Auch Frau Kollegin Helmhold hat sich zu Wort gemeldet. - Frau Meißner, ich muss Sie fragen: Möchten Sie zuerst antworten?
Frau Präsidentin, diese anderthalb Minuten brauche ich gar nicht. Ich wollte nur wissen, ob man auf mehrere Kurzinterventionen zusammen antworten kann. Das ist aber anscheinend nicht möglich.
Zwei Sachen nur - wir werden ja noch ausführlich darüber diskutieren -: Erstens. Laut Umfragen wollen 75 % der Bevölkerung eine Änderung. Dem entsprechen wir.
Zweitens. Ich habe gesagt, es gibt Verschiedenes, was wir noch diskutieren werden. Das tun wir natürlich auch. Die Anhörung habe ich angekündigt. Dann werden wir uns mit allen Anliegen auseinandersetzen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre vielleicht zu der Minderheit hier im Haus, die einen Teil ihres Lebens in Schichtarbeit verbracht hat. Ich will Ihnen einmal sagen, was das für eine Familie heißt: Das bedeutet für einen persönlich z. B., dass man große Schwierigkeiten hat, an Vereinsleben teilzunehmen, weil man nämlich jede zweite Woche abends einen regelmäßigen Termin nicht wahrnehmen kann, dass man große Schwierigkeiten hat, an
Fortbildungen - an einem Volkshochschulkurs oder Ähnlichem - teilzunehmen, dass man Probleme hat, Termine im Freundeskreis und mit dem Partner die Arbeitszeiten abzustimmen. Und Sie wollen diese Probleme ohne Not den Menschen aufbürden! Im Krankenhaus und bei der Polizei muss das sein. Es gibt viele Bereiche, in denen man es den Menschen zumuten muss, so zu arbeiten. Aber es ohne Not zu tun, ist - wie ich finde - hochgradig unsozial.
Frau Meißner, Sie haben gesagt, das sei gut für die Familie. Wenn Sie Familie so definieren, dass sie quasi eine Betreuungsagentur für Kinder wird, wo eigentlich immer nur einer zu Hause ist, während der andere arbeiten geht, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich eine andere Vorstellung von Familienleben habe.
Frau Meißner, Sie haben noch einmal anderthalb Minuten, um auf Frau Helmhold zu antworten. Wenn ich die Kurzinterventionen zusammenfassen würde - das können Sie beim nächsten Mal haben -, dann hätten Sie nur einmal anderthalb Minuten Redezeit. Jetzt stehen Ihnen noch einmal anderthalb Minuten zur Verfügung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, ich habe gesagt, dass ich aus eigener Anschauung weiß, wie man es partnerschaftlich aufteilen kann, Familie und Beruf zu organisieren.
Ich will keine Betreuungsagentur, sondern ich will, dass Eltern Zeit für ihre Kinder haben, und zwar zu Zeiten, in denen sie sich das einrichten können.
Ich will, dass beide Elternteile arbeiten können. Dazu ist eine Erweiterung notwendig; das sagen auch Eltern.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Meißner, Hannover 96 spielt streng überparteilich. Wenn sich jetzt SchwarzGelb auch noch anmaßen will, sich glückliche und wirklich verdiente Siege von 96 als eigenes Verdienst anzuheften, dann übersteigen Sie Ihre Kompetenzen wirklich erheblich.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da hat eben aber einer nicht zugehört!)
Ich komme zum Kern: Die Koalition von FDP und CDU will das Tor beim Ladenschluss viel zu weit öffnen. Damit verschärfen sich bereits vorhandene negative Wettbewerbsverzerrungen bei uns ohne Not immer weiter. Das ist wissentliche Unvernunft. Die scheinbare Freiheit für alle ist in Wirklichkeit nur eine Freiheit der Großen, die sich das leisten können. Schauen Sie sich doch einmal an, wie heute die Ladenschlusszeiten bis 20 Uhr wahrgenommen werden, wer sie wahrnimmt, wo sie wahrgenommen werden und wer sie eben nicht wahrnimmt. Dann können Sie sehr klar erkennen, wer Ihre neue grenzenlose Freiheit wahrnehmen wird.
Herr McAllister, es ist sehr zynisch, zu sagen: Niemand wird gezwungen, länger zu öffnen. - Das ist zynisch all denjenigen gegenüber, die sich das nicht leisten können.
Ihr Gesetz ist höchst unsozial, nicht nur gegenüber den Arbeitnehmern im Einzelhandel, sondern auch gegenüber den vielen Mittelständlern, die längere Ladenöffnungszeiten finanziell überhaupt nicht heben können.
Wenn Mittelständler bei uns Marktanteile verlieren, dann bedeutet das in der Regel das Sterben dieser mittelständischen Betriebe; denn diese arbeiten schon heute knapp über der Wasserlinie. Das Ladensterben in den Ortskernen wird durch Ihr Gesetz noch deutlich verschärft.
Selbst der von Ihnen heute wieder dargestellte angeblich geschützte Sonntag wird durch die Regelungen, die Sie in Ihren Gesetzentwurf geschrieben haben - mit der Bäderregelung und noch mehr Ausnahmen für Bahnhöfe und Tankstellen -, tatsächlich so weit ausgeweitet, dass er letztendlich eine Farce ist.
99 Ausnahmen, verteilt auf ganz Niedersachsen, und dann noch die ganzen Tankstellen und Bahnhöfe - das ist kein Ladenschluss am Sonntag, sondern ein gewerbsmäßiges, flächendeckendes Angebot in ganz Niedersachsen.
Die Erweiterung der Bäderregelung für Sonntage mit dem Argument, andere Tourismusregionen hätten sonst Wettbewerbsvorteile, entbehren angesichts der räumlichen Distanz zu diesen anderen Tourismusregionen - Sie erwähnen immer die Ostsee - tatsächlich jeder Grundlage. Die Folge dieser Bäderregelung in Niedersachsen wird sein, dass Sie vor Ort eine negative interregionale Konkurrenz bekommen zwischen den Städten und Kommunen, denen sie das erlauben, und denen, die direkt daneben liegen, denen sie das nicht erlauben. Das ist das Problem, das Sie produzieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land wird mit Ihrer neuen Ladenöffnung seinen wirtschafts- und strukturpolitischen Aufgaben zum Ausgleich in den Regionen und zur Stärkung mittelständischer Wirtschaft nicht gerecht. Der neoliberal dominierte Gesetzentwurf richtet weit mehr Schaden an, als er den Kunden und einzelnen Unternehmen nützt. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen: Auch der erweiterte Ladenschluss, den es seit 1996 gibt, Herr McAllister, sollte laut ifoInstitut 20 Milliarden D-Mark zusätzlichen Umsatz
und 50 000 zusätzliche Arbeitsplätze im Einzelhandel bringen. Schauen Sie sich doch einmal an, was passiert ist! Das Gegenteil trat nach 1996 ein: Es wurde weiter an der Personalkostenschraube gedreht, wodurch es seit 2000 beispielsweise 252 000 Vollzeitarbeitsplätze weniger gibt als damals.
Herr McAllister, wer hat denn die hiesigen Großversuche, die wir in Niedersachsen gehabt haben - die Expo und die Fußball-WM - entsprechend genutzt? Wie war denn das Käuferinteresse in diesem Zusammenhang? - Da haben Sie es doch direkt vor Augen gehabt. Für Ihr Gesetz, das Sie hier verabschieden wollen, gibt es keinen Bedarf, sondern es nützt nur den Großen, die sich das leisten können, und verschiebt den Markt.
Der Schaden und die Lasten derartiger Ausweitungen von Öffnungszeiten haben dabei immer die eigentümergeführten mittelständischen Geschäfte, die Kommunen und die Beschäftigten im Handel zu tragen. Der METRO-Chef z. B. fordert von seinen Beschäftigten schon heute im Vorgriff auf die gesetzliche Erweiterung den Verzicht auf alle Zuschläge für Sonntags- und Abendarbeit. Haben Sie das gewollt, werte Kollegen von CDU und FDP?
Ladenschluss ist vor allen Dingen Arbeitnehmerschutz und Schutz von deren Familien. 70 % der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen, und nicht wenige davon alleinerziehend.
Sie sollten sich nicht nur an Bayern - der CSU -, sondern z. B. auch an Peter Müller im Saarland ein Beispiel nehmen. Er behält die alte Bundesregelung für den Ladenschluss bei. Die Landeskompetenz zum Ladenschluss sollte festlegen, dass erstens das weitere Ausbluten der Ortszentren durch eine neue Regelung gestoppt werden sollte, wenn wir schon diese Kompetenz haben. Das versuchen Sie ja krampfhaft mit dem Konzept „Ab in die Mitte!“, allerdings mit wechselndem Erfolg.
(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das ist ein sehr gutes Konzept, Herr Kollege! - Gegenruf von Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist ja auch von uns!)
Zweitens sollten Sie die neue Kompetenz zur Regelung nutzen, um den Mittelstand und seine Möglichkeiten und Qualitäten in Niedersachsen zu stärken. Sie machen jedoch das Gegenteil.
Drittens sollten Sie die Bedingungen für die Beschäftigten im Einzelhandel nicht verschlechtern, sondern, wenn möglich, sogar sozial verbessern; denn heute geht es denen schon nicht besonders gut. 2 000 Euro Einkommen erreicht keine Verkäuferin oder kein Verkäufer im Einzelhandel, und das zu den Bedingungen mit Öffnungszeiten häufig bis 20 Uhr.
Die von uns als Lösung erarbeitete City-PrivilegRegelung erfüllt diese Anforderungen, weil es mehr Öffnung eben nur in Ortskernlagen und Stadtteilzentren zulassen würde, und zwar vom Dorf bis zur Großstadt, Herr McAllister. Da nehmen wir keinen Ort aus.