Protokoll der Sitzung vom 06.03.2007

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Man sollte dieses System also nicht schlechtreden, sondern ihm beitreten. Das erwarten wir von der Bundesregierung. Der Parlamentarische Staatssekretär Andres hat herumgenölt.

(David McAllister [CDU]: Eine Frech- heit ist das!)

Die Bundesregierung unter Führung von Herrn Müntefering war am Zug. Jetzt verkündet der Staatssekretär, er würde verhandeln und ein System entwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir darauf gewartet hätten, hätten wir nicht 1 208 Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Der Weg, den die Landesregierung gegangen ist - nicht abzuwarten -, war der richtige: 1 208 Beschäftigte sind besser als keiner.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Hagenah das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussagen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt vom vorigen Jahr haben heute noch Gültigkeit. Er sagte: Kombilöhne sind teuer, laden zu Mitnahmeeffekten ein und sind arbeitsmarktpolitisch ineffizient. - Recht hat der Mann!

Noch in der vorigen Woche im Rahmen der gemeinsamen Sitzung mit der Landesregierung Baden-Württembergs hat Ministerpräsident Wulff der geschätzten Öffentlichkeit sein landeseigenes Kombilohnmodell erneut ans Herz gelegt, als Erfolg versprechenden Ansatz, als punktgenauen Lösungsansatz, als tragfähige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Die Realität dagegen sieht anders aus. Zielgruppen des Niedersachsenkombi waren nach Aussage des Ministerpräsidenten Wulff die Jugendlichen bis 25 und die älteren Arbeitslosen über 50. Hier, an dieser Stelle, hat er dem Landtag genau das als Ziel des Niedersachsen-Kombi verkauft. Das Ergebnis ist äußerst mager, Herr Ministerpräsident.

Bereits bei der Unterrichtung im Wirtschaftsausschuss im Januar wurde klar: Über 70 % aller geförderten Personen stammen nicht aus diesen von Ihnen genannten Zielgruppen. Nur 360 Personen kommen aus diesen Gruppen.

Auch scheint die Inanspruchnahme des neuen Förderinstrumentes bei den wenigsten Arbeitsagenturen zum Tagesgeschäft geworden zu sein. Warum auch? Gibt es doch zahlreiche, gut eingeführte, Instrumente, die genau das leisten, was der neu eingeführte Kombilohn auch bezwecken soll. Anschauungsmaterialien zum Thema sind z. B. das ALG II selbst, Midi- und Minijobs bis hin zu Lohnkostenzuschüssen und dem Einstiegsgeld. Auch deshalb wurden bisher 50 % aller Förderfälle beim Niedersachsen-Kombi in nur 5 von 46 nie

dersächsischen Arbeitsagenturen bearbeitet. Das spricht doch Bände. Und das, obwohl einzelne Agenturen sogar direkt vom Ministerpräsidenten persönlich gerügt wurden, weil sie seiner Meinung nach wenig Bereitschaft zeigten, den Niedersachsen-Kombi anzunehmen. Wehe dem, der etwas gegen den Chef sagt! Der Landkreis Schaumburg hat Klassenkeile bezogen.

Auch die neuesten statistischen Eckwerte des Arbeitsmarktes in Niedersachsen sind keine Bestätigung für den Niedersachsen-Kombilohn à la Wulff. Gerade bei den unter 25-Jährigen sind wieder 3,1 % mehr Arbeitslose zu verzeichnen als noch im Vormonat - und das gegen den konjunkturellen Trend und trotz Unterstützung durch den ausgefallenen Winter. Herr Wulff, mit dem aktuellen Zahlenmaterial lässt sich nur ein Fazit ziehen: Sie sind mit Ihrem Projekt genauso gescheitert wie die vielen Vorläufer anderswo.

Wir Grüne wollen deshalb endlich die Ursachen der geringen Beschäftigungsquote im unteren Einkommensbereich bekämpfen, anstatt weitere überflüssige Kombilohnmodelle in den Bundesländern oder auch vom Bund vorgelegt zu bekommen. Erforderlich ist insbesondere für diese Einkommensgruppen der Abbau der hohen Lohnnebenkosten. Unser Progressivmodell sieht einen mit dem Bruttoeinkommen steigenden Sozialversicherungsbeitrag vor und entlastet Arbeitgeber und Arbeitnehmer im unteren Einkommensbereich gleichermaßen, es schafft dort mehr Beschäftigung und bekämpft Schwarzarbeit. Das Progressivmodell verhindert Mitnahmeeffekte. Zu groß ist beim Kombilohn die Versuchung, reguläre Mitarbeiter freizusetzen und neue Beschäftigte zu einem niedrigeren Lohn plus staatliche Subvention einzustellen.

Im Gegensatz zum Progressivmodell degradiert der Kombilohn seine Bezieher zu Subventionsempfängern. Gerade bei den Jugendlichen ist es verfehlt, ihr Berufsleben mit einer Subvention beginnen zu lassen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Hirche das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der SPD dankbar, dass sie erneut darauf aufmerksam macht, dass mit dem Niedersachsen-Kombi 1 200 Langzeitarbeitslosen, die sonst keine Chance am Arbeitsmarkt gehabt hätten, ein Arbeitsplatz gesichert worden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir auf die SPD gehört hätten, dann hätten wir im Lande eine Nullnummer.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie wissen doch, dass das nicht stimmt!)

Das ist auch das, was wir aus Berlin hören: Nichts machen und abwarten, bis Berlin entscheidet. Berlin hat bis heute nicht entschieden, meine Damen und Herren. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Ich will Ihnen aus der Praxis einmal Folgendes sagen: Anfang Februar hat der Ministerpräsident dem tausendsten Kombilöhner, nämlich Christian Fröhlich, die Hand gegeben. Herr Fröhlich ist 44 Jahre alt und hat zwei Kinder. Er hat seit zwei Jahren eine Arbeit gesucht, um seine Familie unabhängig von staatlicher Hilfe ernähren zu können. Dank des Niedersachsen-Kombis arbeitet er jetzt bei einer Spedition. Seinen Lkw-Führerschein konnte er mittels des Qualifizierungsabschlusses erneuern und den nötigen Gefahrgutschein ergänzen. Seine Chefs sind sehr zufrieden mit ihm und bieten ihm über die Förderzeit des NiedersachsenKombis hinaus eine Dauerstellung an. - Meine Damen und Herren, das ist die Praxis in Niedersachsen: Leute, die länger arbeitslos waren, werden jetzt wieder in Arbeit gebracht - 1 200!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Drei Viertel von ihnen haben eine Dauerstellung bekommen. Natürlich würden wir uns wünschen, dass es zehn Mal so viele wären; das ist gar keine Frage. Aber dass Sie dieses Instrument überhaupt kritisieren, ist schon bedenklich, gerade unter sozialen Gesichtspunkten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist ein zusätzlicher Baustein aktiver Arbeitsförderung. Wir können ohne Weiteres andere

daneben setzen. Machen Sie es aber doch nicht madig, wenn damit 1 200 neue Chancen in Niedersachsen vergeben worden sind!

Meine Damen und Herren, wenn der Parlamentarische Staatssekretär Andres jetzt in der Öffentlichkeit Kritik übt, will er lediglich zudecken, dass seitens des Bundesarbeitsministeriums in einem Jahr nichts passiert ist. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieses Nichtstun wird von Herrn Andres unfreiwillig bloßgestellt.

Ich stelle fest: Wir handeln. Die Bundesregierung hat hingegen noch immer kein Konzept. Der Kollege Hillmer hat es eben schon gesagt: Sie brauchen den Chef der Bundesagentur für Arbeit, Herrn Weise, nur anzusprechen; dann hören Sie, dass dort eine positive Resonanz auf unser Modell vorhanden ist. Selbstverständlich kann es durch Instrumente der Bundesanstalt für Arbeit ergänzt und erweitert werden. Da soll es doch einen Wettstreit um gute Modelle geben.

Selbstverständlich steht auch überhaupt nicht infrage - Herr Hagenah hat das eben noch einmal deutlich gemacht -, dass wir die Ursachen angehen müssen und nicht nur mit solchen Kombilohnangeboten die Probleme lösen dürfen. Die Ursachen liegen in Kostenstrukturen, in verfestigten Arbeitsmarktstrukturen und in vielen anderen Dingen. An dieser Stelle muss man über viele Problemlösungen diskutieren. Dazu gehören auch der hier eben gemachte Vorschlag und anderes.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns nicht ideologisch gegen neue Vorschläge in diesem Zusammenhang verschließen, sondern diskutieren, was den Arbeitsmarkt beleben kann. Ich sage Ihnen: Der Niedersachsen-Kombi ist ein Instrument, um den Arbeitsmarkt in Bewegung zu versetzen und Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Er ist ein soziales Instrument, zu dem die SPD und die Grünen keine Alternative haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe auf

d) Finanzautonomie stärken: Erbschaftssteuer als „Ländersteuer“ verfassungskonform gestalten - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/3618

Ich erteile hierzu dem Abgeordneten Bode von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren wurden parteiübergreifend gemeinsam Anstrengungen unternommen, um in Deutschland den Föderalismus neu zu definieren und neu aufzustellen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ziel war es, das in Deutschland bestehende Geflecht von Mischzuständigkeiten und die daraus resultierenden Blockaden, die sich bei den unterschiedlichen Kompetenzen der Gesetzgebung ergeben haben, aufzubrechen und den Föderalismus wieder mit neuem Leben zu füllen.

Dabei haben wir auch hier im Landtag immer wieder das grundlegende Problem diskutiert, dass jede dieser Neuordnungen ihr Ziel dann nicht erreichen wird, wenn man nicht auch über die Finanzverflechtungen redet und zu neuen Lösungen kommt; denn es ist immer die Frage des Geldes, die bei der einen oder anderen Stelle zu einer Blockade führte, die wir nicht mehr aufgelöst bekommen haben.

Daher lautet unsere eindeutige Forderung, dass jede staatliche Ebene ihre eigenen Einnahmen bekommen muss und über ihre eigenen Einnahmen und Steuern entscheiden können muss.

(Anhaltende Unruhe)

Einen Augenblick, bitte, Herr Bode! Die Redezeit wird auch angehalten. - Meine Damen und Herren, es ist hier wirklich viel zu laut. Diejenigen, die zuhören wollen, können das nicht. Diejenigen, die miteinander reden möchten, sollten hinausgehen. Herr Bode, Sie haben wieder das Wort.

Wir brauchen also eine neue Steuer- und Einnahmeautonomie für jede einzelne Ebene.

Meine Damen und Herren, wir haben keine Angst vor einem Wettbewerbsföderalismus, auch nicht im Bereich der Steuern. Wir wollen besser werden auch im Vergleich zu den süddeutschen Ländern. Wir wollen nicht Nehmerland bleiben, sondern Geberland werden.

Ein gutes Beispiel für diese Neuordnung ist die Erbschaftsteuer. Die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer nimmt der Bund vor. Die Erhebung führt das Land durch. Dem Land stehen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zu 100 % zu. Diese Verflechtung kann bei einer Neuordnung und auch bei einer Neugestaltung nicht zum Ziel führen. Daher wollen wir diese Verflechtung beenden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)