Heute, wenige Wochen später, spielt die Argumentation von damals überhaupt keine Rolle mehr. Plötzlich sind es Euro/Dollar-Relationen; ein ganz neues Thema für einen international agierenden Konzern! Das ist ja sehr erstaunlich. Jetzt sind es Finanzierungs- und Investitionsprobleme für die nächste Generation von Flugzeugen, die zu bauen sind. Es ist schon ungewöhnlich, wie dieses Management seine Argumentation in wenigen Wochen gewechselt hat.
Das geht so weiter. Ein Teil des Managements erklärt öffentlich, es lägen gar keine Managementfehler vor. Herr Enders räumt gravierende Managementfehler ein. Wie soll eine Belegschaft ihrem Management noch glauben, wenn sie täglich widersprüchliche Aussagen von ihm hört?
Dann erzählt Herr Puttfarcken bei der Betriebsversammlung in Varel und in Nordenham desgleichen, was das Management beschlossen habe, sei nicht endgültig, sondern ein Diskussionsvorschlag, der jetzt mit den Beschäftigten und ihren Betriebsräten erörtert werden müsse.
Fast gleichzeitig berichtet Herr Enders in einer kleineren Runde in Berlin, dass der Verkauf des Werkes in Varel natürlich abschließend klar sei - mit der Begründung, die dortige Wertschöpfung reiche nicht aus. - Die dortige Rendite ist zweistellig, um das einmal zu sagen. - Gleichzeitig weist er darauf hin, dass natürlich auch der Verkauf des Werkes in Nordenham, anders als öffentlich verkündet, durchaus kurzfristig in Erwägung gezogen werde.
Herr Gallois erklärt vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung, dass das Finanzierungsproblem möglicherweise gar nicht so brisant sei; denn ich zitiere sinngemäß - die Cash-Situation von Airbus sei sehr, sehr zufriedenstellend.
Meine Damen und Herren, dass die Belegschaft diesem Management nicht traut, ist mehr als offensichtlich. Auch wir dürfen nicht glauben, was es gegenwärtig erzählt.
Dieses Unternehmen ist kein normaler internationaler Konzern. Seine Erfolgsgeschichte basiert in den letzten Jahrzehnten auf öffentlichen Geldern, die dazu beigetragen haben, dass dieses Unternehmen erfolgreich wurde. Dieses Unternehmen ist auch nicht aktuell krisengeschüttelt. Es steht im Wettbewerb gut da. Es wird ja interessant sein, bei der Bilanzpressekonferenz am 9. März die entsprechenden Zahlen zu hören. Außerdem hat dieses Unternehmen eine bravouröse Auftragssituation. Für über fünf Jahre sind die Auftragsbücher gefüllt.
aus seinem Unternehmen herauskatapultiert? Das kann doch nicht sein! Die Beschäftigten werden gebraucht, um diese Aufträge abzuarbeiten. Herr Enders hat ja gestern auch schon erklärt: Die sollen mal lieber arbeiten. Sonst kriegen wir noch mehr Probleme bei Airbus; denn wir müssen die Aufträge erfüllen.
Dort liegt ein schwerer Widerspruch vor. Deshalb ist meine Einschätzung der Situation eine ganz andere. Hier versucht ein Management in einer komplizierten Situation - auch bei den Anteilseignern -, sich endlich aus der vorgeblich politischen Umklammerung zu befreien. Das ist die Strategie des Managements bei Airbus. Man möchte endlich ein normaler internationaler Konzern werden und die Politik nicht mehr an der Seite haben.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Airbus ist ein Politikum und muss auch ein Politikum bleiben, und zwar nicht, weil ins operative Geschäft eingegriffen werden soll - das ist doch überhaupt nicht der Fall -, sondern weil hier ein europäisches Projekt entwickelt worden ist, das so beibehalten werden muss. Deshalb müssen wir auch ein bisschen aufpassen, dass nicht zu sehr nationalistische Töne hineinkommen. Das gilt sowohl für die deutsche als auch für die französische Seite. Ich meine, dass wir damit gut beraten sind.
Wir müssen auch im Auge behalten, dass es nicht darum geht, einen einzelnen Standort auf Dauer zu sichern. Die Standorte von Airbus sind auf Dauer nur dann zu sichern, wenn das Gesamtkonzept stimmt und es gelingt, sich aus den prognostizierten Zuwächsen für die Luftfahrtindustrie für die nächsten Jahrzehnte einen angemessenen Teil für Airbus zu sichern. Darauf kommt es an.
Nach meiner Einschätzung ist der Raum dafür gegeben. Es ist der Bundesregierung zwar gelungen, die Balance zwischen Deutschland und Frankreich zu verbessern, Herr Wulff. Diese Einschätzung teile ich. Aber das ist auf zu niedrigem Niveau geschehen. Deshalb habe ich mich schon darüber gewundert, wie Frau Merkel diese Vorlage interpretiert hat. Ich freue mich darüber, dass es aufgrund unseres Hinweises gelungen ist, in den Entschließungstext aufzunehmen, dass die Landesregierung sich auf den Weg macht, um in Berlin Feuer zu machen, damit unsere Erwartung deutlich wird, dass sich die Bundesregierung an der Seite Niedersachsens für die niedersächsischen und norddeutschen Belange stark macht, meine Damen und Herren.
Die Chancen sind für alle Standorte von Airbus gegeben. Die Erfolgsgeschichte von Airbus ist in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, weil man die Fertigungstiefe geschwächt hat, sondern gerade in diesem Verbund mit verschiedenen Standorten, den Traditionen an diesen Standorten und auch den Beschäftigtenkapazitäten an diesen Standorten. Deshalb ist es meines Erachtens nicht borniert, sondern wirklich zukunftsweisend, wenn wir fordern, dass alle Standorte in Norddeutschland im Airbus-Verbund bleiben müssen. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden.
Es ist unstrittig, dass es mit Sicherheit zu Umstrukturierungen kommt. In welchem Unternehmen ist das auch nicht der Fall? Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die Betriebsräte bei Airbus hochflexibel sind, wenn es darum geht, Arbeitszeitregelungen zu schaffen, die gewährleisten, dass Puffer vorhanden sind, und Kundenwünschen entgegenzukommen, indem z. B. Teilfertigungen dorthin verlagert werden, wo große Kunden ansässig sind, und insoweit auch insistieren. Das heißt, die Flexibilität ist vorhanden.
Wir erwarten, dass die norddeutschen Standorte technologisch aufgerüstet werden; denn darauf kommt es an. Wir erwarten, dass an den norddeutschen und an den niedersächsischen Standorten Beschäftigung erhalten bleibt und dort die nächste Generation von Technologie etabliert wird. Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag kämpft für die Belange und Interessen an allen norddeutschen Standorten. Das gilt im Moment natürlich vor allem den niedersächsischen Standorten, die gefährdet sind. Mit politischer Unterstützung und der Kompetenz der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte kann es noch gelingen, dieses unangemessene Konzept des Managements von Airbus abzuwehren. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Jüttner. - Meine Damen und Herren, bevor der Kollege Hagenah das Wort nimmt, möchte ich vermeiden, dass unser Land in erhebliche Turbulenzen gerät, und darauf hinwei
sen, dass es nicht stimmt, dass Philipp Rösler jetzt Vorsitzender der SPD-Fraktion und Wolfgang Jüttner Vorsitzender der FDP-Fraktion ist, wie in der Drucksache aufgeführt ist.
Es handelt sich hierbei um eine schlichte Verwechslung durch die Landtagsverwaltung, für die ich um Entschuldigung bitte.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Herr Kollege Hagenah hat jetzt das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen in den bekannt gewordenen Umstrukturierungsmaßnahmen von Power 8 keine überzeugende Option für die Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit von Airbus. Deshalb sind wir heute froh darüber, dass nach seiner anfänglichen Zustimmung nun auch Ministerpräsident Wulff auf Distanz zu diesem mit der Bundesregierung abgestimmten Sanierungsprogramm gegangen ist.
Die vermeintliche Ausgewogenheit zwischen Frankreich und Deutschland ist eben noch lange keine Ausgewogenheit der Lasten für Niedersachsen. Während Hamburg und Bremen nur geringe Einbußen an Arbeitsplätzen hinzunehmen haben, trifft uns Power 8 sehr hart. Wir halten den geplanten Verkauf bzw. die Ausgliederung von profitablen Werken aus dem Konzernverbund für falsch und setzen uns ohne Wenn und Aber für den Verbleib der Werke in Varel und Nordenham bei EADS ein.
Airbus ist ein starker europäischer Konzern, der als weltweit einziges Unternehmen noch dem Wettbewerber Boeing Paroli bieten kann. Dies ist auch zukünftig eine große Chance für die norddeutschen Werke und ihre Beschäftigten. Daraus leitet sich aber jenseits der Besitzverhältnisse für die
Landes- und für die Bundespolitik auch eine strategische Verpflichtung ab. Angesichts der Bedeutung des Marktes für zivile Luftfahrzeuge und der künftigen Herausforderungen mit hohem Innovationsbedarf kann man dieses Geschäft nicht einem großen Monopolisten allein überlassen. Die Folgen für Preisentwicklung, Innovation, Effizienz und Arbeitsplätze in Europa wären fatal.
Alle müssen begreifen, dass Airbus nur als unabhängiger europäischer Konzern eine erfolgreiche Zukunft hat. Deshalb war das Hurra-Rufen im Kanzleramt nach der Bekanntgabe von Power 8 mehr als kontraproduktiv. Wer jetzt über deutsche Erfolge räsoniert, hat die bevorstehenden Herausforderungen noch nicht begriffen.
Die französische Replik auf dieses Selbstlob konnten wir heute Morgen in den Nachrichten hören. Präsidentschaftskandidat Sarkozy schlägt jetzt ebenfalls nationale Töne an. Er erklärte, wir sollten mit dieser deutsch-französischen Gleichheit aufhören. Zugleich schlug er die Abkehr von der Doppelspitze vor. Solange in Frankreich Wahlkampf ist, kann sich das noch weiter hochschaukeln. Umso sensibler muss die deutsche Seite mit der Parität umgehen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisher öffentlich gewordenen Maßnahmen des Projekts Power 8 zur Sanierung des Airbus-Konzerns sind für die Beschäftigten eine Provokation.
Power 8 bringt die Gefahr lange anhaltender Konflikte, die auch zu einem Arbeitskampf führen könnten. Streikbedingte Lieferschwierigkeiten würden die Pläne zur Auslieferung neuer Flugzeuge vollends aus dem Ruder laufen lassen und milliardenschwere Vertragsstrafen nach sich ziehen. Das darf die Konzernleitung nicht weiter herausfordern.
Der Verkauf der Werke ist vor dem Hintergrund übervoller Auftragsbücher und der anstehenden Großaufgaben nicht nachvollziehbar. Der Verkauf von Werken erschwert die Arbeitsteilung im Konzern, führt zu Know-how-Verlust und erhöht die Abstimmungsnotwendigkeiten bei technischen Änderungen. Er ist kein sinnvolles Mittel, um das Investitionskapital des Unternehmens aufzusto
cken. Die alternativen Möglichkeiten zur Stärkung der Kapitalbasis sind bisher aber nicht ernsthaft angegangen worden. Das betrifft z. B. eine Kapitalerhöhung, bürgschaftsgesicherte Kredite oder auch die Auflage einer europäischen AirbusAnleihe. Denkbar wäre auch die Einbindung eines weiteren strategischen Partners auf der Kapitalseite im Gesamtkonzern: Katar und Russland haben schon angeklopft. - Ohne genaue Prüfung ist die heutige Absage der Bundeskanzlerin gegen diesen möglichen Weg der Kapitalaufstockung fahrlässig.
Die monatelange Hinhaltetaktik des Managements hat die Krise zusätzlich verschärft und das Vertrauen der Kunden belastet. Die Stornierung von zehn Frachtversionen des A380 durch UPS vor einigen Tagen ist dafür ein weiterer Hinweis. Airbus ist dennoch ein Konzern, dessen Werke auf Jahre hinaus ausgelastet sind. Die Produkte haben einen guten Ruf und ein gutes Image. Insofern unterscheidet sich die Entwicklung bei Airbus sehr deutlich von Unternehmen, die mangels Kunden in Schieflage kommen. Niedersachsen muss deshalb selbst aktiver werden. Die Forschung und Entwicklung in diesem wichtigen Industriefeld sollte vom Land mit größerer Vehemenz vorangetrieben werden. Es sind Innovationspartnerschaften an allen Standorten zu bilden. Dazu sind TechnologieCluster nach dem Vorbild des CFK-Valley auch für die anderen Standorte zu entwickeln.
Die Hochschulen und Fachhochschulen sind stärker einzubinden. Um künftigen Herausforderungen im Luftverkehr gerecht zu werden, muss die Forschung insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz und Lärmreduzierung ebenso vorangetrieben werden wie die Entwicklung von Leichtbauwerkstoffen. Ich bin überzeugt: Wer in Zukunft die sparsamsten und emissionsärmsten Flugzeuge bauen kann, wird die Nase im Wettbewerb vorn haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil Power 8 nicht transparent und nachvollziehbar ist, provoziert die Geschäftsleitung damit nicht nur bei den Beschäftigten weitere Verunsicherung und Spekulation über die wahren Hintergründe der eigentlichen Ziele des Konzepts. Die bisherigen Erklärungsversuche blieben unglaubwürdig. Da die Dollarschwäche schon seit Jahren besteht und zusätzliches Kapital bei den illustren Anteilseignern sicherlich auch anders zu gewinnen ist, drängt sich
der Verdacht auf, dass alle abgegebenen Werke beim verbleibenden Kernkonzern nach einer Übergangszeit mit einer weltweiten Konkurrenz um Lieferaufträge wetteifern sollen.
Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz. - Aus niedersächsischer Sicht ist das aber schlicht einseitiges Kostendumping und womöglich sogar eine Kündigung auf Raten. Dies werden wir zusammen mit den Beschäftigten nicht hinnehmen. - Vielen Dank.