- Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann, soll ich Ihnen den nächsten Ordnungsruf erteilen? - Sie stören den Ablauf der Beratungen.
Tagesordnungspunkt 33: Zweite Beratung: a) Hilfen und Betreuung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen verbessern Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3016 b) Optimierung vorhandener Pflegestrukturen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/3021 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/3507
Mir liegt eine Wortmeldung von Frau Groskurt von der SPD-Fraktion vor. Frau Groskurt, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu diesem Tagesordnungspunkt spreche, möchte ich die Kolleginnen kurz um Aufmerksamkeit bitten. Liebe Kolleginnen, Sie alle hatten heute Morgen kleine rote Boxhandschuhe auf Ihren Plätzen liegen: für starke Frauen. - Alle Frauen, die hier sind, sind starke Frauen. Die Boxhandschuhe sollen uns alle unterstützen, damit auch in der
nächsten Legislaturperiode der Anteil der Frauen im Parlament nicht geringer ist als jetzt, sondern höher.
Jetzt komme ich zum aktuellen Tagesordnungspunkt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr bedauerlich, dass ich mir heute schon wieder die Mühe machen muss, Sie davon zu überzeugen, dass es gut wäre, wenn Sie unserem Antrag nach entsprechend zu vereinbarenden Änderungen zugestimmt hätten und ihn nicht, wie im Ausschuss geschehen, kurzerhand ohne ausreichende Beratung einfach für erledigt erklären würden.
Während dieses Plenums haben wir erfreulicherweise einige gute Anträge der SPD-Fraktion plötzlich und unerwartet - von Ihnen wortreich als Ihre Ideen gelobt - wiedergefunden. Diesen Umweg können wir uns bei diesem Antrag sparen. Wir haben in der sehr kurzen Beratung im Ausschuss meiner Wahrnehmung nach einvernehmlich festgestellt, dass die Nr. 5 aus unserem Antrag gestrichen werden kann, da die Bundesmittel für Menschen mit demenziellen Erkrankungen durch die Landesregierung nach einigen Verzögerungen endlich weitergeleitet werden.
Zu Nr. 6 wurde glaubhaft versprochen, dass die Initiative unterstützt wird. Die Nrn. 1, 2, 3 und 4 sind nach wie vor gerechtfertigte Forderungen. Hier wird auf die Notwendigkeit der Erweiterung der Betreuungsangebote hingewiesen, und diese wird auch gefordert. Es ist doch unstrittig, dass die Nachfrage nach Betreuungsangeboten für Menschen mit demenziellen Erkrankungen steigt. Herr Ministerpräsident Wulff hat dieses am 7. Februar bei der Eröffnung eines Altenwohnheimes in Osnabrück deutlich unterstrichen und gefordert, dass Betreuungsangebote für alte und demenziell erkrankte Menschen eingerichtet und erweitert werden müssen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihrem Ministerpräsidenten darin folgen würden.
Wollen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CDU und der FDP so lange warten, bis ein nicht zu behebender Notstand eingetreten ist? Wollen Sie offenen Auges kranke Menschen diesem Risiko aussetzen? - Wir alle wissen: Gerade demenziell erkrankte Menschen brauchen unsere Fürsorge. Pflegende Angehörige sind häufig einer Überforderungssituation ausgesetzt. Wir
dürfen nicht nur die Patienten, sondern müssen auch die Pflegenden im Blick haben: je geringer die Alltagskompetenz des Kranken, umso stärker die Belastung der Pflegenden. Der Betreuungsaufwand ist häufig sehr hoch.
Studien zu demenziellen Erkrankungen haben eindeutig ergeben, dass das Umfeld der Demenzkranken auf den Krankheitsverlauf großen Einfluss hat. Der Nutzen einer Demenzbehandlung ist nämlich nicht nur an den Symptomen, Funktionen und Fähigkeiten des Kranken abzulesen, sondern auch an der Notwendigkeit der Betreuung. Das Augenmerk ist auf die Höhe des Betreuungsaufwandes und die Lebensqualität der Pflegenden sowie auf die Notwendigkeit einer stationären oder ambulanten Betreuung zu richten.
Die Studien belegen weiter, dass auch der Erkrankungsverlauf um viele Monate verzögert werden kann, wenn ein komplexes Angebot besteht, das die individuellen Unterschiede berücksichtigt. Wenn die Betreuung erleichtert wird, kann der Patient länger in seinem häuslichen Umfeld verbleiben und versorgt werden. Damit diese Möglichkeit besteht, ist das Angebot der psychiatrischen Tagespflege sofort auszubauen. Der Bedarf ist erheblich.
Frau Groskurt, bitte halten Sie einen Moment inne! - Hier ist es viel zu laut. Bitte warten Sie, bis es ganz, ganz leise ist!
Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CDU und der FDP, den Vorschlägen Ihres eigenen Landespflegeberichtes nicht folgen. Hier werden Beispiele genannt, wie mit geringem Aufwand Einrichtungen patientengerecht umgestaltet werden können. Warum unterstützen Sie diese Einrichtungen nicht?
Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl der Demenzerkrankungen ist es unumgänglich, die Qualifizierungsmaßnahmen für Fachkräfte zu verbessern. Ich bin sehr enttäuscht, und die demenziell erkrankten Menschen tun mir leid, weil von dieser Landesregierung keine Hilfe zu erwarten ist.
Die SPD-Fraktion wird nicht nachlassen, die berechtigten und notwendig umzusetzenden Ansprüche immer wieder einzufordern.
Dass Sie Ihren eigenen Antrag „Optimierung vorhandener Pflegestrukturen“, der gerade ein halbes Jahr alt ist, für erledigt erklären, ist eine freundliche Handlung, der wir uns angeschlossen haben, aber ein etwas merkwürdiges parlamentarisches Arbeitsverständnis. Das hätten Sie wirklich einfacher haben können. Ich habe Ihnen bereits im Juli 2006 gesagt, dass zu Ihrem Antrag nicht allzu viel zu sagen ist, weil er überflüssig ist. Aber wie so oft wollten Sie unseren Rat nicht sofort annehmen. Schade, dabei wurde unnötig Zeit vertan, die wir sinnvoller hätten nutzen können. Das muss sich bitte unbedingt ändern. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie fordern die Landesregierung auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Hilfen für demenziell Erkrankte zu ergreifen. Nachdem die Landesregierung genau das tut - auf Einzelheiten komme ich noch zu sprechen -, dachte ich: Lob von der Opposition, das wäre doch einmal etwas anderes. - Aber wir haben schon bei der ersten Beratung festgestellt, dass es Ihnen nicht um die verdiente Würdigung geht. Also fragen wir uns, ob Sie mit der Not kranker Menschen Politik machen wollen. Denn alle sechs Punkte, in denen die Landesregierung Ihrer Auffassung nach tätig werden soll, sind längst realisiert.
Das konnte jeder, der im Ausschuss zugehört und die erste Beratung miterlebt hat, feststellen. Uns war und ist es ein großes Anliegen, Menschen, die an Demenz leiden, und ihre Angehörigen zu unterstützen. Wenn Sie, was ich hoffe, der gleichen
Meinung sind, dann hätten sie allen einen guten Dienst erwiesen, wenn Sie diesen Antrag zurückgezogen hätten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie kommen mir wie trotzige Kinder vor, die einfach nicht eingestehen wollen, dass sie unrecht haben. Das ist wirklich schade. Es wäre doch einfach gewesen, sich zu diesem Thema fachkundig zu machen und auf überflüssige Anträge zu verzichten.
Ein Beispiel: Die Niederlassung des Caritasforums finden Sie hier in unmittelbarer Nähe des Landtags. Sie können dort in der Mittagspause gern einmal vorbeigehen. Oder auch Ambet in Braunschweig. Das sind die mit Landesmitteln geförderten Kompetenzzentren. Sie bieten u. a. Unterstützung beim Aufbau der lokalen, regionalen und landesweiten gerontopsychiatrischen Versorgungsangebote. Diese sind in Niedersachsen inzwischen fast flächendeckend Realität. Sie unterstützen die Weiterentwicklung kooperativer Strukturen zu Verbundsystemen. Sie bieten außerdem Fortbildung und Fachtagungen an, und schließlich unterstützen sie die Verknüpfung zwischen professioneller Arbeit und bürgerschaftlichem Engagement. Also: Alle Angebote und Maßnahmen, die Sie fordern, sind inzwischen schon längst vorhanden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die große Mehrzahl der an Demenz Erkrankten wird von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt. Wir alle wissen, dass das eine enorme Herausforderung ist; körperlich und seelisch. Für den Fall, dass die Pflege zu Hause aber nicht mehr möglich ist, gibt es spezialisierte Pflegeeinrichtungen für demenziell erkrankte Pflegebedürftige. Sie bieten den Betroffenen durch spezielle bauliche Veränderungen in Wohn- und Aufenthaltsbereichen und mit neuen Konzepten der Tagesstrukturierung Sicherheit und Zufriedenheit.
Es gibt auch spezielle Pflegedienste für an Demenz Erkrankte. Sie betreuen ambulant in Wohngruppen sowie im betreuten Wohnen. Wenn Sie die Zeitung aufschlagen, sehen Sie fast täglich neue Angebote von den verschiedensten Trägern. Derzeit gibt es ein ausreichendes qualifiziertes Angebot.
Auch in der Ausbildung von Pflegekräften ist das Thema Demenz schon längst fest verankert. Ebenfalls bei der Weiterbildung. Die Abteilung Vorsorgeforschung der MHH hat in Zusammenar
beit mit dem Hausärzteverband und der Ärztekammer ein entsprechendes Fortbildungsprofil für die Hausärzte in Arbeit.
Meine Damen und Herren, nun zu den für Niedersachsen zur Verfügung gestellten Bundesmitteln. Sie wurden hier im Gegensatz zu anderen Bundesländern schon immer unverzüglich weitergeleitet und natürlich auch aufgestockt.
Ihre Forderung, eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel - das haben Sie eben ja selbst zugegeben -, Menschen mit demenziellen Erkrankungen in die Pflegestufen aufzunehmen, hat sich ebenfalls erledigt. Allein an diesen Beispielen können Sie sehen, dass Ihr Antrag nicht nur von gestern, sondern von vorgestern ist.
Über so wenig Sachkenntnis kann man sich eigentlich nur wundern. Das Thema Pflege und alles, was dazu gehört, wird von der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen sehr ernst genommen. Wir haben vieles auf den Weg gebracht, und andere Bundesländer orientieren sich an Niedersachsen.
Jetzt zu unserem Antrag betreffend Optimierung vorhandener Pflegestrukturen. Es war uns wichtig, zu überprüfen, wie die wohnortnahe und flächendeckende Förderung niedrigschwelliger Angebote ausgeschöpft wird. Frau Mundlos hat dies hier im Plenum als Erfolgsstory bezeichnet. Und genau das ist es auch. Wir haben die entscheidenden Schritte eingeleitet.
Nun zum zweiten Teil des Antrags. Er befasst sich mit der Pflegezeit. Das betrifft gerade Frauen; denn sie sind es, die überwiegend die häusliche Pflege übernehmen. Es geht um entgangene Rentenansprüche und um Probleme bei der Rückkehr in den Beruf. Die Mehrfachbelastung Familie, Pflege und Berufstätigkeit muss ernst genommen werden. So fordert auch der Sozialverband die Anrechnung von Pflegezeit. Die Reform der Pflegeversicherung steht auf Bundesebene an. Ein wichtiger Bestandteil der Reformberatung wird der zukunftsorientierte Beschluss zur Pflegezeit sein. Die Gesundheitsminister aller Bundesländer haben sich dafür schon eindeutig ausgesprochen.
Ich komme jetzt zum Schluss. Angesichts eines wachsenden Bevölkerungsanteils älterer und hoch betagter Menschen müssen wir uns auch auf eine steigende Zahl von an Demenz Erkrankten einstellen. Ihr Antrag aber trägt wirklich nicht dazu bei, entscheidende Impulse für die Zukunft zu setzen.