Meine Damen und Herren, die CDU-Landtagsfraktion - und ich denke: der gesamte Landtag - hat ein elementares Interesse an einer sachlichen Aufklärung der Hintergründe des Unglücks. Darauf haben nicht zuletzt die Opfer selbst, aber auch die Hinterbliebenen der Opfer dieses Unglücks einen Anspruch. Als gewählte Volksvertreter sollten wir diesem besonderen Anspruch gerecht werden. Ich denke, hierüber besteht in diesem Hohen Haus Einigkeit, und zwar, Gott sei Dank, fraktionsübergreifend.
Meine Damen und Herren, der Stand der Aufklärung stellt sich aus unserer Sicht derzeit wie folgt dar:
Die Frage, wie es zu dem Unglück kommen konnte, wird derzeit von der Staatsanwaltschaft Osnabrück untersucht. Wie Sie wissen, ermittelt diese Staatsanwaltschaft gegen die Fahrdienstleiter we
gen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung, die Justizministerin, alle Behörden des Landes alles Erdenkliche unternehmen werden, um schnellstmöglich zur Sachaufklärung und zu Ergebnissen zu kommen.
Der Blick richtet sich jedoch nicht nur auf die strafrechtliche Aufarbeitung; denn es ist ein Gebot des menschlichen und politischen Anstandes, die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer in diesen schweren Tagen nicht allein zu lassen. Deshalb hat die Landesregierung einen Ombudsmann eingesetzt, der sich in vorbildlicher und unbürokratischer Weise um die berechtigten Ansprüche der Opfer und der Hinterbliebenen kümmert. Der eingerichtete Spendenfonds verfügt inzwischen über eine Summe von über 300 000 Euro.
Am 29. September - also nur sieben Tage nach dem Unglück -, am 13. Oktober - zusätzlich - sowie in einer öffentlichen Anhörung am 3. November hat der zuständige Ausschuss einschließlich des zuständigen Ministers alles Erdenkliche unternommen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Nichts, aber auch gar nichts wurde vertuscht, verheimlicht; es wurde auch nicht gezielt desinformiert, wie es hier behauptet wurde.
Bis heute, meine Damen und Herren, konnte nicht eine einzige Behauptung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufrecht erhalten oder gar bestätigt werden. Der Kernvorwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt erstens auf die Praxis der Genehmigung der Betriebsvorschrift für den Transrapid durch die Landesstraßenbaubehörde und zweitens auf die Frage, ob dabei die Sicherheitsstandards ausreichten, oder ob nicht eine sicherheitstechnische Einbeziehung des Werkstattwagens in die gesamte Betriebsleittechnik diesen Unfall hätte verhindern können.
Deshalb zu Beginn gleich folgende Feststellung: Erstens. An der Genehmigungspraxis hat sich in den letzten Jahren - im Übrigen auch in den Zeiten der SPD-Vorgängerregierung - nichts, aber auch gar nichts verändert. Im Gegenteil - der Kollege Bode hatte darauf hingewiesen -: Nach Aussagen des Betreibers, der IABG, am 3. November sind diese Maßstäbe kontinuierlich strenger geworden. Zur Begutachtung der Sicherheit bedient sich die Straßenbaubehörde eines unabhängigen Gutachters, nämlich des TÜV Nord und des TÜV Rhein
land. Die in Rede stehende Betriebsvorschrift wurde seit 2001 siebenmal verändert und nach Begutachtung durch den TÜV mit dem Bestätigungsvermerk „sicher“ neu genehmigt. Aus jedem Vorfall der vergangenen Jahre wurde explizit eine Konsequenz gezogen.
Bis heute - seit der ersten Genehmigung des Transrapid überhaupt - hat der TÜV insgesamt 685 Gutachten erstellt, allein 183 bezüglich der Betriebsleittechnik. Seit dem 28. März dieses Jahres muss der TÜV im Übrigen darüber hinaus die Einhaltung der Betriebsvorschrift noch zusätzlich überwachen.
Zu dem zweiten Vorwurf. Der höchstmögliche Sicherheitsstandard, basierend auf dem Versuchsanlagengesetz, bezieht sich auf die gültigen Regeln der Technik. Derzeit existiert auf dem Technikmarkt kein Sicherheitssystem, das eine vollständige Einbeziehung aller Fahrzeuge auf Schienen oder Magnetbahnen vorsieht. Weder bei den Eisenbahnen noch bei den Projekten in München oder in Schanghai.
Im Übrigen hat sich auch eine dritte Behauptung der Grünen als haltlos herausgestellt, nämlich die Vermutung, dass auf Basis anderer Rechtsvorschriften - Personenbeförderungsgesetz, Eisenbahngesetz, Magnetschwebebahngesetz - höhere Sicherheitsanforderungen gegolten hätten. Das wäre nicht der Fall gewesen.
Dennoch diskutieren wir heute hier einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dies ist unbenommen Ihr gutes Recht, wobei wir uns des Eindrucks nicht erwehren können, dass es Ihnen bei manchen Fragestellungen, die auch im Ausschuss getätigt wurden, nicht mehr wirklich um Sachaufklärung geht, sondern um Profit.
Meine Damen und Herren, ob dies angesichts der Schwere des Unglücks angemessen ist, wird von uns allen und von der Öffentlichkeit zu beurteilen sein.
Gemäß Artikel 27 der Niedersächsischen Verfassung hat der Landtag das Recht und auf Antrag von mindestens einem Fünftel der Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen,
um Sachverhalte im öffentlichen Interesse aufzuklären. Ob ein solcher Untersuchungsausschuss ein geeignetes Instrument zur Aufklärung eines im Kern technischen und menschlichen Unglücks darstellt, daran kann man schon berechtigte Zweifel haben.
Meine Damen und Herren, überwiegend sind Untersuchungsausschüsse ein Instrument der Opposition, um politischen Mitbewerbern zu schaden. Meistens spielt die Sachverhaltsaufklärung eine geringere Rolle.
Ich will Ihnen aber sehr deutlich sagen: Für den Fall der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, den wir in diesem Fall nicht als notwendiges Mittel betrachten, wird natürlich auch die Genehmigungspraxis des gesamten Zeitraums aller Landesregierungen von uns detailliert untersucht werden müssen, um ein vollständiges Bild zu erhalten und um etwaige Unterschiede, was möglich ist, herauszuarbeiten.
Die SPD-Landtagsfraktion - offenbar galt das auch für ihre Sitzung heute Morgen - hat bisher der Versuchung widerstanden, hier generell auf einen Untersuchungsausschuss zu setzen. Dafür zollen wir Ihnen im Übrigen Respekt, weil Sie sich in dieser Frage bisher sehr verantwortungsvoll verhalten haben.
Herr Jüttner hat auf der Pressekonferenz am Montag erklärt, er werde sich in dieser Frage von der Öffentlichkeit und auch von den Grünen nicht zwingend drängen lassen. Meine Damen und Herren, nach Meinung von Herrn Jüttner muss die Befragung im Wirtschaftsausschuss so lange als nicht abgeschlossen gelten, wie vor allem das Eisenbahn-Bundesamt noch keine Stellungnahme abgegeben hat. Diese Auffassung teilen wir uneingeschränkt. Die Haltung des Eisenbahn-Bundesamtes ist nicht akzeptabel und politisch unklug. Herr Jüttner, Sie haben Recht: Das Verhalten des Eisenbahn-Bundesamtes ist eine Missachtung des Souveräns Landtag.
Der Hinweis auf staatsanwaltliche Ermittlungen ist rechtlich zwar wohl nicht zu beanstanden. Aber eine Bundesbehörde sollte sich schon zutrauen, sich den Fragen des niedersächsischen Landesparlaments zu stellen. Immerhin hat die DB Magnetbahn GmbH ihr Kommen für die nächste Wirtschaftsausschusssitzung am 24. November zugesagt. Die Absage des Eisenbahn-Bundesamtes als alleinige Begründung zu nehmen, um einen Untersuchungsausschuss einzurichten, wäre, glaube ich, zu kurz gesprungen.
Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen werden mit Sicherheit noch umfangreiche Fragen zu stellen sein, sie sollten auch gestellt werden. Für diese Landesregierung und insbesondere diesen Minister gibt es keinen Anlass, auch nur in irgendeiner Form etwas verheimlichen, vertuschen oder was auch immer zu wollen. Hier wird alles transparent und offen auf den Tisch gelegt. Daran hat der Minister, daran haben wir und Sie alle ein berechtigtes Interesse. Sie haben auch einen Anspruch darauf.
Ich will deutlich sagen, dass wir heute der Überweisung in den Ausschuss zur weiteren Begutachtung durch den GBD am Ende zustimmen sollten. Ich will aber auch deutlich sagen: Es sollte hier heute nicht der Eindruck entstehen, als sei damit bereits irgendeine Vorverurteilung oder ein Ergebnis beschlossen worden. Wir werden Ihnen alles offen darlegen.
Wir sind gespannt auf die weiteren Beratungen. Ich bitte Sie sehr herzlich, dies immer auch im Zusammenhang mit diesem schrecklichen Unglück zu sehen und die notwendige Zurückhaltung an den Tag zu legen. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns alle - das ist jetzt mehrfach zu Recht hervorgehoben worden - hat das Unglück tief erschüttert, und wir fühlten uns zugleich an Eschede und andere große Unglückfälle, die in
den letzten Jahren in unserem Land geschehen waren, erinnert. Wir fühlen mit den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten.
Diese Erfahrung trifft mitunter leider zu. Die Beiträge aller Redner und die Sachlichkeit dieser Debatte zeigen, dass diese Sorge jedenfalls in Niedersachsen völlig unberechtigt ist. Dieses Thema wird uns weiterhin und noch längere Zeit beschäftigen.
Der Landesregierung kam es darauf an, langfristig eine fürsorgende und vermittelnde Instanz, einen konkreten Ansprechpartner für die Opfer und die Hinterbliebenen der Opfer dieser Katastrophe einzusetzen. Mit dem ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichts Oldenburg, Herrn Dr. Hartwin Kramer, haben wir eine geeignete Wahl für einen Ombudsmann getroffen. Im Übrigen sind bisher Spenden in Höhe von ca. 307 000 Euro eingegangen; aus diesem Fond wurden bereits 141 600 Euro verausgabt. Damit konnte in vielen Einzelfällen den Angehörigen in dieser schrecklichen Situation ein klein wenig geholfen werden.
Jetzt geht es zwingend darum, eine rückhaltslose, vollständige Aufklärung des Transrapidunglücks aus allen denkbaren Blickwinkeln durchzuführen. Die Landesregierung hat das dazu Mögliche getan und wird es weiterhin uneingeschränkt tun. Das zuständige Ministerium hat in drei Ausschusssitzungen und im Oktober im Parlament zeitnah und umfassend informiert, zuletzt am vergangenen Freitag in öffentlicher Anhörung des zuständigen Fachausschusses. Auch der Betreiber der Versuchsanlage sowie die technischen Sachverständigen des TÜV haben in diesen Sitzungen zu allen Fragen ausführlich Rede und Antwort gestanden.
Die DB Magnetbahn GmbH und das EisenbahnBundesamt, die sich bislang unter Hinweis auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht geäußert haben, werden im Fachausschuss am 24. November zur Verfügung stehen bzw. sind zur schriftlichen Beantwortung von Fragen bereit. Dazu sage ich ausdrücklich, dass ich mir wünschte, dass es jetzt schon weitergehende Möglichkeiten gäbe, den Landtag bei seinem Begehren zu unterstützen. Ich unterstütze auch den Landtag
gegenüber den Beteiligten, etwa dem Bundesverkehrsministerium und der Staatsanwaltschaft. Allerdings weise ich mit Blick auf die Nichtteilnahme der Vertreter des Eisenbahn-Bundesamts an dem Anhörungstermin am 3. November darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück mitgeteilt hat, dass das gutachterlich eingebundene EisenbahnBundesamt nicht befugt sei, sich während des laufenden Ermittlungsverfahrens öffentlich zur Unfallursache zu äußern. Dies gelte, wenn der Kernbereich staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen tangiert sei. Dazu hat der Kollege Bode das Notwendige hier vorgetragen.
Für die Regierung ergänze ich - im Übrigen sind dies Fragen des Parlaments -, dass ich keinen rechtlich vertretbaren Grund für die Justizministerin sehe, von ihrem Weisungsrecht gemäß § 146 Gerichtsverfassungsgesetz gegenüber der Staatsanwaltschaft Gebrauch zu machen. Die Staatsanwaltschaft ist als selbständiges Organ der staatlichen Strafverfolgung allein dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Sie wirkt auf die Ermittlung der Wahrheit und die Findung eines gerechten Urteils hin. Das Legalitätsprinzip bindet nicht nur die Justizministerin, sondern auch die Regierung, also auch mich, und das Parlament, also Sie und uns, um zu vermeiden, dass auf die Staatsanwaltschaft Einfluss genommen wird. Die Verfolgung des staatlichen Strafanspruchs hat nach Meinung aller Kommentatoren der Strafprozessordnung unbedingten Vorrang. Solange die von mir geführte Landesregierung in der Verantwortung ist, hat es keine Weisung an eine Staatsanwaltschaft gegeben; sie ist die Ultima Ratio.
- Ich bin für Ihren Hinweis dankbar, dass es dies in Ihrer Amtszeit auch nicht gegeben hat, Frau Merk. Insofern wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diejenigen in Ihrer Fraktion ein bisschen zur Mäßigung aufriefen, die von uns fordern, auf die Staatsanwaltschaft Einfluss zu nehmen.
- Im Parlament ist eben die Einflussnahme darauf konzentriert worden, zeitlich Druck auszuüben und alle erforderlichen Stellen bereitzustellen, die von der Staatsanwaltschaft gar nicht angefordert worden sind. Mir gegenüber ist gesagt worden, wir
könnten über die Justizministerin auf die Staatsanwaltschaft einwirken, ihr Verlangen aufzugeben, dass das Eisenbahn-Bundesamt zunächst keine Aussage macht. Ich hielte es für einen großen Gewinn dieser Debatte, wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir gemeinsam keinerlei Einfluss auf die Staatsanwaltschaft ausüben wollen, der sie in irgendeiner Weise in ihren Ermittlungen behindern könnte, damit sie sich nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt fühlt.
Mir ist sehr wichtig, dass wir beides sehen: die politische Aufarbeitung und die juristische Aufarbeitung. Die Ermittlungen dürfen nicht um den Preis der Gerechtigkeit gefährdet werden. Eine Weisung wäre auch aus Opportunitätsgründen rechtswidrig. Die Vertreter des Eisenbahn-Bundesamts könnten - das ist für die Öffentlichkeit wichtig; denn diese Zusammenhänge bedürfen der Erklärung - nach § 74 der Strafprozessordnung im Strafverfahren wegen ihrer vorherigen Äußerungen in der Öffentlichkeit als befangen abgelehnt werden. Ihr Gutachten wäre bei einer erfolgreichen Ablehnung nicht mehr verwertbar. Die Zahl derer, die in Deutschland zu dieser Versuchsanlage sachkundig gutachterlich Stellung nehmen können, ist offenkundig begrenzt. Es handelt sich hierbei um einen überschaubaren Kreis von Experten. Wir dürfen nicht selbst daran mitwirken, dass einige Experten anschließend wegen Befangenheit abgelehnt werden könnten.
Die Angaben der Sachverständigen könnten auch Anlass für weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sein. Wenn diese Angaben aber im Untersuchungsausschuss oder in Sitzungen des Landtags gemacht würden, bevor die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Ermittlungen angestellt hat, wären Ermittlungen unter Umständen gefährdet. Beweismittel könnten nicht mehr aufzufinden sein, Zeugen könnten ihre Aussagen auf die Angaben der Sachverständigen einstellen, schlimmstenfalls könnten Unschuldige verurteilt werden. Ich halte diese Einschätzung der Staatsanwaltschaft für überzeugend. Die Durchführung des Strafverfahrens beeinträchtigt nicht die spätere politische Aufarbeitung des Sachverhalts. Die jetzige Anhörung der Sachverständigen, die als Gutachter eingeschaltet werden, könnte aber sehr wohl das Ermittlungsverfahren beeinträchtigen, ja den Sanktionsanspruch des Staates unterlaufen.