Das Letzte, was ich sagen will: Es ist nicht in Ordnung, finde ich, wenn in einem so wichtigen Antrag das ganze Thema „DDR-Geschichte, Diktatur des Kommunismus“ mit ziemlich viel Wahlgetöse vermengt wird. Warum arbeiten Sie sich so stark daran ab, was Gerhard Schröder zu diesen Fragen vor 20 Jahren gesagt hat? - Vielleicht war es nicht richtig; das mag sein.
(Hermann Eppers [CDU]: Das stellen Sie noch in Frage, ob das richtig war? Das ist doch eine Frechheit!)
Ich will keine Aufrechnung in dieser Frage. Aber auch Sie sind doch da nicht frei von Schuld. Es hat damals Kredite für die DDR von Franz Josef Strauß gegeben.
Herr Briese, ich möchte, dass Sie jetzt das Rednerpult verlassen, weil Ihre Redezeit überschritten ist.
(Lachen bei der CDU und der FDP - Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab - Ralf Briese [GRÜ- NE]: Ich finde diese Aufrechnerei nicht besonders hilfreich! - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil Sie, Herr Kollege Briese, meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Ich finde es schon schade, wenn man bei einer Debatte über das, was der Vorredner gesagt hat, so hinweggeht, wie Sie es getan haben. Der Kollege Althusmann hat hier sehr sachlich, also ohne Polemik und ohne Wahlkampfgetöse,
historische Fakten vorgetragen. Sie haben das zu Beginn Ihrer Rede überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Sie haben ihm das Gegenteil vorgeworfen. Trotz meines Zwischenrufes waren Sie in Ihrem Wortbeitrag nicht in der Lage, auch nur ein konkretes Beispiel zu nennen, an welcher Stelle der Kollege Althusmann etwas Falsches vorgetragen hätte. Dass wir als frei gewählte Parlamentarier uns das Recht nicht nehmen lassen, früher führende Sozialdemokraten zu zitieren, das werden Sie wohl verstehen. Wir werden auch Gerhard Schröder nicht aus der Verantwortung lassen, auch nicht die niedersächsische und die BundesSPD, gerade was ihr Verhalten in Bezug auf die Erfassungsstelle Salzgitter betrifft.
Für jemanden, der von dort kommt, war es damals nicht nur unangenehm, sondern fast peinlich, dass eine staatstragende Partei wie die SPD einem Diktator wie Erich Honecker derart auf den Leim gegangen ist, wie es passiert ist.
Gott sei Dank hat der geschichtliche Ablauf aufgrund der Tapferkeit der Menschen im Osten, in der ehemaligen DDR, dazu geführt, dass es dieses Regime nicht mehr gibt. Deswegen werden wir auch daran erinnern. Es sollte Niedersachsen, Herr Ministerpräsident, auszeichnen, wenn wir uns
Herr Eppers, ich habe in meiner Rede versucht - vielleicht ist das tatsächlich nicht ganz gut gelungen; das will ich gerne zugestehen -, das Thema ernst zu behandeln. Was mich aber stört, ist diese Aufrechnungspolitik - damit kommen wir überhaupt nicht weiter -, die Vorwurfskultur, die teilweise doch durch die Rede von Herrn Althusmann durchgekommen ist. Ich kann auch der CDU eine ganze Menge vorwerfen, z. B. was sie damals alles in der Ostpolitik falsch gemacht hat, wie sie sich gegen die neue Ostpolitik von Brandt abgearbeitet hat oder die Kredite, die Franz Josef Strauß der DDR gegeben hat und die lange Zeit das Überleben der DDR verlängert haben. Damit kommen wir doch gar nicht weiter, mit diesen Vorwurfsritualen, mit diesen Schuldvorwürfen:
„Sie haben damals doch den Sozialismus doch irgendwie verteidigt“ usw. - Das ist eben einer solchen Debatte nicht angemessen. Wenn wir wirklich zu der Meinung kommen, die DDR-Diktatur wird nicht vernünftig aufgearbeitet, dann - kein Problem - wollen wir das hier diskutieren: sachlich, vernünftig, seriös. - Wir könnten sagen: Wir stellen beim MWK mehr Mittel ein. Wir richten eine Gedenkstätte in Niedersachsen ein, um den Verstorbenen an der innerdeutschen Grenze ein vernünftiges Gedenken zuteilwerden zu lassen. - Damit habe ich überhaupt kein Problem.
(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Ihnen fehlt die tat- sächliche Verbindung zu dem The- ma!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Althusmann, Herr Eppers, ich bin schon einigermaßen erstaunt, wie Sie hier einfach versuchen, Vergangenheit zu klittern.
- Nein, Sie irren sich. - Ich zitiere aus einem Landtagsprotokoll von 1987 - als es um genau diese Frage, um die Menschenrechtsfrage, ging - Gerhard Schröder:
„Wir sollten uns miteinander darüber im Klaren sein, dass es hier nicht darum geht, ob der eine gegen Menschenrechtsverletzungen und der andere dafür ist. Wohin sind wir, wenn wir das einander unterstellen, gekommen?
Es geht ausschließlich darum, welche Politikinstrumente die richtigen sind, um Menschenrechtsverletzungen abzubauen und zum Verschwinden zu bringen, in der DDR und anderswo. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht darin, dass wir die Erfassungsstelle in Salzgitter - ich sage es noch einmal, damit Sie es mitkriegen: deswegen sind wir für ihr Verschwinden - nicht für ein geeignetes Instrument halten, um Menschenrechtspolitik zu machen,“
„sondern dass sie im Gegenteil Menschenrechtspolitik, verstanden als die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten,“
„um über Menschrechte nicht nur zu reden, sondern etwas für deren Realisierung zu tun, eher behindert als ihr nützt.“
(Jürgen Gansäuer [CDU]: Da sind Menschen erschossen worden! - Jens Nacke [CDU]: Und so jemand ist Kanzler geworden! - Bernd Althus- mann [CDU]: Es gab keine zwei deut- schen Staaten! - Glocke des Präsi- denten)
Wir wollen doch bitte, meine Damen und Herren - Sie haben es erwähnt, Herr Althusmann -, nicht vergessen, dass es ein SPD-Kanzler war, der die Entspannungspolitik eingeleitet hat.
Meine Damen und Herren, politische Vergangenheitsbewältigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Man kann diese Aufgabe nicht delegieren, weder an Politik oder Wissenschaft noch an Medien oder Justiz.
Auch die Schulen können mit diesem Thema nicht alleingelassen werden. Wir alle zusammen sind gefordert, uns mit der jüngsten deutschen Geschichte, mit dem totalitären Regime der DDR, genauso wie mit der Zeit der NS-Gewaltherrschaft, auseinanderzusetzen. Ein Verharmlosen oder Vergessen darf es nicht geben.
Wir Deutschen sind in vielen Dingen Weltmeister. Ob im Sport oder im Export - wir leisten etwas. Aber bei der Aufarbeitung der Verbrechen des SED-Unrechtsregimes scheint es nur schleppend voranzugehen, trotz mehrerer Enquete-Kommissionen und vieler politischer Foren. Vor gut einer Woche ist nach nunmehr 17 Jahren deutscher Einheit das dritte SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in Kraft getreten. Damit haben die ca. 40 000 SEDOpfer, die besonders unter der staatlichen SEDWillkür gelitten haben, z. B. durch Inhaftierung aus politischen Gründen, und oft bis heute darunter leiden, Anspruch auf eine dauerhafte finanzielle Leistung.
- Genau das. - Auch wenn wir genau wissen, dass das Unrecht, das diese Menschen erfahren haben, nicht wiedergutzumachen ist, trägt dieses Gesetz doch zur Verbesserung der Lebensumstände der einzelnen Betroffenen bei. Aber war es das? Kann jetzt der berühmt-berüchtigte Schlussstrich gezogen und alles vergessen werden? - Nein, meine Damen und Herren. Wir alle sind uns darüber einig, dass es in unserem Land nie wieder zu einem Unrechtsregime kommen darf.
Darum darf die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten, verharmlost oder verklärt werden. Hierbei kommt den Schulen eine besondere Verantwortung zu. Darin sind wir mit Ihnen einig. Für einen entsprechenden Unterricht müssen auch die nötigen Voraussetzungen in der Lehrerfortbildung wie beim Unterrichtsmaterial geschaffen werden. Aber auch alle anderen gesellschaftlichen Gruppen sind gefordert und dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Sie, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, beklagen in Ihrem Antrag den allgemeinen Mangel an Geschichtsbewusstsein zum DDRRegime. Sie waren es aber, die die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft haben.
Diese Einrichtung hat jahrzehntelang ausgezeichnete Arbeit zur Bewältigung der jüngeren deutschen Geschichte geleistet. Jetzt ist ein Vakuum entstanden, das bis heute nicht ausgefüllt wurde.