Das Hauptverfahren gegen die strafrechtlich Verantwortlichen wird folgen. Bei den Ergebnissen unserer Arbeit geht es um die politische Verantwortung. Auch die Ergebnisse der geplanten Sicherheitskonferenz müssen in eine neue Betriebsvorschrift einfließen. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Testbetriebs in Lathen.
Meine Damen und Herren, ich möchte auf folgende Aspekte eingehen: erstens die Ursache dieses schrecklichen Unfalls, zweitens die praktische und politische Verantwortung, dass dieser Unfall überhaupt geschehen konnte, drittens die Konsequenzen für die Wiederaufnahme des Testbetriebs in Lathen.
Zur Unfallursache selbst. Der Fahrdienstleiter vergaß beim Rangiervorhaben das Wartungsfahrzeug. Im Untersuchungsbericht des EisenbahnBundesamtes heißt es dazu:
„Auslösende Ursache (Primäre Ursa- che) für den Zusammenstoß war zweifelsfrei die Freigabe des Fahrvorhabens für den TR 08, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt das Sonderfahrzeug auf einem vom Magnetfahrzeug beanspruchten Fahrwegabschnitt befand; damit war die für die ordnungsgemäße Freigabe des Fahrvorhabens erforderliche Voraussetzung eines freien Fahrwegs nicht gegeben.
Die nach Auffassung der Verfasser zwingend vorgeschriebene technische Sperrung des Fahrweges durch Eingabe des entsprechenden Kommandos ‚MAE‘ durch den Fahrdienstleiter bereits vor der ersten Fahrt des TR 08... erfolgte nicht.“
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass Verantwortliche und leitende Angestellte der IABG in Lathen zwingende Vorgaben der Systemhersteller und des Niedersächsischen Landesamtes für Straßenbau und Verkehr nicht in Dienstanweisungen für die Fahrdienstleitung umgesetzt haben.
Weiter sagt das Eisenbahn-Bundesamt in seinem Gutachten zu den sekundären Unfallursachen unter Ziffer 2:
„Für den regelmäßig durchgeführten Rangiervorgang gab es keine Verfahrensanweisung; die Zulässigkeit des Rangiervorgangs als regelmäßiges Betriebsverfahren nur auf Basis der Betriebsvorschrift ist zweifelhaft.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch im zweiten Gutachten zur Frage der Kausalität für den Zusammenstoß des TR 08 mit dem Sonderfahrzeug fasst Professor Wiegand aus Braunschweig zusammen:
„Der für die sichere und ordnungsgemäße Abwicklung des Fahrbetriebes verantwortliche Fahrdienstleiter handelte entgegen der Betriebsvorschrift, indem er die Fahrwegelemente zur Verhinderung des Befahrens der zwi
Meine Damen und Herren, das Ausmaß der Verstöße gegen die Betriebsvorschrift ergibt sich darüber hinaus aus der Auswertung von insgesamt 15 Betriebstagen durch Professor Wiegand von der ipw. In der Zusammenfassung heißt es:
„Von insgesamt 15 Betriebstagen im Zeitraum 01. - 22.09.2006 sind an 6 Tagen betrieblich korrekte Streckensperrungen während des gleichzeitigen Aufenthalts des Sonderfahrzeugs und des TR 08 auf der Strecke erfolgt. Am 13.09.2006 wurde anstelle der (erforderlichen) Sperrung der Begriff ‚keine‘ eingetragen. Am 22.09.2006 erfolgte keine Streckensperrung.“
Meine Damen und Herren, dieser vergleichsweise kurze Zeitraum verdeutlicht, wie häufig und systematisch gegen die Betriebsvorschrift verstoßen wurde. Die Notwendigkeit zum Einlegen der Fahrwegsperre wird auch nach dem schrecklichen Unfall von der Betreibergesellschaft IABG infrage gestellt, obwohl sie im Rahmen der Abnahme der Betriebsleittechnik 4 genau diese Vorschrift im Abnahmeprotokoll unterzeichnet hat.
Herr Steinmetz von der IABG hat diese zwar abgezeichnet. Die Betreibergesellschaft der Teststrecke hat sich dennoch nicht daran gehalten. Spätestens hier wird deutlich, dass es sich nicht um den Einzelfall eines unerklärlichen menschlichen Versagens handelt, sondern um den regelmäßigen Verstoß gegen eine Betriebsvorschrift, der auch heute noch von den Verantwortlichen der IABG verteidigt wird. Bei so viel Uneinsichtigkeit beantwortet sich auch die Frage nach der Zuverlässigkeit des Betreibers.
Meine Damen und Herren, weiter bestätigen beide Gutachten und Zeugen, dass das Vieraugenprinzip nicht eingehalten wurde, die unterschiedlichen Funksysteme den Unfall begünstigt haben und eine gleichwertige technische Ausstattung aller Fahrzeuge mit vorhandener Technik möglich gewesen wäre, um sie jederzeit auch ortbar zu machen. Aber: Das hätte Kosten verursacht, die die Betreibergesellschaft nicht tragen wollte. Diese Investitionen hätte das Unglück aber verhindern
Kommen wir nun zu den mittelbar fachlich und politisch Verantwortlichen. Nach § 12 Abs. 4 des Versuchsanlagengesetzes ist die oberste Landesbehörde für die Genehmigung der Betriebsvorschrift zuständig. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat die Zuständigkeit für die Genehmigung dieser Betriebsvorschrift auf das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr übertragen. Die Aufgabe kann zwar übertragen werden, die Verantwortung bleibt jedoch beim Ministerium und damit letztlich auch beim Minister. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat nun die ihm trotzdem obliegende Aufgabe der Fachaufsicht über das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr offensichtlich nur unzureichend wahrgenommen. Das Ministerium hat Informationen des Niedersächsischen Landesamtes für Straßenbau und Verkehr lediglich auf Referentenebene zur Kenntnis genommen, und das fast ausschließlich fernmündlich, ohne schriftliche Berichte.
Nach den Anfragen im Wirtschaftsausschuss und im Parlament hat es Wochen gedauert, bis das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr dem Minister und damit dann auch uns die korrekte Anzahl der Unfälle schriftlich - erst nach ausdrücklicher Aufforderung - gemeldet hat. Das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr wiederum hat sich regelmäßig auf die Information des Betriebsleiters der IABG und der TÜV-Arge verlassen. Eine systematische Prüfung der Einhaltung der genehmigten Betriebsvorschrift für die Versuchsanlage fand nicht statt. Sowohl die lückenhafte als auch die verspätete Information durch den Minister hier im Parlament und in den Ausschüssen haben deutlich gemacht, dass er sich um diese Vorgänge nie konkret gekümmert hat. In diesem Zusammenhang wollte Herr Hirche sein eigenes Landesamt ja sogar durch den Rechnungshof auf Arbeitsweise und Abläufe überprüfen lassen. - Mir ist nicht bekannt, dass das erfolgt ist. Aber vielleicht kann der Minister noch dazu Stellung nehmen.
Herr Hirche hat vor dem Untersuchungsausschuss alle Verantwortung und jegliche Kenntnis über Missstände auf der Versuchsanlage und Mängel bei der Kontrolle durch die ihm unterstellte Landesbehörde von sich gewiesen. Diese Abschiebung der Verantwortung auf nachgeordnete Mitarbeiter ist inakzeptabel. Verantwortlich für die Si
cherheit auf der Versuchsanlage ist und bleibt nach dem Versuchsanlagengesetz die oberste Landesbehörde und damit letztendlich Minister Hirche.
In diesen Zusammenhang gehören Anmerkungen zur Arbeit des TÜV. Meine sehr geehrten Damen und Herren, über zwei Jahrzehnte waren die Betreiber der TVE durch das Land Niedersachsen im Verfahren der Genehmigung der Betriebsvorschriften verpflichtet worden, die TÜV-Arge mit der Überprüfung der Einhaltung der Betriebsvorschriften zu beauftragen. Das Land hat allerdings nie geprüft, ob die TÜV-Arge ihren Aufgaben auch fach- und sachkundig sowie dem jeweiligen Entwicklungsfortschritt angemessen nachkam. Der TÜV hat nie geprüft, ob beim Betrieb des TR 08 gemäß der Betriebsvorschrift die Blocksicherung immer manuell eingelegt wurde.
Darüber hinaus hat von Mitte 2004 bis Mitte 2006 überhaupt keine Sicherheitsüberprüfung durch den TÜV stattgefunden. Von Anfang 2005 bis Ende 2006 gab es nicht einmal einen schriftlichen Vertrag über die von der TÜV-Arge zu erbringenden Leistungen, obwohl dies in der Betriebsgenehmigung zwingend vorgeschrieben war. Dieser Vertrag wurde erst nach dem Unfall wieder geschlossen. Eine erneute schriftliche Aufforderung durch den TÜV, die Fahrwegsperre zwingend einzulegen, erfolgte erst nach dem schrecklichen Unfall also nachträglich zur eigenen Entlastung. Zwischen dem Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau und Verkehr und dem TÜV gab es faktisch ein fachaufsichtliches Verhältnis. Das wurde vom TÜV so empfunden und im Untersuchungsausschuss von den Vertretern des TÜV auch ausdrücklich bestätigt.
Die Letztverantwortung für die Wirksamkeit der Prüfungstätigkeit des TÜV trägt der niedersächsische Wirtschaftsminister. Auch hier hat er die ihm gesetzlich übertragene Aufgabe nicht wahrgenommen. Ein Organisationsverschulden des niedersächsischen Wirtschaftsministers liegt auch hier vor, weil das Land die Betriebsvorschriften genehmigt hat, ohne deren Wirksamkeit eigenverantwortlich nachzuprüfen.
Meine Damen und Herren, nun könnte man sagen, das MW musste sich doch auf die nachgeordneten Behörden verlassen können, wenn es nicht Hinweise auf Probleme gegeben hätte. Spätestens im Jahre 2005 wurde aber sowohl im Revisionsbericht der Bahn als auch im Übernahmeangebot des
Eisenbahn-Bundesamtes deutlich, welcher Personalbedarf für die Fachaufsicht über die TransrapidVersuchsanlage tatsächlich notwendig ist und dass die Aufsicht durch das niedersächsische Landesamt völlig unzureichend war. Das EisenbahnBundesamt hat 2,5 Stellen für die Begleitung und Sicherheitsüberwachung des Testbetriebes eingeplant. Herr Harnacke aus dem Landesamt hat seinen Zeitaufwand mit 0,06 Stellen beziffert. Auch auf die Häufung von Unfällen und nicht weiter gemeldeten Vorkommnissen, die das EisenbahnBundesamt in seinem Revisionsbericht moniert hat, haben weder der TÜV noch die Landesbehörde reagiert.
Meine Damen und Herren, das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat durch die bundesgesetzliche Vorgabe im § 12 Abs. 4 des Versuchsanlagengesetzes die Aufgaben der Gefahrenabwehr auf der Versuchsanlage in Lathen übertragen bekommen. Für das MW und das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr sind daneben die allgemeinen Bestimmungen des Rechts der Gefahrenabwehr maßgeblich. Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat offenkundig bis heute nicht erkannt, dass die in seiner Verantwortung wahrzunehmenden Aufgaben nach dem Versuchsanlagengesetz Aufgaben der Gefahrenabwehr sind. Der niedersächsische Wirtschaftsminister kann sich auch nicht darauf berufen, dass er nichts unternehmen musste, weil eine Überwachungspflicht durch das Gesetz nicht bestanden habe. Eine Überwachungspflicht hat das Land auf jeden Fall durch die Öffnung einer Gefahrenquelle. Denn wenn eine staatliche Stelle den Betrieb einer gefahrengeneigten Einrichtung - wie der Transrapid-Versuchsanlage - ermöglicht, muss sie sicherstellen, dass die erforderlichen Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr getroffen und eingehalten werden. Dies gilt erst recht, wenn Personen gegen Entgelt auf einer Versuchsanlage befördert werden. Das Übernahmekonzept der DB Magnetbahn 2005 hat auf vorhandene Sicherheitslücken und Missstände hingewiesen. Das Unglück hätte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ereignet, wenn der niedersächsische Wirtschaftsminister im Jahre 2005 die notwendigen Konsequenzen aus den damals bekannt gewordenen Missständen gezogen hätte.
Ich fasse zusammen: Das MW hat seine Aufgabe der Gefahrenabwehr nicht wahrgenommen, sondern die Interessen der IABG und touristische Belange gefördert. Der Minister hat sich von Informationen abgeschirmt. Ministervermerke wurden ihm
nicht vorgelegt. Auch Ministerverantwortung schwindet nicht durch Nichtwissen. Die organisierte Unkenntnis des Ministers selbst ist verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, die vorrangige Ausrichtung der Fachaufsicht über die Versuchsanlage in Lathen auf touristische Personenbeförderung war Klientelpolitik und führte dazu, dass die Kernaufgabe der Gefahrenabwehr nicht angemessen wahrgenommen wurde. Deshalb wurden offenkundig gewordene Sicherheitsdefizite ignoriert und alle Kraft lieber darin gesetzt, das Übernahmeangebot von DB Magnetbahn und Eisenbahn-Bundesamt abzuwehren.
Das wird nicht zuletzt durch die bestätigten Zusagen des Ministerpräsidenten und des Innenministers an einen Vertreter der IABG deutlich, dass das Land den Betrieb weiterhin bei der IABG und die Aufsicht beim Landesamt belassen wolle. Darüber und über Gespräche von Herrn Wulff in Sachen Transrapid mit Vertretern der Firma Siemens in China war der zuständige Fachminister weder von seinen Kabinettskollegen unterrichtet noch von Mitarbeitern des eigenen Hauses informiert worden. Auch hieran wird deutlich, dass Herr Minister Hirche als Fachminister nicht einmal innerhalb der eigenen Landesregierung ernst genommen wird.
Meine Damen und Herren, die gemeinsame Entschließung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fasst die Unfallursache, die rechtliche und die politische Verantwortung sowie die sich daraus ergebenden zwingenden Konsequenzen klar zusammen. Da Herr Hirche ja nun zahlreiche Anlässe geboten hat, aber aus eigener Kraft weder Verantwortung übernimmt noch das Amt zurückgibt, wie wir es gerade erst gestern wieder erlebt haben, ist es am Ministerpräsidenten, diesen Minister zu entlassen.
Meine Damen und Herren, für meine Fraktion will ich hier ausdrücklich erklären, dass wir weder die Technologie des Transrapid noch die Versuchsanlage in Lathen grundsätzlich infrage stellen.
nommen wird, wenn ein dem Unglück am 22. September des vergangenen Jahres vergleichbares Ereignis ausgeschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren - dies gilt für uns alle -, diese Verpflichtung besteht auch gegenüber den Menschen, die bei dem Unglück ihr Leben verloren haben, den Überlebenden des Unglücks und allen Angehörigen dieser Opfer.
Ich darf mich zum Schluss bei der Landtagsverwaltung und auch beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für die gute Begleitung unserer Arbeit bedanken. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu Beginn dieser abschließenden Diskussion über den tragischen Unfall auf der Transrapid-Versuchsanlage möchte ich daran erinnern, dass dieses Geschehen Leid und Trauer in viele Familien gebracht hat, Kinder zu Halbwaisen und Waisen wurden und auch jetzt, nach einem Jahr, der 22. September 2006 für viele Menschen im Emsland und darüber hinaus als schlimmer und grausamer Tag in Erinnerung bleibt.
Nach politischen Kontroversen und bereits damals voreiligen und unzulässigen Schuldzuweisungen durch die Opposition hat der Landtag am 8. Dezember 2006 beschlossen, den 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der Auftrag des Untersuchungsausschusses sollte im Kern darin bestehen, zu untersuchen, ob es eine politische Verantwortung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums bzw. der zuständigen Landesbehörde für den Unfall gibt.
Ich möchte an dieser Stelle die wichtigste Erkenntnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses nennen. Nach 30 Sitzungen - fast ein Jahr nach dem Unfall - haben sich keine Hinweise darauf
finden lassen, dass es eine politische Verantwortung für den Unfall auf der Transrapid-Strecke in Lathen gibt. Dass die Landesregierung, insbesondere Herr Wirtschaftsminister Walter Hirche und sein Haus, keinerlei Verantwortung oder gar Mitschuld am tragischen Geschehen haben, haben die Befragungen im Ausschuss, vor allem aber auch die Erkenntnisse aus den Gutachten und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ohne Wenn und Aber ergeben.
Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion stelle ich fest: Minister Walter Hirche und seinen Mitarbeitern konnte trotz aller krampfhaften Bemühungen der Opposition keinerlei Mitverantwortung - und sei sie noch so klein - nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse zu allen Untersuchungspunkten belegen dies übrigens eindrucksvoll. Die Opposition muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die umfangreichen Beweiserhebungen, Herr Wenzel, keinerlei Anhaltspunkte für Fehlverhalten oder Organisationsverschulden der Landesregierung und der zuständigen Landesbehörde ergeben haben.