Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Herr Busemann, zum Thema „Kinderarmut“ halten Sie lieber wohlfeile Sonntagsreden. Wenn es darauf ankommt, wirklich zu helfen, ducken Sie sich weg und sind nicht zuständig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Regierungskoalition wenigstens die Absicht der Landesregierung korrigiert hat, zum kommenden Schuljahr erneut 400 Stellen in den Schulen zu streichen. Wir tun Ihnen aber sicherlich nicht Unrecht, wenn wir diesen Änderungsbeschluss bereits als Wahlkampfgeschenk verbuchen. Wir sind sicher, auch im nächsten Jahr werden Sie wieder - dann wenige Wochen vor dem Wahltermin - mit großem Getöse auf die Streichung von 400 Lehrerstellen verzichten. Das ist Ihre Strategie.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist gute Schulpolitik!)

Wer genau hinsieht, merkt das.

(Ursula Körtner [CDU]: Das ist ver- antwortungsvoll!)

Erst kündigen Sie über die Landesregierung bittere Einschnitte und Kürzungen an. Dann diskutieren Sie das Thema öffentlich, und in der Folge gehen die Regierungsfraktionen hin und nehmen mit großer Gestik die Streichung zurück und verkündigen dies als Segnung. Auch so kann man Politik machen und versuchen, die Leute für dumm zu verkaufen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Jahre nach dem Wahltermin ist in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung unverändert der Abbau von jährlich 400 Stellen vorgesehen. Dann übernimmt wieder der Finanzminister das Kommando in der Schulpolitik.

Meine Damen und Herren, Bundespräsident Köhler hat dazu aufgefordert, dass die Mittel, die durch den Rückgang der Schülerzahlen rechnerisch frei werden, vollständig im Bildungssystem verbleiben müssen. Nur so könnten die Unterfinanzierung des Bildungssystems beendet und die notwendigen Reformen für die Zukunft finanziert werden. Diesen Grundsatz sollten Sie, Herr Busemann, einmal gegenüber Herrn Möllring durchsetzen. Dann würde unser Land in der Schulpolitik ein kleines Stück zukunftsfähiger.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie unterstellen die Bildungspolitik nicht nur der Knute Ihres Finanzministers, sondern vor allem stecken Sie die Lehrerstellen, die Sie in diesem Jahr noch einmal erhalten haben, in ein veraltetes System. Sie sind noch immer nicht bereit, unser Bildungssystem endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen.

(Ingrid Klopp [CDU]: Auch das ist eine Wiederholung!)

Unter Fachleuten ist man sich längst einig, dass vor allem das Fundament gestärkt werden muss,

(Joachim Albrecht [CDU]: Richtig!)

nämlich die Frühförderung in den Kindertagesstätten und die Förderung in den Grundschulen, weil hier die Grundlagen für den gesamten weiteren Bildungsweg gelegt werden. Sie aber mühen sich vergeblich ab, das Dach unseres Schulsystems zu flicken. Sie senken z. B. gerade mal eben mit dem Haushaltsbegleitgesetz die Standards in der Kindertagespflege. Das haben wir heute Vormittag schon diskutiert. Sie lehnen heute unser Programm für ein kinder- und familienfreundliches Niedersachsen ab, mit dem wir die Bildungs- und Betreuungsangebote in den Kindertagesstätten ausbauen wollen. Sie lehnen es ab, einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für unter Dreijährige zu schaffen. Sie lehnen es ab, das Ganztagsangebot in den Kindergärten bedarfsgerecht auszubauen. Sie weigern sich, in den Kindertagesstätten ein modernes Qualitätsmanagement aufzubauen und Erzieherinnen und Erzieher auf Hochschulniveau auszubilden. Sie weigern

sich auch, Ihr eigenes Wahlversprechen von 2003 noch vor der Wahl - Sie könnten das - umzusetzen und das letzte Kindergartenjahr kostenfrei zu gestalten.

Wir haben in unserem Antrag eine Finanzierungsmöglichkeit für dieses Programm aufgezeigt. Zugegebenermaßen ist das ein sehr umfangreiches Programm. Sie sind aber noch nicht einmal bereit, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Phantasielos und mutlos heißt es bei Ihnen nur: Leere Kassen! - Sie belassen lieber alles beim Alten.

(David McAllister [CDU]: Wir orientie- ren uns an der Realität! - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Was nicht geht, geht nicht!)

Den Grundschulen haben Sie vor der letzten Wahl versprochen, die Jahreswochenstundenzahl in den ersten vier Schuljahren auf insgesamt 100 Stunden zu erhöhen. Auch dieses Versprechen haben Sie gebrochen. Auch nach vier Jahren Busemann liegt die Pflichtstundenzahl an den Grundschulen bei 94 Stunden, nicht bei 100.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Und wo wa- ren wir?)

- Da müssen Sie jetzt rechnen, nicht wahr? - Statt die an den Grundschulen zurückgehenden Schülerzahlen zu nutzen, endlich das Unterrichtsangebot zu verbessern, bauen Sie dort schon einmal gut 270 Stellen ab. Eine Stellenvergeudung betreiben Sie stattdessen bei einigen Hauptschulen. Wir sprachen schon darüber. Obwohl diese Schulform von immer weniger Schülerinnen und Schülern angewählt wird, erhalten Sie hier aus ideologischen Gründen auch die kleinsten Schulen und Klassen am Leben, statt sie mit anderen Schulformen zusammenzuführen und den Hauptschülern eine wesentlich bessere Förderung zu ermöglichen. Unter dem Strich bauen Sie in Hauptschulen und Realschulen sogar Stellen ab. Stattdessen stecken Sie alles, was Sie haben, in Ihr Lieblingskind, die Gymnasien.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Deshalb be- schweren die sich auch immer!)

Trotzdem wird es Ihnen auch im kommenden Jahr nicht gelingen, die Unterrichtsversorgung in den Gymnasien sicherzustellen. Mehr als 125 Lehrerstellen pro Jahr verbrauchen Sie zusätzlich für Ihr übereiltes Konzept der verkürzten Schulzeit. Sie haben die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur

leider nicht genutzt, um endlich einmal die Stundenpläne zu entmüllen und zu straffen.

Meine Damen und Herren, dieses Schulsystem, das Sie hier vertreten, ist nicht mehr zukunftsfähig. Dafür mehren sich die Anzeichen täglich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Wirtschaft in Niedersachsen beklagt sich, dass sie trotz 380 000 Arbeitsloser nicht genügend qualifizierte Fachkräfte findet. Unser Schulsystem schöpft die Talente unserer jungen Menschen einfach nicht aus. Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung fordert deshalb in seinem Forschungsbericht „Bildung und Qualifizierung in Niedersachsen“ vom September dieses Jahres - also ganz aktuell - eine stärkere individuelle Förderung der Schüler durch differenzierten Unterricht in kleineren Lerngruppen, den Ausbau der Förderinfrastruktur an den Schulen, vor allem aber eine insgesamt spätere Selektion, wie sie in allen erfolgreichen PISA-Staaten erfolgt. Wohlgemerkt: Das ist nicht irgendeine Organisation, die Sie in die Ecke stellen wollen, sondern das ist das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung.

Aber, meine Damen und Herren, die Landesregierung verharrt unverdrossen in ihrer ideologischen Wagenburg. Sie weigert sich, die Veränderung der gesellschaftlichen Realität zur Kenntnis zu nehmen und ist angesichts dessen, was sie mit ihrer Schulstrukturreform angerichtet hat, unfähig, nach neuen Lösungen zu suchen. Lieber investieren Sie die Steuermillionen unverdrossen und ineffizient in ein veraltetes System - immer nach dem Motto „Augen zu und durch“.

(David McAllister [CDU]: Nun hören Sie auf, unser Schulsystem schlecht- zureden!)

Ich habe Ihnen gestern bereits gesagt, Herr Busemann: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie mit diesem überholten und eigentlich schon gescheiterten Konzept in die nächste Landtagswahl gehen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Ich erteile Herrn Albrecht das Wort zu einer Kurzintervention für eineinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Korter, ich will es kurz machen. Man könnte zu einer Fülle von Dingen, die Sie eben ausgeführt haben, entsprechende Einwände vortragen, da ein großer Teil der Sachen, die Sie uns hier vorgestellt haben, schlicht und ergreifend nicht ganz den Tatsachen entspricht.

(Beifall bei der CDU)

Aber auf eine Stelle möchte ich Sie aufmerksam machen. Ich war schon etwas verwundert über das Verständnis, das Sie von der Arbeit von Fraktionen haben, auch von regierungstragenden Fraktionen. Die Regierung hat einen Haushaltplansentwurf vorgelegt. Das heißt doch aber nicht, dass die Fraktion zu allem Ja und Amen sagt. Wenn das Ihr Verständnis von Regierungsarbeit ist, dann gute Nacht. Dann kann ich nur wünschen, dass Sie nie wieder an die Regierung kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Frau Korter möchte antworten. Bitte schön, Sie haben für eineinhalb Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Albrecht, lassen Sie sich doch einmal überraschen, was wir machen, wenn wir an der Regierung sind. Da werden Sie sich schon wundern. Wir werden nämlich dafür sorgen, dass die Zahl der Schulabgänger, die in Niedersachsen die Schule ohne Schulabschluss verlassen, deutlich sinkt. Wir werden dafür sorgen, dass Förderschüler besser integriert werden. Wir werden dafür sorgen, dass jedes Kind seinen Begabungen entsprechend den bestmöglichen Schulabschluss erhält und nicht vorher aussortiert wird. Ich habe gar keine Bedenken, dass das hervorragend wird.

Sie haben doch bis jetzt kritiklos alles nachvollzogen, was der Minister Ihnen gesagt hat. Kurz vor der Wahl zeigen Sie jetzt: Wir haben auch noch etwas zu melden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Danke schön. - Nun erteile ich Herrn Kollegen Schwarz von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Korter, ich hatte Sie eigentlich nicht auf der Liste. Aber zum Schluss haben Sie doch noch etwas gesagt, wozu ich etwas sagen muss: Der feine Unterschied zwischen uns in Bezug auf die Förderschulen ist der, dass wir nach der bestmöglichen Förderung für unsere benachteiligten Kinder suchen, während Sie die Förderschule abschaffen wollen. Das ist der feine Unterschied. In diesem Bereich wollen wir Verbesserungen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Eckel, Sie behaupten, dass wir die Eltern in Niedersachsen enttäuscht hätten. Ich will Ihnen einmal sagen: Der Landeselternrat begrüßt die Einrichtung der Eigenverantwortlichen Schule - Sie begrüßen sie nicht. Der Landeselternrat verlässt den Bundeselternrat, weil er die gemeinsame Schule nicht will. Ich kann nicht erkennen, dass der Landeselternrat Ihren Konzepten folgt, sondern er folgt unseren Konzepten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushalt ist bekanntlich die in Zahlen niedergeschriebene Politik. Für uns heißen die aktuellen Eckdaten: Verbesserung der Unterrichtsversorgung, Ausbau der Ganztagsangebote, Stärkung der Hauptschulen durch weitere Sozialpädagogen, frühkindliche Bildung, Stärkung der freien Schulen, Rückendeckung für die berufsbildenden Schulen - Stichwort „Fachpraxislehrer“ - und Hilfestellung für die Förderschulen. Mit der finanziellen Berücksichtigung dieser Bereiche befinden wir uns weiter konsequent auf dem Weg zu einer verbesserten Bildungsqualität.

Stichwort „Unterrichtsversorgung“. Frau Eckel, wir hatten gemeinsam eine Podiumsdiskussion geführt, die vom Stadtelternrat hier in der Stadt Hannover organisiert worden war. Dieser sprach von 50 Jahren Lehrermangel. Das ist kein Ding der derzeitigen Landesregierung.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Mister 100 % - da sitzt er!)

Das ist eine Frage, die sich seit 50 Jahren durch unser Land zieht. Herr Jüttner, jeder, der sich nur halbwegs mit der Materie befasst, weiß, dass 100 % Unterrichtsversorgung auf dem Papier nicht gleichbedeutend sind mit 100 % erteiltem Unterricht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das müssen Sie ihm sagen!)

- Nun sage ich das doch! Nun seien Sie doch ruhig! Bleiben Sie ganz ruhig. Ich bin bei Ihnen, ich sage es Ihnen jetzt.