Protokoll der Sitzung vom 16.01.2008

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen! Für heute haben entschuldigt: von der CDU-Fraktion Frau Jahns und Herr Kemmer und von der SPD-Fraktion Herr Schack.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Ich rufe nun die Punkte 1 und 2 vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 1: Besprechung: Einsetzung eines 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4066 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4083 - Beschlussempfehlung des Ältestenrats

Drs. 15/4114 - Unterrichtung - Drs. 15/4136 Bericht des 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - Drs. 15/4370

Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung: Konsequenzen aus den Fehlern beim Vergabeverfahren für das Baulos 1 beim Projekt JadeWeserPort in Wilhelmshaven Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4366

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landtag hat in seiner 128. Sitzung am 17. Oktober 2007 den Beschluss gefasst, zur Aufklärung des Vergabeverfahrens für den JadeWeserPort den 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

einzusetzen. Dieser Untersuchungsausschuss hat seinen Bericht gemäß Artikel 27 Abs. 5 unserer Verfassung in der Drucksache 4370 vorgelegt und damit seine Arbeit beendet. Die genannte Drucksache enthält - wie bekannt - zusätzlich den Minderheitsbericht der Ausschussmitglieder der Frak

tion der SPD und des Ausschussmitgliedes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ich eröffne die Beratung. Mit der Berichterstattung ist die Kollegin Bockmann betraut. Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Streit um den Bauauftrag für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven hat seit Monaten in diesem Landtag für Wirbel gesorgt. Die Kosten für dieses Jahrhundertprojekt der Länder Bremen und Niedersachsen belaufen sich immerhin auf 1 Milliarde Euro.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine Vorbemerkung: Im 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum JadeWeserPort hat kein Zeuge und kein Ausschussmitglied diesen Hafen jemals infrage gestellt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ganz im Gegenteil! Politik und Fachwelt waren sich einig, dass dies ein Stück Zukunft für unser Land Niedersachsen ist. Diese Zukunft muss möglichst schnell kommen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wenn wir die Historie des JadeWeserPorts chronologisch kurz skizzieren, ergibt sich folgendes Bild: Anfang April berichten die Medien über die fristlose Entlassung des Technischen Leiters des JadeWeserPorts. Er soll zu enge Kontakte zu einem der Bewerber um den Bauauftrag gehabt haben.

Am 27. April vergibt die Realisierungsgesellschaft den Auftrag von rund 480 Millionen Euro an ein Konsortium um den Essener Baukonzern Hochtief. Die unterlegene Bietergemeinschaft mit dem Papenburger Bauunternehmen Bunte kündigt rechtliche Schritte gegen diese Entscheidung an. Schon zwölf Tage später, also am 9. Mai, beantragen Bunte und Partner die Überprüfung dieser Entscheidung bei der Vergabekammer in Lüneburg. Einen Monat später gibt die Vergabekammer den Klägern in Teilen recht und verlangt eine erneute Prüfung des Bunte-Angebotes. Außerdem soll die Realisierungsgesellschaft prüfen, ob im HochtiefAngebot alle Kosten enthalten sind.

Am 29. Juni 2007 teilt die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft mit, dass nach erneuter Prüfung das Konsortium um Hochtief das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt habe und den Auftrag erhalten solle. Noch am selben Tag wird es Bunte zu bunt, und Bunte reicht beim Oberlandesgericht Celle eine Klage ein, um eine endgültige Entscheidung zu erhalten, um diesen Streit zu beenden. Und das mit Erfolg! Am 5. September schließt das Gericht in Celle das Konsortium um Hochtief vom Vergabeverfahren für den JadeWeserPort aus.

Nachdem sich am 11. September 2007 der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen dieses Landtages mit den Vorgängen befasst hatten, beantragten die Mitglieder der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unter dem 14. September 2007 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Auf der Grundlage einer modifizierten und ergänzten Fassung wurde der 20. Parlamentarische Untersuchungsausschuss dann mit einstimmigem Landtagsbeschluss vom 17. Oktober, also von allen Fraktionen getragen, eingesetzt.

Bereits zwei Tage später, am 19. Oktober 2007, fand die erste, die konstituierende Sitzung dieses Ausschusses statt. Startschuss für die Sachaufklärung war der 29. Oktober vor Ort in Wilhelmshaven. In der Folgezeit fanden 21 Sitzungen - meist ganztägig; zum Teil dauerten sie bis zu elf Stunden - statt. In diesen Sitzungen vernahm der Untersuchungsausschuss 27 Zeugen und - die Bemerkung sei mir erlaubt Herrn Dr. Henning

(Heiterkeit)

- Diejenigen, die dabei gewesen sind, werden mich verstehen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war das Kulturprogramm!)

Vier Zeugen - unter ihnen Herr Holtermann - erschienen mehrfach.

Der Ausschuss fasste 19 Beweisbeschlüsse. Die jeweiligen Beweiserhebungen fanden, wie in Artikel 27 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung vorgesehen, grundsätzlich in öffentlicher Sitzung statt. In zwei Fällen wurde ein Zeuge zusätzlich noch in einer nicht öffentlichen Sitzung vernommen, weil dabei auf Unterlagen Bezug ge

nommen wurde, die als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse eingestuft worden waren.

Zur Aufklärung der Vorgänge sind 400 Aktenordner sowie diverse DVDs ausgewertet worden. So wurden Akten nicht nur von den beteiligten Ministerien und sonstigen Stellen der Niedersächsischen Landesregierung beigezogen, sondern auch von der bremischen Landesregierung, den privatrechtlich organisierten JadeWeserPort- und den bremenports-Gesellschaften, der Vergabekammer in Lüneburg, dem Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle und dem Niedersächsischen Landesrechnungshof. Der Umfang der Akten stellte dabei große Anforderungen an alle Beteiligten. Deshalb danke ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien und vor allem allen Ausschussmitgliedern für die geleistete Arbeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Auf einen Aspekt möchte ich im Zusammenhang mit der Aktenauswertung besonders eingehen, nämlich auf die besonderen Schwierigkeiten damit, dass tatsächliche oder zumindest behauptete Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Firmen zu berücksichtigen waren. Insbesondere die Bremer Landesregierung verlangte, weite Teile der von ihr übersandten Akten wegen Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen nur in vertraulicher Sitzung zu behandeln. Eine überzeugende Begründung haben wir trotz Nachfrage niemals erhalten. Auch eine Auflistung der eventuell betroffenen Schriftstücke war aus Bremen nicht zu bekommen. Dieses Verhalten, das quasi einen Ausschluss der Öffentlichkeit bedeutet hätte, wurde vom Untersuchungsausschuss einhellig kritisiert und als spürbar erschwerend für seine Arbeit angesehen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

In vielen Fällen konnte der Ausschuss wichtige Schriftstücke, z. B. beim Vorhalten bei Zeugenvernehmungen, nur verwenden, wenn ein Doppel in niedersächsischen Akten vorhanden war. Dies erforderte aber zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und deren Zuarbeiter. Hinzu kommt, dass die Aus

schussmitglieder einer erheblichen Unsicherheit in strafrechtlicher Hinsicht ausgesetzt sind, wenn sie die Bremer Kriterien falsch anwenden. Dies ist - erlauben Sie mir diese Wertung - nicht akzeptabel.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die demokratische Streitkultur in dem Untersuchungsausschuss ist aber durch diese Bremer Besonderheit besonders gefördert worden. Auf Vorschlag des Kollegen Hagenah, mit besonderer Unterstützung der Kollegen Dinkla und Will, hat sich der gesamte Ausschuss einmütig vor den Kollegen Bode gestellt. Die Bremer Senatskanzlei hatte mit Datum vom 6. Dezember das angebliche Zitieren vertraulicher Unterlagen durch Herrn Bode gerügt. Herr Bode hatte aber diese Unterlagen aus den freigegebenen - damit wird das Problem deutlich - niedersächsischen Akten zitiert. Das ist der Senatskanzlei in Bremen in einem Schreiben der Vorsitzenden ausdrücklich klargemacht worden.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich erwähne dies aus drei Gründen, erstens weil alle Ausschussmitglieder die Auffassung vertreten haben, dass dieses Problem einer grundsätzlichen Klärung in der nächsten Legislaturperiode bedarf, zweitens weil laut aktueller Presseveröffentlichungen Bremen sich gegen eine angebliche Buhmannrolle wehrt der 20. Untersuchungsaus

schuss hat lediglich Wert auf ein höchstes Maß an Öffentlichkeit gelegt - und drittens weil - hier muss ich leider sehr deutlich werden - sich kein Ausschussmitglied verholtern lassen wollte.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wie erwähnt, hat sich der Untersuchungsausschuss inhaltlich mit den Umständen befasst, wie das Vergabeverfahren für einen wesentlichen Teil der Bauleistungen für den in Wilhelmshaven geplanten JadeWeserPort abgelaufen ist. Im Einzelnen ergeben sich die dem Untersuchungsausschuss gestellten Aufgaben aus dem Einsetzungsbeschluss vom 17. Oktober 2007 und finden sich auch in den Ihnen vorliegenden Berichten wieder. Deshalb mag ich hier nur eine kurze Darstellung der Schwerpunkte der Ausschussarbeit geben.

Zunächst hat der Ausschuss die Frage untersucht, unter welchen Umständen die beteiligten privatrechtlichen JadeWeserPort-Gesellschaften gegründet worden sind und wie es zu der inhaltlichen Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge gekommen ist.

Hierzu wurden insbesondere Mitglieder der damals amtierenden Landesregierungen in Niedersachsen und in Bremen als Zeugen vernommen. Wesentlicher Schwerpunkt der Beweiserhebungen durch

den Untersuchungsausschuss war die Frage, wie es in den JadeWeserPort-Gesellschaften zu der Entscheidung gekommen ist, den Bauauftrag an die Bietergemeinschaft unter der Führung der Firma Hochtief Construction AG vergeben zu wollen. Besonderes Augenmerk widmete der Ausschuss dabei den Fragen, welcher Kenntnisstand jeweils bei der Niedersächsischen Landesregierung vorgelegen hat und ob von dort Einflussnahmen auf das Vergabeverfahren erfolgt sind. Hierzu wurde eine Vielzahl von Zeugen vernommen, deren Aussagen zu einem erheblichen Teil voneinander abwichen. Einige Zeugen schienen besonders fantasievoll zu sein.

(Heiterkeit)

Über diese Widersprüche haben die Ausschussmitglieder größtenteils keine Einigung erzielt. Die Einzelheiten der unterschiedlichen Bewertungen finden sich jeweils in dem Abschlussbericht und in dem Minderheitsbericht und werden auch Gegenstand der sich anschließenden Redebeiträge hier im Plenum sein.

Die Vereidigung von Zeugen war deshalb auch Thema im Ausschuss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Meineid beinhaltet immerhin eine Strafandrohung von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Diese relativ hohe Strafe wird im Strafgesetzbuch auch für gefährliche Körperverletzung oder Aufstachelung zu Angriffskriegen angedroht - nur um einmal aufzuzeigen, in welchem strafrechtlichen Bereich wir uns hier bewegen. Bis auf wenige Ausnahmen haben andere Bundesländer die

Kompetenzen ihrer Untersuchungsausschüsse per Gesetz geregelt - Niedersachsen nicht. Das ist ein Fehler, der in der nächsten Legislaturperiode korrigiert werden sollte. Denn unabhängig davon, ob Vereidigung möglich sein sollte oder nicht, ist es bei dieser hohen Strafandrohung eines Rechtsstaates unwürdig, auf klare gesetzliche Regeln zu verzichten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Jetzt komme ich wieder zu Gemeinsamkeiten. Übereinstimmung besteht bei den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses in der Einschätzung, dass die Bremer Seite mit Nachdruck versucht hat, eine Auftragsvergabe an die Bietergemeinschaft Hochtief durchzusetzen. Weiter haben Aus

schussmehrheit wie Ausschussminderheit erklärt, die Vernehmung weiterer Zeugen oder die erneute Vernehmung bereits vernommener Zeugen wäre in