Meine Damen und Herren Sie erwecken den Eindruck, als wenn das System, das Sie wollen, irgendetwas mit dem finnischen System zu tun hätte. Dem ist aber nicht so. Sie wissen, dass es hier Differenzierungsmöglichkeiten für besonders Begabte gibt, dass es eine Personalausstattung gibt, nach der drei, vier Lehrkräfte in einer Lerngruppe arbeiten. Das ist Bedingung; dann funktioniert das vielleicht. Sie wissen auch, dass die Struktur in Finnland nicht mit unserer vergleichbar ist. 95 % der Schulen in Finnland haben weniger als 60 Schüler.
Meine Damen und Herren, mich ärgert besonders, dass Sie die Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen schlechtreden, weil Sie Argumente für Ihre gemeinsame Schule brauchen.
Ich sage Ihnen: Die Lehrer bei uns arbeiten genauso engagiert. Sie haben kein Verständnis, wenn sie von Ihnen immer wieder hören müssen bzw. ihnen unterschwellig unterstellt wird, dass sie unzureichend fördern oder Schwache benachteiligen. Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Das ist nicht nur Unfug, sondern das ist eine Unverschämtheit. Sie beteiligen sich an der Faule-Säcke-Diskussion, nur auf etwas subtilere Art. Genau das machen Sie.
Hören Sie mit der Argumentation auf, dass Kinder, die nach der vierten Klasse eine Hauptschule besuchen, die großen Verlierer der Gesellschaft sind. Ich kann das nicht mehr hören. Herr Meinhold, Sie waren doch auch Lehrer an einer Hauptschule. Sie müssten es eigentlich auch nicht mehr hören können, weil das eine Unverschämtheit ist und nicht stimmt. Sie fangen mit einem Bildungsgang in der fünften Klasse an und lernen in der Hauptschule Dinge, die sie an keiner anderen Schule so lernen wie dort.
Meine Damen und Herren, der Bildungsgang ist nicht nach der vierten Klasse zu Ende. Sie sollten einmal darauf schauen, wie viele Leute aus diesem Weg in die Hochschulen kommen. Das Schulsystem über die berufsbildenden Schulen ist so durchlässig, dass rund die Hälfte aller Studienanfänger nicht aus dem Gymnasium kommt, sondern aus der dualen Ausbildung. Das ewige Gerede von der Sackgasse, meine Damen und Herren, stimmt mit der Realität nicht überein.
Und dann kommt der schöne Punkt mit der Wohlfühlschule, Herr Meinhold - Sie haben ihn noch nicht genannt, aber die Grünen sagen es immer -: keine Zensuren, kein Sitzenbleiben.
Ich habe eine Podiumsdiskussion erlebt, bei der selbst die Schüler über solche Argumente gelacht haben. Meine Damen und Herren, es ist keine Frage: Wir brauchen Schulen, in denen man sich wohlfühlen kann. Wir brauchen auch Schulen mit einem tollen Arbeitsklima. Aber wir brauchen auch Schulen, die Leistung abfordern und in denen von unseren Schülern Lernbereitschaft gefordert werden muss. Das ist doch selbstverständlich. Aber die vielleicht wichtigste Frage, die uns allen unter den Nägeln brennt, ist: Wie sieht es mit den Kindern aus sozial schwächeren Familien aus? - Meine Damen und Herren, dieses Problem lösen Sie nicht mit einer Einheitsschule, sondern nur dann, wenn Sie Maßnahmen dagegen ergreifen: mehr Unterricht, bessere Sprachförderung, bessere Fördermaßnahmen, neue inhaltliche Schwerpunkte und mehr Ganztagsschulen. Darauf kommt es an. Dies haben wir auf den Weg gebracht, und dies werden wir auch weiterhin auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren, hören Sie mit dieser ständigen Schulstrukturdiskussion auf! Beteiligen Sie sich lieber an den Qualitätsmaßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben! Dann liegen Sie im deutschen und europäischen Rahmen richtig. Das, was Sie machen, hilft uns nicht, sondern stört uns bei unserer Arbeit! - Danke schön.
Mir liegen jetzt zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vor, und zwar von Herrn Jüttner und von Frau Korter. Herr Jüttner, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Klare hat mir einen Brief geschrieben. Ich habe ihn beantworten lassen. Aber dieses Schreiben liegt ihm augenscheinlich noch nicht vor.
Herr Klare, Sie können sich entscheiden: Entweder haben Sie eklatante Schwächen beim sinnentnehmenden Lesen - dies wäre gravierend; ich möchte Ihnen dies nicht unterstellen -,
oder Sie sind - das ist die Alternative dazu - verleumderisch und bösartig. Das unterstelle ich Ihnen allerdings.
Ich habe hier das Regierungsprogramm, das uns in den nächsten fünf Jahren bindet. In diesem steht: Wir streben an, bis zum Jahre 2013 eine „gemeinsame Schule“ anzubieten. - Der Text geht weiter: Alle bestehenden Schulen des Sekundarbereichs können in „gemeinsame Schulen“ umgewandelt werden.
Das setzt die Zustimmung der Eltern und der Schulträger voraus. Das haben wir Ihnen mehrmals erzählt. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann sind Sie verleumderisch und bösartig.
„unterrichtet Kinder mit Behinderungen wie in der Grundschule integrativ, in Kooperationsgruppen oder in angegliederten Förderschulen.“
Auch dort gilt der Elternwille, meine Damen und Herren. Ich bin es langsam leid, mich in dieser Art mit Ihnen auseinanderzusetzen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Klare, Sie haben hier aus einer Umfrage zitiert, die im Auftrag des Philologenverbandes bundesweit 1 000 Bundesbürger nach ihrer Meinung zur Schulstruktur gefragt hat. Darin hat sich eine Mehrheit gegen die Einheitsschule ausgesprochen - eine Schulform, die überhaupt niemand fordert und die es auch gar nicht gibt.
Die Frage ist ja immer: Wen und was fragt man eigentlich? - Beispielsweise im Juli hat in Berlin eine Umfrage von Infratest dimap ergeben, dass sich 59 % der Befragten für eine Gemeinschaftsschule, also eine Schulform, die durchaus in Programmen von Parteien vorkommt, ausgesprochen haben. Noch in diesem Jahr hat die Elternkammer in Hamburg die Elternvertreter der Grundschulen gefragt, also diejenigen, die jetzt die Schullaufbahnentscheidung treffen sollen, was sie für ihr Kind wollen. Knapp 60 % der Eltern haben sich für eine „Schule für alle“ und nur 40 % für das sogenannte Zweisäulenmodell ausgesprochen. Von Ihrer Hauptschule spricht in Hamburg schon gar niemand mehr.
Herr Klare, noch eines: Sie haben eben gesagt, in integrativen Schulen würden die schwachen Kinder immer die Verlierer sein. Wer so etwas hier von sich gibt, Herr Klare, der beleidigt und diffa
miert die Arbeit all der Kolleginnen und Kollegen in den Integrationsklassen, die dort hervorragend arbeiten.
Sehr geehrte Frau Korter, wenn eine Schule eine Einheitsschule ist - das ist ja gar kein abwertender Begriff - -
Bei des Grünen ist das etwas anders als bei der SPD: Sie wollen in dieser gemeinsamen Schule - Sie nennen sie „neue Schule“ - alle Kinder beschulen, von den Behinderten bis zu den Hochbegabten. Sie beginnen schon ab der 1. Klasse, während die SPD erst ab der 5. Klasse beginnt. Ist das denn etwas anderes als eine Einheitsschule, Frau Korter?
Wenn man eine Umfrage infrage stellt und eine andere hinzuzieht, dann ist man ertappt, meine Damen und Herren. Sie sind mit dieser Umfrage auf dem falschen Fuß erwischt worden, weil Sie glaubten, alle Eltern wollten ihre Kinder auf Ihre Einheitsschule schicken. Das wollen sie aber nicht, sondern sie wollen ihre Kinder auf eine Schule in einem differenzierten Schulwesen schicken. Ich habe vorhin bewiesen, dass das differenzierte Schulwesen in seiner Breite tolle Ergebnisse bringt.
Herr Jüttner, mehr als aus einem beschlossenen Programm wörtlich zu zitieren, kann ich doch nun wirklich nicht tun. Aber ich habe ja schon gesagt, warum Sie nicht mehr zu Ihrem Programm stehen: Sie haben nämlich Angst vor Eltern, die das, was Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen haben, nicht mitmachen wollen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg etwas Grundsätzliches sagen: Wenn eine niedersächsische Schule den Deutschen Schulpreis oder eine andere Schule in einem anderen Wettbewerb einen Hauptschulpreis bekommt, wenn eine Gesamtschule einen MatheWettbewerb gewinnt, wenn eine Förderschule preisgekrönt wird oder wenn junge Leute aus unseren Schulen bei „Jugend forscht“ vorne sind, dann freuen wir uns uneingeschränkt und finden es toll, dass es so gekommen ist.