Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sich ausgerechnet am Tag von SPNV-Kürzungen in der Aktuellen Stunde für die SPNV-Erfolgsgeschichte feiern lassen zu wollen, ist schon dreist. Unter TOP 3 der heutigen Tagesordnung kürzen Sie nämlich die Mittel für den SPNV im neuen Landesnahverkehrsgesetz.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Guck an!)

Sie feiern das in der Gesetzesbegründung auch noch als Gerechtigkeit, weil Sie die Mittel angeblich linear im ÖPNV und SPNV zusammenstreichen. Sie sagen: Das ist gerecht. - Sicherlich haben die Kürzungen von Koch/Steinbrück Auswirkungen gehabt. Die Landesregierung hat sie aber selbst im Bundesrat mit durchgewunken. Viele andere Bundesländer haben diese Kürzungen dagegen durch erheblichen Einsatz eigener Mittel ausgeglichen.

(David McAllister [CDU]: 30 Millionen!)

In Niedersachsen: Fehlanzeige! Ich komme gleich zu den 30 Millionen.

Im Haushaltbegleitgesetz 2006 sind die Kürzungen wie folgt festgelegt worden: 66 Millionen Euro für 2008 und 75 Millionen Euro für 2009. Außer den jeweils 15 Millionen Euro für 2008 und 2009 haben Sie die Kürzungen nämlich an die Aufgabenträger, also die Region Hannover, den Zweckverband Braunschweig und die Landesnahverkehrsgesellschaft, weitergegeben. Sollen doch die unten vor Ort damit fertig werden, zulasten der Qualität des SPNV und damit zulasten der Kunden. - Das ist Ihre Devise!

Um die Sparwut wenigstens etwas zu kaschieren, ist mit der Nachfinanzierung noch die Auflage verbunden, bei den Leistungen nicht zu kürzen. Dies geht dann voll zulasten der längerfristigen Investitionen, wird für den Bürger aber erst in den Folgejahren bemerkbar werden. Ganz besonders wird davon z. B. der Zweckverband Braunschweig betroffen sein, der in der Vergangenheit die Regionalisierungsmittel fast ausschließlich für mehr Leistungen in der Personenbeförderung eingesetzt hat, wie beispielsweise der Taktverdichtung. Dort gehen die Kürzungen also voll zulasten der Leistungen für die Bürger. Diese Landesregierung schwächt damit im Flächenland Niedersachsen gleichermaßen die Zentren und den ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren, halten wir fest: Die früheren SPD-geführten Landesregierungen haben im Zuge der Regionalisierung das erste Landesnahverkehrsgesetz eingebracht. Wir waren es, die gegen Ihren Widerstand die Landesnahverkehrsgesellschaft eingerichtet und mit den zentralen Aufgaben der Sicherung und Entwicklung der Mobilität durch den Ausbau des SPNV und ÖPNV beauftragt haben. Die Landesnahverkehrsgesellschaft hat durchaus erfolgreich gearbeitet - egal, ob durch die Einführung des Wettbewerbs, die Schaffung eines Fahrzeugpools oder auch durch die Förderung innovativer Verkehrskonzepte. Dies zeigen nicht zuletzt die stark gestiegenen Fahrgastzahlen und die Mehrleistungen der Verkehrsunternehmen.

Wesentliche Grundlage für die Arbeit der Landesnahverkehrsgesellschaft ist der auf zehn Jahre ausgelegte Nahverkehrsvertrag, der eine schrittweise Öffnung des Marktes im SPNV mit sich brachte. Dieser Nahverkehrsvertrag, der noch vor fünf Jahren von Ihnen scharf kritisiert wurde, stellt die Grundlage für eine behutsame und erfolgreiche Politik der Wettbewerbsöffnung im Schienenverkehr dar. Die NordWestBahn war bereits unterwegs, als Sie 2003 die Regierungsverantwortung übernommen haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Insofern haben Sie versucht, unsere gute Arbeit fortzusetzen. Was Sie aber jetzt machen, ist, die unbestreitbaren Erfolge des SPNV durch Ihre Kürzungen infrage zu stellen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben Ihr Thema der Aktuellen Stunde „Die Weichen sind richtig gestellt - SPNV ist in Niedersachsen eine Erfolgsgeschichte“ genannt. Die Überschrift ist passend. Sie sollten sich aber noch einmal überlegen, wer eigentlich die Weichen gestellt hat. Sie nicht, Herr Hirche! Das hat bereits die Vorgängerregierung gemacht!

Meine Damen und Herren, aber schon 2003 ging es sofort mit dem Aushebeln des Landesvergabegesetzes los, um den ÖPNV dem ruinösen Wettbewerb auszusetzen: Wettbewerb um deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Mitarbeiter, Kürzung der Regionalisierungsmittel um den Landesanteil an der Schülerbeförderung, zunächst um 50 % und dann um alles. Dann erfolgten die Kürzung der 45a-Mittel in der Personenbeförderung, selbst mit Druck auf die Verkehrsunternehmen, sowie der Wegfall der Omnibusförderung und im Zuge der jetzt geplanten Neuregelung die Kürzung des Bahnhofssanierungsprogramms und der Wegfall des Haltestellenprogramms.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen als Flächenland braucht einen gut funktionierenden SPNV und ÖPNV. Alle Anhörungen der letzten Monate haben gezeigt, dass Kürzungen jetzt kontraproduktiv sind. Um den Qualitätsstandard zu halten und mittelfristig durch mehr Wettbewerb noch mehr Wirtschaftlichkeit zu erreichen, brauchen SPNV und ÖPNV vorübergehend einen Ausgleich für die Kürzungen. Ganz bestimmt braucht der SPNV keine wahlkampfbedingten Jubelfeiern hier im Landtag!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Frau Kollegin König, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersachsen kann auf seinen Schienenpersonennahverkehr in der Tat stolz sein. Seit dem Jahre 1996, mit der Einführung der Regionalisierungsgesetze, ist die Verantwortung für den ÖPNV auf die Länder übergegangen. Der SPNV ist seitdem kaum wiederzuerkennen. Was die Landesnahverkehrsgesellschaft für das Land bzw. die Träger in Hannover und Braunschweig geschaffen

hat, ist beachtlich und beispielhaft. Durch die konsequente Ausrichtung auf die Qualität der Angebote sind die Züge besonders gut ausgelastet. Diese hohe Auslastung verdankt das Land natürlich auch dem modernen Fahrzeugpool, den die Landesnahverkehrsgesellschaft bereitgestellt hat.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das ist schon einmal falsch!)

Besonders bedeutsam ist aber der hohe Anteil am Wettbewerb, den wir erreicht haben. Während der Marktanteil eines ehemaligen Monopolisten DB Regio bundesweit 84 % beträgt, sind es in Niedersachsen lediglich 46 %. Den Rest teilen sich die verschiedensten Wettbewerber untereinander auf.

Gerade in Bezug auf Service und Qualität des Angebotes haben diese Wettbewerber der Bahn viel erreicht. Dies gilt auch für die neuen Angebote. Wer sieht, mit welcher Begeisterung die neue SBahn-Verbindung in der Region Stade begrüßt wurde - dies hat Herr McAllister eben deutlich gesagt -, stellt fest, wie stark das Angebot akzeptiert wird und wie wichtig der SPNV für die Verbindung dieser Region mit den Zentren ist.

Nach wie vor sind aber nicht alle Strecken frei ausgeschrieben. Sobald dies ab 2012 geschehen ist, können wir sagen, dass der SPNV vollständig liberalisiert ist. Selbst der VCD hält dies für ausgesprochen positiv, was er sonst in der Regel leider nicht tut. Ich bin sicher, dass wir dadurch das Wachstum bei den Passagierzahlen aufrechterhalten können. In den letzten zehn Jahren waren dies immerhin 40 %. Damit liegt Niedersachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der lediglich 24 % beträgt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein großer Erfolg ist auch das Bahnhofssanierungsprogramm, das von dieser Landesregierung maßgeblich weitergeführt wurde und das im Moment keineswegs nicht fortgeführt wird, wie Herr Will dies gerade ausgeführt hat. Dieses Programm wird nach wie vor weiterverfolgt.

(Beifall bei der FDP)

Dafür sind umfangreiche Mittel eingesetzt worden. Bahnhöfe sind nach wie vor eine Visitenkarte der Städte. Die Bahnhöfe gehören modernisiert, und das trotz Haushaltskonsolidierung und Streichung der Regionalisierungsmittel durch die Bundesregierung.

Diese Erfolge werden auch nicht durch die Kürzungen des Bundes bei den Regionalisierungsmitteln geschmälert. Auch wenn die Opposition gerne behauptet, wir würden den Nahverkehr kaputtsparen, ist dies überhaupt nicht der Fall. Das Gegenteil ist vielmehr richtig.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Auch durch Beschwörung, wenn Sie so et- was erzählen, wird es nicht wahr!)

Wir haben genau geprüft, welche Auswirkungen die Kürzungen auf welche Strecken haben würden, und dann entsprechende Landesmittel bereitgestellt, um Abbestellungen weitestgehend zu vermeiden.

Es bleibt festzustellen: Der SPNV in Niedersachsen ist eine Erfolgsgeschichte, die von dieser Landesregierung eindrucksvoll fortgeführt wird und auch weiter fortgeführt werden soll.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Hagenah hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr McAllister und Frau König, „Weniger direkt, aber miese Anschlüsse“ - das titeln die Osnabrücker Nachrichten zum Fahrplanwechsel. Dies ist die Position dazu, wie sich der Schienenpersonennahverkehr in Niedersachsen in der Fläche darstellt.

(David McAllister [CDU] hält eine Zei- tung hoch)

- Eine Schwalbe bzw. eine S-Bahn macht noch keinen Sommer, Herr McAllister. In Ihrer Region ist gerade etwas Nettes passiert. Schön! Aber dazu komme ich noch.

Die Themensetzung für Aktuelle Stunden vonseiten der Regierungskoalition wird mit dem näherkommenden Wahltermin von Mal zu Mal plumper und erzwungener rosarot, Herr McAllister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie Sie ausgerechnet darauf kommen, Ihr Stiefkind, nämlich den Schienenverkehr, heute verbal hochzujubeln, vermag sicherlich nicht nur ich nicht nachzuvollziehen. Seit Regierungsantritt nehmen

Sie, Herr McAllister, sehenden Auges in Kauf, dass der ÖPNV in Niedersachsen auf Verschleiß gefahren wird. Sofort kam Ihr Griff in die Kasse des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Der bis dahin vorübergehende Sündenfall der SPD-Alleinregierung, den SPNV mit nur 40 % aus der GVFGKasse zu versorgen, wurde von Ihnen zur Dauerungerechtigkeit. Schrittweise haben Sie dann noch die Regionalisierungsmittel des Bundes geplündert, holen sich nun bis zu 90 Millionen Euro jährlich aus diesem Topf für Ihre originäre Landesaufgabe, nämlich für die Finanzierung der Schülerbeförderung, und verhindern damit die nötigen strukturellen Verbesserungen im SPNV in Niedersachsen.

(David McAllister [CDU]: Schau mir in die Augen, Kleiner! - Heiterkeit bei der CDU)

Vor dem Hintergrund dieses finanziellen Aderlasses, Herr McAllister, ist es sicherlich eine reife Leistung der Landesnahverkehrsgesellschaft, durch gutes Ausschreibungsmanagement in einigen Regionen Niedersachsens dennoch Angebotsverbesserungen erzielt zu haben.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Mit dem Haller Willem, dem Metronom von Cuxhaven bis Göttingen und der neuen S-Bahn zwischen Stade und Harburg konnten in den letzten Jahren trotz Ihrer ÖPNV-feindlichen Politik, Herr McAllister, noch einige Angebotsverbesserungen in Niedersachsen erzielt werden. Aber wie viele Versprechen mussten wegen Ihrer finanziellen Aushöhlung des Schienenverkehrs schon gebrochen werden? Wie viele Projekte wurden in Ihrer Verantwortung endlos verzögert oder sogar ganz vertan, Herr McAllister? - Die RegionalStadtBahn Braunschweig ist weiter eine Hängepartie.

(Hermann Eppers [CDU]: Kommt!)

- Die kommt schon seit fünf Jahren, Herr Kollege.

(Hermann Eppers [CDU]: Das liegt aber am Großraum!)

Die ganze Region ist inzwischen ein offener Steinbruch Ihrer Sparmaßnahmen. Der Ausbau der Heidebahn stockt, die Strecke Göttingen - Bodenfelde wird nicht modernisiert, und das Ausbauprogramm für Bahnhöfe liegt auf Eis. Wer selbst so wenig investiert, hat auch gegenüber der Bahn AG

wenig Argumente, wenn sie die niedersächsischen Schienenwege verkommen lässt. Das Ergebnis: In den vergangenen drei Jahren hat der Umfang der Langsamfahrstrecken, Herr McAllister, in Niedersachsen um ein Drittel zugenommen. Im Frühjahr warnte sogar Ihr Verkehrsminister Hirche vor dem zunehmenden desolaten Zustand der Schieneninfrastruktur in Niedersachsen. Nun wollen Sie das kurz vor der Wahl zu Ihrer Erfolgsgeschichte umdefinieren? - Das ist doch lächerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Herr Hagenah, das glauben Sie ja noch nicht einmal sel- ber! Herr Hagenah, geben Sie auf!)