Sie wollen uns mit Ihren Antworten wirklich weismachen, meine Damen und Herren, dass sich der Erfolg der Polizeireform daran messen lasse, dass die Polizeidirektionen allesamt melden würden, die Polizeireform sei gelungen. Wie gut oder wie schlecht die Polizeireform innerhalb der Polizei wirklich angekommen ist, hätten Sie erfahren können, wenn die Besuche des Innenministers bei der Polizei nicht als reine Schauveranstaltungen organisiert worden wären. Auch ich habe viele Polizeidienststellen besucht und meine Besuche nicht an die große Glocke gehängt. Mir hat man den Zustand der niedersächsischen Polizei nicht nur in diesen rosaroten Farben geschildert, wie dies in den Antworten auf die einzelnen Fragen zum Ausdruck kommt.
Der Innenminister scheint an einer Wahrnehmungsstörung zu leiden, wenn er wirklich glaubt, die schlechte Stimmung innerhalb der Polizei - ich zitiere jetzt sinngemäß aus der Antwort - würde sich ausschließlich auf Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung beziehen. Natürlich ist es richtig, dass die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht ausschließlich für Begeisterung gesorgt hat. Natürlich ist es richtig, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht unbedingt nur für Frohsinn sorgt. Natürlich ist es richtig, dass die Streichung von Fortbildungsmaßnahmen nicht zur Steigerung der Berufszufriedenheit beiträgt. Natürlich ist es nur ein schwacher Trost, dass sich die Kolleginnen und Kollegen beim Händewaschen das eiskalte Wasser dadurch warm denken können, dass jetzt 210 neue Kollegen unter den gleichen schlechten Bedingungen ihren Dienst verrichten müssen.
Herr Biallas, noch eine Bemerkung zu den Neueinstellungen: Wir haben nicht gesagt, dass wir das nicht wollen, sondern wir haben Ihnen vor der Wahl gesagt, dass wir 1 000 neue Kolleginnen und Kollegen nicht bezahlen können. Sie aber haben diese Einstellungen umgesetzt und bezahlen die neuen Kolleginnen und Kollegen damit, dass Sie den im Dienst befindlichen Polizeibeamten mehr als 10 % ihres Gehaltes genommen haben. Das wollten wir nicht!
Das ist aber noch lange nicht alles, meine Damen und Herren. Ich halte es für fatal, wenn sämtliche Informationen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge aus den Reihen der Polizei mit der pauschalen und durch nichts belegten Begründung vom Tisch gewischt werden, die Unzufriedenheit habe ausschließlich mit der von CDU und FDP zu verantwortenden Verschlechterung der Finanzsituation der Polizei zu tun. Ich teile die Ansicht vieler Polizeibeamter, dass die zentralistische Organisation erhebliche Ressourcen innerhalb der Polizei - hier insbesondere innerhalb des Einsatz- und Streifendienstes - verschenkt und dort vorhandene Kompetenzen und Fähigkeiten brachliegen und über kurz oder lang sogar verkümmern lässt. Dies ist nicht nur unter Motivationsgesichtspunkten fatal, sondern es handelt sich nicht zuletzt auch um betriebswirtschaftlichen Schwachsinn.
Ich rede nicht gegen eine Spezialisierung innerhalb der Polizei. Ich bin aber vehement gegen jede Abwertung des Einsatz- und Streifendienstes.
(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist das Einzige, was ich Ihnen glaube! - David McAl- lister [CDU]: Da lachen ja die Hühner!)
Wessen Geistes Kind die Polizeireform ist, erkennt man bereits daran, dass oberstes Reformziel die Stärkung der Eigenständigkeit der Polizei war. Meine Damen und Herren, dieses Ziel ist nicht nur absurd, sondern es ist falsch; denn es führt weg von der in der Mitte der Gesellschaft verankerten Bürgerpolizei hin zu einem lediglich einem ominösen Korpsgeist verpflichteten Polizeiapparat. Die Stärkung der Eigenständigkeit der Polizei ist für mich kein erstrebenswertes Reformziel, sondern ein schwerer Fehler, der korrigiert werden muss.
Das Gewaltmonopol des Staates basiert meines Wissens nicht auf der größtmöglichen Eigenständigkeit, sondern auf der gesamtgesellschaftlichen demokratisch legitimierten Kontrolle. Deshalb ist es falsch, die extrem grundrechtsrelevanten Bereiche Polizei und übrigens auch Verfassungsschutz in eine ominöse Eigenständigkeit zu entlassen.
Vor diesem Hintergrund bin ich gegen ein Zurückfahren der Aufsicht über den Verfassungsschutz. Wir werden morgen noch darüber diskutieren. Außerdem bin ich ganz entschieden gegen jede Abschottung der Polizei von der Zivilgesellschaft.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Ziel der Koalition - hierauf ist Herr Dr. Lennartz eben auch schon eingegangen -, ja sogar ein zentrales Versprechen der Regierung Wulff war die Einstellung von 1 000 zusätzlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Ich stelle fest, 210 von 1 000 sind tatsächlich eingestellt. Weitere 390 befinden sich in der Ausbildung. Damit sind nach vier Fünfteln der
Besondere Aufmerksamkeit verdient allerdings die Tatsache, dass die Landesregierung mittlerweile von diesem Wulff‘schen Wahlversprechen abgerückt zu sein scheint. Nur noch 800 statt 1 000 zusätzliche Polizisten sollen eingestellt werden; so ist in der Antwort der Landesregierung zu lesen. Das ist interessant, meine Damen und Herren. Von geradezu schildbürgerlicher Qualität ist die Aussage dazu, wie die fehlenden 200 Stellen besetzt werden sollen, nämlich durch - ich zitiere - „Freisetzungen durch Übernahme von reformbetroffenem Verwaltungspersonal“. Meine Damen und Herren, was bedeutet das konkret? - Ich werde Ihnen das einmal vor Augen führen - das hat auch schon eine Anfrage des Herrn Kollegen Möhrmann gezeigt -: Sie entlassen Verwaltungspersonal der Polizei und belasten das Vollzugspersonal mit zusätzlicher Verwaltungstätigkeit. Dann widmen Sie die frei gewordenen Verwaltungsstellen in Vollzugsstellen um und behaupten, Sie hätten zusätzliches Personal eingestellt. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, aber so etwas kann man, wenn man sich einigermaßen vornehm ausdrückt, nur noch Veralberung der Öffentlichkeit nennen.
Eine interessante Information ist der Anfrage aber doch zu entnehmen: Während die Bürgerinnen und Bürger bislang davon ausgegangen sind, dass zumindest die zusätzlichen 200 Polizisten jetzt für mehr Polizeipräsenz auf der Straße sorgen, sieht die Wahrheit ganz anders aus. Ich verweise da auf den eben zitierten Zeitungsartikel. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass sich der Fahrzeugbestand der Landespolizei zwischen 2003 und heute nicht um ein einziges Fahrzeug erhöht hat. Mit anderen Worten: Die zusätzlichen Polizeibeamtinnen und -beamten können gar nicht Streife fahren. Sie können Fußstreife gehen; das ist richtig. Sie können aber nicht Streife fahren. Im ländlichen Raum, der ja so gestärkt werden soll, ist, glaube ich, das Wandern über Wiesen nicht gerade das, was man Polizeibeamten zumuten sollte oder wo sie effektiv eingesetzt sind.
Es wurde also nicht ein einziges zusätzliches Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Wer jetzt glaubt, sie könnten stattdessen Schreibtischarbeit machen, der sollte sich vor Augen führen, dass bislang auch keinerlei Erhöhung von Haushaltsmitteln für Bürobedarf oder gar Schreibtische erfolgt ist. Über Ausrüstung und Bewaffnung müssen wir gar nicht erst reden.
Meine Damen und Herren, die 210 frischen und fahrzeuglosen Kolleginnen und Kollegen sind nicht die Einzigen, die jetzt - jedenfalls wenn man dem Innenminister glaubt - zusätzlich auf der Straße sind. Durch ominöse Organisationsveränderungen sollen weitere 200 Stabsstellen entfallen und in Vollzugsstellen umgewandelt worden sein. Interessant ist, dass die Landesregierung diese Behauptung nicht einmal im Ansatz belegen kann.
- Frau Präsidentin, ich erlaube mir, ganz schnell zum Schluss zu kommen. - Nicht in einem einzigen Fall wird nachvollziehbar verdeutlicht, dass hier tatsächlich Stabsstellen eingespart werden konnten. Anstatt diese Behauptung zu belegen, redet die Landesregierung wortreich um den Kern der Frage herum. Was bleibt, ist, dass für diese Exstäbe kein einziges Polizeifahrzeug zusätzlich zur Verfügung steht. Von 2003 bis 2006 gab es kontinuierlich den eben genannten Fahrzeugbestand von 4 184 Fahrzeugen, nicht ein einziges Fahrzeug mehr. Vor wenigen Monaten mussten wir den Zeitungen entnehmen - ich habe das eben schon zitiert -, dass es wegen Spritmangels nicht mehr geht.
Meine Damen und Herren, bevor sich bei Ihnen der Eindruck verfestigt, diese Landesregierung hätte tatsächlich für zusätzliches Polizeipersonal auf niedersächsischen Straßen gesorgt, empfehle ich Ihnen die Lektüre einiger Kleiner Anfragen, in denen wir nach der Gesamtpersonalstärke gefragt haben. In vielen Polizeidienststellen, von denen Herr Schünemann heute behauptet, es stünde mehr Personal zur Verfügung, ist in Wahrheit weniger Personal vorhanden, weil mehr Verwaltungsstellen gestrichen als Vollzugsstellen zusätzlich geschaffen wurden. Das ist die Wahrheit, was die angebliche Personalverstärkung angeht.
Es gibt aber Realitäten, Herr Kollege Biallas. Wenn man bereit wäre, diese Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, dann könnte man eine solche Antwort auf
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat;
denn mit dieser Antwort können wir nun wirklich jedem Kritiker nachweisen, dass die Polizei zukunftsfähig aufgestellt ist
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eingangs auf ein paar Dinge eingehen, die hier dargestellt worden sind, obwohl sie über das, wozu Antworten gegeben worden sind, hinausgehen.
Zum einen freue ich mich ganz besonders, dass Sie die PI Cloppenburg angesprochen haben; denn in dieser PI haben wir 47 Vollzugsbeamte zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Meine Damen und Herren, wir haben gerade den Haushalt 2007 verabschiedet. Da ist klar geworden, dass durch das zusätzlich bereitgestellte Geld der Polizei auch in der Fläche noch nie so viel Geld zur Verfügung gestellt worden ist und dass wir den Mut haben - dazu hatten Sie nie den Mut, Herr Bartling -, eine Budgetierung vorzunehmen, sodass man vor Ort selbst entscheiden kann, wie die Kriminalitätsbekämpfung vernünftig umgesetzt wird. Das ist meiner Ansicht nach genau der richtige Ansatz: zusätzliches Personal auch in der Fläche zur Verfügung stellen und der Polizei vor Ort auch die finanzielle Verantwortung für den Sach
haushalt zu geben. Das ist der richtige Weg. Insofern kann ich das, was Sie diesbezüglich dargestellt haben, nur zurückweisen.
- Ich kenne Herrn Laing auch. Da muss er einmal ein bisschen recherchieren. Ich kann Ihnen das nur so sagen. Man kann ihm zusätzlich noch den Auszug geben. Dann kann er dies übermorgen in der Zeitung richtigstellen.
Herr Bartling, Sie haben gesagt, diese Polizeireform habe politische Vorgaben gehabt, während man in den 90er-Jahren nur auf die Mitarbeiter gehört habe. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das Kienbaum-Gutachten ist ja nun bekannt. Wie viel es gekostet hat, ist auch bekannt. Aber wir haben nun wirklich auf 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei gehört. Wir haben sie gebeten, uns Vorschläge zu machen. Es sind zusätzlich insgesamt 140 Beiträge gekommen. Wir haben sie ausgewertet und haben das, was dort zu Papier gebracht worden ist, eins zu eins umgesetzt, weil in der Polizei Sachverstand vorhanden ist. Das ist meiner Ansicht nach richtig. Deshalb ist diese Polizeireform auch solch ein Erfolg geworden.
Meine Damen und Herren, wir haben mit der Reform die operativen Einheiten gestärkt, die Kriminalitätsbekämpfung optimiert sowie die Stabsstrukturen konsequent verschlankt und zusätzliche Stellen geschaffen. Unser Land ist dadurch ohne Zweifel sicherer geworden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang drei wesentliche Punkte aufgreifen. Erstens. Wir haben die Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei gestärkt. Die Polizeidirektionen sind mit der neuen Struktur in der Lage, wesentlich flexibler auf Lageentwicklungen zu reagieren. Flexibles, eigenständiges Handeln - oftmals Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung polizeilicher Lagen - ist in den neuen räumlichen Zuschnitten auch bei größeren Lagen möglich. Kräftezehrende Einsätze oder andere Anlässe, wie z. B. länger andauernde Tätigkeiten von Sonderkommissionen, können jetzt häufiger mit den eigenen Ressourcen bestritten werden. Mit Göttingen und Osnabrück haben wir
zwei Direktionsstandorte gänzlich neu aufgebaut. Wir sind mit der Behördenstruktur in die Fläche gegangen. Sie haben immer wieder gesagt, dass wir die Polizei mit der neuen Struktur von einer Bürgerpolizei weg organisiert haben. Man sollte sich als ehemaliger Innenminister genau überlegen, ob man den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sagt, dass sie im Prinzip einen eigenen Korpsgeist haben und keine Bürgerpolizei mehr sind. Meine Damen und Herren, ich kann das nur zurückweisen. Es ist einem ehemaligen Innenminister nicht würdig, so etwas darzustellen.
Wir haben natürlich eines übernommen: Wir haben die politischen Beamten als Polizeipräsidenten an die Spitze der Behörden gesetzt, wie das in Braunschweig und in Hannover in der Vergangenheit auch der Fall gewesen ist. Es ist also eine Mär, hier zu sagen, dass wir dort etwas anderes umgesetzt haben.