Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Feststeht: Die Behörde hat nicht die Menschenrechtspolitik eher behindert, wie es Gerhard Schröder noch 1987 hier im Landtag erklärt hat.

Die Zentrale Erfassungsstelle in Salzgitter war auch nicht überflüssig und wirkungslos, wie es noch die Bundestagsfraktion der SPD 1984 beschlossen hat. Nein, sie hat den Menschen zu ihrem Recht verholfen. Opfer wurden rehabilitiert. Tausende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Viele Täter wurden zu Recht verurteilt.

Zur umfassenden und wahrhaftigen Aufarbeitung gehört eine Tatsache: Es waren insbesondere die Parteien von CDU und FDP, die den Glauben an die deutsche Wiedervereinigung nie verloren haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben uns nicht blenden lassen von sozialistischer Rhetorik. Der 9. November 1989 und auch der 3. Oktober 1990 haben uns recht gegeben. Die damalige und heutige Opposition wollte dagegen die Auflösung der Behörde, weil sie diese als „Relikt des Kalten Krieges“ ansah. Das war ein Zitat. SPD und Grüne vertraten folgende Ansicht:

„Nach 40 Jahren Bundesrepublik sollte man eine neue Generation nicht über die Chancen einer Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht.“

So Gerhard Schröder in der Bild-Zeitung am 27. September 1989.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für viele dieser eben Genannten war die Wiedervereinigung schlichtweg eine Lebenslüge. Zwar entfiel mit der Wiedervereinigung die eigentliche Aufgabe der Behörde. Duplikate wurden aber nach der Wende den zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben. Sie waren außerordentlich wertvoll bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des DDR-Unrechts. Viele Verfahren wurden so erst zur Anklage gebracht. Zumindest in einem Punkt hat die Landesregierung von SPD und Grünen 1990 ihre Koalitionsvereinbarung umgesetzt. Vorgesehen war aber auch die Umwandlung der Aktenbestände in ein Archiv, das zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung steht. Feststeht: Die Originalakten wurden bei der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig im Wesentlich eingemottet und nicht wissenschaftlich aufgearbeitet.

Wenn heute führende Vertreter der Linken Geschichtsklitterung durch Verharmlosung betreiben, wenn sie den mündlichen und den schriftlichen Schießbefehl heute leugnen, wenn sie versuchen, vieles schönzureden, zu relativieren, zu verharmlosen, meine Damen und Herren, dann muss uns das umtreiben. Mir treibt es die Schamesröte ins Gesicht, wenn ich am 26. August des Jahres 2007 von Herrn Bisky in Spiegel-online lese:

„Für mich ist nicht belegt, dass es einen generellen Schießbefehl gab; denn den hätte nur der Nationale Verteidigungsrat beschließen können. In dieser Form ist er meines Wissens nicht dokumentiert.“

Das ist ein Skandal!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Geschichte des DDR-Unrechtsregimes droht verfälscht zu werden und in Vergessenheit zu geraten. Ostalgie-Shows oder Ostalgie-Partys, auch auf Linken-Landesparteitagen in Niedersachsen - das hat vielleicht sogar etwas miteinander zu tun -, und auch eine gewisse Art von Verklärungsromantik sind unerträglich - frei nach dem Motto: Es lebe das Sandmännchen, das Ampelmännchen und die angebliche Vollbeschäftigung. Diese Begriffe werden heute im Übrigen von Schülern gerne genannt, wenn es um Aussagen über die ehemalige DDR geht. Das ist erschreckend. Deshalb sollte gerade auch im Unterricht in Niedersachsen, aber sicherlich auch bundesweit in den Geschichtsbüchern unserer Kinder, verstärkt das DDR-Unrecht umfassend dargestellt werden.

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der DDRGeschichte tut not. Sie hilft uns, der Partei SED/PDS/Die Linke die Maske vom Gesicht zu reißen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Und wie war das mit den Blockflöten?)

Die Äußerungen vonseiten der Parteispitze der Partei Die Linke müssen in den Ohren der Opfer der SED wie Hohn klingen. - Werte Frau Kollegin, Sie haben gerade gerufen: „Und wie war das mit den Blockflöten?“ Das sind die Argumente der Linken, und es ist schamlos, so etwas hier zu behaupten.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich weiß nicht, wie Sie reagiert hätten, wenn Sie damals in einer Diktatur gelebt hätten, werte Kollegin.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Was eine „Überwindung des Systems“, so wie es heute die Linken nach wie vor propagieren, oder „Freiheit durch Sozialismus“ bedeuten sollen, das haben unsere Mitbürger in den östlichen Bundesländern 45 Jahre lang erlebt.

„Der Weg in die Knechtschaft“ - das hat August von Hayek 1945 so formuliert - „und der Verlust der Freiheit kommen nun mal schleichend daher.“ „Ebenso schleichend kommen diejenigen daher, die fordern, die Menschenrechte nicht zu instru

mentalisieren.“ So Oskar Lafontaine im August 2007 auf Kuba.

Meine Damen und Herren, Oskar Lafontaine und seine Linke stehen schon längst nicht mehr auf dem Boden unseres Rechtsstaates.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man will gar keine Freiheit, sondern man will zurück in die sozialistische verstaubte Vergangenheit. „Doch die Wahrheit im Spiegel der Geschichte gibt es nur mit dem Willen zur Wahrhaftigkeit“, hat kürzlich in der Magdeburger Volksstimme der Journalist Franz Kadell gesagt. Wie recht er doch hat! Auch nach 17 Jahren deutscher Einheit ist das Kapitel DDR für uns zumindest noch nicht abgeschlossen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein wahrhaftiges Geschichtsbild hilft allen, die Einheit voranzubringen und wehrhaft gegen jede Bedrohung durch politischen Extremismus einzutreten, ob von rechts oder von links. Wir haben alle eine verantwortungsvolle Aufgabe. Nehmen wir sie gemeinsam wahr! - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Briese das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ehrlich gestehen: Ich bin aus diesem Antrag nicht ganz schlau geworden. Ich musste ihn relativ häufig und lange lesen, bis ich seine Intention verstanden hatte. Ich bin auch aus der Rede von Herrn Althusmann nicht richtig schlau geworden. Eines verstehe ich nicht so ganz, Herr Althusmann. Wenn Sie hier ein so wichtiges Thema, ein sehr ernstes Thema, ein auch geschichtlich sehr relevantes Thema diskutieren wollen, warum machen Sie das dann immer mit so viel Melodramatik? Warum ist das bei Ihnen immer so triefend? Warum emotionalisieren Sie das immer so stark? Warum machen Sie es nicht sehr sachlich und sehr seriös?

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf von der CDU: Selbstgerecht!)

Das ist ein ernstes Thema. Ich will der Debatte überhaupt nicht ausweichen. Aber ich sage ganz ehrlich: Mich stört schon der Ton Ihrer Sprache. Mich stört, wie Sie das hier vorbringen.

(Ulf Thiele [CDU]: Man kann doch über Maueropfer nicht technokratisch diskutieren! Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

- Ich will im Wesentlichen zu dem Antrag - -

(Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Einen Augenblick, bitte Herr Briese!

Die Kollegen lassen mich ja kaum zu meiner Rede kommen.

Herr Briese, ich habe jetzt das Wort. - Meine Damen und Herren, denken Sie wirklich daran, dass wir in einer öffentlichen Sitzung sind. Was soll die Öffentlichkeit darüber denken, wie sich einige hier im Parlament verhalten? - Das ist nicht parlamentswürdig. Ich sage das hier ganz deutlich. Ich habe jetzt niemanden persönlich angesprochen, ich meine es allgemein. Das geht jeden etwas an. Nehmen Sie sich also bitte ein bisschen zurück! Herr Briese, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will zu diesem Antrag im Wesentlichen drei Dinge sagen.

Erster wichtiger Punkt: Die DDR war ein Unrechtsstaat. Es wurden Menschen verfolgt, gequält und getötet. Jegliche Relativierung oder gar Romantisierung der DDR-Geschichte ist, von welcher Seite auch immer, in meinen Augen unerträglich. Der Kommunismus war eine brutale Diktatur, in der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit unterdrückt wurden. Menschen wurden ausspioniert und Regimegegner eingesperrt. In meinen Augen ist es ein Segen, dass der Kommunismus überwunden wurde und die Wiedervereinigung friedlich vollzogen werden konnte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Hermann Eppers [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Briese, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eppers?

Später gern. Ich möchte jetzt erst die Rede zu Ende führen.

Zweitens habe ich folgende Fragen zu diesem Antrag: Haben wir einen Mangel an Aufarbeitung der DDR-Diktatur? Wird die DDR-Geschichte in der Bundesrepublik verklärt? Haben wir zu wenig Institutionen für Gedenkstätten? - Ich will ehrlich sagen: Ich bin dafür kein Experte, aber ich will das auch gar nicht ausschließen. Wir können darüber gern diskutieren; das ist gar keine Frage. Es gibt aber leider immer wieder Angriffe von verschiedenen Seiten insbesondere auf die sehr wichtige Institution der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Es ist heute nicht so richtig klar, was die Konservativen und auch die Liberalen mit dieser Institution wollen. Von verschiedenen Seiten, insbesondere auch von dem Vorsitzenden des Kulturausschusses im Bundestag, der der FDP angehört, kommt z. B.: Wir wollen diese Behörde möglichst schnell abwickeln. Wir wollen die Überweisung der Akten ins Bundesarchiv. - Auch von Ihrer Seite, Herr Althusmann, jedenfalls aus der Bundestagsfraktion, kommen immer wieder sehr kritische Stimmen. Es ist nicht klar, wie mit dieser wichtigen Institution umgegangen werden soll. Es befremdet mich schon - das muss ich ganz ehrlich sagen -, wenn Sie einerseits sagen, Sie wollten mehr Aufarbeitung der DDR-Geschichte, und wenn andererseits die wichtigste Institution in diesem Bereich immer wieder angegriffen wird. Sie müssen klären, was Sie mit dieser Institution wollen.

Das Dritte, was ich sagen möchte, ist: Kulturpolitik und Bildungspolitik sind Ländersache.

(Glocke des Präsidenten)

Wir haben im Rahmen der Föderalismusdiskussion eine große Debatte darüber gehabt, wie viel Bildungspolitik wir uns zukünftig leisten wollen. Wenn also die DDR-Geschichte oder die DDRAufarbeitung in unseren Schulbüchern oder in unseren Schulklassen ungenügend ist, dann ist es

doch insbesondere eine Aufgabe des Kultusministers, dafür Sorge zu tragen, dass hier das Geschichtsbild geändert wird.

Ich möchte ein weiteres, ganz wichtiges Argument anmerken. Wenn Sie sagen, die Politikkenntnisse über die DDR-Geschichte seien in Niedersachsen ungenügend, dann müssen Sie sich fragen lassen: Warum haben Sie eine so wichtige Institution wie die Landeszentrale für politische Bildung abgewickelt und aufgelöst oder jedenfalls geschlossen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Glo- cke des Präsidenten)

Das Letzte, was ich sagen will: Es ist nicht in Ordnung, finde ich, wenn in einem so wichtigen Antrag das ganze Thema „DDR-Geschichte, Diktatur des Kommunismus“ mit ziemlich viel Wahlgetöse vermengt wird. Warum arbeiten Sie sich so stark daran ab, was Gerhard Schröder zu diesen Fragen vor 20 Jahren gesagt hat? - Vielleicht war es nicht richtig; das mag sein.