Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Bologna-Prozess und seine Ziele haben meine Vorredner klar beschrieben. Worum geht es also in dem Antrag, dem wir uns heute widmen und den ich sehr gut finde? - Die Fragen, die wir heute stellen, sind: Wie wird dieser Bologna-Prozess in Niedersachsen gestaltet? Wird er optimal gestaltet? Wird alles getan, damit die niedersächsischen Universitäten und Fachhochschulen gestärkt aus dem Bologna-Prozess hervorgehen können? Konnten die Bedingungen für Studentinnen und Studenten an den Hochschulen so verbessert werden, dass sie alle Chancen, die ihnen der Bologna-Prozess bieten sollte, nutzen können? - Ich kann Ihnen heute sagen: Das ist nicht so. Diese Chancen können die Studenten nicht nutzen, weil der Wissenschaftsminister die Hochschulen nicht optimal ausgestattet hat.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Güntzler hat uns natürlich erzählt, dass die Bachelor-Master-Umstellung in Niedersachsen im Ländervergleich gut gelaufen sei. Daran gibt es in der Tat nichts zu mäkeln.

(Fritz Güntzler [CDU]: Vorbildlich! Platz 3!)

Das aber als einziges Synonym für den Antrag auf Qualitätssicherung zu definieren, ist ein bisschen zu kurz gegriffen. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legt den Finger in eine große

Wunde der niedersächsischen Wissenschaftspolitik. Es geht um die schlechte Ausstattung der Hochschulen. Es geht um die Frage: Wie können wir die Qualität angesichts dieser schlechten Ausstattung erhalten und sogar noch ausbauen?

Die Hochschulen - um auch dies deutlich zu sagen - strengen sich außerordentlich an und versuchen, die Bachelor-Master-Umstellung zu einem Erfolg zu machen. Die schlechten Rahmenbedingungen geben ihnen aber kaum die Chance, auf zwei wichtige Ziele zu achten, nämlich zum einen auf die Gewährleistung der Qualitätssicherung der Studienangebote und zum anderen auf die Verbesserung der Studienbedingungen für Studentinnen und Studenten. Das, Herr Wissenschaftsminister, müssen Sie verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Qualitätssicherung an Hochschulen kann aber

nicht allein Aufgabe von Akkreditierungsagenturen sein, sondern die Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, selbst definierte Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen. Meine Fraktion hat auch klare Vorstellungen davon, wie das zu funktionieren hat. Wir brauchen wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hochschulentwicklungsplanung. Wir brauchen eine noch weiter reduzierte Lehrverpflichtung für Studiendekane

und Studiengangsbetreuer. Vor allem aber brauchen wir eine bessere Betreuungsrelation.

(Beifall bei der SPD)

Alle Mitarbeiter an den Hochschulen sind aufgrund der Bachelor-Master-Struktur gefordert, mit den Studierenden viel enger zusammenzuarbeiten und sie durch die stark verschulten und modularisierten Studiengänge zu führen. Außerdem müssen sie die stark komprimierten Lehrinhalte, die die Kollegin von den Grünen auch schon angesprochen hat, vermitteln.

Die zusätzlichen Mittel, die die Hochschulen für eine zielführende Umsetzung der Studienreform brauchen, wie sie alle Experten fordern, stellt diese Landesregierung aber nicht zur Verfügung, sondern sie lässt die Hochschulen allein. Wie also reagieren nun die Hochschulen? - Sie reduzieren ihre Studienplatzkapazitäten, und nicht für jeden Bachelorstudiengang kann auch ein Masterangebot vorgehalten werden.

(Fritz Güntzler [CDU]: Das muss ja auch nicht sein!)

Auch nicht für jeden Bachelorabsolventen kann es ein Masterangebot geben. Ich glaube, es kann im Interesse einer ordentlichen und qualifizierten

Ausbildung nicht in unserem Sinne liegen, dass wir so mit der Perspektive von jungen Menschen umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Hinzu kommt, dass der Anteil der zulassungsbeschränkten Zugänge in Niedersachsen massiv

zugenommen hat. 63 % aller Studiengänge sind inzwischen NC-beschränkt - an den Fachhochschulen sind es sogar mehr als 80 % -, sodass selbst in den Fächern, in denen ein Mangel besteht - beispielhaft nenne ich Ingenieurwissen

schaften, Informatik, Elektrotechnik -, Studierwillige durch NCs ausgeschlossen werden, obwohl wir qualifizierte Kräfte brauchen. Wir können heute sagen, Herr Stratmann, dass die Chancen für Schulabgänger, in Niedersachsen eine akademische Ausbildung aufzunehmen, so schlecht sind wie noch nie zuvor.

(Beifall bei der SPD)

In der aktuellen Form ist der Hochschulpakt unterfinanziert; denn es gibt noch ein weiteres politisches Ziel, das wir alle verfolgen sollten: 40 % eines Jahrgangs sollten zur akademischen Ausbildung geführt werden können. Das können unsere Hochschulen zurzeit aber überhaupt nicht gewährleisten.

Ein Gradmesser für Qualitätssicherung, Herr

Stratmann, ist auch die Erfolgsquote. Das heißt: Wie viele Studierende können ihr Studium erfolgreich abschließen? - Der Umfang der Zahl der Studienabbrecher ist ein Kriterium für Qualität, für Erfolg und auch für die Effektivität der akademischen Ausbildung. Da sind wir leider nicht bundesweit Spitze. Wir haben dazu eine Kleine Anfrage gestellt, die Ihr Ministerium aber leider mehr als dürftig beantwortet hat. Aus dieser Antwort auf unsere Kleine Anfrage konnten wir entnehmen: Mehr als 4 000 Studierende haben sich im Sommersemester nicht zurückgemeldet. Niemand

weiß, was diese Studierenden jetzt eigentlich machen und weshalb sie sich nicht zurückgemeldet haben. Sie mussten exmatrikuliert werden. Zudem haben sich an den niedersächsischen Hochschulen in den letzten zwölf Monaten mehr als 10 000 Studierende beurlauben lassen. Niemand weiß, warum sich diese Studierenden haben beurlauben lassen. Das muss uns doch mit Sorge erfüllen.

14 000 Studierende sind von den Hochschulen verschwunden, und wir wissen nicht, warum.

(Beifall bei der SPD)

Herr Stratmann, ich glaube, Sie müssen sich dringend Gedanken darüber machen, wie Sie hier Ursachenforschung betreiben wollen. Die Ausrede, dass die amtliche Statistik darüber keine Auskunft gebe, kann nicht ausreichen. Wir müssen der Frage nachgehen. Wenn wir es nicht machen, dann müssen wir die Hochschulen in die Lage versetzen, diese Schwachstellen herauszufinden und dagegen anzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als SPD-Fraktion unterstützen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Wir möchten, dass die Hochschulen bei der Bewältigung des Bologna-Prozesses in Zukunft stärker unterstützt werden, als dies bislang der Fall ist. Deswegen stimmen wir ihm zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion! Dieser Antrag mischt nach unserer Auffassung Selbstverständlichkeiten, Halbwahrheiten und Einseitigkeiten und zieht daraus auch noch falsche Schlüsse.

Kommen wir einmal zu dem, was Sie unter den Spiegelstrichen zusammengefasst haben und was der Landtag feststellen soll!

Erster Spiegelstrich. Sie sprechen von „hohen Erwartungshaltungen“. Ich weiß nicht, welche Erwartungen Sie, die Grünen, an BA und MA gestellt haben. Aber es ist ausgesprochen billig, die Latte erst utopisch hoch legen zu wollen, um hinterher triumphieren zu können und zu sagen: Ätsch, nicht geschafft! - Wem soll dieser miesmacherische Defätismus eigentlich nutzen?

(Beifall bei der FDP)

Wie kommen Sie zu der Behauptung, die Qualität der Hochschulausbildung bei BA und MA erfülle

nicht die Erwartungen? Haben Sie dazu Zahlen, die Sie uns vorlegen können?

Finden die ersten Jahrgänge der Bachelorabsolventen keine Jobs, weil sie schlecht ausgebildet sind? - Nein, die Unternehmen, die Wirtschaft stellen sie mit Freuden ein.

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Anfängerzahlen bei den Masterstudiengängen gesunken sind, ganz entgegen Ihrer Prognose und Ihrer planwirtschaftlichen Übergangsquotenfixie

rung. Die Bachelors sind gut ausgebildet, und deswegen werden sie zu guten Gehältern eingestellt. Deswegen sehe ich auch überhaupt keinen Sinn darin, sofort ein wissenschaftsbezogenes

Masterstudium anzuhängen.

Zweiter Spiegelstrich. Sie haben recht: Struktur sagt meist nichts über Qualität. Aber eben auch nichts Negatives!

(Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

Insofern ist der zweite Spiegelstrich ein Muster ohne Wert.

Dritter Spiegelstrich. Das Gegenteil ist genau richtig. Viele freuen sich über die strafferen Studienbedingungen, weil sie schneller und zielführender studieren können. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, verwechseln offenbar akademische Freiheit mit der Lizenz zum Schlendrian.

(Beifall bei der FDP)

Vierter Spiegelstrich. Dass die Akzeptanz des Bachelors in der Wirtschaft stark von der Qualität des Studiums abhänge, dazu kann ich nur sagen: Donnerwetter, wer hätte das gedacht? Mir fällt dazu nur ein: banale Leeraussage.

Fünfter Spiegelstrich. Genau das ist eben falsch; denn natürlich kann man gerade deswegen Kapazitäten in die betreuungsintensiven Bachelorstudiengänge verlegen, weil man sie in den Masterstudiengängen nicht mehr in dem Maße braucht wie vorher für die Diplomstudiengänge. Schließlich fühlt sich nicht jeder Student zum Forscher berufen, sondern ihm reicht ein solides Ausbildungsstudium, und er will schnell in den Beruf.

Zu Ihren Forderungen. Ganz generell: Dass wir mehr Geld in die Bildung und damit auch in die Hochschulen investieren sollten, das ist uns allen