt, deutlich gesteigert werden muss, was eine erhebliche Herausforderung für die Hochschulen bedeutet. Zusätzlich kommen auf die Hochschulen die geburtenstarken Jahrgänge und der doppelte Abiturjahrgang 2011 zu. Und was bietet der Minister als Lösung an?
Der Bund - Sie wissen es - hat den Ländern das Angebot gemacht, gut eine halbe Milliarde Euro für neue Studienplätze bis 2010 zur Verfügung zu stellen, wenn auch die Länder ihrerseits mindestens den gleichen Betrag aufbringen. 90 000 neue Studienplätze sollen mit dem Geld zusätzlich geschaffen werden - der Mindestbedarf bis 2010. Das Geld des Bundes steht bereit. Das ist übrigens alles andere als selbstverständlich. Ich darf daran erinnern: Es waren die CDU-Länder, allen voran das Blockadeduo Koch und Wulff, die sich im Rahmen der Föderalismusreform jegliche Einmischung des Bundes in die Hochschulen verbeten haben.
In letzter Minute gelang es der SPD-Bundestagsfraktion doch noch, der Vernunft zum Sieg zu verhelfen und die neue Gemeinschaftsaufgabe Wissenschaftsförderung im Grundgesetz zu verankern.
Doch, meine Damen und Herren, wie gehen die Länder mit ihrer in der Föderalismusreform so unnachgiebig eingeforderten alleinigen Zuständigkeit für ihre Hochschulen um?
Sie streiten darüber, wie die Bundesmittel verteilt werden sollen, und spielen Schwarzer Peter. Wie stellt sich Niedersachsen nun seinen Beitrag zum Hochschulpakt vor? - Dazu erfahren wir auch heute wieder nichts,
(Zuruf von der CDU: Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Das haben wir heute auch noch nicht erfahren!)
außer dass Sie optimistisch sind, dass Niedersachsen seinen Anteil schon leisten wird. Worauf gründen Sie eigentlich Ihren Optimismus? Auf das Prinzip Hoffnung? - Im Haushalt steht kein einziger Cent für zusätzliche Studienplätze bereit. Statt endlich selbst Vorschläge zu machen, beschimpfen Sie auch heute wieder lieber Ihre Kollegen der A-Länder, die in den vergangenen Jahren Studienplatzkapazität aufgebaut haben und jetzt einen Ausgleich fordern. Ausgerechnet Sie, Herr Minister Stratmann, gerieren sich hier als Oberkritiker - ein Minister, der schon jetzt als größter Studienplatzvernichter in die Geschichte des Landes eingegangen ist.
(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: So ein Unsinn! Können Sie das nicht im Aus- schuss machen? Das ist ja furchtbar!)
Meine Kollegen von CDU und FDP, das Lachen müsste Ihnen eigentlich im Halse stecken bleiben. 5 888 Studienplätze wurden in nur drei Jahren vernichtet, allein über 1 700 in diesem Jahr. Hier haben wir einen traurigen Rekord erreicht!
Herr Minister Stratmann, vielleicht sollten Sie sich gelegentlich daran erinnern, dass nicht Sie es waren, sondern der von Ihnen hier geschmähte Kollege Zöllner, der dafür gekämpft hat, dass der Bund auch zukünftig die Hochschulen der Länder finanziell unterstützen darf.
Es waren doch die CDU-Länder, die bei der Föderalismusreform vor Kraft nicht laufen konnten und alles alleine stemmen wollten. Außer Ihren Schwärmereien - wie im letzten Plenum -, wie atmosphärisch angenehm es doch jetzt mit Frau Schavan sei, haben Sie nichts zu diesem Kraftakt der Einigung beigetragen.
Herr Minister Stratmann, ich stimme mit Ihnen überein, dass der Hochschulpakt nicht das geeignete Instrument ist, Verwerfungen zwischen den Ländern zu korrigieren. Der Erfolg des Hochschulpaktes muss sich allein daran messen lassen, ob es gelingt, bis 2010 zusätzlich 90 000 Studienplätze zu schaffen. Es geht um die Bildungschancen der kommenden Generation, nicht um mehr Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Ländern, so bitter das auch für einige Länder sein mag.
Meine Damen und Herren, welche Lösung bietet der zuständige Minister an? - Er empfiehlt - wir konnten das der Zeitung entnehmen - bildungshungrigen und studierwilligen Niedersachsen, in den Osten zu gehen und sich dort einen Studienplatz zu suchen.
Dies sei geradezu ein Gebot volkswirtschaftlicher Vernunft, da dies den Erhalt der Kapazitäten im Osten sichere - ein durchsichtiges Manöver, Herr Stratmann. Sie wissen doch genau wie wir, dass so kein einziger Studienplatz zusätzlich entsteht, und genau darum geht es. Der Wissenschaftsrat warnt ausdrücklich, in der Studentenostverschickung den rettenden Hafen zu erblicken.
Die Wahrheit ist eine andere. Sie, Herr Minister, haben es nicht im Kreuz, bei Ihrem Finanzminister Geld für den Hochschulpakt durchzusetzen.
- Schade, dass Minister Möllring nicht da ist! Vielleicht könnte er etwas lernen. - Das gilt übrigens auch für den Pakt für Forschung und Innovation. Sie, Herr Minister, beklagen, dass das bestehende Nord-Süd-Gefälle durch die Exzellenzinitiative besonders deutlich geworden ist, und lassen uns hier heute wissen, Sie seien besorgt. - Schön! Gehört Niedersachsen aber nicht zu den Ländern, die sich
nicht an die zwischen Bund und Ländern im Pakt für Forschung und Innovation vereinbarte Aufstockung der Mittel für Wissenschaftsaufgaben um 3 % halten? - Niedersachsen kürzt seinen Beitrag und kommt seinen Verpflichtungen aus dem Pakt nicht nach.