Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

„Global denken - lokal handeln!“ - diese Formulierung ist in der Umwelt- und Ökologiebewegung etwa zum Ende der 70er-Jahre entstanden. Als Orientierung war dies nie so wichtig wie gegenwärtig. Wir spüren in den unterschiedlichsten Lebensbereichen Tag für Tag mehr, wie sehr wir eine Welt sind - im Positiven wie im Negativen, bis hin zum Terrorismus. Die allermeisten Wechselwirkungen, die spürbar werden, sind letztlich von der Landespolitik zu bewältigen. Die Themen der inneren Sicherheit sind nur ein Beispiel dafür.

Lokal und global - in diesem Spannungsfeld, in dieser Bandbreite steht heute die Landespolitik, vielleicht sogar mehr als jeder andere Politikbereich.

Landtagsabgeordnete müssen in der Kommunalpolitik zu Hause sein. Sie sind Bürgeranwälte für viele Einzelanliegen. Wären sie aber nur Interessenvertreter der lokalen und regionalen Anliegen, würden sie ihrer Aufgabe als Landespolitiker nicht gerecht werden. Dann wären sie Provinzpolitiker. Landespolitiker müssen sich ebenso den globalen Entwicklungen stellen, sich damit auseinandersetzen und vertraut machen sowie die sachlich richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft des Landes und ihres eigenen Lebensraumes ziehen. Eine große Herausforderung!

So wie sich Unternehmen, die sich der Konkurrenz der Importe oder auf den Weltmärkten stellen müssen, auch diesen Anforderungen stellen müssen, so muss es auch unser Land, muss es die Politik und müssen auch wir es in der Konsequenz des Mandats. Das ist der Maßstab, dem unsere Landtage im Zeitalter der Globalisierung gerecht werden müssen. Sonst verlieren wir die Legitimation.

Der andere Punkt: Wir in den Landesparlamenten haben eine besondere Verantwortung für das Bildungswesen, für die Schulen und die Hochschulen. Die PISA-Studie hat in sehr heilsamer Weise den Blick für die internationale Entwicklung geöffnet. Die Gefahr ist, dass dabei Bildung auf abfragbares und testbares Wissen reduziert wird. Natürlich ist in der Wissensgesellschaft Wissen wichtig, noch mehr allerdings die Umsetzung von Wissen in Handeln, in Produkte.

Ich möchte unseren Blick auf einen immer stärker prägenden Aspekt der Globalisierung lenken, den wir allerdings noch viel zu wenig sehen: Die Globalisierung ist nicht nur ein ökonomischer Prozess

mit Chancen und Risiken, mit sozialen Problemen und Beschleunigung des Strukturwandels. Ständig wird mehr und mehr spürbar, dass Globalisierung auch ein Prozess der Begegnung und leider auch der zunehmenden Konfrontation unterschiedlicher Wertvorstellungen und Kulturen ist.

Wir werden ein gutes Miteinander nicht gestalten können - weder in unserem eigenen Land noch international -, wenn wir uns allein auf Regeln des Handelns und des Wirtschaftens beschränken; selbst eine bessere Berücksichtigung von Sozialund Umweltstandards reicht nicht aus. Wir müssen in unser Bildungssystem die Welt der anderen Kulturen aufnehmen, damit wir sie besser verstehen können, zumindest an den Gymnasien und den Universitäten. Anders werden wir die Entwicklungen in der Welt, das Verhalten von Partnern oder Gegnern nicht verstehen. Die Polarisierung wird sonst zunehmen, die Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen ebenso.

Da die Zuständigkeit für die Ausgestaltung des Bildungswesens bei uns in den Ländern liegt - nach der Föderalismusreform noch mehr als vorher -, haben wir dafür eine besondere Verantwortung. Es genügt nicht mehr, junge Menschen nur durch entsprechende Wissensvermittlung auf das Leben in der internationalen Welt vorzubereiten, sondern es geht um mehr. Es geht um Wertvorstellungen, die steuern. Es geht letztlich - dies ist geradezu überlebenswichtig - um die Frage, wie wir mit unterschiedlichen Wertvorstellungen zu gemeinsamen Regeln kommen können. Gleichzeitig fordern uns die anderen Kulturen mit ihren Wertvorstellungen dazu heraus, über unsere eigenen Werte, unsere Identität, über das, was uns wichtig und unverzichtbar ist, neue Klarheit zu gewinnen. Dies ist die Voraussetzung für gegenseitigen Respekt und fruchtbaren Dialog. Wir sind gut beraten, unsere bildungspolitischen Debatten darauf hin zu überdenken.

Meine Damen und Herren, Kurt Biedenkopf schreibt in seinem Buch „Die Ausbeutung der Enkel“, dass wir für prägende Entwicklungen und Aufgaben unserer Zeit - etwa die demografische Entwicklung und die Globalisierung - keine historischen Erfahrungen haben, auf denen wir aufbauen können. Es gilt also, Neuland zu betreten. Die Gestaltungskraft der Politik ist gefordert wie kaum jemals zuvor. Ich bin sicher, dass eine richtige föderale Ordnung dafür die besten strukturellen Voraussetzungen bietet. Dies ist für uns in den Landesparlamenten Aufgabe und Herausforderung

gleichermaßen. Ich wünsche dem Niedersächsischen Landtag alles Gute für eine erfolgreiche und wirksame Politik im Dienste der Menschen in Niedersachsen und Deutschland. - Ich danke Ihnen.

(Beifall)

(Musikalische Darbietung - Henry Wood: Fantasia on British Sea Songs [Auszüge])

Schlusswort

Jürgen Gansäuer, Landtagspräsident

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen allen herzlich dafür danken - den Kolleginnen und Kollegen sowie den Gästen -, dass Sie heute zu uns gekommen sind. Ich möchte Frau Reinhardt und Herrn Fiebich herzlich danken. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass Sie hierher gekommen sind. Ihr Hiersein belegt, dass es eine Beziehung zu einer Zeit gibt, deren Inhaltsreichtum wir fortschreiben sollten. Das wäre ein gutes Vermächtnis all jener, die damals neu angefangen haben.

Ich möchte mich bei Frau Dr. Koch und Herrn Schmitz herzlich dafür bedanken, dass sie hier gewesen sind, dass sie dabei gewesen sind, dass sie vorhin im Gottesdienst gewesen sind. Ganz herzlichen Dank dafür! Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns im November in Bergen-Belsen wiedersähen.

Ich möchte mich auch bei Frau Krüger dafür bedanken, dass sie sozusagen stellvertretend für alle Menschen in unserem Lande, die an einer Behinderung leiden, hier gewesen ist. Ihrem Hund hat es ausgezeichnet gefallen - insbesondere das Posthorn-Musikstück; dabei hat er sehr interessiert zugehört.

(Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich sehr herzlich bei Alois Glück für seinen, wie ich finde, nachdenklichen und erfahrungsreichen Vortrag.

(Beifall)

Ich danke dem Ministerpräsidenten für sein Grußwort. Und last but not least bedanke ich mich herzlich bei Ihnen, Mr Speaker, dass Sie uns diese sehr persönlichen, menschlichen Worte haben zu

kommen lassen, die von einem reichen Erfahrungsschatz des Lebens und auch des politischen Lebens zeugen und die - jedenfalls ich habe es so empfunden - sehr sympathisch waren.

(Beifall)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen: Die Zeitungen sind ja heute voll von Berichten, dass der Premierminister Tony Blair zurücktreten wird. Ich möchte ihm an dieser Stelle über alle parteipolitischen Grenzen hinweg für seine große politische Lebensleistung ein herzliches Wort des Dankes sagen.

(Beifall)

Ich möchte mich bei unseren Bischöfen bedanken, die uns heute Morgen, wie ich finde, einen beeindruckenden Gottesdienst geboten haben. Ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sich immer zur Verfügung stellen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, bedanken möchte ich mich auch - das möchte ich nicht vergessen; und das ist mir auch wichtig - bei unserer Polizei, die uns seit gestern begleitet und dies auch heute und morgen noch tun wird. Herzlichen Dank denjenigen, die sich dieser Arbeit unterziehen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Fazit über diese Veranstaltung und die 60 Jahre, denen wir heute hier gedacht haben, ist, dass wir trotz vieler unterschiedlicher Meinungen sehr, sehr gut daran tun, gemeinsam in Niedersachsen, Deutschland, England, Großbritannien und überall auf unserem Kontinent an einem freien, sozialen und weltoffenen Europa weiterzuarbeiten - einem Europa, das im Laufe der Geschichte von Hunderten von Kriegen zerfurcht wurde, die so viel Leid bewirkt haben. Insbesondere wir Deutschen können davon berichten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn nunmehr die britische Militärkapelle nach 60 Jahren die deutsche Nationalhymne spielt, dann ist das eine Symbolik, die für sich spricht. Nach 60 Jahren spielt in diesem Landtag eine britische Militärkapelle das Lied der Deutschen, geschrieben von einem Niedersachsen: Hoffmann von Fallersleben. Ich darf Ihnen allen herzlich danken und bitte Sie, sich jetzt von Ihren Plätzen zu erheben.

(Nationalhymne)

(Beifall)

Vielen Dank! Ich würde mich freuen, wenn Sie alle noch etwas bei uns bleiben. Es ist angerichtet!

Schluss der Sitzung: 12.34 Uhr.