Frau Körtner, das werden Sie sicher auch gleich wieder tun. Sie wissen ja offensichtlich immer besser, was richtig für ein Kind ist und was nicht.
Dann verstehe ich allerdings nicht - und jetzt hören Sie bitte genau zu! -, warum Sie alle so wenig über den Bildungsverlauf der einzelnen Kinder wissen und sich auch offenkundig dafür gar nicht interessieren. Das wird nämlich aus den Antworten deutlich, die Sie uns gar nicht geben konnten. Sie wissen nicht, für wie viele Kinder mit Förderbedarf aus einem Integrationskindergarten die Integration mit der Einschulung schon vorbei ist, weil sie keine integrative Schulform finden. Sie wissen nicht, wie wenig Kinder beim Übergang aus der Grundschule in die Sekundarstufe ihren integrativen Unterricht fortführen können und wie viele nicht. Und Sie können nicht beantworten, welche Abschlüsse die Schülerinnen und Schüler, die in einer Integrationsklasse unterrichtet worden sind, am Ende der
Sekundarstufe I erreichen. Das wäre doch hoch spannend. Folglich wissen Sie natürlich auch nicht, welche Chancen diese Jugendlichen beim Übergang in eine Berufsausbildung haben.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP und Herr Kultusminister, es ist schon bezeichnend, was Sie in den Schulen evaluieren und was lieber nicht. Augen zu, Ohren zu - das ist Ihre Politik, wenn es um den Bildungsweg von benachteiligten Kindern geht. Sie machen leider nur den Mund weit auf.
(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sagen Sie mal, wo Sie die Kinder beschulen lassen wollen! An welcher Schule?)
Auf unsere Frage, mit welchen Konzepten und mit welchem Ressourceneinsatz die Landesregierung im kommenden Jahr den gemeinsamen Unterricht voranbringen will, gibt Herr Busemann keine Antwort. Ich zitiere noch einmal Herrn Muñoz:
„Es gibt Anzeichen dafür, dass in Deutschland keine ausreichenden Fortschritte in Bezug auf die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in Regelschulen erzielt wurden.“
So hat es der UN-Sonderberichterstatter Muñoz in seinem Bericht formuliert. Er hat es zu sanft formuliert, finde ich; denn es ist skandalös, was hier getrieben wird.
Aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage kann ich nur eines schließen: Für die Niedersächsische Landesregierung ist mehr Integration kein Thema. Sie wollten deshalb ja auch keine Anhörung, Frau Körtner. Die Landesregierung hat keine Konzepte, und sie hat leider auch offenkundig keinen Willen, mehr Integration zu wagen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Korter, wenn man sich zur Begründung eines Antrages auf Herrn Muñoz bezieht, dann ist es mit
Über Herrn Muñoz hat sich ja die ganze Republik aufgeregt. Der gute Mann kommt aufgrund einer etwas merkwürdigen Einladung für neun Tage nach Deutschland, verliest ein paar Tage später die Grundsatzpapiere seiner Begleiter, die ihn eingeladen haben, und hält das für eine vernünftige Analyse.
Wenn man nach neun Tagen wissen könnte, wie es um das System steht, dann könnten sich alle 16 Länder die Millionen-Ausgaben für die PISA-Untersuchungen sparen. Sehen Sie mir nach, dass ich Probleme habe, das Thema Muñoz ernst zu nehmen.
Meine Damen und Herren, den vielschichtigen Bereich der sonderpädagogischen Förderung kann man nur verstehen und verantwortlich mitgestalten, wenn man das Ganze in den Blick nimmt und nicht gleichsam mit bildungspolitischem Tunnelblick nur einen Teil. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verkürzt, wie ich finde, in unzulässiger Weise das weite Aufgabenfeld der sonderpädagogischen Förderung auf den Teilbereich des gemeinsamen Unterrichts. Für die Förderschulen haben Sie erklärterweise nichts oder nur wenig übrig. Ihnen geht es vor allem und immer wieder um eines: die Abschaffung der Förderschulen, weil sie nach Ihrer Auffassung der Integration im Wege stehen. Und mehr noch: Sie instrumentalisieren diese sensible Problematik als Vehikel zur Einführung der Einheitsschule.
Sonst ist das, was wir hier seit einigen Monaten miteinander diskutieren und was mich immer wieder sprachlos macht, gar nicht nachvollziehbar. So, wie Sie an das Thema herangehen, werden Sie der Sache nicht gerecht, meine Damen und Herren, vor allem von Bündnis 90/Die Grünen.
Wer nur die Teile betrachtet, der sieht das Ganze nicht. Mit dieser eingeschränkten Sichtweise handeln Sie sich ein zweites ernstes Problem ein: Der Weg wird zum Ziel erklärt, manchmal sogar verklärt.
Nach unserer Auffassung, meine Damen und Herren, bezeichnet Integration vor allem die Eingliederung eines jungen Menschen in die Gesellschaft. Integration heißt Teilhabe und Mitgestaltung. Sie hingegen reduzieren das Ziel und die Aufgabe der gesellschaftlichen Integration auf den Weg der schulischen Integration.
Die Landesregierung dagegen verfolgt das Ziel der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen auf zweierlei Weise: Wir gehen erstens davon aus, dass Unterricht in speziell ausgestatteten Förderschulen für viele Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ein notwendiger und angemessener Weg ist.
Oft können nur in Förderschulen die besonderen Kompetenzen durch speziell ausgebildetes Personal und die notwendige räumlich-sachliche Ausstattung verfügbar gemacht werden. Daneben kann zweitens die sonderpädagogische Förderung in der Grund- oder Hauptschule, aber auch in den anderen Schulen, der geeignete Weg zum übergreifenden Ziel der Integration sein.
Meine Damen und Herren, wir haben erstmals durch unsere Vorgaben zur sonderpädagogischen Förderung die Grundlagen für die umfassende Ausweitung des gemeinsamen Unterrichts in der allgemeinen Schule geschaffen. Wir führen alle Organisationsformen sonderpädagogischer Förderung weiter und beschränken uns dabei nicht auf die von Ihnen so hartnäckig vertretenen Integrationsklassen. Das können Sie dem umfangreichen Zahlenmaterial entnehmen, das wir Ihnen vorgelegt haben. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erarbeitung des Materials und der Beantwortung der Anfrage mitgewirkt haben.
Zum Antragsteller und auf den Punkt gebracht: Sie halten an dem vermeintlichen Königsweg der schulischen Integration fest. Wir dagegen stehen für die Vielfalt der Fördermöglichkeiten, d. h. ebenso für die Pluralität der Förderorte.
Das hängt auch mit Ihren Vorstellungen von Einheitsschule und Aufgabe von Standorten zusammen. Ich bin entsetzt, wie Sie in den letzten neun Monaten an dieses Thema herangegangen sind.
(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU] - Walter Meinhold [SPD]: Herr Minister, bleiben Sie sachlich korrekt!)
- Herr Meinhold, ich schätze Sie sehr, aber in dem Punkt gehen Sie, so glaube ich, einen Irrweg, den ich mir höchstens unter ideologischen Gesichtspunkten erklären kann. Ansonsten kann ich ihn nicht nachvollziehen.
Meine Damen und Herren, ich begründe das zum wiederholten Male: Wir unterscheiden im Interesse der Kinder und Jugendlichen zwischen Wünschenswertem und Notwendigem. Wir wägen Möglichkeiten und Grenzen des Handelns ab. Wir lassen uns einzig davon leiten, welcher Förderort der richtige für ein Kind ist.
Meine Damen und Herren, der gemeinsame Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit anderen Kindern und Jugendlichen in der allgemeinen Schule ist uns allen wichtig. Deshalb gilt für uns: So viel gemeinsamer Unterricht wie möglich, so viel Unterricht in Förderschulen wie nötig. Es ist unverantwortlich, wenn Sie Unterricht in Förderschulen als Ausgrenzung oder, wie man es gelegentlich hört, Separierung verunglimpfen.
Wir handeln im Sinne des Kindes oder Jugendlichen, wenn wir vorurteilslos die bestmögliche Auswahl zwischen verschiedenen Fördermöglichkeiten und Förderorten treffen.
Eine Frage in diesem Zusammenhang: Meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, gehen Sie denn wirklich davon aus, dass die notwendige und angemessene Förderung aller Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den unterschiedlichsten Ausprägungen in allen allgemeinen Schulen in gleicher Weise wie in Förderschulen gewährleistet ist? Das kön
- Frau Korter, wir sind in Niedersachsen. Niedersachsen ist ein Flächenland mit über 3 000 Schulstandorten. Es ist doch auch ordnungspolitisch wahnwitzig, was Sie für ein Weltbild entwickeln. Praktikabilität gleich null! Denken Sie doch noch einmal darüber nach, und machen Sie sich bitte bewusst, welche Verunsicherungen Sie mit Ihrer beharrlich vorgetragenen Forderung nach pauschaler Abschaffung der Förderschulen bei den Eltern der Kinder und Jugendlichen auslösen, die auf den Besuch einer Förderschule angewiesen sind und diesen aus guten Gründen auch einfordern; denn sie wissen die Qualität der Angebote durchaus zu schätzen.
Bedenken Sie, was Sie den Lehrkräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Förderschulen mit Ihren radikalen Forderungen zumuten. Diese Personen haben Anerkennung und Wertschätzung für ihre engagierte Arbeit und nicht ständiges Nachtreten aus dem politischen Raum verdient. Das sage ich bei dieser Gelegenheit auch einmal.
Sie stiften dort in wirklich unangenehmer Weise Unruhe. Die Leute fragen sich: Sind wir mit unserer engagierten Arbeit nicht mehr gewünscht und gewollt? Werden wir nicht mehr getragen? Was ist da bei einem Teil der Landespolitik los?
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass sonderpädagogische Förderung immer in Bewegung ist. Das bedeutet auch, dass die Formen, Inhalte und Ziele sonderpädagogischer Förderung von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gehören. Die Landesregierung macht das generell so: Sie wird ihre Entscheidungen und Vorgaben zu gegebener Zeit überprüfen und an den neusten Stand der Dinge und Machbarkeiten anpassen. Das ist doch wohl logisch, gerade in diesem Bereich.
Die Landesregierung wird aber nicht davon ablassen, den berechtigten Anspruch der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf individuelle Förderung einzulösen. Diese unverzichtbare Ausrichtung auf die gesellschaftli