Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit beim Nationalen Integrationsplan zwischen dem Bund und den Ländern? Meine Frage gilt insbesondere der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und unserem Bundesland Niedersachsen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Jetzt alles noch einmal, oder wie? - Gegen- ruf von Reinhold Coenen [CDU]: Herr Bachmann, Sie sind nicht gefragt!)

Herr Minister!

Die Zusammenarbeit gestaltet sich ausgesprochen gut, und zwar gerade deshalb, weil viele Vertreter aus Niedersachsen am Nationalen Integrationsplan beteiligt waren, u. a. erfolgreiche Kommunalpolitiker, die in Verantwortung sind, z. B. der Landrat aus Osnabrück, Herr Hugo. Aber auch andere aus Niedersachsen waren daran beteiligt. Niedersachsen hat in diesen Nationalen Integrationsplan sehr viel eingebracht. All das, was an Selbstverpflichtung abgegeben worden ist, ist in Niedersachsen zu einem Großteil bereits umgesetzt. Unsere Modelle sind im Nationalen Integrationsplan zum Teil mit aufgenommen worden. Von daher sind wir in vielen Bereichen Vorreiter. Die Zusammenarbeit ist auf jeden Fall sehr gut.

Vielen Dank. - Frau Kollegin Helmhold!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, die ungewohnte Fragefreudigkeit der Koalitionsfraktionen an dieser Stelle und die hektische Betriebsamkeit gegen Ende lassen mich doch - -

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das ist für uns ein wichtiges Thema! - Bernd Althusmann [CDU]: Es ist das Recht der Abgeordneten, zu fragen!)

Ich kann nicht umhin, mir die Frage zu stellen, ob diese ungewohnte Fragefreudigkeit und die Neigung, Fragen zu Selbstverständlichkeiten zu stellen, nicht etwas damit zu tun hat

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Was? Selbstverständlichkeiten?)

- oh, was sind Sie aufgeregt; ich scheine recht zu haben -,

(Beifall bei den GRÜNEN)

dass Sie gerne vermeiden wollen, dass die zweite Frage, die mein geschätzter Kollege Professor Hans-Albert Lennartz gestellt hat, an die Reihe kommt. Diese Frage beschäftigt sich damit, dass der Ministerpräsident - ziemlich allein in der Republik - einen Vorstoß gestartet hat, bereits 18Jährigen den Besitz von großkalibrigen Waffen zu ermöglichen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Was hat das mit Integration zu tun?)

Ich frage die Landesregierung: Habe ich recht mit der Einschätzung, dass die Behandlung dieser Frage äußerst unangenehm gewesen wäre?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Auch wir haben uns so etwas ge- dacht!)

Frau Kollegin, gestatten Sie mir zunächst einmal folgende Bemerkung: Nach der Geschäftsordnung - dies haben Sie mit beschlossen - dürfte ich die Frage eigentlich nicht zulassen. Denn darin steht, dass Fragen zur Sache gestellt werden sollen. Zu diesem Thema gehört sie nicht. Damit das klar ist.

Aber selbst wenn Sie recht hätten - dies möchte ich allerdings nicht bewerten -, erinnere ich mich schwach daran, dass dies in den 33 Jahren, die ich dem Landtag angehöre, auch in andere Konstellationen schon vorgekommen sein soll.

(Heiterkeit)

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung ist für fast alles verantwortlich, allerdings nicht für die Fragen, sondern nur für die Antworten. Insofern kann ich dies nicht bestätigen. Ich kann Ihnen aber zusichern, dass die Antwort vorhanden ist und dass Sie sie gleich bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Trotz der Mutmaßung unserer Kollegin Helmhold und obwohl die Zeit schon vorbei ist, hat noch jemand eine Frage. Herr Kollege Hoppenbrock, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der Grönenbergschule in Melle wird Schülerinnen und Schülern Islamunterricht erteilt.

(Ina Korter [GRÜNE]: Islamischer Re- ligionsunterricht!)

Es ist sehr angenehm aufgefallen, dass die neue Integrationsbeauftragte diese Schule besucht hat. Sie macht Außentermine und berät. Meine Frage ist: Gibt es besondere Schwerpunkte, die die Integrationsbeauftragte für die Landesregierung im Lande wahrnimmt?

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ihr seid schon so Koryphäen!)

Herr Minister!

Frau Deihimi ist ja die erste Integrationsbeauftragte in unserem Land. Sie berät die Landesregierung, insbesondere das Innenministerium, in allen Fragen der Integration. Genauso wichtig ist aber auch die Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb ist Frau Deihimi überall im Lande unterwegs. Sie spricht mit Kommunen und schaut sich Aktivitäten an. Dies ist meiner Ansicht nach ganz entscheidend.

Wir haben jemanden als Integrationsbeauftragte benannt, die selbst einen Migrationshintergrund hat. Schon jetzt ist erkennbar, dass dies sehr hilf

reich ist. Frau Deihimi kann sich in die Probleme hineinversetzen, weil sie selbst Lebenserfahrung in diesem Bereich hat. Die Integrationsbeauftragte hat zum einen eine beratende Funktion. Zum anderen soll sie aber auch dafür werben, im Land noch mehr für Integration zu tun. Sie ist zwar erst seit einigen Monaten im Amt.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Wie ich aber höre, ist sie sehr aktiv und sehr erfolgreich. Ich freue mich, dass sie auch bei Ihnen gewesen ist und einen guten Eindruck hinterlassen hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Die Antworten auf die Fragen, die eben nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Verbrechen des DDR-Unrechtsregimes wissenschaftlich aufarbeiten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/4022

Dieser Antrag wird vom Kollegen Althusmann eingebracht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Am 1. August 1963 kam es im Harz gegenüber von Hohegeiß zu einem besonders schweren Zwischenfall, an den noch heute ein Gedenkstein dort oben erinnert. Damals versuchte der 23-jährige Helmut Kleinert, zusammen mit seiner 22 Jahre alten schwangeren Frau über die Grenze zu gelangen - am helllichten Tag ein Himmelfahrts

kommando. Sie werden entdeckt. Auch hier folgen Warnruf und Warnschuss. Während die Frau stehen bleibt, läuft der Mann weiter. Ihn trifft ein Zielschuss in den Oberschenkel, ein zweiter verletzt die Ferse. Der Mann verbirgt sich in einem Busch nahe der Grenze, rund 150 m von ihr entfernt. Dann folgte das Kommando des Hauptmanns der Grenztruppen an zwei seiner Soldaten, Feuer zu geben. Anstatt aber auf diesen Busch zuzugehen - zu zweit und mit Maschinenpistolen bewaffnet -, um den Versteckten zur Aufgabe zu bewegen, geben die Soldaten etliche Schüsse in diesen Busch ab. Der Mann hatte keine Chance, das zu überleben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem die Justizministerkonferenz die Einrichtung der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter zur Strafverfolgung beschlossen hatte, hat der damalige Niedersächsische Justizminister Arvid von Nottbeck, FDP, 1961 den Satz geprägt: Wir werden nichts vergessen, und es wird auch nicht verjähren. - Gleiches gilt für diesen Fall in Hohegeiß.

Der Leitsatz von Nottbecks gilt für die Fraktionen der CDU und der FDP auch noch heute. Wir werden nichts vergessen - weder die rund 700 Toten und unzähligen Verletzten an Mauer, Selbstschussanlagen, Minenfeldern und Stacheldraht noch die mehr als 2 000 Folteropfer in den Stasigefängnissen von Bautzen oder die Verdächtigten, Verschleppten und Verfolgten der SED-Diktatur. Alle diese sind leider Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Diese gilt es umfassend aufzuarbeiten. Deshalb können wir es nur ausdrücklich begrüßen, dass die CDU-Fraktion im Rat von Salzgitter jetzt beantragen wird, am ehemaligen Gebäude der Erfassungsstelle eine Gedenktafel anzubringen. Das ist ein Landesgebäude. Ich gehe davon aus, dass das Land dieses Vorhaben nur unterstützen kann und unterstützen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Aufgabe der SalzgitterBehörde war die systematische Registrierung staatlichen Unrechts in der ehemaligen DDR. Mehr als 62 000 Ermittlungsverfahren sind stumme Zeitzeugen des damals begangenen Unrechts. Zur Vollständigkeit sei aber hinzugefügt: Die grundsätzliche Idee zur Erfassung von Straftaten in der

DDR ist vom damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Willy Brandt, ausgegangen. Er betrachtete die Aufarbeitung der SED-Zeit als ebenso bedeutsam wie die des NS-Regimes. Es war richtig, eine eigene Dienststelle zur Erfassung des SED-Unrechts einzurichten. Mit der Errichtung des sogenannten antifaschistischen Schutzwalls wurden nämlich die Freiheit ausgesperrt und die Menschenrechte mit Füßen getreten.

Für uns Niedersachsen, die wir die längste Grenze zur ehemaligen DDR hatten, war es selbstverständlich, die Zentrale Erfassungsstelle über DDRVerbrechen nach Salzgitter zu holen. Nicht zuletzt war die Arbeit der Dienststelle Salzgitter ein Stachel im Fleische des DDR-Sozialismus. Denn die Schließung der Erfassungsstelle in Salzgitter war eine von vier Geraer Forderungen Erich Honeckers neben der Forderung nach Anerkennung der DDRStaatsbürgerschaft. Dies waren die Forderungen eines Mannes, den Gerhard Schröder noch 1985 im Vorwärts als einen „zutiefst redlichen Mann“ bezeichnet hatte.

Die Behörde in Salzgitter war Hoffnung für viele, die in den Gefängnissen und Zuchthäusern der DDR steckten. Politische Häftlinge haben an die Zellenmauern „SZ“ und ein Gitter gemalt. Salzgitter stand für die Hoffnung, dass irgendwann einmal dieses Unrecht gesühnt wird.

Feststeht: Die Behörde hat Taten verhindert, weil die Schergen des SED-Regimes vor Salzgitter Angst hatten. Niedersachsen hat sich nicht, wie SPD-regierte Länder in den 80er-Jahren, der Finanzierung entzogen.

Feststeht: Die Behörde hat nicht die Menschenrechtspolitik eher behindert, wie es Gerhard Schröder noch 1987 hier im Landtag erklärt hat.