Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Ich erinnere Sie daran, dass wir 30 Jahre lang um die Orientierungsstufe gefochten haben. Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Herr Gabriel war ja irgendwann auch dafür, sie, die Förderstufe und das ganze Gedöns abzuschaffen. Aber wir als Opposition haben eines damals nicht gemacht: Wir

haben niemals Lehrerinnen und Lehrer, die an der Orientierungsstufe unterrichten, diskreditiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch wenn Sie über die Hauptschulen herziehen: Wir dürfen die Lehrerinnen und Lehrer, die dort ordentliche Arbeit leisten, nicht diskreditieren. Wenn Sie davon reden, dass sich jemand blamiert hat, dann sprechen Sie damit ja auch Menschen an. Die fühlen sich betroffen und fragen sich: Meinen die uns? Meinen die, wir arbeiten nicht ordentlich? Was ist hier eigentlich los?

Frau Korter, das mit den Stadtstaaten kennen wir. Aber wer in Deutschland ist denn am erfolgreichsten? Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und andere. Zu denen wollen wir aufschließen. Die sind mit ihrem gegliederten Schulwesen nahe an Finnland dran. Die haben gegenüber Niedersachsen allerdings auch einen Vorzug: Dort hat selten oder nie die SPD regiert. Vielleicht hat das eine ja etwas mit dem anderen zu tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bitte bedenken Sie bei Ihrem Modell Ihrer gemeinsamen Schule, Ihrer Einheitsschule auch einmal, welche standortpolitischen Möglichkeiten das gegliederte Schulwesen für ein Flächenland wie Niedersachsen bietet, die ein integratives Schulwesen nicht bieten kann.

Es gibt doch so viele vernünftige sozialdemokratische Kommunalpolitiker im Lande. Machen Sie sich einfach mal bei denen schlau, wie sie die Dinge sehen und wie sie die Vorzüge des gegliederten Schulwesens nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Da kämen Sie zu besseren, vernünftigen Ergebnissen. Einstweilen darf ich im Sinne dieses Tagesordnungspunktes feststellen: Wenn sich einer im Lande blamiert hat, dann war das der Bildungsexperte Jüttner. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zum Tagesordnungspunkt 2 b liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zu

c) Mobilität auf Niedersachsens Autobahnen - flexibel, sicher und leistungsfähig Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/3492

Frau Kollegin König, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlässlich des Verkehrsgerichtstages, der heute in Goslar beginnt, veröffentlicht der Autoclub Europa (ACE) eine Studie zum Thema Verkehrssicherheit.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Diese Studie stellt fest, dass durch flexible Tempolimits auf Autobahnen die Unfallzahlen deutlich gesenkt werden können. Wird nämlich die Höchstgeschwindigkeit jeweils der Verkehrslage angepasst, wird ein Tempolimit von den Autofahrern deutlich besser akzeptiert. Ein permanentes Tempolimit, das auch bei leeren Autobahnen gilt, findet hingegen kaum Akzeptanz. Daher sind die Unfallzahlen auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit ebenso hoch wie auf solchen ohne dieses. Wird aber ein intelligentes System eingesetzt, sinken die Unfallzahlen um immerhin 30 %. Dabei kann die Höchstgeschwindigkeit gerne auch bei über 130 km/h liegen wie auf der A 2. Die Akzeptanz der Anlagen wird dadurch weiter erhöht.

Bei intelligenten Systemen denkt man natürlich gleich woran? - An Niedersachsen natürlich. Tatsächlich sind wir auch auf diesem Gebiet Vorreiter.

(Beifall bei der FDP)

Das Verkehrsbeeinflussungssystem auf dem Messeschnellweg z. B. war bei seiner Einführung eines der modernsten seiner Art. Seit es in Betrieb ist, kommt es während der Messen praktisch zu keinen bedeutenden Verkehrsbehinderungen mehr. Auch die Anlagen auf der A 2 und der A 7 zeigen sehr eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit dieser Systeme, die aber noch lange nicht das Ende der Technologie bedeuten.

Im Ergebnis wird es deutlich weniger Unfälle und Staus geben. Damit entlasten wir nicht nur die Umwelt - immerhin verschwenden wir jährlich 14 Milliarden Liter Treibstoff im Stau -, sondern auch die Wirtschaft. Sie verliert Milliardensummen, wenn jeder Autofahrer im Schnitt 65 Stunden pro Jahr im Stau verbringt. Nicht zu vergessen die

geplagten Eltern, die mit ihren quengelnden Kindern im Stau stehen und genervt überreagieren.

Im Rahmen des Masterplans Mobilitätsmanagement werden diese Anlagen weiter ausgebaut und mit anderen Systemen zur Verkehrssteuerung vernetzt, um die Leistungsfähigkeit unserer Autobahnen weiter zu erhöhen. Beispiele sind die Mitbenutzung des Standstreifens - Sie kennen den Abschnitt auf der A 7 bei Soltau, der zu Ferienzeiten auf fantastische Weise entzerrt werden kann -, die erprobten Kooperationen mit den Niederlanden, die wir weiterentwickeln, oder die Verknüpfung mit kommunalen Verkehrsleitsystemen.

Große Erwartungen haben wir auch in die Zukunftstechnologien, die in Braunschweig über das Satellitennavigationssystem Galileo entwickelt werden. Die Verbesserung der Straßenauslastung ist unerlässlich, um das wachsende Verkehrsaufkommen bewältigen zu können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bis 2015 wird der Güterverkehr - vorsichtig geschätzt - um 60 % zunehmen. Schiene und Binnenschifffahrt werden trotz aller Bemühungen nur einen kleinen Teil hiervon übernehmen können. Niedersachsen mit seinen boomenden Häfen und als Transitland wird von diesem Wachstum besonders profitieren, aber auch besonders betroffen sein. Verkehrsbeeinflussungen alleine werden unsere Autobahnen aber nicht zukunftssicher machen. Notwendig sind auch neue Transportsysteme

(Beifall bei der FDP)

wie der Eurokombi, durch den teilweise anderthalb bis zwei herkömmliche Lkw ersetzt werden können. Unsere Nachbarländer Holland, Dänemark und Polen testen wie wir diese Fahrzeuge, die weniger Konkurrenz als sinnvolle Ergänzung von Bahn und Schifffahrt sind. Eine Konkurrenz stellen sie vielmehr für herkömmliche Lkw dar.

Unverzichtbar ist natürlich auch der planmäßige Ausbau des Autobahnnetzes.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es ist abenteuerlich, was Sie da vorhaben!)

Die A 22 und die A 39 sind unverzichtbar für die Entwicklung Niedersachsens.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Gleiche gilt für den weiteren Ausbau der A 1 und den Lückenschluss der A 33. Dank einer intelligenten und vorausschauenden Politik ist Mobilität auf Niedersachsens Autobahnen sicher, flexibel und leistungsfähig und wird dies auch bleiben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Hagenah das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute beginnende Verkehrsgerichtstag scheint die FDP zu dieser überschwänglichen Hymne auf Niedersachsens Autobahnen verleitet zu haben. Da kam Ihnen das aktuell vorgestellte Gutachten des Automobilclubs Deutschland „Geschwindigkeitsmanagement statt Tempolimit“ offenbar gerade recht.

Wir haben dort nachgelesen und kommen zu einer ganz anderen Schlussfolgerung als Sie. Die Quintessenz der ACE-Studie lässt sich nämlich nicht in der dafür gewählten Überschrift der Welt „Bloß kein Tempolimit“ zusammenfassen, was ja bisher auch das Credo der FDP war. Im Gegenteil, der ACE stellt in dem Gutachten klar:

„Fehlt bei hoher Verkehrsdichte eine angepasste Geschwindigkeitsbegrenzung, so kommt es zu einer Zunahme an Abgasen und Feinstaub. Parallel dazu steigt das Unfallrisiko, und die Gefahr von Staubildung nimmt zu. Eine fixe oder fehlende Geschwindigkeitsbegrenzung kann hier keine Abhilfe schaffen.”

Die ACE-Studie ist also ein Argument für Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ergänzend fügt nämlich ACE-Präsident Wolfgang Rose hinzu:

„Die Richtgeschwindigkeit 130 km/h auf Autobahnen kann je nach Situation schon zu schnell sein.”

Das ist ganz im Sinne der Grünen ein Plädoyer für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen, intelligent angepasst an die Verkehrs- und Witterungssituationen. Auch die viel zu vielen Unfälle an Baustellen ließen sich mit frühzeitigeren Warn

hinweisen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und integrierten Kontrollen in den Griff bekommen.

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlich zu dem Wort „sicher”, das Sie in dem Titel Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde verwendet haben. Dazu nämlich haben Sie kein Wort gesagt, und das aus gutem Grund.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege!)

Denn Niedersachsens Straßen sind nicht besonders sicher, wie wir nach Durchsicht der aktuellen Statistiken leider feststellen müssen. Nach Angaben des ADAC vom September 2006 verzeichnet Niedersachsen, umgerechnet auf seinen Bevölkerungsanteil, noch immer die höchste Zahl der Verkehrstoten aller westdeutschen Bundesländer.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Hört, hört!)

Der vor allem infolge weiter verbesserter passiver Sicherheit im Pkw erneute Rückgang der Verkehrstoten lag bei uns im vergangenen Jahr leider nur im Bundestrend. In Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg war er prozentual deutlich höher als in Niedersachsen. Dass Niedersachsen in Sachen Sicherheit irgendwie hervorsticht, davon kann keine Rede sein.

Es bleibt die Frage an die FDP, was Verkehrsminister Hirche in jüngster Zeit durch eigene Aktivitäten in Sachen Verkehrssicherheit Besonderes geleistet hat, um diese Aktuelle Stunde zu rechtfertigen.

In den vergangenen Jahren ist nach dem bundesweit anerkannten Projekt „Begleitetes Fahren mit 17” nichts mehr geschehen. Im Gegenteil: Die Aufrechterhaltung der vormals innovativen Verkehrslenkungsanlage MOVE steht bei dieser Landesregierung unter Finanzierungsvorbehalt. Der dringende Erneuerungsbedarf bei Soft- und Hardware der bereits zehn Jahre alten Anlage - wer hat noch einen Rechner, der zehn Jahre alt ist, und was meinen Sie, wie beansprucht die Schleifen in der Straße nach zehn Jahren des Überfahrens sind? - stockt, und Fehlermeldungen nehmen zu. War Niedersachsen vor zehn Jahren bei der automatischen Verkehrslenkung noch vorne, so sind andere Bundesländer inzwischen längst auf Augenhöhe oder sogar schon weiter. Angesichts unklarer gesetzlicher Zuständigkeiten übernimmt das Land nämlich nur Kosten im Volumen der

ohnehin vom Bund für die Autobahnen gezahlten Bewirtschaftungsmittel. Die Telematik auf Niedersachsens Autobahnen wird also weitgehend mit fremdem Geld, vom Bund und von den Kommunen bezahlt, aber eben nicht vom Land. Die große Landesinitiative beschränkt sich bisher auf einen noch nicht abgeschlossenen Masterplan. Auch da ist noch nichts Neues passiert.