Sicherlich kann man ein Glas immer entweder als halb leer oder als halb voll bezeichnen, gerade Politikerinnen und Politiker können das. Aber irgendwie muss man bei der Betrachtung doch auch das Gleichgewicht wahren.
Wir haben in Niedersachsen z. B. eine Geburtenrate von 1,39. Dieser Wert ist sicherlich viel zu gering, um die Bevölkerungsstruktur in Zukunft zu erhalten. Andererseits ist er der höchste Wert aller 16 Bundesländer. Damit liegt Niedersachsen - wenn auch knapp - vor allen anderen Ländern und hat bei weitem nicht die Probleme, die andere Länder haben.
Wir sind auf 8 Millionen Einwohner zugewachsen. Die Zahl, die wir in Jahrzehnten erreichen, hatten wir über Jahrhunderte hinweg. Vor eineinhalb Jahren sind wir bei 8 Millionen Einwohnern gelandet. Die aktuelle Zahl beträgt 7 992 000. Unsere Bevölkerungszahl ist also konstant geblieben. Dafür werden wir von all den Ländern beneidet, die einen erheblichen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen haben. Ausweislich einer Studie in der Wirtschaftswoche von vorletzter Woche gehören wir neben fünf anderen Ländern - den drei Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen sowie den Ländern Bayern und Baden-Württemberg - zu den Ländern, die im Moment keinen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen haben.
Frau Heiligenstadt, was Sie zur Lage unseres Landes ausgeführt haben, ist ein Zerrbild; das muss ich wirklich sagen. Ich kann nur hoffen, dass Sie in diesem Land niemals Verantwortung tragen werden. Wer das Land so schlechtredet und kaputtredet, hat es nicht verdient, dass man ihm Verantwortung überträgt.
Frau Heiligenstadt, Wilhelmshaven ist keine verödete Stadt, wenn dort jetzt 20 % weniger Menschen leben als vor 20 Jahren. Die Landkreise Goslar, Osterode oder Holzminden sind keine verödeten Landstriche, wenn dort heute mehr ältere als jüngere Menschen leben.
Sie sagen, wir haben bei den Studenten die größten Abwanderungsverluste. Dabei müssen Sie aber so fair sein und sagen, dass wir von Universitäten umgeben sind: in Hamburg, in Bremen, in Kassel und in Münster. Für jemanden aus dem Emsland ist es im Grunde genommen gleichgültig, ob er in Osnabrück oder in Münster studiert. Sie müssen auch zugestehen, dass sich diese Bilanz in den letzten Jahren zugunsten Niedersachsens verändert hat, und Sie müssen die Gründe dafür benennen.
Natürlich haben wir bei der Kinderbetreuung eine katastrophale Situation. Auf dem Feld der Angebote für Kinder im Alter von einem Jahr oder zwei Jahren sind wir eines der Schlusslichter. Aber, meine liebe Frau Heiligenstadt: Sie haben von 1990 bis 2003 in diesem Land regiert, 13 Jahre lang!
Ich gebe ja zu, dass wir keine 13 Jahre brauchen werden, um diese ganzen Fehlentwicklungen zu korrigieren. Aber dass wir in vier Jahren alles das, was Sie in 13 Jahren nicht in den Griff bekommen haben, wettmachen, das können Sie nun wirklich nicht verlangen.
Sie haben das beklagt, was ich hier ein Jahrzehnt lang auch beklagt habe, nämlich die Zahl derer ohne Schulabschluss. Von 1994 bis 2003 waren 10 % der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss. Das war die Zahl, die Sie uns übergeben haben. Jetzt liegt die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss bei 7,3 %. Wir werden diese Zahl auf unter 5 % absenken, weil es ein Skandal ist, dass eine hochentwickelte Industrienation 10 % der Schülerinnen und Schüler ohne einen Abschluss aus der Schulpflicht entlässt. Das ist die Eintrittskarte in die Sozialhilfeempfängerschaft, in Transfereinkommen und in mangelnde Chancen in dieser Gesellschaft. - Wir wollen die Menschen integrieren.
Wir haben 2003 2 500 Lehrerstellen zusätzlich geschaffen. Wir haben heute mit über 81 000 so viele Lehrerinnen und Lehrer wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Wer hat denn 2003 dagegen gestimmt, als wir diese zusätzlichen
Stellen im Nachtragshaushalt finanziert hatten? Die Sozialdemokraten! Sie haben gesagt, das ist nicht bezahlbar.
Sie behaupten hier, wir hätten Verluste an Brain, an Gedächtnis, an Innovationen und bei den Wachstumsbranchen zu verzeichnen. Ich sage Ihnen: Befassen Sie sich einmal mit der Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, in der alle 16 Länder vergleichend beurteilt werden; sie kam vor zwei Wochen heraus.
Dann werden Sie erkennen, dass Niedersachsen beim Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in schnell wachsenden Branchen auf Platz 3 steht, bei der Ausbildungsstellensituation ebenfalls auf Platz 3 und beim Wachstum - wenn wir die letzten Jahre betrachten - auf Platz 2 hinter Baden-Württemberg.
Das heißt, in diesem Lande kann man gut wohnen und immer besser Arbeit und Ausbildung finden. Die Arbeitslosigkeit und die Ausbildungsarbeitslosenquote sind die niedrigsten seit zehn Jahren. Das sind Erfolge von Politik, die in die richtige Richtung geht. Darauf sind wir stolz.
Wir sind bei den Existenzgründungen auf Platz 3 und bei der Pro-Kopf-Verschuldung auf Platz 5; hier sind nur noch Bayern, Sachsen, BadenWürttemberg und Hessen besser als Niedersachsen.
Ich habe leider nur zehn Minuten Redezeit. Herr Hagenah hat hier schon mehrfach interveniert. Irgendwann muss auch einmal die Regierung zu Wort kommen, um die Dinge zurechtzurücken.
Wir haben eben auch einmal etwas positiv zu sehen, und wenn das kein anderer macht, dann möchte ich es gerne tun.
Herr Hagenah, Sie werden in Jahrzehnten noch froh darüber sein, dass wir die Aussicht haben, länger und länger gesünder zu leben. Was wäre denn die Alternative? - Sicherlich: Wäre die Lebenszeit noch so wie vor Jahrzehnten, hätten wir das demografische Problem nicht. Meine Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass wir mehr 100-Jährige haben, weil auch wir damit die Aussicht darauf haben, 100 Jahre alt zu werden. Ich lebe gerne, und ich möchte gerne lange leben. Die einzige Chance, das umzusetzen, ist, älter zu werden und zum Alter zu stehen.
Es ist doch ein riesiger Gewinn für uns alle, wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben können, wenn sich Urgroßeltern und Großeltern um Urenkel und Enkel kümmern können. Wir haben das beim Thyssen IdeenPark im letzten Jahr gesehen: Dort sind die Großeltern mit den Enkelkindern gekommen. So viel Nähe und so viel Nachholen von verpasster Erziehung wie jetzt durch die Großelterngeneration hatten wir noch nie. Ich kann nur sagen: Wir haben eine tolle junge Generation, und wir haben eine super ältere Generation in diesem Land.
Sie aber malen das Bild eines Rentnerbergs und einer Alterslast. Meine Damen und Herren, die Masse der 90-Jährigen versorgt sich zuhause selbst. Sie nutzen vielleicht den Menübringdienst. Aber die meisten leben eben nicht in Pflegeheimen auf unsere Kosten, sondern aus eigener Erwirtschaftung, eigener Rente und eigenem Lebenserfolg. Wir sollten diese Menschen in unsere Gesellschaft einbeziehen und sie nicht als ein Problem beschreiben.
Natürlich ist es schade, dass wir in 15 Jahren nur noch 10 Millionen Schüler und nicht mehr 12 Millionen haben werden. Darauf werden wir uns einzustellen haben; darauf geht der Bericht ein. Aber das ist auch eine Chance für mehr Qualität, für kleinere Klassen, für bessere Förderung und für bessere Integration.
Natürlich sind wir dabei, die Balance zwischen Arbeit und Familie zu verbessern. Kinder und Karriere, Beruf und Familie sind in diesem Land keine Widersprüche mehr. Wir schaffen jetzt die Voraussetzungen dafür, dass man beides kann: beruflich
Deswegen haben wir 100 Millionen Euro für die frühkindliche Bildung zur Verfügung gestellt. Deswegen haben wir vorhin beschlossen, 120 Millionen Euro für Schulkindergärten bereitzustellen. Deswegen ist es uns in Berlin durch Ursula von der Leyen gelungen, Herrn Steinbrück 4 Milliarden Euro für die bessere Betreuung von Kindern abzutrotzen. In den nächsten Jahren fließen 386 Millionen Euro nach Niedersachsen zur Verbesserung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
- Herr Plaue, durch Ihre Zwischenrufe sind Sie schon bisher nichts geworden. Dadurch werden Sie auch in Zukunft nichts werden. Sie müssen schon hier vorne etwas Vernünftiges sagen.
Ich kann doch nichts dafür, dass Ihre Fraktion Sie seit Monaten versteckt und Ihnen keine Redezeiten zuteilt. Aber durch Zwischenrufe können Sie sicherlich nicht erkämpfen, dass Sie hier noch stattfinden.
Ich habe mir das hier eineinhalb Stunden angehört. Ich hätte viel Veranlassung zu Zwischenrufen gehabt, aber die Regierung hält sich auf diesem Feld ohnehin etwas zurück.
Ich kann nur sagen: Hier passiert eine ganze Menge in Richtung Familie, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kinder und Zukunft dieses Landes.
Wir erhöhen das Potenzial der Erwerbspersonen, indem wir unten durch das Abitur nach der Klasse 12 früher anfangen und indem wir oben die Chance schaffen, dass die Übergänge in Rente und Pension flexibler werden. Wir brauchen ein neues Bild vom Alter. Es kann nicht angehen, dass jemand mit 50 zum alten Eisen gerechnet wird und dass jemand mit 55 im Arbeitsleben keine Chance mehr hat.
für Ältere ausgeschildert? Ist es lesbar? Ist es nutzbar? - Das betrifft auch den Nahverkehr. - Sind die alten Leute im Dorf erreichbar? Können sie sich versorgen? Haben sie das, was sie brauchen? - Für solche Fragen bedanke ich mich, weil man dafür im kommunalen Bereich und auf der Landesebene sehr viel tun kann.
Wir müssen den Zusammenhalt zwischen Jungen und Alten erhalten, damit die Gesellschaft nicht auseinanderfällt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen leistungsfähig bleiben. Wir müssen dafür sorgen, dass das Land seine Leistungsfähigkeit erhält.
Herr Klein, ich habe für vieles, was Sie möchten und vorschlagen, Sympathie; Sie haben wirklich sehr viel Konstruktives gefordert. Aber lieber Herr Klein, es ist hier wie zuhause: Das Wünschbare und das Machbare müssen in Einklang gebracht werden. Die SPD hat uns einen Haushalt mit einer jährlichen Verschuldung von 3 Milliarden Euro hinterlassen. Das betrifft nicht die Grünen, auch wenn sie in den vier Jahren von 1990 bis 1994 viel Unsinn gemacht haben. Aber letztlich waren es die Sozialdemokraten, die uns einen Haushalt mit einer Neuverschuldung von 3 Milliarden Euro hinterlassen haben. Diese Verschuldung haben wir auf 600 Millionen Euro im nächsten Jahr zurückgefahren, auf ein Fünftel! Alleine für die Schulden zahlen wir pro Tag 8 Millionen Euro Zinsen, pro Woche 50 Millionen Euro. Wenn ich diese 50 Millionen Euro pro Woche hätte, dann könnte ich vieles von dem tun, was Sie hier vorgeschlagen haben. Aber leider haben Sie es verausgabt, als Sie es gar nicht hatten.