Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

Ich räume ein, die notwendigen Einschnitte sind eine harte Belastung nicht nur für die Hochschulen als Institutionen, sondern auch für die einzelnen Wissenschaftler. Sie haben natürlich auch zu einer Verunsicherung unter den Studierenden geführt. Allerdings will ich noch einmal klarstellen: Jede und jeder kann sein Studium bis zu einem Abschluss in der Regelstudienzeit an dem von ihm gewählten Standort fortsetzen. Die Betreuung der Studierenden bis zur Beendigung ihres Studiums wird an allen Standorten sichergestellt. Dies rufen wir allen Studierenden, die betroffen sind, zu.

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

- Ich kann Ihre Zwischenrufe immer nur schlecht verstehen. Das ist das Problem.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir auch nicht! Aber das war nicht wichtig!)

Meine Damen und Herren, auch die Wissenschaftliche Kommission beruft sich in ihrem Tun auch gerne auf den von mir bereits zitierten Georg Christoph Lichtenberg, den ich an dieser Stelle ein weiteres Mal zitieren möchte.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Wieder Lichtenberg!)

Nach Georg Christoph Lichtenberg ist es „fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen“. Meine Damen und Herren, das greife ich gerne auf und gebe zu: Wir haben einige Bärte versengt und dabei festgestellt, dass darunter auch einige alte Zöpfe sind, die abgeschnitten werden müssen. Das ist ein wirklich schwieriger und für manche schmerzhafter Prozess. Aber eines will ich an dieser Stelle erneut betonen: Dieser Prozess birgt vor allem auch Chancen in sich, weil Strukturveränderungen notwendig sind und sich daraus Chancen ergeben.

Das ist ein Grund dafür, warum heute etwa bei PISA und bei anderen Gutachten die BeneluxStaaten und vor allem Finnland so exzellent ab

schneiden. Sie hatten vor 12 oder 13 Jahren die gleiche Situation wie wir. Auch die Finnen konnten nicht mehr vor diesem Problem weglaufen, sondern mussten Strukturveränderungen durchführen. Heute werden sie von allen Bildungspolitikern als die großen Vorbilder gelobt.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie uns doch in zehn Jahren auch zu den Vorbildern gehören!

Lassen Sie mich ein Weiteres sagen: Wie-Ji ist das chinesische Schriftzeichen für „Krise“ und „Chance“. Die Chinesen benutzen für „Krise“ und für „Chance“ dasselbe Schriftzeichen. Auch daran kann man sich orientieren. Die Chinesen können insoweit Vorbild für uns sein.

Hinzu kommt Folgendes: Die Kürzungen von 1,76 % im Wissenschaftsetat sind deutlich unterproportional, wenn man berücksichtigt, dass in vielen anderen Bereichen um 4 % gekürzt werden muss.

Schauen Sie auch nach Bayern. Dort will man die Neuverschuldung des Landes jetzt auf null bringen. Der Unterschied zu uns ist der: Stoiber wird es schaffen, unter schwierigsten Bedingungen wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen - übrigens mit Kürzungen von 2,5 Milliarden Euro. Die Hochschulen werden in Bayern mit 10 % - mit 10 %! - beteiligt sein.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Von wel- chem Niveau aus?)

Das Verfahren, das in Bayern läuft, ist - wenn ich das so sagen darf, ohne den Bayern zu nahe treten zu wollen - relativ obrigkeitsstaatlich orientiert. Ich formuliere das etwas zurückhaltend.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das funktio- niert aber!)

In Bayern geht es um 10 %!

Ich möchte an dieser Stelle, vor allem an den Kollegen Wenzel gerichtet, auch Folgendes sagen: Diese 10 % in Bayern orientieren sich sinnvollerweise auch dort an den Gesamtaufwendungen der Hochschulen.

(Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Dies geschieht, Herr Kollege Wenzel, weil dies eine deutlich sinnvollere Vergleichsbasis ist. Auch Sie wissen: Bei einem Teil der Universitäten und

Fachhochschulen Niedersachsens handelt es sich um Landesbetriebe und bei einem anderen Teil mittlerweile - ich finde das gut - um selbständige Stiftungen. Zwischen diesen beiden Betriebsformen kann man Zuschüsse im Haushaltsplan 2004 gar nicht mehr ohne weiteres miteinander vergleichen. Deshalb sind die Gesamtaufwendungen der einzige Maßstab, der wirklich eine verlässliche Berechnungsbasis bietet.

Wenn ich von Bayern spreche, meine Damen und Herren - das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen, Herr Kollege Gabriel -, dann gehört auch zur Wahrheit, dass es mittlerweile in der ganzen Bundesrepublik Deutschland Notwendigkeiten gibt, die wir uns vor Jahren noch nicht haben träumen lassen. Davon sind auch SPD-geführte Länder in besonderer Weise betroffen. Beispielsweise kürzt das Land Berlin unter einer SPD/PDS-geführten Regierung an seinen Hochschulen 70 Millionen Euro. Allein an der Humboldt-Universität - der Universität des Vorsitzenden unserer Wissenschaftlichen Kommission - betragen die Kürzungen in den nächsten Jahren 30 Millionen Euro. An einer einzigen Universität! Sie können auch andere Länder betrachten: Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz überall gibt es die gleichen Probleme. Wenn wir anfangen, Prozentanteile miteinander zu vergleichen, werden Sie feststellen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen, dass das Land Niedersachsen dabei verdammt gut abschneidet, obwohl wir hier schwierigste Bedingungen vorgefunden haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Problem ist - das merkt man auch an den Einlassungen einiger Kollegen, die ich in den letzten Wochen und Monaten gelesen habe -, dass viele von Ihnen noch nicht in der Haushaltsrealität angekommen sind oder sie bewusst verschweigen. Das ist zutiefst unseriös.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Was soll das?)

Sie können sich nicht weiter so verhalten, als stünde in diesem Land alles zum Besten, sondern auch Sie müssen anerkennen, dass es das Wichtigste ist, die Dinge wieder auf die Beine zu stellen, dass es das Wichtigste ist, Handlungsspielräume zurückzugewinnen. Alles andere löst die Probleme nicht. Deshalb nimmt man Sie in dieser Frage auch nicht mehr ernst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Vor allem wenn man es selbst zu verantworten hat! - Gegenruf von Rebecca Harms [GRÜNE]: Ich freue mich schon auf den Tag, an dem Sie Verantwortung übernehmen!)

Meine Damen und Herren, auch in der mittelfristigen Finanzplanung werden diese von mir beschriebenen Prioritäten deutlich. Von 2006 an wird es keine weiteren Eingriffe und Kürzungen für die Hochschulen mehr geben. Diese klare Feststellung der Landesregierung werde ich als Planungssicherheit an die Hochschulen weitergeben.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Pla- nungssicherheit?)

Meine Damen und Herren, das Kabinett hat mit der Entscheidung über das Hochschuloptimierungskonzept auch Eckpunkte eines Zukunftsvertrages zwischen Land und Hochschulen beschlossen. Dieser Vertrag umfasst die Haushaltsjahre 2004 bis einschließlich 2007 und gibt den Hochschulen Planungssicherheit über eine verlässliche Finanzierung. Wir werden in weiteren Gesprächsrunden mit den Hochschulen über den Zukunftsvertrag verhandeln. Der Unterschied - auch das will ich an dieser Stelle sagen - zum Innovationspakt I und II wird sein, dass dieser Zukunftsvertrag eben nicht unter Haushaltsvorbehalt gestellt wird, dass dieser Zukunftsvertrag eben wirklich eine verlässliche Grundlage ist und nicht nur Spiegelfechterei oder Rhetorik bedeutet, sondern von uns allen ernst genommen werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in schwierigen Zeiten vieles zu verändern, um das Gute nicht aufzugeben - was bedeutet das für die nächsten Jahren vor allem auch inhaltlich für Niedersachsen?

Erstens. Unstreitig ist: Wir brauchen eine exzellente Ausbildung mit international nicht nur vorzeigbaren, sondern konkurrenzfähigen Studienangeboten. Darüber herrscht Einigkeit. Nach meiner Überzeugung zeigt das HOK - auch daraus mache ich überhaupt kein Hehl -, um aus der Not eine Tugend zu machen, Wege, wie es trotz schwierigster Rahmenbedingungen gehen kann.

Zweitens. Wir müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Niedersachsen ein Forschungsumfeld anbieten, das unsere Hochschulen

attraktiv für sie macht. Das können wir nur auf den Gebieten, auf denen wir wirklich stark sind und die wir weiter stärken wollen.

Drittens. Zukünftige Drittmittel müssen für die Lehre gesichert werden. Auch dazu werde ich ein Konzept vorschlagen.

Meine Damen und Herren, seit vielen Jahren reden wir auch in diesem Haus über die Einführung von Bachelor- und Master-Strukturen. Hört man sich die Reden an, so könnte man zu der Meinung kommen, wir würden hier schon längst über die Mehrzahl der Studiengänge reden. Aber die Realität ist leider eine ganz andere: Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren gerade einmal 6 % aller Studierenden in Bacheloroder Master-Abschlüsse eingeschrieben. Nach fast zehn Jahren Debatte - über die Debatte in der Kultusministerkonferenz will ich hier gar nicht referieren, Herr Kollege Oppermann; er ist jetzt leider gerade nicht im Raum; da denkt man sich seinen Teil, wenn man das miterlebt hat - sind die Ergebnisse bis heute mehr als enttäuschend.

Sehen Sie sich Niedersachsen an: Fast alle der 47 angebotenen Bachelor-Studiengänge und 87 Master-Studiengänge ersetzen noch keine üblichen Studiengänge, sondern sie sind in teuren Parallelstrukturen organisiert, die wir uns ebenfalls nicht mehr leisten können. Hier hat die Vorgängerregierung nichts anderes getan, als potemkinsche Dörfer aufzubauen.

Eines der wesentlichen Ziele des HOK ist es daher, zielstrebig die Umsetzung des BolognaProzesses an unseren Hochschulen zu betreiben. Hier habe ich den Ehrgeiz, dass wir uns in der Spitzengruppe bewegen und nicht als Bremser am Ende des Zuges. Auch deshalb bauen wir eine erweiterte Stiftung Universität Lüneburg zu einer Modellhochschule des Bologna-Prozesses aus. Diese Entscheidung hat schon jetzt bundesweit sehr großes Interesse hervorgerufen. Viele sind neugierig darauf, wie diese Fusion ausgehen wird. Begleitet werden wird diese Fusion durch Herrn Müller-Böling - dafür bin ich sehr dankbar -, dem Direktor des Centrums für Hochschulentwicklung, einer der renommiertesten Adressen, die man in diesem Bereich finden kann.

Die Notwendigkeit zur Einführung von Bachelor und Master gilt in der Folge auch für alle anderen Hochschulen in Niedersachsen. Auch die schon bestehenden Studiengänge werden zukünftig nicht

mehr als Diplom oder Magister bestehen bleiben. Eine Neuakkreditierung solcher Studiengänge wird es nicht geben.

Wir gehen beim Staatsexamen voran, meine Damen und Herren. Kurzfristig werden wir 40 neue Bachelor-Studiengänge einrichten; die alten Lehramtsstudiengänge in vielen Hochschulen werden vollständig ersetzt. Es wird keine Parallelstrukturen, sondern eine vollständige Ersetzung geben. Hier möchte ich ausdrücklich das gute Zusammenspiel von Kultus- und Wissenschaftsministerium unterstreichen, Herr Kollege Busemann, und mich dafür bedanken.

Mittel- und langfristig gilt die Umstellung auch für die Staatsexamina in Jura und Medizin. Glauben Sie mir: Das ist schwer genug. - Trotzdem packen wir es an.

Im Rahmen des Bologna-Prozesses soll und muss - das ist mir außerordentlich wichtig - die staatsferne Akkreditierung für eine Qualitätssicherung nach international ausgerichteten Maßstäben sorgen. Niedersachsen ist hier auf einem sehr guten Weg, weil die Vorgängerregierung dafür die richtigen Voraussetzungen mit der Wissenschaftlichen Kommission und der ZevA geschaffen hat. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dies hier einzuräumen.

Wichtig ist übrigens: Akkreditierung und Evaluierung gehören nicht in die Hände der Bürokratie, sondern in die Hände unabhängiger Fachleute, die - zumindest für die Wissenschaftliche Kommission gilt das - eigentlich nicht aus Niedersachsen kommen dürften.

Wir haben uns für Niedersachsen vorgenommen, bis 2007 mindestens zwei Drittel der Fächer umzustellen. Neue Diplom- oder Magisterstudiengänge werden schon jetzt nicht mehr begonnen.

Durch den konsekutiven, zweistufigen und modularisierten Aufbau werden sich übrigens die Studienzeiten verkürzen, und die Abbrecherquoten werden sich reduzieren. Dies bedeutet auch, dass darin enorme Chancen begründet liegen, zu einer Kapazitätssteigerung zu kommen.

Der zweite und für die Forschungsfähigkeit der Hochschulen entscheidende Schritt des HOK ist die Umschichtung, die wir ab 2006 vorgesehen haben, 500 Stellen dorthin zu bringen, wo sie wirklich sinnvoll sind. Lassen Sie mich dazu einige Beispiele nennen:

Erstens: Ressourcenmanagement und Ressourcenforschung. Zu diesem Komplex gehören besonders die an der TU Clausthal angebotene Fachrichtung Exploration Engineering, aber auch Arbeitsschwerpunkte der Fachhochschulen, wie Wasserwirtschaft in Suderburg. Wasser, meine Damen und Herren - auch das will ich hier klar sagen -, wird eines der Zukunftsthemen schlechthin sein. Es wird künftig um Trinkwasser auf dieser Welt Kriege geben. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Suderburg und anderswo dieses Thema stärken.