Erstens. Der Trägerwechsel ist ein Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der qualitativ hochwertigen und ortsnahen stationären psychiatrischen Versorgung. Das Sozialministerium geht nach dem Stand der Beratungen im Sozialausschuss am 10. Januar davon aus, dass trotz der Aufstockung der Platzzahl um 100 im Maßregelvollzug in den letzten Jahren noch immer rund 200 Plätze gebraucht werden und das sogenannte Fließgleichgewicht dann im Jahre 2010 erreicht sein wird. Angesichts des nach wie vor hoch defizitären Landeshaus
halts kann das Land die dafür benötigten Investitionsmittel nicht aufbringen. Allein die erforderlichen Mittel für den Abbau des aktuellen Investitionsstaus hat das Landessozialministerium seinerzeit mit rund 57 Millionen Euro beziffert.
Zweitens. Unter dem zunehmenden Kosten-, Anpassungs- und Wettbewerbsdruck ist die Trägerschaft des Landes an unternehmerische Grenzen gestoßen. Andere Träger sind beweglicher und finden schneller hin zu den gebotenen qualitativen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. So ist es unter Fachleuten unbestritten, dass die psychiatrische Versorgung in einigen Landesteilen heute bereits erheblich ortsnäher und stärker regionalisiert sein könnte, als sie es zurzeit tatsächlich ist.
Drittens. Die Tätigung der benötigten Investitionen und die höhere unternehmerische Beweglichkeit werden ihren Beitrag zur Gewährleistung von Sicherheit für die Bevölkerung, die Patienten und das Personal leisten.
Viertens. Der Trägerwechsel wird die vorhandenen Arbeitsplätze sichern und es ermöglichen, neue qualifizierte Arbeitsplätze in einem zentralen Feld medizinisch-therapeutischer Versorgung zu schaffen.
Fünftens. Der erzielte Verkaufserlös von 107 Millionen Euro ist ein merklicher Beitrag zur dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung des Landes. Diese geschieht aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerschaft. Schon jetzt verdienen Ärzte in privaten psychiatrischen Kliniken mehr als in den Landeskrankenhäusern. Vor allem aber erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch den vereinbarten Personalüberleitungsvertrag Rechtssicherheit. Betriebsräte und Finanzministerium verdienen Anerkennung für das erzielte Verhandlungsergebnis. Betriebsbedingte Kündigungen sind für alle Beschäftigten über 45 Jahre dauerhaft ausgeschlossen. Für jüngere Beschäftigte sind sie für mindestens sechs Jahre ausgeschlossen. Das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst gilt mindestens bis 2012. Im Falle der Insolvenz oder Liquidation eines neuen Krankenhausträgers haben die Beschäftigten das Recht auf Rückkehr in den Landesbereich. Die betriebliche Altersversorgung wird unter Besitzstandswahrung bei einer öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtung fortgeführt. Schließlich bleiben auch Umfang und Qualität der Ausbildung erhalten.
Im Ergebnis haben wir ein neues Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz und ein neues Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, wobei die Rechte der psychisch kranken Menschen bei jeder Form der Krankenhausträgerschaft gewährleistet werden. Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben gewahrt. Damit setzen wir einen wichtigen Baustein für den Trägerwechsel der Landeskrankenhäuser, der den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Namens der CDU-Fraktion danke ich allen sehr herzlich, die zu diesem Erfolg beigetragen haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Psychiatrie ist keine Ware. Das haben wir Ihnen gesagt, seit Sie den Beschluss gefasst haben, die niedersächsische Psychiatrie zu verhökern. Bei allen Lippenbekenntnissen, die in diesem Hause zum hohen Stellenwert der Psychiatrie abgegeben wurden, ging es doch von Anfang an nur darum, möglichst viel Geld in die klammen Kassen des Finanzministers zu bekommen.
Mahnende Stimmen warnten vor einem Ausverkauf der niedersächsischen Psychiatrie an international agierende Klinikkonzerne, die ihre hohen Renditeerwartungen auf Kosten der Qualität der psychiatrischen Versorgung erwirtschaften würden.
Der Landesrechnungshof, der Landesfachbeirat Psychiatrie, der Ausschuss für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung, die Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie, die Beschäftigten, die Angehörigen psychisch Kranker und die Betroffenen selbst - alle gaben Ihnen erhebliche Bedenken zur Kenntnis und leisteten heftigen Widerstand. Nicht zuletzt hat die Loccumer Psychiatrietagung Ende Januar 2006 mit der Forderung nach einem Moratorium noch einmal ein deutliches Signal gesetzt.
fegt und mit Macht eine europaweite Ausschreibung betrieben, anstatt wenigstens einen verträglichen Übergang auf bewährte regionale öffentliche und gemeinnützige Träger zu organisieren.
Ihr gesamtes Verfahren hat sich dann zu einer Serie von Seltsamkeiten entwickelt, die immer größere Zweifel daran aufkommen ließen, ob noch immer alles mit rechten Dingen zugeht. Seltsam war z. B. das Bieterverfahren mit zunächst ausgeschlossenen Bietern, die Sie für zurückgestellt erklärten und später doch wieder zuließen. Seltsam waren auch die Beratungen der Gesetzesänderungen, die für die Privatisierung erforderlich sind und über die wir heute befinden.
Man sollte doch meinen, meine Damen und Herren, es wäre reichlich Zeit gewesen, sich zu überlegen, wie man es denn nun machen will. Immerhin hat die Landesregierung diesen Unsinn bereits im Juli 2005 beschlossen. Nach anderthalb Jahren aber schafft es die Ministerin gerade, die Änderungsentwürfe am 7. November 2006 direkt an den Ausschuss zu überweisen. Wir mussten dann durch das ministerielle Trödeln die Gesetzentwürfe im Ausschuss im Schweinsgalopp und zum Teil in ganztägigen und zusätzlichen Sitzungen beraten. Das, meine Damen und Herren, ist ein unmöglicher Umgang mit dem Parlament.
Nun war die Landesregierung ja schon relativ früh durch massive Proteste zu der Einsicht geführt worden, dass der Maßregelvollzug nicht mal eben so mir nichts, dir nichts privatisiert werden darf. Schließlich handelt es sich hier wegen der massiven Grundrechtseingriffe um eine hoheitliche Kernaufgabe. Aber die Antwort darauf ist, dass nur Moringen, das sogenannte Feste Haus in Göttingen und Rehburg in Landeshand bleiben. Sie verkennen dabei aber, meine Damen und Herren, dass es unserer Verfassung ganz egal ist, ob ein Grundrechtseingriff selten oder häufig vorkommt, ob er kürzer oder länger dauert. Er erfordert stets die hoheitliche Befugnis des Eingreifenden nach Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf von dieser Regel abgewichen werden, insbesondere in den Kernbereichen staatlicher Gewalt, zu denen sowohl der Strafvollzug als auch der Maßregelvollzug zu rechnen ist.
Nun wird es interessant. Herr Böhlke hat hier eben vorgetragen, aber wollte wohl nicht alles vortragen. Denn wenn ich das richtig sehe, dann steht in der Drucksache 3496 - also im schriftlichen Bericht noch etwas, das den mündlichen Bericht ergänzt. Das ist interessant; denn dort werden noch einmal die schwerwiegenden Bedenken dargestellt, die der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zu diesem Thema vorgetragen hat. Diese wollte Herr Böhlke natürlich nicht so gerne vorlesen.
In etwa - ich fasse das einmal zusammen - steht dort: Je schwerwiegender durch die übertragenen Befugnisse in die Grundrechte eingegriffen wird, desto gewichtiger müssen die für die Übertragung geltend gemachten Gründe sein. Ich habe mich schon etwas gewundert, dass in der Ausschusssitzung auf einmal mehrere Mitglieder der CDUFraktion Unterlagen dabei hatten, aus denen sie - ein bisschen unvermittelt - die Gründe vorlasen, die für die Übertragung geltend gemacht wurden so, wie wir das heute gehört haben. Offensichtlich hatten sie ganz schön Angst, dass das, was sie bis jetzt vorgelegt haben, nicht ausreichen würde, um den Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu begegnen. Ich glaube aber, dass diese Gründe für eine Übertragung noch immer nicht ausreichend sind.
Sie haben Flexibilität genannt. Flexibel könnten die Häuser auch in Landesträgerschaft oder einer anderen Rechtsform sein. Das hat Ihnen ja schon der Landesrechnungshof aufgeschrieben.
Eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit hätte das Land auch selbst in einer anderen Rechtsform erreichen können. Das hat Ihnen das BAB-Gutachten vorgerechnet. Kosten- und Finanzgesichtspunkte sind als Grund für eine Übertragung schon überhaupt nicht ausreichend.
Nein, meine Damen und Herren, Sie nehmen es wieder einmal mit den Grundrechten und der Verfassung nicht so genau.
Es gibt aber keine „Grundrechte light“, wie Sie es uns hier heute weismachen wollen. Deswegen hilft auch nicht Ihr Konstrukt, jeweils einer Vollzugslei
tung pro Einrichtung die hoheitlichen Aufgaben zu übertragen. Sie wollen hier den Anschein erwecken, als ob die Anwesenheit eines einzigen Landesbediensteten in einer gesamten beliehenen Maßregelvollzugsanstalt ausreichen könnte, schwerwiegende Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen.
Aber, meine Damen und Herren, was ist denn mit der Durchführung? - Das Problem mit den Eingriffen durch Private bei Gefahr im Verzuge - Herr Matthiesen, Sie haben das ja eben sehr nett ausgedrückt, dass Sie an dieser Stelle den Bedenken des GBD gefolgt wären; aber das sind Sie gerade nicht - haben Sie aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Aber Sie schaffen jetzt doch nur eine Grauzone, in der in dem Punkt dann später überhaupt keine Klarheit mehr herrscht.
Mit der Tatsache, dass die verfassungsrechtliche Einschränkung, was den Funktionsvorbehalt betrifft, auch für die allgemeine Psychiatrie gilt, haben Sie sich überhaupt nicht beschäftigt. Die Staatskanzlei hat das zwar bereits bei der Anfertigung des Gesetzentwurfs festgestellt, aber das ist dann auf wundersame Weise verloren gegangen, bis der Gesetzentwurf im Ausschuss beraten wurde.
Auch der Umstand, dass es schon immer so war und auch woanders so ist, dass Private munter in Grundrechte eingreifen, ändert nach Meinung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes überhaupt nichts daran, dass das falsch ist. Ganz im Gegenteil schreibt er auf: Weil es überhaupt keine Einschränkungen hinsichtlich der Aufgaben gibt, besteht hier eine deutliche Erhöhung der verfassungsrechtlichen Risiken. - Deutlicher kann es der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, dem ich an dieser Stelle für seine sehr klugen Stellungnahmen herzlich danken möchte, doch nicht ausdrücken.
Abschließend möchte ich Ihnen noch einmal darstellen, wie sich die Chefärzte der forensischen Abteilungen positioniert haben. Neben sinkender Qualität und Sicherheit befürchten die Chefärzte nämlich auch noch eine Verlängerung der Unterbringungszeiten, einen Anstieg der Patientenkla
Dann wären also auch hier zukünftig wieder einmal die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert, weil das Land die Pflegesätze ja bezahlen muss.
Eine letzte Bemerkung. - Dass die FDP, die laut ihrer Homepage unternehmerischem Denken neue Chancen eröffnen möchte, so etwas als Ziel anstrebt, leuchtet mir ein. Die Gründe einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt, ihre Politik am christlichen Verständnis von Solidarität und Gerechtigkeit abzuleiten, bleiben mir allerdings unerfindlich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den vorliegenden Änderungen des Maßregelvollzugsgesetzes und des Psychiatriegesetzes fügen Sie Ihrer unendlichen Geschichte von der Privatisierung der Landeskrankenhäuser ein weiteres, äußerst fragwürdiges Kapitel hinzu. Obwohl Ihnen das Thema seit Monaten völlig aus dem Ruder läuft, erklären Sie nach wie vor tapfer, es sei alles im Zeitplan.
Ich erinnere daran: In einer Presseerklärung vom 9. März 2005 hatte Frau von der Leyen festgestellt, dass die Änderungen bis zum Sommer 2005 umgesetzt sein würden. Tatsächlich haben Sie Ihren Zeitplan schon um über zwei Jahre überschritten. Dabei handelt es sich offensichtlich mehr um einen virtuell gefühlten Zeitplan, bei dem das Ende noch immer nicht absehbar ist, vor allem dann nicht,
Das ist aber nicht die einzige Wahrnehmungsstörung bei diesem Thema, meine Damen und Herren. Am 9. März 2005 hatte Frau von der Leyen nämlich gleichzeitig auch erklärt, dass man die Vorschläge des Landesrechnungshofs sehr ernst nehme und eine Rechtsformänderung im Sinne des Rechnungshofs prüfe. Dieser hatte sich gegen eine Privatisierung und stattdessen für zwei Anstalten des öffentlichen Rechts ausgesprochen. Tatsächlich haben Sie die Vorschläge des Landesrechnungshofs nie geprüft und in der Sitzung des Sozialausschusses am 10. Januar sogar behauptet, die Privatisierung gehe auf einen Vorschlag des Landesrechnungshofs zurück. Mit dieser Verdrehung der Tatsachen wollen Sie öffentlich gezielt von Ihrer Verantwortung ablenken. Aber ich garantiere Ihnen: Dieser plumpe Versuch wird nicht gelingen; dafür werden nicht zuletzt wir selber sorgen.
Im Rahmen der Gesetzgebung hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst darauf hingewiesen, dass die Begründungen der Landesregierung für die Privatisierung und Übertragung des Maßregelvollzugs auf Private möglicherweise nicht ausreichen, um die Übertragung zu rechtfertigen. Daraufhin hat das Ministerium im Ausschuss mehr oder weniger die zusammengefassten Pressemitteilungen der letzten Jahre als neue Begründung verlesen. 200 neue Betten im Maßregelvollzug sollten die Käufer bauen. Vergangene Woche waren es dann nur noch 72. Unglaublich! Seit drei Jahren ist diese Landesregierung nicht in der Lage, den tatsächlichen Bedarf an zusätzlichen Betten zu benennen, obwohl dies angeblich immer der entscheidende Grund für den Verkauf gewesen ist.