Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

Meine Damen und Herren, am 13. August 2003 verstarb im Alter von 82 Jahren der ehemalige Abgeordnete Herr Nicolaus Dreyer.

Herr Dreyer gehörte dem Niedersächsischen Landtag von 1963 bis 1970 als Mitglied der FDPund der CDU-Fraktion an. Während dieser Zeit war er in den Ausschüssen für Wirtschaft und Verkehr sowie für Häfen und Schifffahrt tätig. Für seine Verdienste wurde Herrn Dreyer das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Am 27. August 2003 verstarb der ehemalige Abgeordnete Herr Friedrich-Wilhelm Evers im Alter von 89 Jahren.

Herr Evers war von 1978 bis 1986 Mitglied der CDU-Fraktion des Niedersächsischen Landtages. Während dieser Zeit war er Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen. Für seine Verdienste wurden Herrn Evers das Verdienstkreuz am Bande und das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Wir werden beide Kollegen in guter Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einladung und die Tagesordnung liegen Ihnen gedruckt vor.

Für die Aktuelle Stunde liegen vier Beratungsgegenstände vor. Nachdem die Fraktion der FDP ihre Dringliche Anfrage in der Drucksache 417 zurückgezogen hat, liegen nur noch zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt gegeben worden. Sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht

mehr bei jedem Punkt abgestimmt zu werden braucht. - Ich stelle fest, dass das Haus damit einverstanden ist. Widerspruch sehe ich nicht.

Die Sitzung soll - Sie wissen dies gegen 18.45 Uhr beendet sein.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Jetzt sollen eigentlich geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin erfolgen. Da keine vorliegen, erübrigt sich das aber.

Bevor ich das Wort erteile, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Wie bereits gesagt, liegen vier Beratungsgegenstände vor. Wir kommen zu dem ersten Thema der Aktuellen Stunde:

a) 13 auf einen Streich - Landesregierung zerstört Verbraucherschutz im ländlichen Raum - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/411

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, insbesondere Herr Ontijd, Herr Dammann-Tamke, Herr Biallas, Herr Riese, Herr Althusmann, Herr Kaidas, Frau Kuhlo, Frau Seeringer, Frau Weyberg, Herr Hogrefe und Frau Zachow! Ich begrüße Sie hier persönlich und spreche Sie persönlich an, weil mich vor allem interessiert, ob Sie schon bei der Verbraucherberatung in Ihrem Wahlkreis waren. Noch mehr interessiert mich, wie Sie dort erklärt haben bzw. erklären wollen, welchen Sinn es macht, wegen einer eher übersichtlichen Einsparsumme die Verbraucherberatung im ländlichen Raum komplett zu zerschlagen und die dort Teilzeit beschäftigten Frauen in die Arbeitslosigkeit zu schicken; denn genau darum geht es bei diesem Problem.

Schon beim Nachtrag hatte die Verbraucherzentrale einen konstruktiven Sparbeitrag geleistet, der alles andere als schmerzfrei war. Einschnitte in die Substanz mit Entlassungen und Angebotseinschränkungen waren erforderlich; Beratungskompetenzen im Bereich Telekommunikation und im Bereich Gesundheitsdienstleistungen gingen verloren. Nun legt der Wirtschaftsminister noch einmal kräftig drauf. Bis 2007 sollen 40 % bei der institutionellen Förderung der Verbraucherzentrale gestrichen werden: von über 1,6 Millionen Euro auf 1 Million Euro. Dabei handelt es sich um Mittel, die fast vollständig fixkostengebunden sind, d. h. Mieten, Betriebskosten in den Beratungsstellen und die Gehälter der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen. Deshalb werden durch diese Kürzungen von den im Moment 19 Beratungsstellen allenfalls die sechs größeren regionalen Zentren übrig bleiben. 13 örtliche Anlaufstellen im ländlichen Raum müssten geschlossen werden. Wenn ich von „ländlicher Raum“ rede, dann rede ich nicht von 1 000Seelen-Dörfern, sondern von wichtigen zentralen Orten wie Aurich, Emden, Cuxhaven, Wilhelmshaven, Lüneburg, Verden, Osterode, Peine, Celle usw.

Diese Kürzungen fallen nicht in eine allgemeine Überschusssituation. In den letzten Jahren ist ein Netz von 43 Beratungsstellen bereits auf über die Hälfte eingedampft worden. Kürzungen insbesondere der öffentlichen Hand haben dazu geführt, dass das inhaltliche und zeitliche Angebot immer weiter eingeschränkt werden muss. Dabei liegt die Verbraucherzentrale mit ihren Eigeneinnahmen - das ist im Wesentlichen identisch mit den Gebühren für die Dienstleistungen, die sie erbringt - an der Spitze. Das heißt, auch hier sind die Möglichkeiten ausgereizt. Berücksichtigen müsste man meines Erachtens auch die Tatsache, dass nur mit der gegenwärtigen Struktur erhebliche Projektmittel von außen eingeworben werden können, die Niedersachsen zugute kommen.

Trotzdem schlägt der FDP-Wirtschaftsminister jetzt erneut zu, vermutlich in der irrwitzigen Meinung, Politik gegen die Verbraucher sei schon automatisch Wirtschaftsförderung. Herr Hirche, das ist mitnichten der Fall. Das Gegenteil ist richtig. Funktionierende Märkte brauchen Vertrauen, vor allem Verbrauchervertrauen. Mangelndes Vertrauen führt zu Konsumverweigerung. Ich erinnere an BSE, Bahntarife und Riester-Rente. Deshalb brauchen wir Information als Gegengewicht zu den Werbemillionen der Konsumund Dienstleistungsbranchen. Wir brauchen einen Schutzmecha

nismus gegen die Nepper, Schlepper und Bauernfänger, die im Schutz einer undurchdringlichen Informationsflut immer wieder leichte Beute machen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen natürlich auch eine Orientierungshilfe in unserer immer komplizierter werdenden technischen Welt, und zwar von anbieterunabhängigen, vertrauenswürdigen Institutionen. Dabei denke ich nicht nur an die Älteren, denen es schwer fällt, den Entwicklungen zu folgen. Ich verdeutliche das mit einem kleinen Beispiel: Wer von Ihnen kann mir erklären, welchen Vorteil ich als Verbraucher habe, wenn ich mir einen DVD-Player anschaffe, der über einen progressiven Video-Ausgang für PAL und NTSC, Precision Cinema Progressive, MP3-Browser, Smooth Scan, Slow Function, digitalen Video Enhancer, Black Noise Reduction, Precision Drive, Twin-Laser-Abtasteinheit, dynamische Tilt-Kombination, DSP-Server, Multi Disk Resume, Multi Picture Navigation und eine Fernbedienung verfügt, die mit Jog Dial und Multi-Brand-TVSteuerung arbeitet?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der SPD: Damit hat auch ein Technologieminister Prob- leme! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Klein, können Sie das wieder- holen?)

Meine Damen und Herren, Verbraucherberatung schafft Vertrauen, das wir brauchen, sie lenkt die Kräfte des Marktes, sie unterstützt den Wettbewerb, und sie sorgt für Markttransparenz und trägt damit zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung bei.

(Glocke des Präsidenten)

Verbraucherberatung ist Wirtschaftsförderung im besten Sinne. Auch einem Minister Hirche sollte einleuchten, dass in diesem Bereich vermutlich mehr bewirkt wird als mit den vom Landesrechnungshof attestierten umfangreichen Mitnahmeeffekten, die er mit seiner Abteilung für Wirtschaftsförderung produziert.

Ich muss Sie bitten, dass Sie mit Ihrer Rede zu Ende kommen. Ihre Redezeit hat sich hinlänglich erschöpft, sehr verehrter Herr Kollege. Ich war schon sehr großzügig.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. - Eine Sorge beschäftigt mich besonders. Dabei geht es um den Verdacht, dass diese Kürzung vielleicht nicht so ausgefallen wäre, wenn die Vorsitzende der Verbraucherzentrale nicht Frau Leuschner, sondern Frau Hansen hieße.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Frau Leuschner hat das Wort, und zwar nicht, weil Sie sie genannt haben; sie hatte sich vorher gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klein, vielen Dank für die Einlassung, aber ich kann als verbraucherschutzpolitische Sprecherin meiner Fraktion auch etwas zu diesem Sachverhalt sagen.

Die Verbraucherzentrale Niedersachsen wird im Jahre 2007 - wenn es sie denn noch gibt - 50 Jahre bestehen. Die Verbraucherzentrale hat derzeit - das haben Sie gesagt, Herr Klein - 19 Beratungsstellen mit 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem in der Fläche, also im ländlichen Raum. Das sind teilzeitbeschäftigte Kolleginnen und Kollegen - überwiegend Kolleginnen -, die in den unteren Vergütungsgruppen beschäftigt sind und nicht so sehr viel Geld bekommen. Die Verbraucherzentrale führt qualifizierte Beratungen durch. Rund 90 % der Beratungen sind dem wirtschaftlichen Verbraucherschutz zuzurechnen, weil die Konsumwelt erheblich schwieriger geworden ist. Das betrifft Reklamationen, Telekommunikation, Baufinanzierung, Umwelt, Wohnen, Energie. Nur 10 % umfassen heute noch den Ernährungsbereich, der aber sehr wichtig ist. In den letzten Jahren sind auf die Verbraucherzentrale Niedersachsen erhebliche finanzielle Belastungen zugekommen, weil überwiegend Kommunen ihre Förderung eingestellt haben. Ein gutes Beispiel ist die Schließung der Beratungsstelle Braunschweig, eine unserer ältesten Beratungsstellen, die wir schließen mussten, weil dort die politische Entscheidung „Wir ziehen uns aus diesem Bereich völlig zurück“ getroffen worden ist. Es gibt im Nachtragshaushalt 2003 und im Haushaltsplan 2004 erhebliche Ein

sparungen, die schon jetzt zur Entlassung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen.

Zum fast 50-jährigen Bestehen der Verbraucherzentrale den Vorschlag zu machen, die institutionelle Förderung von derzeit 1,573 Millionen Euro auf 1 Million Euro herunterzufahren, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Danaergeschenk anders kann ich es nicht bezeichnen. Das bedeutet, dass wir uns aus der Fläche völlig zurückziehen müssen, dass Beratungsstellen im ländlichen Bereich geschlossen werden müssen und dass im Grunde genommen nur noch sechs Regionalzentren bestehen. Wenn ein Ministerium den Namen „Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ trägt, dann frage ich mich, wo es sich für den ländlichen Raum und den Verbraucherschutz einsetzt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Ehlen, ich weiß nicht, ob Sie wissen, was Ihr Kollege Hirche in dem Bereich vorhat. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, im Deutschen Bundestag wurde kürzlich eine Debatte zum Verbraucherschutz geführt, und dort wurde auch von einer Ihrer Bundestagskolleginnen zum Ausdruck gebracht, dass die Stärkung des unabhängigen Verbraucherschutzes ganz wichtig ist. Und was macht das Land? Es zieht sich aus der Förderung zurück, und macht der Verbraucherzentrale Niedersachsen dieses Angebot. Das kann nicht akzeptiert werden. Wir werden morgen noch Gelegenheit haben, darüber inhaltlich zu diskutieren. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Leuschner. - Frau Kollegin Konrath hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unbestritten kann es an der Tatsache keinen Zweifel geben, dass Verbraucherschutz und Verbraucherberatung in der heutigen Zeit von besonderer Bedeutung sind.

(Beifall bei der CDU)

In den zahlreichen ökonomischen und rechtlichen Angelegenheiten und beim Gesundheitsschutz sind die Vorschriften so vielfältig und für den Nichtfachmann so wenig durchschaubar, dass professionelle Hilfe häufig unverzichtbar ist. Die Einrichtungen des Verbraucherwesens leisten insofern ebenso notwendige wie sinnvolle Arbeit. Dieser Einschätzung stimmen alle politischen Richtungen dieses Hauses zu.

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie wissen, der Teufel steckt im Detail. So lässt es sich trefflich streiten, welche konkrete Ausgestaltung moderne Verbraucherberatung unter den gegenwärtigen Umständen annehmen muss. Zu Beginn der 90er-Jahre gab es über 40 Beratungsstellen in Niedersachsen. Im Laufe der Jahre sind sie bis auf 19 zurückgefahren worden. Somit trägt die SPD-Fraktion die Verantwortung dafür, während ihrer langen Regierungszeit die notwendigen Mittel systematisch gekürzt zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Das können Sie auch an den Zahlen nachlesen, wenn Sie sich diese einmal vornehmen. Für vieles hatten Sie damals Geld. Die kontinuierlich abnehmenden Mittel beim Verbraucherschutz machen Ihre Wertschätzung deutlich. Die jetzige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen bemühen sich auch in dieser Angelegenheit um seriöse Politik.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU] - Bernd Althusmann [CDU]: Wo ist eigentlich Herr Gabriel?)

Seriös ist es allerdings, wenn zuzeiten einer verheerenden Finanzsituation kein Fachbereich von der bitteren Notwendigkeit verschont bleiben kann, einen vertretbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu erbringen. Es geht beim besten Willen nicht anders. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich vor allem Ihre unsolide Finanzpolitik als Ursache für die aktuellen Verhältnisse benenne.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hätten Sie mehr von der Tugend eines mündigen Verbrauchers, dessen wirtschaftliche Vernunft sich im rechten Ausgleich seiner Einnahmen und Ausgaben bewegt, an den Tag gelegt, wäre die Lage nicht so verzweifelt, und Diskussionen über „Kaputtsparen“ erübrigten sich.