Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Warten Sie bitte einen Augenblick, Frau JanssenKucz! - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hier muss es ruhiger werden. - Ich meine alle bei der SPD. Wenn Sie sich unterhalten wollen, machen Sie das bitte draußen. - So, jetzt haben Sie wieder das Wort.

Meine Damen und Herren, alleine am Arbeitsplatz, und dort insbesondere im Gaststättenbereich, sind immer noch 8,65 Millionen nichtrauchende Erwerbstätige dem Passivrauchen ausgesetzt. Studien belegen, dass die bisherigen technischen Maßnahmen nicht wirksam vor den Schadstoffen des Tabakrauchs schützen.

Der Bundesgesetzgeber ist wegen seiner grundrechtlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Passivraucher gefordert, einen wirksameren Schutz vor dem Passivrauchen in Deutschland

sicherzustellen. Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern sind zwar verteilt. Der Bund kann aber über das Arbeitsschutzgesetz eindeutig den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher regeln. Die jetzige Abwälzung auf die Länder birgt die große Gefahr eines bundesdeutschen Flickenteppichs.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Kein Mensch versteht doch diesen Irrsinn, den Sie da beschlossen haben, weshalb irgendwann in Kiel anderen Regelungen und Gesetze hierzu gelten als in München. Ich vermute, Sie planen gerade, sich EU-weit lächerlich zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem demonstrieren Sie, wie man sich dem Diktat von Lobbyisten und Freiheitsaposteln unterwirft; denn auch unser Ministerpräsident setzt in Sachen Passivrauchen und Nichtraucherschutz auf Freiwilligkeit. Ihre eigene Arbeitsgruppe auf der Bundesebene hat doch selbst festgestellt, dass diese Freiwilligkeit nicht funktioniert und dass der Schutz der Menschen vorgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, gestern Abend las ich bei dpa, dass das Gesundheitsministerium und Bayern eine einvernehmliche Lösung für möglich halten. Auch wir als Grüne haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Gerade Niedersachsen als Koordinator der Bundesländer sollte endlich einmal innehalten, damit auch hier Vernunft einzieht und damit auch Sie das Ziel einer einvernehmlichen Lösung verfolgen. Es wäre doch ein ganz positives Signal, wenn sich der Herr Ministerpräsident als Landesvater vom Gängelband der FDP befreien und klipp und klar für einen konsequenten Schutz der Nichtraucher in Niedersachsen und im Bund einsetzen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir Grüne fordern eine Initiative im Bundesrat mit dem Ziel, das Arbeitsschutzrecht des Bundes so zu fassen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksam vor dem Passivrauchen geschützt werden und dabei insbesondere die Ausnahmeregelung für Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr in § 5 Abs. 2 der Arbeitsstättenverordnung gestrichen wird.

Meine Damen und Herren, die Zeit der Lippenbekenntnisse ist vorbei. Es müssen jetzt endlich kon

krete Taten folgen. Die Menschen warten auf einvernehmliche Lösungen, die ihre Gesundheit schützen und damit letztendlich auch die Belastungen für unser Gesundheitssystem reduzieren. Gesundheitsschutz geht vor Lobbyistenschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind in der Pflicht. Sie haben die Verpflichtung, Leben und Gesundheit der Menschen in Niedersachsen und in der Bundesrepublik zu schützen. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Schwarz von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in vielen Punkten den Ausführungen meiner Vorrednerin anschließen. Es ist ja schon interessant: Die Welt schaut zurzeit gebannt darauf, wie Deutschland im Rahmen seiner EUPräsidentschaft den Einigungsprozess in Europa voranbringen wird. Von uns wird erwartet, dass wir international ein Motor sind. Ich finde, diese Erwartung besteht zu Recht. Im Inland aber sind wir gerade dabei, uns in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts zurückzubewegen.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt beispielsweise für Bildung, Ladenschluss und Heimrecht. Aber das gilt auch für die Frage des Nichtraucherschutzes.

(Zuruf von den Grünen: Strafvollzug!)

Ich bin mir sicher, dass uns das weltweit Aufmerksamkeit sichert, aber eigentlich mehr im Sinne von Asterix und Obelix. Das wird uns auch nicht besonders voranbringen. Wenn das alles so geregelt wird, dann werden Bürgerinnen und Bürger zukünftig sehr genau darauf achten müssen, in welchem Bundesland sie sich gerade befinden. Wir müssen Landesgrenzen deutlich machen, damit man genau weiß, wie sich die einzelnen Verbotsvorschriften darstellen. Das gilt natürlich auch für den Nichtraucherschutz. Ich finde, an einer solchen Stelle machen wir uns lächerlich. Im Übrigen trägt das auch zur Politikverdrossenheit bei.

Beim Thema Rauchen kommt für mich allerdings auch erkennbar die hinlänglich bekannte Doppelmoral hinzu, wenn es um das Thema Sucht geht. Jährlich beklagen wir Tausende von Drogentoten. Wenn jemand in diesem Land kifft, dann kommt die Staatsgewalt. Schwerstkranken Drogenabhängigen verweigert die CDU auf Bundesebene gerade die Fortführung der erfolgreichen Heroinsubstitution. Begründung: Der Staat dürfe keine Suchtmittel auf Krankenschein abgeben.

Bei den Volksdrogen Nummer eins, Nikotin und Alkohol,

(Zuruf von der CDU: Das können Sie doch nicht auf eine Stufe stellen!)

werden hingegen die gesundheitlichen Folgen - wie Sie das gerade mit Ihrem Zwischenruf deutlich machen - bagatellisiert und als Kavaliersdelikt dargestellt. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Tabakkonsum wird auf jährlich 20 bis 80 Milliarden Euro geschätzt. Dieser muss in der Regel aus unseren Krankenkassenbeiträgen beglichen werden. Dem stehen Einnahmen aus der Tabakssteuer von rund 15 Milliarden Euro gegenüber. Es ist also falsch, wenn immer so Laisser-faire gesagt wird: Wir rauchen für die Krankenversicherungsbeiträge.

140 000 Nikotintote jährlich in Deutschland - um das einmal umzurechnen: Das sind täglich doppelt so viele, wie Abgeordnete in diesem Parlament sind - sprechen, finde ich, eine deutliche Sprache.

(Hartmut Möllring [CDU]: Die meisten hier rauchen auch!)

- Machen Sie es ruhig lächerlich! Ich finde, das unterstreicht alles, was ich gerade gesagt habe. Es ist für mich völlig klar, jeder ist für sein eigenes Verhalten selbst verantwortlich, und jeder soll rauchen so viel er will, wenn er das gern möchte. Für mich hört der Spaß jedoch eindeutig dort auf, wo Nichtraucherinnen und Nichtraucher unfreiwillig geschädigt werden und wo sich Menschen aufhalten, die sich gegen das Vollqualmen nicht wehren können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch hierzu gibt es klare Zahlen, die wissenschaftlich nicht bestritten werden - sie stammen vom Krebsforschungsinstitut in Heidelberg -: mindestens 3 300 Tote jährlich durch Folgen des Passiv

rauchens. Das sind umgerechnet zehn Tote pro Tag. Wir jedoch leisten uns in Deutschland eine Zuständigkeitsdebatte und versuchen, die schweren gesundheitlichen Schäden von Nikotin herunterzuspielen. Wir knicken übrigens regelmäßig vor fadenscheinigen Argumenten der Zigarettenlobby ein. Ich halte das für unverantwortlich und auch nicht mehr für hinnehmbar.

Meine Damen und Herren, alles, was in dieser Frage im Zusammenhang mit freiwilliger Selbstkontrolle in Deutschland versucht worden ist, ist nachweislich gescheitert. Insofern bin ich schon der Auffassung, dass bei diesem Thema nun endlich auch in Deutschland Ernst gemacht werden muss.

Wir haben in den letzten beiden Tagen in diesem Landtag intensiv über Kinder- und Jugendschutz gestritten. Der Umgang mit dem Thema Nichtraucherschutz gehört wohl eindeutig dazu. Wenn Parlamentarier und Parlamentarierinnen ernst genommen werden wollen - das wollen wir, denke ich, alle -, dann müssen wir auch unserer Vorbildfunktion gegenüber Jugendlichen gerecht werden. Ich sage deshalb ganz deutlich: Die Art und Weise, wie wir in diesem Landtag selber mit dem Thema Nichtraucherschutz umgehen und wie der Deutsche Bundestag in dieser Woche fraktionsübergreifend damit umgegangen ist, erfüllt nach meiner persönlichen Meinung diese Vorbildfunktion nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin der festen Überzeugung, dass damit Vorurteile bezüglich der Unglaubwürdigkeit von Politikern und Politikerinnen zementiert werden. Ich bitte darum, dass wir im Ältestenrat noch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht bessere Regelungen finden, um beiden Seiten auch in diesem Haus gerecht zu werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dass die Gastronomie schon vorbeugend ein Klagelied über die Folgen des Rauchverbots anstimmt, ist nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern unbegründet. Dort haben Rauchverbote wider Erwarten zu Umsatzsteigerungen geführt, weil jetzt Gäste kommen, die aufgrund der Nikotinbelastung bisher weggeblieben sind.

Die SPD hat im September vergangenen Jahres einen umfassenden Antrag zum Thema „Nichtrau

cherschutz - Jugendschutz verbessern“ eingebracht. Die Länder haben sich am 13. Dezember 2006 bei der Bundeskanzlerin darauf verständigt, bis zum März dieses Jahres Vorschläge für einen umfassenden Nichtraucherschutz zu erörtern. Wir haben uns im Fachausschuss darauf verständigt, diesen Zeitraum abzuwarten.

Die Federführung liegt bei diesem Thema in Niedersachsen. Ich hoffe wirklich, Frau Ministerin - das meine ich ernst -, dass Sie an dieser Stelle Erfolg haben und die Länder sich auf eine gemeinsame Linie verständigen können, auch wenn es gegenwärtig nicht so aussieht. Wenn wir allerdings zur Kleinstaaterei gezwungen werden, erwarte ich eine schnelle Entscheidung über unseren Entschließungsantrag und die Vorlage eines umfassenden niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes. Dann haben wir keine Chance mehr auszuweichen. Dann muss auch in Niedersachsen gehandelt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Schwarz. - Nächste Rednerin ist Frau Prüssner von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tabakrauch ist der gefährlichste vermeidbare Innenraumschadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Innenräumen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Feinstaubbelastung kann in Innenräumen 10bis 20-mal höher sein als die im Freien erlaubten Werte. Eine einzige Zigarette erzeugt mehr Feinstaubpartikel als ein Dieselmotor ohne Filter.

Rauchen oder Nichtrauchen? - Das ist hier die Frage. Wer raucht, entscheidet sich. Er entscheidet sich bei jeder Zigarette für 27 Lebensminuten weniger. Das sind im Schnitt 14 Jahre seines Lebens. Nichtraucher im Raucherarbeitsbereich, Nichtraucher in Raucherfamilien, Besucher in Gaststätten haben nicht die Wahl. Sie inhalieren mit. Nach 30 Minuten Passivrauchen verhält sich der Kreislauf eines Nichtrauchers wie der eines Rauchers. Das Risiko für Herzkrankheiten steigt. Das Asthmarisiko steigt bei Erwachsenen um 50 %, bei Kindern sogar um bis zu 100 %. Was der

Raucher sich selbst antut, ist seine Sache. Aber was er dem Passivraucher antut, ist eine andere Sache.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Solange es noch kein Rauchverbot gibt, muss ein verantwortungsvolles und gesundheitsbewusstes Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern möglich sein. Kinder und erwachsene Nichtraucher müssen vor den Folgen des Passivrauchens geschützt werden. Wenn wir, die Gesellschaft, besonders den Kindern und Jugendlichen aber überall signalisieren, dass Rauchen normal ist, kann man es Ihnen schlecht verbieten. Normal ist es eben, nicht zu rauchen.