Über 280 000 Arbeitsplätze und viele tausend Ausbildungsplätze sichert die Touristikbranche als größter Arbeitgeber in unserem Bundesland. Da verwundert es umso mehr, dass das Motto der Landesregierung offenbar lautet: Das Land hält sich heraus, Tourismusförderung ist weitestgehend Privatsache, und wenn es Probleme bei der Umsetzung neuer Marketingstrategien gibt, dann sind immer die Handelnden vor Ort verantwortlich.
Denn der Tourismus ist ja nicht nur Wirtschaftsfaktor, der insbesondere den strukturschwachen Regionen Einnahmequellen und Arbeitsplätze beschert. Der Tourismus ist auch - das haben andere Bundesländer besser als die amtierende Niedersächsische Landesregierung erkannt - ein sehr wichtiger Werbeträger für unser Bundesland. Wer mit Niedersachsen attraktive Urlaubsregionen verbindet, der investiert vielleicht auch gerne in Niedersachsen.
Niedersachsen hat mit seinen einzigartigen und vielfältigen Urlaubsregionen - wie es bei einem Radiosender so schön heißt: „Vom Harz bis ans Meer“ - viel zu bieten. Die in einigen Teilen erfreulichen Wachstumszahlen für einige Destinationen, Herr Hirche, die Sie in der Antwort auf die Große Anfrage aufgeführt haben, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es neben dem Licht auch verdammt viel Schatten in Niedersachsen gibt.
Nicht dem Engagement der Landesregierung ist es zu verdanken - das deutlich zu machen, gehört auch zur Aufklärungsarbeit der Opposition heute -, dass die Anzahl der Übernachtungen im Landesdurchschnitt um 3,4 % angestiegen ist, sondern der wirtschaftlichen Erholung aufgrund der Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.
- Sozialdemokratische Ministerpräsidenten aus Niedersachsen können auch Kanzler. Damit haben Sie wahrscheinlich ein Problem.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Ihr Problem hat schon bei Adenauer an- gefangen! - Hermann Dinkla [CDU]: Im Moment können die nur Gazprom!)
Nicht vergessen wollen wir die Effekte aufgrund der Fußballweltmeisterschaft 2006. Das Institut der Deutschen Wirtschaft führt dazu richtig aus: Die Fußball-WM ließ die Kassen in der Touristikbran
che klingeln. - Es bleibt daher festzustellen: Die positiven Effekte in der niedersächsischen Touristikbranche, Herr Minister, haben - neben den Anstrengungen der örtlichen Akteure in den Destinationen - ihre Ursachen außerhalb von Niedersachsen. Kurz gesagt: Der Schröder-Effekt und der WM-Effekt lassen in Niedersachsen die Kassen klingeln.
Profiteure sind aber vor allem die Städte in Niedersachsen, deren Übernachtungszahlen um 4,9 % angestiegen sind, während im Landesdurchschnitt der Anstieg der Übernachtungszahlen bei lediglich 1,7 % - ohne Camping - liegt; da ist also ein deutlicher Unterschied.
- Herr Hirche, vielleicht hören Sie mir auch einmal zu; er ist offensichtlich nicht daran interessiert, seine Politik zu verbessern -,
bei Übernachtungsrückgängen - jetzt hören Sie einmal wirklich zu! - im Harz von 10 % und bei der Stadt Goslar von 12,5 % feststellt „Die eingeschlagenen Wege und Konzeptionen haben sich als richtig herausgestellt“, der verkennt offensichtlich den Ernst der Lage im Westharz.
Im Tourismusbarometer des Sparkassen- und Giroverbandes heißt es dazu: Die Entwicklung im Harz ist insofern bemerkenswert, als im Gegensatz zum Westharz der Ostharz eines der Zugpferde für den Tourismus in Sachsen-Anhalt darstellt. - Herr Minister Hirche verweist lediglich auf die unterschiedlichen Förderkulissen der Bundesländer.
Ich frage Sie: Was ist denn jetzt Ihr Handlungskonzept, Herr Minister Hirche, für den Harz? Oder lautet Ihr Motto „Alle Bundesländer sollten nach dem Vorbild Niedersachsens gleich schlecht fördern, damit sich die Entwicklungen dem unteren Niveau anpassen“?
Das könnte ja vielleicht Ihre Antwort sein. In der Beantwortung der Großen Anfrage haben Sie darauf jedenfalls keine Antwort gegeben.
Besonders dramatisch kann sich die Situation für die Heil- und Kurorte entwickeln. Laut Ihrer Aussage droht einigen Heil- und Kurorten die Aberkennung ihres Status.
(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Dann müssen Sie auch sagen, warum! - Zu- ruf von der FDP: Das ist der Ulla- Schmidt-Effekt!)
- Dazu komme ich jetzt. - Einzige Reaktion der Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage: Es ist der globale Wettbewerb, der hier greift. - Herr Minister, das ist offensichtlich die Grundlage Ihrer Tourismuspolitik: Der Markt regelt sich selbst, und die Landesregierung beobachtet das Geschehen.
Auch der Ausländertourismus kann in Niedersachsen im Vergleich zum Durchschnitt in Westdeutschland nicht richtig Fuß fassen. Als strategische Produkte zählen Sie in der Beantwortung nur lapidar einige allgemeine Begriffe wie Bade-, Erholungs-, Natur- und Familienurlaub auf. Kein Wort zu den Strategien im absoluten Wachstumsmarkt Städtetourismus und Kulturtourismus und zu dem absoluten Boommarkt Tagestourismus. Gerade die historische Architektur in unserem Bundesland, auf die wir wirklich stolz sein können, mit ihren vielfältigen kulturellen Angeboten verdient in der Tourismuspolitik mehr Aufmerksamkeit, Herr Minister. Genau wie der gesamte Bereich der Kulturwirtschaft erfährt dieses Gebiet keine ausreichende Würdigung in Ihrem Ressort.
Kein Wort findet sich darin auch zu den Herausforderungen aufgrund des demografischen Wandels, der für die Tourismusbranche auch Chancen bietet, wie wir im Bericht der Enquete-Kommission nachlesen können. Kein einziges Wort zu diesem herausragenden Zukunftsthema für die Touristikbranche in der Beantwortung der Anfrage - das ist wirklich ein Armutszeugnis, Herr Minister!
Was wir dagegen brauchen, ist ein einheitliches Vorgehen der drei beteiligten Ministerien und eine Bündelung der Fördermittel der drei Ressorts, um eine Tourismuspolitik aus einem Guss einzuleiten. Das Land hat unter der Verantwortung von Ministerpräsident Wulff die Mittelzuweisungen an die TMN zurückgefahren. Auch wenn im Jahr 2007 1,53 Millionen Euro zur Verfügung stehen, bleibt festzustellen, dass die Ausstattung der TourismusMarketing Niedersachsen in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige unseres Bundeslandes deutlich unter den Aufwendungen anderer Bundesländer zurückbleibt.
Selbst Bundesländer mit weitaus geringerem Marktanteil, z. B. Sachsen-Anhalt, wenden das Drei- bis Vierfache dessen auf, was Niedersachsen aufwendet. Herr Minister, Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob das die richtige Strategie ist.
(Minister Walter Hirche: Die haben viermal so viel Schulden! - Gegenruf von Ulrich Biel [SPD]: Herr Minister, ganz ruhig auf der Regierungsbank!)
Sie führen dagegen in Ihrer Beantwortung aus, dass die Mittelausstattung ausreichend sei, obwohl Ihnen ja bekannt sein sollte, welche Herausforderungen in der Tourismusbranche auf uns zukommen. Die TMN ist auf private Mitfinanzierung ausgelegt. In Ihrer Beantwortung führen Sie dazu aus: „Die private Mitfinanzierung ist bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben.“ Ich frage Sie: Kann die Mittelausstattung der TMN ausreichend sein, wenn die private Mitfinanzierung nicht den ursprünglichen Planungen entspricht? Da ist doch irgendwo ein Widerspruch, Herr Minister. Was heißt das denn konkret? Was heißt „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“?
Eine Randbemerkung sei mir in diesem Zusammenhang auch noch gestattet: Dass ausgerechnet ein liberaler Wirtschaftsminister Probleme hat, Mittel von Privaten einzuwerben, macht mich doch etwas betroffen.
Zur Wahrheit gehört auch, dass in Ihrer Antwort wenig Problembewusstsein zu den Fragen der schlechten Auslastungszahlen im Hotelgewerbe zu erkennen ist, die in Niedersachsen noch immer deutlich unter dem westdeutschen Durchschnitt liegen. Der Anteil der Vier- und Fünfsternehotels in Niedersachsen ist der drittniedrigste im Vergleich aller Bundesländer. Was wir hier brauchen, ist eine Qualitätsoffensive für Niedersachsen. Auch die Finanzkraft der Betriebe ist noch immer dramatisch schlecht.
Herr Minister, wir stimmen in der Erkenntnis überein, dass es in Niedersachsen keine Vermarktung der Dachmarke „Niedersachsen“ geben kann, weil nur die gezielte Vermarktung der sehr unterschiedlichen touristischen Angebote der Nordsee, der Lüneburger Heide, des Harzes und des Weserberglandes Erfolg versprechend sein kann.
Niedersachsen ist ein attraktives Urlaubsland, hat aber - dies ist unser Fazit - viele ungenutzte Chancen oder - wie im Bereich Harz - massive wirtschaftliche Probleme. Was wir brauchen, sind moderne Vermarktungsstrategien, die in der Antwort der Landesregierung überhaupt nicht erkennbar sind.
Herr Minister Hirche, ich möchte Sie abschließend zitieren. Sie sagten auf der Tagung des Tourismusverbandes am 2. November 2006: