Protokoll der Sitzung vom 19.10.2007

die Anzahl der Kitas und um die Standards, Herr Kollege Robbert, diskutiert haben. Inzwischen ist die Diskussion weitergegangen. So diskutieren wir auch heute wieder über das Thema Krippenplätze, über Angebote für unter Dreijährige und, damit verbunden, über die Anzahl der Plätze. Das Thema ist gerade unter frauen-, aber auch unter familienpolitischen Gesichtspunkten in aller Munde. Ich finde, das ist gut so.

Aber genauso stelle ich mir, stellen wir uns seitens der CDU-Fraktion die Frage: Gibt es eigentlich die Lösung? Soll, kann, darf der Staat die Eltern dazu verpflichten, ihre Kinder in entsprechende Einrichtungen zu geben? - Meine Damen und Herren, ich persönlich möchte nicht in einem Land leben, in dem der Staat den Eltern vorschreibt, dass sie ihr Kind unmittelbar nach der Geburt in eine staatliche Einrichtung zu geben haben.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ich möchte, wir möchten, dass die Eltern und die Familien tatsächlich eine echte Wahlfreiheit haben. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir die Eltern mitnehmen müssen, dass wir den Eltern entsprechende Angebote machen müssen. Dies gilt insbesondere für die sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft.

Fakt ist - dies wissen wir alle -, dass die frühkindliche Bildung der Schlüssel zu allem ist.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Fakt ist, dass Kinder Vertrauensebenen aufbauen müssen. Um aber Vertrauensebenen aufbauen zu können, brauchen sie feste Bezugspersonen. Fakt ist, dass Kinder insgesamt Zeit, Zärtlichkeit und Zuwendung brauchen, um diese Vertrauensebene tatsächlich schaffen zu können. Fakt ist auch, dass es viele Eltern gibt, die hoch qualifizierte Angebote wünschen, die flexibel auf die Arbeitswelt bezogen sind.

Meine Damen und Herren, wir von der Union sind uns im Ziel einig: Wir wollen eine echte Wahlfreiheit für die Eltern, für die Familien ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies bedeutet erstens, dass wir den Widerspruch - Kinder und Karriere, Familie und Beruf - aufheben müssen. Dabei sind wir alle, dabei ist die gesamte Gesellschaft gefordert. Das alte Klischee

der Rabenmutter oder vom Heimchen am Herd - zum Teil erlebe ich es in Diskussionen noch immer - muss endgültig aus der gesellschaftlichen Diskussion verbannt werden.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Das haben die noch immer!)

Dies bedeutet zweitens, dass wir die frühkindlichen Bildungsangebote stärken müssen. Es gilt, die örtlichen Träger zu beraten und entsprechend zu unterstützen. Die örtlichen Träger - der Minister hat es gerade gesagt - sind nämlich zuständig.

Was heißt das aber als Konsequenz? - Als Konsequenz bedeutet das: Wir brauchen flexible, auf die regionalen Gegebenheiten eingehende Angebote für die Null- bis Dreijährigen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Meine Damen und Herren, dies kann auf der einen Seite die Krippe sein, dies kann auf der anderen Seite aber auch die Tagesmutter sein.

(Ursula Körtner [CDU]: Oder beide!)

- Oder beide, auch in Kombination, Frau Kollegin Körtner. - Aber einzig und allein auf Krippenplätze zu setzen - dies ergab sich aus der Anfrage -, reicht nach unserem Dafürhalten nicht aus.

(Zustimmung bei der CDU)

Für uns steht fest: Es gibt nicht die alleinige Lösung. Vor allem gibt es nicht die alleinige vom Staat verordnete Lösung. Der Staat muss die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.

Über die Ergebnisse des Krippengipfels können wir alle froh sein. In Niedersachsen hat es, seitdem die CDU/FDP-geführte Landesregierung regiert, bereits zahlreiche Verbesserungen gegeben. Mich hat ein bisschen geärgert, Herr Kollege Robbert, als Sie gesagt haben, auf der rechten Seite des Hauses und bei der Landesregierung gebe es noch ein Handlungsdefizit. Herr Robbert, Sie sind schon so lange im Landtag und haben kompetent und positiv im Ausschuss mitgearbeitet. Deshalb dürfte gerade Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass unter dieser CDU/FDP-geführten Landesregierung inhaltlich etwas gemacht worden sind, was in früheren Zeiten leider versäumt worden ist: die Überführung des Kita-Bereichs aus dem Sozial- in den Kultusbereich und der Orientie

rungsplan, den Sie jetzt verbindlich haben wollen. Anfangs haben Sie ihn ja abgelehnt. Damals hieß es, wir würden die Kinder verstaatlichen, und wir wollten die Kinder verschulen. Zum 1. Januar 2008 gibt es das Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung. Auch das ist ein Punkt, der für das weitere Vorgehen in diesem Bereich entscheidend ist.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Das Brückenjahr, die Sprachförderung, das 100Millionen-Euro-Programm - das alles ist angesprochen worden.

Für uns steht sehr deutlich fest: Wir möchten, dass Kinderlachen in diesem Land tatsächlich als Zukunftsmusik empfunden wird. Herr Kollege Biel hat das gestern Abend, als er präsidiert hat, so schön benannt. Ich fand das Beispiel sehr passend.

(Zustimmung bei der CDU)

Fest steht aber auch: Das Rüstzeug für das Leben liegt nicht nur im Schulranzen, sondern wir müssen den Schatz der frühen Kindheit viel eher nutzen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wir wissen - darüber sind wir uns jetzt Gott sei Dank einig geworden, liebe Meta Janssen-Kucz; das war ja nicht immer so -, dass Bildung von Anfang an beginnt, dass frühkindliche Förderung letztlich der Dreh- und Angelpunkt ist. Ich will auf Zitate verzichten und das nicht wiedergeben, was Frau Kollegin Bührmann damals gesagt hat.

(Zuruf von der CDU: Sag es doch einmal!)

- Ganz kurz. Frau Kollegin Bührmann sagte: Ich frage mich zunehmend, ob „Bildungsauftrag“ eigentlich das richtige Wort ist. Wir wollen die Kitas nicht verschulen.

Frau Janssen-Kucz hat damals gesagt: In den Augen der CDU sollen die Kinder im Kindergarten noch früher auf die Lernanforderungen in der Schule vorbereitet werden.

(Zuruf von der CDU: Was sagt sie heute?)

- Ja, was sagt sie heute? Gott sei Dank hat auch in diesem Zusammenhang ein Bewusstseinsveränderungsprozess stattgefunden. Das ist auch gut so.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Für uns ist es wichtig, dass wir sehen, dass durch das KICK und durch das TAG insgesamt eine größere Bedeutung für die unter 3-Jährigen erreicht wurde. Genauso hat auch die Kindertagespflege eine größere Bedeutung. Insofern war es schon verwunderlich, dass Sie in der Großen Anfrage allein auf Krippen quasi im Sinne eines Allheilmittels abstellen. Die SPD hat noch vor einem Jahr im Vorwärts Folgendes veröffentlicht: Schrittweise soll ein ausreichendes und flächendeckendes Netz von Krippenplätzen geschaffen werden. Die SPD will dabei ausgetretene Wege verlassen und beispielsweise auch Tagesmütter- oder -vätermodelle fördern. - Gut so. Durch die Anfrage erwecken Sie aber sehr stark den Eindruck, dass allein auf den Bereich der Kinderkrippen gesetzt werden soll.

Wir halten den Weg, den die von der CDU und FDP geführte Landesregierung eingeschlagen hat, für richtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es geht hier um frühkindliche Bildung. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal Zahlen nennen, die ich eigentlich entsetzlich finde. Ich will sie aber nennen, damit uns das gesamte Themenfeld noch einmal bewusst wird und wir erkennen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist. Ein Kind aus der sogenannten Mittelschicht kommt in der Zeit von der Geburt bis zur Einschulung auf eine Vorlese- und Bildbetrachtungszeit von 1 700 Stunden. Ein Kind aus einem sozial schwachen Milieu kommt im gleichen Zeitraum auf eine durchschnittliche Vorlese- und Bildbetrachtungszeit von 24 Stunden. 1 700 Stunden gegenüber 24 Stunden - das heißt, das wir hier enorm gefordert sind. Wir müssen auch die Familien entsprechend stärken,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

weil Familien nach wie vor auf der einen Seite die echte Wahlfreiheit, auf der anderen Seite aber auch eine gute Infrastruktur brauchen.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, nämlich den dritten Bereich der Großen Anfrage, den für uns so wichtigen Bereich der Aus- und Weiterbildung des Personals. Dieser Bereich ist bisher in seiner Komplexität noch nicht dargestellt worden. In der letzten Legislaturperiode hat die Arbeitsgemeinschaft der Fachschulen für Sozialpädagogik in

einer öffentlichen Anhörung - liebe Meta JanssenKucz, Sie erinnern sich - wortwörtlich Folgendes gesagt: Zeigen Sie mir einmal ein Angebot in der Fortbildung für Erzieherinnen und Erzieher, das es für die Sprachförderung im Kindergarten in unserem Lande gibt. Null in diesem Lande! - Das war die Situation unter der SPD-geführten Landesregierung. Wie sieht es heute aus? Der Kultusminister hat in der Beantwortung der Großen Anfrage „nur“ die Angebote dargestellt, die sein Haus explizit macht. Darüber hinaus - der Kultusminister wollte diese in seiner Bescheidenheit nicht nennen - gibt es noch zahlreiche andere Weiterbildungsangebote, insbesondere für die Sprachförderung, die musische Förderung, Qualifizierungskurse, Angebote für Tagespflegepersonen usw. Diese Angebote werden insbesondere von Trägern der Erwachsenenbildung in Niedersachsen unterbreitet.

Ich kann festhalten: Wir auf dieser Seite des Hauses sind auf dem richtigen Weg. Auf der anderen Seite des Hauses sitzen diejenigen - das wird auch an der Großen Anfrage deutlich -, die lamentieren und diskutieren wollen. Wir sind diejenigen, die handeln. So soll es bleiben und so wird es auch bleiben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat Frau Janssen-Kucz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Vockert, Sie haben recht. Kinderlachen ist Zukunftsmusik, und Kinder sind unsere Schätze. Dafür haben wir alle etwas zu tun. Es reicht nicht aus, sich hier hinzustellen und über die 90er-Jahre zu philosophieren, wer damals was wann wo gesagt hat. Das ist vielleicht interessant, aber das sind alte Kamellen, lieber Herr Busemann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir alle wissen, dass wir riesige Versäumnisse im Bereich der frühkindlichen Bildung, aber auch im schulischen Bereich haben, dass wir vor großen Herausforderungen stehen und dass wir uns sputen müssen, um diesen Herausforderungen auch wirklich zeitnah gerecht zu werden.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

Ansonsten hätte es den Kompromiss auf Bundesebene gar nicht gegeben.