Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Wir haben natürlich eines übernommen: Wir haben die politischen Beamten als Polizeipräsidenten an die Spitze der Behörden gesetzt, wie das in Braunschweig und in Hannover in der Vergangenheit auch der Fall gewesen ist. Es ist also eine Mär, hier zu sagen, dass wir dort etwas anderes umgesetzt haben.

Zweiter Punkt. Wir haben einheitliche Rahmenstrukturen geschaffen, die einerseits für landesweit vergleichbare Standards sorgen und andererseits den Dienststellen vor Ort genügend Handlungsspielraum für ihre Besonderheiten geben. Verantwortungsüberlagerungen sind abgeschafft, Schnittstellen reduziert. Dienststellen mit derselben Bezeichnung haben auch dieselben Aufgaben. Das schafft Klarheit.

Drittens. Wir haben der Polizei eine stärker an ihren Aufgaben ausgerichtete Struktur gegeben. Im Fokus stand dabei die Stärkung der Polizei in ihrer Kernaufgabe, der Kriminalitätsbekämpfung. Wer auf Dauer erfolgreich den wachsenden Herausforderungen begegnen will, der kommt in Teilbereichen um eine Spezialisierung und Zentralisierung nicht umhin. Dieser für eine moderne und zukunftsfähige Polizeistruktur unverzichtbare Ansatz einer bürgernahen Arbeit bedeutet aber nicht, dass sich die Polizei, auch wenn Kritiker das immer wieder verkündet haben, aus der Fläche zurückzieht. Im Gegenteil: Bürgernahe Polizeiarbeit verlangt heutzutage wesentlich mehr, als möglichst schnell an einem Einsatzort zu sein oder möglichst viel Personal an einem Dienstort vorzuhalten. Sie erfordert auch, dass die Polizei professionell und qualifiziert ihre Aufgaben bewältigt. Bürgernähe ist insofern keine ausschließlich geografische Größe. Wir haben beide Aspekte im Blick: Einerseits ist die Polizei durch die Stärkung der operativen Präsenzkräfte dazu in der Lage, im Soforteinsatz orts

nah und schlagkräftig zu agieren. Andererseits wirkt bei der weiteren Bearbeitung des Sachverhalts der positive Effekt einer stärkeren Spezialisierung. Genau das sehen Sie an den Aufklärungsquoten, die wir in den letzten Jahren vorlegen konnten.

(Zustimmung von Hans-Christian Bi- allas [CDU])

Meine Damen und Herren, die Sicherheitserwartungen der Bürgerinnen und Bürger richten sich darauf, vor Straftaten geschützt zu werden. Deshalb wurde die Kriminalitätsbekämpfung weiter optimiert. Wir haben Bewährtes beibehalten. Dies gilt insbesondere für die grundsätzlich dezentrale Ausrichtung der Polizeiarbeit. Je spezieller allerdings die Aufgaben werden, umso spezialisierter hat auch ihre Bewältigung zu erfolgen. In Bereichen, in denen regelmäßig hoch spezialisiertes Wissen abgefordert wird - beispielsweise bei der Bearbeitung von Wirtschaftskriminalitäts-, Tötungsoder Sexualdelikten und von schwerer Eigentumsoder Bandenkriminalität -, haben wir Zuständigkeiten konzentriert. Das wird auch weiterhin in den Bereichen notwendig sein, die durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt besonders geprägt sind, wie z. B. die DNA-Analyse. Ich erinnere an die Tatortgruppe, die gebildet worden ist, an die Verfügungseinheit. Ich war in allen Polizeiinspektionen in der Fläche. Alle haben unisono gesagt, dass die spezialisierte Tatortgruppe der richtige Weg ist und dass wir schon jetzt erfolgreicher sind und gerade in diesen schweren Deliktsfeldern eine bessere Aufklärungsquote erreicht haben.

Durch die konsequente Reduzierung und Festschreibung von Stabsstärken haben wir angekündigt, landesweit rund 210 Polizeibeamte zur Stärkung des operativen Vollzugsdienstes freizusetzen. Auch das zeigt, welchen Stellenwert wir der inneren Sicherheit beimessen; denn die personellen Gewinne stehen wieder für originäre polizeiliche Aufgaben zur Verfügung. In anderen Bundesländern ist das anders. Dort muss man das dem Finanzminister abgeben. Wir haben gesagt: Wir müssen die Polizei stärken. Diese 210 Polizeibeamten sind im operativen Geschäft zusätzlich tätig.

(Zustimmung von Hans-Christian Bi- allas [CDU])

Meine Damen und Herren, hier wurde gesagt, wir hätten das Landespolizeipräsidium aufgebläht.

Dazu kann ich nur sagen: Das ist überhaupt nicht wahr; nur die halbe Wahrheit ist dargelegt worden. Herr Bartling, in der Vergangenheit haben Sie es so gemacht, dass Sie auf Dauer immer zwischen 17 und 18 Polizeibeamte aus der Fläche abgeordnet und in das Polizeipräsidium genommen haben. Das ist der falsche Weg. Richtig ist, dass man ehrlich sagt: Das ist der Bestand der Polizeimitarbeiter im Landespolizeipräsidium. - Personal aus der Fläche abzuziehen, ist der falsche Weg. Insofern sollten Sie so etwas nicht behaupten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei der Regierungsübernahme haben wir zugesagt, die Polizei personell zu verstärken. Wir halten Wort. Unter unserer Verantwortung wird Niedersachsen bereits 2007 über so viele Planstellen für Polizeibeamte verfügen wie nie zuvor in der Geschichte unseres Landes.

(Zustimmung von Hans-Christian Bi- allas [CDU])

Einige wesentliche Fakten dazu: Verglichen zwischen April 2004 und Oktober 2006 hat sich die Vollzugsstärke in den Polizeidirektionen und im Landeskriminalamt um insgesamt 475 erhöht. Herr Lennartz, wir haben uns natürlich nicht verrechnet. Sie haben geguckt: Polizeidirektionen und zentrale Polizeidirektionen, das sind 450. Plus 25 beim Landeskriminalamt sind 475. Meine Damen und Herren, Sie können davon ausgehen, dass diese Landesregierung 450 und 25 zusammenzählen kann. Gucken Sie nach! 475 haben wir gestärkt. Wir haben nicht nur die Fläche im Auge gehabt, sondern auch das Landeskriminalamt mit der neuen Bedrohungslage des internationalen Terrorismus musste gestärkt werden. Diese 25 müssen Sie dazuzählen. Sie sind genau am richtigen Ort.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Allein den regionalen Polizeibehörden stehen rund 300 Beamtinnen und Beamte mehr zur Verfügung. Die Personalstärke in den Polizeiinspektionen wurde landesweit um rund 210 erhöht. In der Bereitschaftspolizei arbeiten mehr als 130 Beamte mehr, was den polizeilichen Einzeldienst gerade bei der Bewältigung kräftezehrender Einsätze entlastet. Sie haben bei der Bereitschaftspolizei sogar reduziert. Wir hingegen haben es geschafft, die Bereitschaftspolizei weiter zu stärken.

Auch die zentralen Kriminalinspektionen und das Landeskriminalamt wurden personell aufgestockt, um die sehr ermittlungsintensiven Bereiche zu stärken. Ich habe bereits darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren, wir sorgen dafür, dass die Polizei auch in den kommenden Jahren personell noch weiter aufgestockt wird. Im Rahmen des von uns auf den Weg gebrachten Verstärkungsprogramms werden bis zum Jahr 2011 nochmals 550 bereits zusätzlich eingestellte bzw. noch einzustellende Beamtinnen und Beamte ihre Ausbildung beenden und damit zur Präsenzverstärkung beitragen, davon allein 250 noch in diesem Jahr.

Es ist wahr: Wir haben von 1 000 auf 800 reduziert. 200 zusätzliche Verwaltungsbeamte werden eingesetzt. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen nicht vergessen, dass wir, als wir die Regierung übernommen haben, mit dem Nachtragshaushalt 2003 bereits festgelegt haben, dass wir 160 Vollzugsbeamte aus Berlin nach Niedersachsen holen.

(David McAllister [CDU]: Richtig! Das waren wir!)

800 plus 160 sind 960, plus 200 Verwaltungsmitarbeiter. Meine Damen und Herren, damit haben wir mehr getan, als wir vor der Wahl versprochen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das hören Sie natürlich nicht gerne. Herr Bartling, was haben Sie denn getan?

(David McAllister [CDU]: Nichts!)

Sie haben zwischen 1990 und 2003 den Planstellenbestand im Polizeivollzugsdienst trotz wachsender Aufgaben um rund 300 reduziert. Meine Damen und Herren, das war kein Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Zweigeteilte Laufbahn!)

- Auch wenn Sie „zweigeteilte Laufbahn“ sagen, ist es doch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es gerade unter der Führung des Innenministeriums von Herrn Bartling drastische Reduzierungen gegeben hat. Ich darf das einmal darstellen: 1998 - ich glaube, da war Herr Glogowski noch Innenminister -: insgesamt 17 633 Vollzugsbeamte. Dann kam Herr Bartling. 1999 waren es 17 559, 2000 waren es 17 463 und dann 17 285. Als wir die Re

gierung übernommen haben, ging es wieder bergauf. Im Jahr 2007 haben wir insgesamt bereits 17 859 Vollzugsbeamte.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Hört, hört!)

Im Jahr 2011 werden es 18 159 sein - so viel wie noch nie in der Geschichte unseres Landes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Gott sei Dank ist Bartling nicht mehr Innenminister!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Einzelzahlen betrachten, werden Sie sehen, dass der erhebliche Personalzuwachs jedoch nicht automatisch für alle Dienststellen einen Zuwachs bedeutet. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass jeweils unterschiedliche Ausgangssituationen zugrunde liegen und dass die Bildung der einzelnen Stärken durch vielschichtige Einflussfaktoren geprägt wird. So wurden einzelne Aufgaben und damit auch das Personal aufgrund erforderlicher Spezialisierungen - ich habe dargestellt, warum das notwendig ist - stärker konzentriert. Darüber hinaus waren in der Altstruktur einzelne Bereiche personell weniger an tatsächlichen Belastungsdaten als vielmehr an historisch gewachsenen Entscheidungen ausgerichtet. Wir verteilen nach einem Flächenfaktor, aber auch nach tatsächlichem Straftatenaufkommen. Das ist sicherlich richtig.

Die Landesregierung entlastet im Rahmen ihrer sicherheitspolitischen Grundphilosophie den Polizeivollzugsdienst von sogenannten vollzugsfremden Aufgaben. Einerseits sind wir dabei, durch Übernahme von reformbetroffenem Verwaltungspersonal 200 bisher mit Verwaltungsaufgaben betraute Polizisten für originäre Vollzugsaufgaben freizusetzen. Andererseits sind Arbeiten, etwa im Bereich des Werkstattwesens, entfallen oder privatisiert worden. Einhergehend damit wurde das hierfür eingesetzte Verwaltungspersonal reduziert bzw. neu zugeordnet. Das Geld wurde allerdings dem Haushalt zugeführt, sodass wir hier privat vergeben können. Das ist der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, Sie sollten einmal mit der Mär aufhören, dass wir zwar Vollzugsbeamte eingestellt, aber beim Verwaltungspersonal reduziert haben. Ich möchte Ihnen die Daten nennen. Sie haben nicht danach gefragt, deshalb will ich sie Ihnen jetzt nennen. Haushaltsplan 2002/2003: Gesamtpolizeiverwaltung 3 821 Stellen. Haushaltsplan 2006: 3 925 Stellen. Meine Damen und Her

ren, damit ist klar: Es gibt insgesamt etwa 100 Verwaltungsmitarbeiter mehr im Bereich der Polizei und zusätzliche Vollzugsbeamte. Hören Sie auf mit dieser Mär, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt weniger Verwaltungspersonal in der Polizei haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie geht es mit der polizeilichen Organisation weiter? - Wir werden unter Einbeziehung der Erfahrung dieses Jahres in eine umfassende Evaluation einsteigen und dabei auch die kritischen Punkte in den Fokus nehmen und die neue Struktur in einer Gesamtschau bewerten. Organisationsentwicklung ist ein ständiger Prozess. Sollten wir an der einen oder anderen Stelle Optimierungspotenziale feststellen, werden wir dort natürlich nachsteuern. Das ist keine Frage.

Meine Damen und Herren, bei Betrachtung der Antwort auf die Große Anfrage werden Sie feststellen, dass wir mit unseren Entscheidungen eine Polizeiorganisation geschaffen haben, die gekennzeichnet ist durch einen modernen Aufbau, in dem die Ressourcen flexibel und ergebnisorientiert eingesetzt werden können, durch eine gestärkte Verantwortung, eine schlanke Führung mit kurzen und schnellen Entscheidungswegen und gestärkte operative Bereiche.

Zusammengefasst kann man sagen: Die Polizei in Niedersachsen ist organisatorisch gut aufgestellt. Wir haben zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Polizei leisten eine hervorragende Arbeit. Natürlich kann man eine tolle Organisation machen, aber Voraussetzung dafür sind gute Mitarbeiter, und die Mitarbeiter in Niedersachsen sind Spitze. Dafür herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 3 erteile ich Herrn Bartling für die SPD-Fraktion zwei Minuten zusätzliche Redezeit.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Ich will Ihren Befürchtungen entgegentreten. Es wird sehr kurz. Ich wollte mir nur erlauben, Herr Schünemann, auf einen Aspekt einzugehen. Wenn

Sie hier Presseschelte in Richtung Herrn Laing betreiben, sollten Sie vielleicht einmal mit ihm reden. Herr Laing soll, bevor er diesen Artikel verfasst hat, mit Ihrem Ministerium gesprochen haben. Insoweit kann ich mir nicht recht vorstellen, dass er seine Ausführungen zurücknimmt.

Aus diesem Artikel wird etwas deutlich. Es heißt dort - ich glaube, ich habe das zitiert -: „Wie sollen wir unseren Auftrag noch erfüllen?“, fragt ein Beamter, der aus dienstrechtlichen Schritten anonym bleiben will. Das sollte Sie vielleicht ein bisschen nachdenklich machen. Ich verbinde diesen Satz mit dem, was ich über die politischen Beamten als Polizeipräsidenten gesagt habe, dass nämlich hier eine Tendenz entsteht, die ich für gefährlich halte. Sie haben natürlich wieder den Versuch unternommen, das durch den Hinweis zu entkräften, ich würde den Polizeibeamten etwas wie Korpsgeist unterstellen. Dabei mache ich nur deutlich, dass Sie durch Ihre Organisationsentscheidungen in die Richtung marschieren, die ich befürchte. Und das ist eine andere Richtung als die, die ich im Auge habe.

Ich möchte Ihnen noch einen praktischen Hinweis mit auf den Weg geben, weil erfahrene Polizeibeamtinnen und -beamte fragen, wie sie denn die Entscheidung bewerten, dass man z. B. bei Großdemonstrationen der NPD 6 000 Kolleginnen und Kollegen einsetzt. Sie fragen, ob das nicht auch etwas damit zu tun haben könnte, dass ein politischer Beamter als Polizeipräsident ein bisschen anders reagiert als jemand, der nur die fachliche Sicht im Auge hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schünemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Bartling, ich wundere mich schon, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können, wie es zu Ihrer Zeit gewesen ist.

(David McAllister [CDU]: Das ist lange her!)

Es gab damals eine Polizeidirektion Hannover, und es gab eine Polizeidirektion Braunschweig. Bei der Polizeidirektion Braunschweig gab es einen Polizeipräsidenten Ahlers.