„Allerdings muss Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern von jedem Hausbewohner als natürliches Verhalten entgegengenommen werden.“
„Die übrigen Mitbewohner des Hauses können dem Vermieter nicht verbieten lassen, einen Sandkasten aufzustellen.“
„Während die Bewohner einer Ortschaft im Landkreis Wolfenbüttel meinten, sie hätten Anspruch auf ihre tägliche Mittagsruhe, vertraten die Richter des Verwaltungsgerichts Braunschweig die Auffassung, Lärm sei unvermeidbar, wenn Kinder unter zwölf Jahren spielen.“
So weit, so gut. Das klingt sehr beruhigend. Aber das Erschreckende daran ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass solche Urteile überhaupt erst gesprochen werden müssen.
Das sind doch keine Einzelfälle. Davon gibt es Hunderte, ja Tausende in Deutschland. Das wiederum macht deutlich, dass in der Tat Handlungsbedarf besteht, auch vonseiten der Politik zu reagieren.
Das, was sich heute Nacht zum Thema Krippenplätze in Berlin abgespielt hat, wurde heute im Morgenmagazin zutreffend beschrieben mit: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis.
Das Markenzeichen niedersächsischer Politik ist: Beraten und dann entscheiden. - Das trifft auch auf die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in Niedersachsen zu.
Das beitragsfreie letzte Kita-Jahr bedeutet definitiv, dass diejenigen, die ihr Kind drei Jahre lang in den Kindergarten schicken, zu einem Drittel von den Kosten entlastet werden. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
Auch das Zukunftsprogramm zur Anbindung von Kindergarten und Grundschule, für das wir viermal 25 Millionen Euro bereitstellen, ist ein Meilenstein. Wir unterstützen nachdrücklich, dass die Regierung bereit ist, erhebliche Mittel zur Verfügung zu stellen, damit ein deutliches Zeichen nicht nur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder gesetzt werden kann. Aus unserer Sicht wird es darauf ankommen, diese Mittel so sinnvoll wie möglich einzusetzen. Dabei sind in erster Linie die Inhalte entscheidend.
Wenn wir ein Brückenjahr schaffen, in dem es auch darum geht, Bildung zu vermitteln, ohne unsere Kinder jetzt zu verschulen, dann muss auch für die entsprechende Ausbildung gesorgt werden. Wir wollen ein pädagogisches Konzept, in dem die Kooperation zwischen Grundschule und Kita zwingend hergestellt wird und eine Rolle spielt. Es gibt einen Bildungsauftrag im Kindergarten; das ist in Ordnung. Aber wenn eine Klammer greifen soll, dann muss auch die Ausbildung der Erzieherinnen entsprechend angepasst werden. Es reicht nicht aus, nur die Mittel zur Verfügung zu stellen.
Es gibt im europäischen Raum eine erhebliche Bandbreite in der Diskussion um die frühkindliche Bildung. Gerade aus Schweden hören wir auch warnende Stimmen. Kinderexpertin Nummer eins, Anna Wahlgren, sagt, es mache Sinn, auch diejenigen Frauen zu unterstützen, die bereit sind, gerade in den ersten drei Lebensjahren nur für ihr Kind da zu sein. Das sollten wir auch einmal verinnerlichen.
Ich glaube allerdings nicht, dass wir skandinavische, französische oder Schweizer Modelle kopieren sollten. Wir sollten entsprechend unseren Möglichkeiten und unserer Mentalität eigene Wege gehen. Entscheidend für eine erfolgreiche Entwicklung unserer Kinder wird unbestritten bleiben, dass Kinder in den ersten - den wichtigsten - Lebensjahren eine sichere Bindung zu ihren Eltern haben. Hier kann der Staat nur Hilfestellung geben. Bestimmen kann er hier nichts. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man konnte sich in den vergangenen Wochen einige Male ein bisschen erstaunt die Augen reiben, als die Debatte um die Krippenplätze in Deutschland losging. Frau von der Leyen, die Mutter aller Ankündigungen, kündigte mal wieder an: Wir brauchen mehr Krippenplätze.
Die CDU in Niedersachsen pflichtet zwar bei, aber speziell in der Kinder- und Familienpolitik warten wir in Niedersachsen seit Jahren auf konkrete Maßnahmen und Verbesserungen.
Bis Januar hat es gedauert, dass Sie sich dazu durchgerungen haben, das beitragsfreie Kita-Jahr in Erwägung zu ziehen. Auf ein durchdachtes Finanzierungskonzept warten wir aber noch immer.
Der von uns geforderte Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz: abgelehnt. - Ganztagsplätze für Dreibis Sechsjährige: abgelehnt. - Prioritäre Umwandlung von Grundschulen zu Ganztagsschulen: abgelehnt. - Verbindliche Qualitätsstandards und bessere Ausbildung von Erzieherinnen: abgelehnt. - Ihr 100-Millionen-Programm, mit dem Sie sich so schmücken, schafft keinen einzigen Platz in einer Kita, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Es geht doch um die Qualität! Die Qualität der Plätze soll besser werden! - David McAllister [CDU]: SPD-Problem!)
Stattdessen müssen wir uns seit Wochen einen traurigen Streit innerhalb der Großen Koalition um die Finanzierung anhören. Die Familienministerin drückt sich flink an dieser Stelle.
Sie sagt: Ach, das machen wir aus den zukünftigen Einsparungen aufgrund des demografischen Wandels in den Schulen.
Der SPD muss man vorwerfen, dass sie in gewissem Maße eine Luftbuchung macht. Aber noch schlimmer ist: Die Union schweigt.
Von ihr hören wir gar nichts. Gerade gestern im Koalitionsausschuss wurde das Thema noch einmal vertagt - das ist wirklich der Gipfel der Armseligkeit in diesem Zusammenhang -,
und zwar mit der Begründung, dass die Union Zweifel am Bedarf habe. Das finde ich wirklich nicht mehr normal, meine Damen und Herren. Sie wollen jetzt feststellen, wie die Lage wirklich ist. Gucken Sie sich doch einmal um, und fragen Sie die jungen Eltern, speziell in Niedersachsen. Zum Stichtag 15. März 2006 lag Niedersachsen bei der U3-Betreuung mit einer Versorgung von 5,1 % bundesweit auf dem letzten Platz. Und da sagen Sie, Sie wollten erst einmal den Bedarf peilen. Meine Damen und Herren, das ist wirklich sehr armselig!
Das Problem der Union an dieser Stelle ist doch ein ganz anderes: Die Traditionalisten bei Ihnen stellen die frühkindliche Betreuung insgesamt infrage. Herr Schwarz, mich wundert ein bisschen, dass ausgerechnet Sie Anna Wahlgren als Kronzeugin einer Familienpolitik aufrufen.
- Das haben Sie eben gemacht. Sie haben ausgeführt, Frau Wahlgren habe gesagt, Mütter müssten sich selbst um ihre Kinder kümmern. - Ich sage Ihnen eines: Frau Wahlgren hat meines Wissens neun Kinder von sieben Vätern und ist dreimal geschieden. Dass Sie sie zur Kronzeugin Ihrer Familienpolitik aufrufen, finde ich schon einigermaßen merkwürdig.
Meine Damen und Herren, was insbesondere die Traditionalisten innerhalb der Union jetzt aufbieten, zeugt in erster Linie von einem ziemlich hinterwäldlerischen Frauenbild:
Vereinbarkeit ja, aber nur, wenn es sein muss. Ansonsten holt man die Hirnforschung, man holt Anna Wahlgren sowie die Lebenserfahrung und die Biologie, um zu erklären, warum Frauen vielleicht doch besser bei den Kindern bleiben.
Die CDU - auf der Regierungsbank in diesem Landtag sitzt ja immerhin ein Präsidiumsmitglied der CDU - führt hier die Diskussionen der 70erund 80er-Jahre. Herr Wulff, es ist wirklich Zeit, dass Sie Ihrer Partei endlich einmal ein bisschen dabei helfen, diesen Modernisierungsschub vorzunehmen; denn Sie selbst haben ja erkannt, dass Ihre Partei mit Ihrer gestrigen Programmatik für Frauen überhaupt nicht wählbar ist.
Meine Damen und Herren, Frauen wollen nicht mehr in die Falle des Erziehungsurlaubs tappen. Wenn es Ihnen mit der Vereinbarkeit und mit der Wahlfreiheit wirklich ernst ist, Herr McAllister, dann schließen Sie sich endlich unserem Vorschlag an, das Ehegattensplitting zu kappen