Protokoll der Sitzung vom 19.10.2007

Damit es an dieser Stelle keinen Zweifel gibt: Symbolpolitik hat diese Regierung in der Kinder- und Jugendpolitik gerade in den letzten Monaten wirklich bis an die Schmerzgrenze betrieben.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei der von uns beantragten Verfassungsänderung ist Schluss damit, meine Damen und Herren.

Die notwendige Zweidrittelmehrheit kommt gerade nach der Anhörung mit uns nur zustande, wenn für Kinder und Jugendliche in der Landesverfassung endlich einklagbare Individualrechte festgeschrieben werden, so wie alle Experten das vorgeschlagen haben.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Herr McAllister das Wort. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Herr Schwarz, ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich eine Aussage von Ihnen in aller Deutlichkeit zurückweisen möchte. Herr Schwarz, Sie haben gesagt, die Koalitionsfraktionen hätten einen krassen Außenseiter als Gutachter für die entsprechende Formulierung in der Landesverfassung beauftragt, und haben von einem Gefälligkeitsgutachten gesprochen.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir Professor Dr. Christian Starck gebeten haben, einen Formulierungsvorschlag zu machen. Herr Professor Starck ist einer der namhaftesten Staatsrechtler Deutschlands. Er hat 34 Jahre lang an der Universität Göttingen gelehrt. Er ist Mitautor des wichtigen Grundgesetz-Kommentars Mangoldt/Klein. Er ist Namensgeber der Sammlung Niedersächsisches Landesrecht. Im Übrigen war Professor Starck 15 Jahre lang Mitglied unseres Staatsgerichtshofs.

Ich finde diese Aussagen von Ihnen ungeheuerlich! Sie sollten sich bei Professor Starck dafür öffentlich entschuldigen!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heinz Rolfes [CDU]: Unver- schämtheit!)

Darauf wird keine Erwiderung gewünscht. - Ich erteile nun Herrn Dr. von Danwitz für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion eingehe, möchte ich zunächst unseren Antrag „Beruf

liche Bildung stärken - Perspektiven für junge Menschen entwickeln - Fachkräftenachwuchs sichern“ einbringen.

Junge Menschen brauchen Perspektiven. Das wissen wir alle. Unsere Unternehmen brauchen Fachkräfte, um im Wettbewerb bestehen zu können. Auch das ist allen bekannt.

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist wohl wahr!)

Beide Ziele können in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Niedersachsen mit der dualen Ausbildung, die weltweit als vorbildlich anerkannt wird, erreicht werden.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Eine gute berufliche Ausbildung eröffnet die besten Perspektiven für berufliches Fortkommen. Sie ist das Fundament, um den Lebensunterhalt sichern zu können und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

In den letzten Jahren gab es Probleme. Es gab sie deshalb, weil die Zahl der ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen höher war als die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze. Jetzt, nach Jahren mit vielen Problemen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt, kommt es erfreulicherweise zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Die am Donnerstag letzter Woche durch die Bundesregierung und die Wirtschaftsverbände vorgestellte erste Zwischenbilanz zur Ausbildungsstellensituation 2007 zeigt eine deutliche Verbesserung auf dem Ausbildungsstellenmarkt.

Auch die Situation und die Stimmung in Niedersachsen haben sich verbessert. Beim Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 2004 bis 2006 liegt Niedersachsen heute unter allen Bundesländern auf einem glänzenden zweiten Platz. 80 % aller mittelständischen niedersächsischen Betriebe bewerten die Wirtschaftsbedingungen in Niedersachsen mit „gut“ bis „sehr gut“. Es ist erfreulich, dass dadurch die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge gestiegen ist, im Jahre 2005 um 5,4 %. Auch für das Jahr 2007 sind deutlich positive Zunahmen zu erwarten. Der Niedersächsische Pakt für Ausbildung ist also erfolgreich.

(Zustimmung bei der CDU)

Nach vielen Jahren, insbesondere von 1990 bis 2003, in denen es bei den Ausbildungsplätzen immer wieder zu Rückgängen gekommen ist - mehr als 40 000 Betriebe sind damals weniger zur Ausbildung bereit gewesen -, geht es jetzt endlich wieder aufwärts. In etlichen Branchen können sogar einige offene Ausbildungsplätze gar nicht mehr besetzt werden, weil es gar keine oder nicht genügend Bewerber gibt.

Auf der anderen Seite - auch das müssen wir ansprechen - gibt es in wirtschaftlich schwachen Regionen nach wie vor das Problem, nicht allen Jugendlichen eine qualifizierte betriebliche Ausbildung anbieten zu können. Hier müssen wir reagieren. Wir möchten, dass folgende Maßnahmen ergriffen werden: Jugendliche mit schwachem Hauptschulabschluss oder ohne Hauptschulabschluss müssen gefördert werden. Sie müssen so fit gemacht werden, dass sie die duale Ausbildung erfolgreich durchlaufen können. Wir haben vieles auf den Weg gebracht: die Pro-Aktiv-Center und das Programm „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“. Hier kümmert man sich um junge Menschen in den 8. und 9. Klassen. Man nimmt sie an die Hand. Man unterstützt sie beim Bewerbungstraining und beim Besuch von Betrieben. Auf diesem Gebiet sind erste positive Erfolge zu verzeichnen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU] - Jacques Voigtländer [SPD]: Wir würden gerne klatschen!)

Wo wir auch gute Ergebnisse haben, ist das Beispiel „Regionen des Lernens“. Herr Voigtländer, wir haben das zusammen weiterentwickelt. Die Zusammenarbeit zwischen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen muss ausgebaut werden. Wir wollen auf Bundesebene dafür sorgen, dass die Ausbildungsordnungen so gestrickt werden, dass es für die Absolventen aller Schulformen möglich ist, diese Ausbildung zu absolvieren. Da Jugendliche ihre Begabungen oftmals im praktischen Bereich haben, möchten wir mehr zusätzliche Ausbildungsberufe mit erhöhtem Praxisanteil und verkürzter Ausbildungszeit.

Teilqualifikationen, die in Praktika oder schulischen Einrichtungen erworben wurden, sollen stärker als bisher in Modulen angerechnet werden. Darin sind wir uns wohl einig, Herr Voigtländer und Frau Korter. Wir sind uns auch in vielen anderen Bereichen einig, nämlich die bestehenden Initiativen der Kammern und Verbände insbesondere bei der

Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen mit Migrationshintergrund zu stärken. Hier wird schon vieles auf den Weg gebracht. Auch dies muss unterstützt werden.

Ebenso wichtig ist die finanzielle Unterstützung. Das Land beteiligt sich aktiv an der Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung. Dies ist unverzichtbar. Man muss darüber nachdenken, ob es nicht noch mehr Bereiche gibt, in denen wir diese ausbildenden Betriebe unterstützen können.

Das nächste Thema ist die Verbundausbildung. Von den Handwerkskammern und der ausbildenden Wirtschaft wird immer wieder darauf hingewiesen: Durch Verbundausbildung können zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Es kann zur Kostenentlastung von Betrieben kommen. Auch hier ist anzusetzen.

Vor Ort ist die standortnahe Beschulung ganz wichtig, insbesondere in der Fläche. Schulische Rahmenpläne sollten ähnliche Inhalte verschiedener Berufe stärker zusammenfassen, damit es auch im ländlichen Raum noch möglich ist, möglichst viele Ausbildungsgänge zu beschulen.

Bei Jugendlichen, die trotz dieser vielen Bemühungen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen, kann und muss man darüber nachdenken, ergänzende Angebote zur dualen Ausbildung anzubieten. Hierbei sind ganz wichtig: die enge Abstimmung mit den Kammern, die zeitliche Begrenzung dieser Maßnahme, die regionale Begrenzung, ganz eng abgestimmt auf die Bedürfnisse vor Ort, und die Beschränkung auf Ausbildungsberufe, die im Anschluss eine direkte Beschäftigung garantieren. Diese Art der Berufsausbildung ist zu beschränken, damit betriebliche Ausbildungsplätze nicht verdrängt werden und die erfolgreiche duale Berufsausbildung nicht gefährdet wird.

Die positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt zeigt uns ganz klar die Überlegenheit des dualen Systems gegenüber allen vergleichbaren Ausbildungssystemen. Die Jugendlichen bevorzugen ganz klar die duale Ausbildung, die betriebliche Ausbildung, bei der sie bessere Perspektiven für eine spätere Beschäftigung sehen.

(Beifall bei der CDU)

Die Vorteile sind zu offensichtlich: Durch die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis lässt sich das Erlernte gleich in der Realität anwenden. Lernmoti

vation und Lernerfolg steigen, die berufliche Handlungskompetenz ebenso. Die jungen Menschen wachsen ganz einfach in die betriebliche Praxis hinein. Nachher gibt es keine Einarbeitungs- und Übergangsphasen in das eigentliche Berufsleben. Hier sind alle auf einem guten Weg. Die Wirtschaft wird zum überwiegenden Teil ihrer Verantwortung gegenüber den jungen Menschen gerecht und sichert sich damit das eigene Fachpersonal von morgen.

Meine Damen und Herren, die Hauptansatzpunkte, um bei den Perspektiven für unsere Jugendlichen noch Verbesserungen zu erreichen, wurden bei der Beantwortung der Großen Anfrage angesprochen. Damals ging es um die Situation und Perspektiven der beruflichen Bildung in Niedersachsen. Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, insbesondere den Problempunkt der Ausbildungsfähigkeit anzufassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Hier brauchen sich die Fraktionen der CDU und der FDP überhaupt nicht zu verstecken. Das Hauptschulprofilierungsprogramm zeigt Erfolge: mehr Mathe, mehr Deutsch,

(Jacques Voigtländer [SPD]: Aber weniger Hauptschulen!)

mehr Praxistage, Sozialpädagogen an fast allen Hauptschulen, Ganztagsschulen, das Berufsvorbereitungsjahr mit sehr kleinen Klassen, in denen man sich um die Jugendlichen kümmern kann usw. Man muss ganz klar sagen: Die Wirtschafts-, Technik- und Sozialkompetenz unserer jungen Menschen werden auf diese Weise sehr verbessert.

Sie erkennen, meine Damen und Herren: Im Bereich der Ausbildungsfähigkeit ist viel getan worden. Mit diesen dann ausbildungsfähigen Jugendlichen kann die ausbildende Wirtschaft die duale Ausbildung erfolgreich aufnehmen. Sie ist dann im Wettbewerb wirklich erfolgreich.

Wie erfolgreich unser System der beruflichen Bildung ist, erkennt man daran, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland wesentlich niedriger ist als in anderen europäischen Ländern.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da wir uns mitten in einer Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt befinden - die Zahlen der Hauptschul- und Real

schulabsolventen gehen in den nächsten Jahren nämlich massiv zurück -, sind parallele Ausbildungsangebote, wie sie jetzt von der Opposition gefordert worden sind, schlichtweg überflüssig.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Einführung vollzeitschulischer Ausbildungsmaßnahmen kann nur eine Ausnahme sein. Sie wird im Übrigen auch von der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsen abgelehnt. Wir wollen die duale Ausbildung weiter stärken. Für Altbewerber haben wir das Programm „2 000 mal 2 500“ auf den Weg gebracht. Wir haben auch bereits erste gute Erfolge zu verzeichnen. Seit Juli 2007 sind schon 550 neue Ausbildungsverhältnisse zustande gekommen.

Meine Damen und Herren, bei dem Thema „Perspektiven für junge Menschen“ geht es um junge Menschen, die gerade in der schulischen Ausbildung nicht ihre Stärke haben. Deshalb sollten gerade diesen Schülern nicht noch mehr schulische Inhalte angeboten werden. Wir lehnen daher die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD entschieden ab. Wir beantragen sofortige Abstimmung über unseren Antrag.

Nun noch zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Der SPD-Vorschlag, in der Niedersächsischen Verfassung ein Recht auf Ausbildung und Berufsausübung zu verankern, ist der schlechteste aller Vorschläge, die ich je gehört habe.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)