Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Diese Widersprüchlichkeit, diese Art, den Einzelhandel in den Städten und die Kommunen allein zu lassen, die dringend die rechtlichen Möglichkeiten benötigen, die wir Ihnen schon vor neun Monaten in einem Antrag vorgelegt haben, wird selbst einer sich „bürgerliche Mehrheit“ nennenden Regierungsfraktion nicht gerecht.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE] - Zuruf von der CDU: Das sind wir!)

- Nein, bürgerlich ist das nicht. Sie lassen die Bürger in den Städten im Stich. Sie überlassen Sie dem Wildwuchs auf der grünen Wiese. Die Konkurrenzspirale werden Sie nicht aufhalten können; denn es wird nicht bei dem einen FOC bleiben. Das sagen Ihnen alle Juristen. Sobald Sie das Tor öffnen und sich an einer Stelle ein Las Vegas in der Heide bauen, wird es überall Nachrüstungen und andere Anträge geben, und Niedersachsen wird voller FOCs sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hagenah. - Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Stumpf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hagenah, ich weiß nicht, ob Sie sich richtig überlegt haben, was Sie eben gesagt haben. Wenn Sie in die Thematik richtig eingestiegen wären, dann hätten Sie erkannt, dass das ganze System eines BIDs, zu dem Sie ja schon einen Gesetzesvorschlag in das Plenum eingebracht haben, rechtlich durchaus problematisch sein kann. Wenn die Landesregierung das, was in unserem Entschließungsantrag steht, abgearbeitet hat, dann werden wir auch über die verfassungsrechtliche Konformität diskutieren.

Wenn wir dem folgten, was Sie jetzt Hals über Kopf mit dem Gesetzesvorschlag, den Sie abgeschrieben haben, tun wollen, dann kämen wir in die Situation, dass wir eine Operation am Herzen mit einem Küchenmesser durchführen. Das machen wir in diesem Fall nicht. Wir müssen sauber und solide vorgehen. Dann kommen wir - ich sage einmal - sehr wahrscheinlich zu einem tragfähigen, vernünftigen Ergebnis. Die Schaffung eines Modellvorhabens wird im Umland nicht nur positiv diskutiert, sondern wird durchaus - das muss man erkennen - auch kritisch gesehen. Ein funktionierendes und gut vorbereitetes Modellprojekt wird uns in die Lage versetzen, eine flächendeckende Lösung für Niedersachsen zu finden. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Herr Kollege Hagenah, Sie haben die Möglichkeit zu antworten. Ihnen stehen anderthalb Minuten zur Verfügung.

Herr Stumpf, Ihr Antrag bleibt weiße Salbe, solange Herr Oetjen sich hier hinstellt und sagt, die FDP wolle überhaupt keine rechtliche Regelung. Da können Sie hier vorne noch so viele Pirouetten drehen.

Fragen Sie einmal den GBD. Er wird Ihnen sofort erklären - das hat er dem Wirtschaftsausschuss gegenüber schon getan -, dass eine experimentelle Lösung ohne rechtlichen Rahmen überhaupt

keinen Unterschied zu den Einkaufsgemeinschaften, die es heute in Hunderten von Städten in Niedersachsen gibt, herstellen würde. Was wir brauchen, ist ein rechtlicher Rahmen. Den kann nur der Landtag per Gesetz beschließen. Dazu fehlt Ihnen aber die Mehrheit, weil die FDP nicht mitmacht. Das können Sie auch nicht durch noch so viele wohlgesetzte Worte und Anträge überspielen. Alles das, was in dem Antrag steht, der heute beschlossen werden soll, ist längst abgearbeitet. Vor neun Monaten ist eine Anhörung durchgeführt worden, und es hat eine rechtliche Prüfung stattgefunden. Andere Bundesländer haben vorgemacht, dass das verfassungsmäßig in Ordnung und akzeptabel ist. Wir haben also kein Erkenntnisdefizit, sondern wir haben in diesem Zusammenhang ein Handlungsdefizit. Dafür sind Sie verantwortlich, weil Sie nämlich auf der Bremse stehen. Sie können nicht anders, weil die FDP nicht mitmacht. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung

Wir stimmen zunächst über den Tagesordnungspunkt 14 ab. Es wird empfohlen, den Gesetzentwurf federführend dem Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Mitberatend sollen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Umweltausschuss sowie der Ausschuss für Inneres und Sport tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 15. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP, der Ihnen in der Drucksache 15/3306 vorliegt, abstimmen. Bei seiner Ablehnung wäre dann über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abzustimmen.

Ich frage also, wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP in der Drucksache 15/3306 zustimmen will. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Gegen die Stimmen der Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP gefolgt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/3276

Zur Einbringung erteile ich dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn McAllister, das Wort. Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In vielen Landesparlamenten wird in diesen Tagen und Wochen über das Thema Ladenöffnung diskutiert. Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004. Das Bundesverfassungsgericht hatte damals entschieden, dass eine bundeseinheitliche Regelung des Ladenschlusses für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und für die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse nicht erforderlich sei. Das Bundesverfassungsgericht hat damals konsequent dem Gesetzgeber geraten, eine landesrechtliche Neuregelung vorzunehmen, sofern dafür die bundesgesetzliche Ermächtigung besteht.

Diese bundesgesetzliche Ermächtigung besteht bekanntlich seit dem 1. September. Im Zuge der Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für das Recht der Ladenöffnung auf die Länder übergegangen. Wir begrüßen diese Entscheidung im Zusammenhang mit der Föderalismusreform, und wir sind auch bereit, die neuen Kompetenzen gesetzgeberisch wahrzunehmen.

Einige Länder sind daraufhin sehr schnell aktiv geworden und wollen die neuen Ladenöffnungszeiten noch zum Weihnachtsgeschäft möglich machen. Andere halten sich zurück. Niedersachsen liegt auf diesem Themengebiet genau im Mittelfeld.

Aber eines ist klar: Auch wir in Niedersachsen nutzen jedenfalls diese Chance, um den Ordnungsrahmen der Ladenöffnung den veränderten Gewohnheiten der Menschen anzupassen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem Inkrafttreten des Ladenschlussgesetzes auf Bundesebene im Jahre 1956 haben sich die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen erheblich verändert. Flexiblere Arbeitszeiten, wachsende Mobilität und unterschiedliche Beschäftigungsstrukturen haben die Arbeits-, Lebensund Konsumgewohnheiten der Menschen nachhaltig verändert. Eines steht fest: Diesen Wandel müssen wir als Gesetzgeber beachten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Wettbewerbsbedingungen im Einzelhandel haben sich gewandelt. Denken Sie nur an die vielfachen Änderungen durch E-Commerce, durch Internet-Shopping. Meine Damen und Herren, das Internet kennt halt keinen Ladenschluss. Dort ist der Einkauf rund um die Uhr möglich.

Deshalb ist unser zentrales Anliegen: Die Einzelhandelsbetriebe müssen sich auf diese veränderte Situation einstellen dürfen und selbst über die Ladenöffnungszeiten entscheiden können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zum Gesetzentwurf zunächst eine Anmerkung in formeller Hinsicht: Der bisherige Regelungsbereich des Ladenschlussrechts ist außergewöhnlich zersplittert. Er verteilt sich über das Ladenschlussgesetz, über mehrere Bundes- und Landesverordnungen sowie kommunale Verordnungen. Das ändern wir jetzt.

Die Fraktionen von CDU und FDP haben ein kurzes und schlankes Ladenöffnungsgesetz vorgelegt. Es ist gerade einmal sieben Paragrafen lang, es ist übersichtlich, es ist sprachlich leicht verständlich und ist damit ein weiterer Beitrag dieser Koalition zur Vereinfachung des Rechtssystems und zum Bürokratieabbau.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte zum materiell-rechtlichen Teil kommen und dazu vier Anmerkungen machen.

Erstens. Wir liberalisieren die Ladenöffnungszeiten an den Werktagen. Wir schlagen eine sogenannte 6 x 24-Regelung vor. Danach ist die Öffnung von Verkaufsstellen in der Zeit von 0 bis 24 Uhr an

Werktagen zulässig. Wir geben den Gewerbetreibenden damit das Recht, ihre Geschäfte nach eigenen Vorstellungen zu öffnen und zu schließen. Uns geht es um das Angebot. Niemand wird gezwungen werden, sein Geschäft rund um die Uhr zu öffnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Inwieweit sich die Öffnungszeiten überhaupt gegenüber der heutigen Praxis verändern werden, wird ausschließlich der Kunde mit seiner Nachfrage entscheiden. Aber eines ist klar: Mit unserer Regelung ist es nun möglich, zu bestimmten Anlässen, beispielsweise Mitternachtsshopping, oder in der Nähe von Dienstleistungseinrichtungen, Kultureinrichtungen, Theatern oder Kinos bestimmte Geschäfte länger zu öffnen. Das sorgt auch für mehr Lebensqualität für die Menschen in den Städten und in den Gemeinden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens: zum Schutz der Sonn- und Feiertage. Sonn- und Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung geschützt. Das ist so und bleibt auch so.

(Beifall bei der CDU)

Der Schutz von Sonn- und Feiertagen hat in Deutschland aus gutem Grund Verfassungsrang. Darauf hat heute Morgen im Frühstücksfernsehen unsere Landesbischöfin Frau Käßmann nochmals hingewiesen. Das ist auch in unserer Gesellschaft ein Konsens, der von einer großen Mehrheit getragen wird. Der Sonntag muss ein besonderer Tag bleiben, der für Familie, Religionsausübung und Freizeit genutzt werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb - das ist für uns Christdemokraten ein ganz besonderes Anliegen - lehnen wir alle Versuche ab, den Sonntagsschutz in Deutschland weiter auszuhöhlen. Mit uns wird kein normaler Geschäftsbetrieb an Sonn- und Feiertagen auch in Zukunft zu machen sein. Die Kirchen haben recht: Ohne Sonntage gäbe es nur Werktage. - Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch sieht der Gesetzentwurf bestimmte Ausnahmen vom Sonntagsschutz vor. Wie bisher sollen je Kommune an vier Sonntagen im Jahr die Geschäfte geöffnet werden können. Alle Ausnah

men im Gesetz sind definiert, begründet und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen formuliert. Neben den vier normalen Öffnungen für alle Geschäfte - die übrigens außerhalb der Gottesdienstzeiten liegen sollen haben wir aber festgelegt, dass es für bestimmte Sonntage ein generelles Ausnahmeverbot gibt. Karfreitag, Ostersonntag, Himmelfahrt, Pfingstsonntag, der Volkstrauertag und der Totensonntag sowie die Adventssonntage und die beiden Weihnachtsfeiertage werden auch zukünftig von flächendeckendem Geschäftsbetrieb verschont werden. Damit bleiben die wichtigsten christlichen Feiertage in Niedersachsen besonders geschützt.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Ausnahme machen wir in der sogenannten Bäderregelung. In Kur-, Erholungs-, Ausflugs- und Wallfahrtsorten dürfen zwischen dem 15. Dezember und dem 31. Oktober, mit Ausnahme des Karfreitags und des ersten Weihnachtsfeiertages, Verkaufsstände mit einem bestimmten Warenkorb für die Dauer von acht Stunden zu öffnen.

Drittens. Schließlich bleibt es bei den bekannten und bewährten Ausnahmeregelungen für Apotheken, Tankstellen, Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen und Flughäfen. Wir haben die weiteren unübersichtlichen Einzelregelungen etwa für Bäckereien und Kioske zu einer praxistauglichen Vorschrift zusammengezogen.