Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

Ich habe schon bei der ersten Beratung darauf hingewiesen, dass es vor Ort kein Vertrauen mehr in die Hansestadt Hamburg und auch nicht zur Bundesregierung gibt. Das ist kein diffuses atmosphärisches Gefühl, sondern das ist ein stabiler Zustand, der auf einer Vielzahl erlebter Vertrauensbrüche beruht.

Die Affäre „Tiefensee“ - so will ich sie einmal nennen - hat wieder einen solchen Vertrauensbruch mit sich gebracht und hat deutlich gemacht und gezeigt, dass ein positives Zeichen aus Hannover dringend notwendig gewesen wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, da sagte doch der Bundesminister in großer öffentlicher Runde in Otterndorf zu, dass er den Bedarf für die Elbvertiefung noch einmal prüfen wolle. Diese Zusage war logisch, fand ich; denn ihm wurde eine lange Liste sogenannter Post-Panmax-Schiffe vorgelegt - 74 an der Zahl -, die in den letzten Monaten in den Hamburger Hafen ein- und wieder ausgelaufen sind. Das sind die Schiffe, die angeblich nicht mehr nach Hamburg kommen, wenn die Elbe nicht wei

ter vertieft wird. Natürlich ist es dann klar, dass man noch einmal fragt, wofür das eigentlich gemacht werden soll.

Als sich dann aber unsere Bundestagsfraktion in Berlin nach dieser Nachprüfung erkundigte, war das alles plötzlich nicht mehr wahr; alles war nur noch eine sogenannte Fehlinterpretation - verkündet von einer Staatssekretärin Roth, einer ehemaligen Hamburger Senatorin, deren Interessen man wohl nicht lange hinterfragen muss.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Bevor Sie frohlocken, Herr McAllister: Ebenso ist das Agieren der Staatssekretärin Wöhrl von der CSU zu kritisieren, die vor der IHK mit bayrischmaritimer Kompetenz - so will ich einmal sagen - die breit geforderte Hafenkooperation bei uns als Prosa - ich vermute, sie meinte „Lyrik“ - bezeichnet und dadurch diskriminiert hat. Auch das ist ein weiterer Vertrauensbruch.

Ich sage Ihnen, Herr McAllister: Auch die Ablehnung dieses Antrages schafft kein Vertrauen. Das ist schlecht; denn das Vertrauen zur Landesregierung vor Ort ist wackelig. Ich fördere diese Wackeligkeit nicht, Herr McAllister. Ich glaube, dass es wichtig ist, diese Einigkeit gegen die skrupellose Interessenpolitik der Hamburger und gegen die Gleichgültigkeit des Bundes zu erhalten. Aber Sie geben mir auch keinen Anlass und keine Möglichkeit, in dieser Frage für die Landesregierung die Hand ins Feuer zu legen. Ich habe da schon Angst, Verbrennungen dritten Grades zu erleiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Oetjen, Sie haben in der ersten Beratung darauf hingewiesen, dass es angeblich klare Kriterien im Landtagsbeschluss von 2006 gibt. Schauen Sie sich diese Kriterien aber bitte einmal an! Sie sind sehr summarisch und sehr interpretierbar. Zwischen der Interpretation des Bündnisses gegen die Elbvertiefung und „Rettet die Elbe“ und der Interpretation eines Herrn Uldall oder eines Ole von Beust liegen Welten. Vielleicht haben auch Herr Hirche und Herr Sander andere Vorstellungen als die, die vor Ort bestehen.

Ich glaube, es darf kein weiteres Ausweichen der Landesregierung geben, wenn es hier darum geht, zu einer Konkretisierung zu kommen. Wir jedenfalls werden Ihnen diese Fragen vor der Wahl immer wieder stellen. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege McAllister das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute in zweiter Beratung über einen Antrag der SPD-Fraktion, der sich bereits damals bei der Einbringung inhaltlich als ziemlich überschaubar herausgestellt hat. Ich will durchaus einmal eine gute Absicht unterstellen. Dieser Antrag mag sicherlich gut gemeint sein; denn die Elbvertiefung ist, wie es bereits alle Vorredner betont haben, ein sehr wichtiges und ernstes Thema für die Menschen zwischen Cuxhaven und Hamburg. Aber gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht. Ihr Antrag hat leider in den Ausschussberatungen des Landtages offensichtlich nicht an Substanz gewinnen können. Deshalb werden die Fraktionen von CDU und FDP diesen Antrag heute ablehnen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Hätten Sie den Antrag verbessern können, Herr McAllister?)

Das Problem ist - das sage ich zum wiederholten Male ganz deutlich -, dass beim Thema Elbvertiefung seitens der Opposition versucht wird, einen parteipolitischen Streit herbeizureden. Sie wissen, dass es vor Ort eine große Einmütigkeit gibt. Es gibt auch in der Landespolitik eine große Einmütigkeit. Aber angesichts der miserablen Umfragewerte versuchen offensichtlich einige knapp 100 Tage vor der Wahl, jedes Thema hochzuziehen, auch wenn es noch so abwegig ist.

Ich will zusammenfassend sagen: Erstens. Wir brauchen nicht zu beschließen, was bereits geltendes Recht ist. Wir sind mitten im Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung, Herr Wenzel. Der Bund ist der Vorhabenträger. Wir erwarten einen Planfeststellungsbeschluss Mitte oder Ende 2008. Niemand kennt den Termin genau, gerade weil es so viele Einwendungen gibt. Am Ende des Planfeststellungsverfahrens wird dann auch eine Einvernehmenserteilung des Landes erfolgen oder nicht. Aber das können wir doch jetzt - wir sind mitten im Planfeststellungsverfahren - noch nicht beurteilen,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das steht doch im Antrag!)

sonst könnten wir uns in der Tat das gesamte rechtsstaatliche Verfahren sparen.

Herr McAllister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. - Es ist doch völlig selbstverständlich, dass der Landtag ein Mitspracherecht hat. Wir haben doch schon mehrfach über dieses Thema gesprochen. Selbstverständlich hat die Landesregierung auch bisher alle Argumente des Landesparlaments berücksichtigt. Ich gehe davon aus, dass wir bis zur Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens weitere Debatten in diesem Hause führen werden. Dann werden alle Abgeordneten die Möglichkeit haben, sich entsprechend zu positionieren.

Übrigens, Herr Kollege Johannßen, wie wenig glaubwürdig Ihre Position als SPD ist, lässt sich schon daran erkennen, dass bei der letzten Elbvertiefung 2002 die damalige Niedersächsische Landesregierung - damals noch unter SPD-Führung - den Landtag vor der Erteilung des Einvernehmens nicht nur nicht beteiligt hat, sie hatte das Parlament noch nicht einmal informiert. Sie selbst haben es doch damals nicht gemacht. Dann so etwas zu fordern, ist völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU - Helmut Dam- mann-Tamke [CDU]: Wer war damals eigentlich Umweltminister?)

Ich darf Ihnen versichern: Die Art und Weise, wie Herr Umweltminister Jüttner mit seinem Staatssekretär damals versucht hat, die Einvernehmenserteilung klammheimlich per Boten nach Hamburg zu schicken, ist nicht unsere Art. So werden wir das definitiv nicht machen. Da werden wir einen ganz anderen Stil an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Wir brauchen auch nicht zu beschließen, was wir bereits beschlossen haben und was unverändert fortgilt. Der Ministerpräsident hat in mehreren Interviews, zuletzt bei einem Vor-Ort-Termin in Otterndorf, seine Position konsequent deutlich gemacht: Die Niedersächsische Landesregierung hat einen Kabinettsbeschluss zur Elbvertiefung

gefasst. Auch der Niedersächsische Landtag hat seine Position nach vielfältigen Beratungen in einer Entschließung deutlich gemacht. Wir sagen: Das Land Niedersachsen wird und kann keiner weiteren Elbvertiefung zustimmen, solange unsere wesentlichen Forderungen nach Deichsicherheit, Natur- und Landschaftsschutz, Tourismus, Landwirtschaft und Fischerei nicht erfüllt sind. Das war unsere Position, das ist unsere Position, und das wird auch unsere Position bleiben. Nochmals: Existenzielle Voraussetzung für uns ist die Deichsicherheit. Diese ist für uns definitiv nicht verhandelbar.

Nun hat der Kollege Klein dankenswerterweise bereits den Besuch von Herrn Tiefensee in Otterndorf angesprochen. Darauf möchte ich noch einmal eingehen, weil das dem Hohen Hause bekannt werden muss. Da kommt der Bundesverkehrsminister, Herr Tiefensee, am 28. August dieses Jahres nach Otterndorf, begleitet von einem großen Tross von SPD-Kommunalpolitikern, -Landes- und -Bundespolitikern - Herr Jüttner war auch dabei -, ferner waren Beamte und Journalisten dabei. Der Bundesverkehrsminister führt ein Gespräch mit besorgten Vertretern der Kommunen, der Bürgerinitiativen und der Kirche. Daraufhin verspricht Herr Tiefensee eine erneute Bedarfsprüfung und fünf weitere Erörterungstermine zur weiteren Einbeziehung der Betroffenen in die Planungen. - So weit, so gut. Diese Botschaft ist sehr wohl auf Zustimmung in der Unterelbe-Region gestoßen.

Dankenswerterweise - in der Tat, Kollege Klein - fragt dann der grüne Bundestagsabgeordnete Steenblock im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage im Bundestag nach, ob denn Herr Tiefensee seine öffentlich gemachten Aussagen auch einhält. Was mussten wir dann am 11. Oktober in der Niederelbe-Zeitung lesen? - Ich will nur die Überschrift vorlesen:

„Tiefensee zur Elbvertiefung: Alles eine Fehlinterpretation - Staatssekretärin Roth dementiert gegenüber dem grünen Abgeordneten Steenblock die Aussagen des Bundesverkehrsministers.“

(Zuruf von der CDU: Peinlich, pein- lich!)

Das müssen Sie sich einmal vorstellen: Da fährt der Bundesverkehrsminister nach Otterndorf, verspricht den Menschen, dass er sich um ihre Anlie

gen kümmert, und anschließend lässt er durch eine Staatssekretärin seine Aussagen dementieren. Herr Johannßen, so können die Genossen nicht mit den Menschen an der Unterelbe umgehen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist ja auch kennzeichnend, dass Herr Johannßen das nicht angesprochen hat. Wir sind in der Region zu Recht parteiübergreifend empört über diesen Vorgang. Das Schlimme war: Der Oppositionsführer, Herr Jüttner, war die ganze Zeit dabei und hat bis zum heutigen Tag noch nicht gesagt, dass er sich von der Position von Herrn Tiefensee distanziert. - So viel zur Glaubwürdigkeit des Oppositionsführers,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Wo ist er eigent- lich? - Hans-Christian Biallas [CDU]: Johannßen hat sich dazu auch nicht geäußert! - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist beschämend! )

der dieser Debatte sicherlich aus gutem Grund nicht beiwohnen möchte.

Ich will abschließend an die Adresse der Sozialdemokraten hier im Hause ganz ernsthaft sagen: Reden Sie mit Ihrem Parteigenossen Tiefensee! So kann der Bund nicht mit den Menschen umgehen! Es geht hier um Existenzen von Menschen an der Elbe, um ihre berechtigten Ängste und Nöte. Hören Sie auf, mit Scheinanträgen die Landesregierung zu etwas aufzufordern, was sie schon lange praktiziert!

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜ- NE])

- Da Sie gerade dazwischen rufen, Herr Klein - die letzte Anmerkung gilt Ihnen -: Ihre Position als Grüne zur Elbvertiefung wäre etwas glaubwürdiger, wenn sich Ihre Parteifreunde in Bremen anders verhalten hätten. Die Grünen in Bremen haben mit ihrem Kampf gegen die Weservertiefung den Bürgerschaftswahlkampf betrieben. Kurz nach der Wahl sind die Grünen ohne jegliche Gegenwehr bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD eingeknickt. Sie sollten erst einmal Ihre Parteifreunde anzählen und aufhören, hier den barmherzigen Samariter zu spielen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Hirche das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich knüpfe an die Bemerkung von Herrn McAllister und Herrn Oetjen an: Wir müssen über die Sache reden. Wir sollten uns hier im Landtag nicht über Vorschläge zerstreiten, die ganz bewusst auf Nebenkriegsschauplätze führen. Die Landesregierung hat hier im Landtag und außerhalb des Landtags mehrfach versichert, dass der Landtag bei der Frage des Einvernehmens zur Elbvertiefung in geeigneter Weise beteiligt werden wird. Das gilt auch für die nächste Legislaturperiode.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Was heißt das denn?)

- Ich komme darauf noch. - Ich hoffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir in der äußerst bedeutsamen Frage des Ausbaus der Unterelbe schnellstmöglich zu einer gemeinsamen ziel- und sachorientierten Diskussion zurückkommen. Wir könnten uns darauf konzentrieren, mit dem Bund und der Hansestadt Hamburg die drängenden und zum Teil noch völlig ungelösten fachlichen Fragen zu diskutieren, die die nächste Elbvertiefung aufwirft. Da ist insbesondere das Thema Deichsicherheit von großer Bedeutung.

Meine Damen und Herren, im Augenblick haben wir erreicht, dass die Vorspülungen vor Otterndorf fertig sind. Da sind 2 Millionen Euro investiert worden. Das bedeutet mehr Sicherheit. Aber das löst natürlich noch nicht die Kernfragen, die hier insgesamt aufgeworfen sind. Unser gemeinsames Ziel sollte es doch sein, die niedersächsischen Belange gegenüber dem Bund und der Hansestadt Hamburg so zu vertreten, dass sie bei der Entscheidung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung über den beantragten Planfeststellungsbeschluss auch berücksichtigt werden.

Ich muss einräumen, mir war es neu, was Herr McAllister zu den Aussagen von Frau Roth im Bundestag über die Zusage von Herrn Tiefensee gesagt hat. Aber ich meine, Herr Johannßen, wer an der Elbe wohnt, der hätte sich mit solchen Aussagen längst beschäftigen müssen. Er hätte das zurückweisen müssen und in Berlin und in Ham

burg Einfluss nehmen müssen, anstatt hier einen falschen Kriegsschauplatz zu eröffnen. Das ist eine vordergründige Diskussion.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Sie versuchen hier, Ihre Partei zu positionieren, aber nicht, in der Sachfrage weiterzukommen.