Erstens. Es geht nicht darum, dass wir jedem alles geben wollen, sondern es geht darum, dass wir Familien mit Kindern unterstützen wollen. Darum geht es.
Zweitens. Wenn Sie Ihr Ausleihsystem, das Sie eben grob skizziert haben, einführen, dann können die Schüler und Schülerinnen wieder nichts in die Bücher hineinschreiben, sie können sie wieder nicht behalten, und der Verwaltungsaufwand wird auch nicht kleiner werden, als er jetzt ist. - Danke.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Sehe ich nicht. Das Erste war die Mehrheit.
Tagesordnungspunkt 23: Zweite Beratung: Qualität der Grundschule festigen und steigern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/122 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/492
Die Beschlussempfehlung des Kultusausschusses lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass ich die Beratung eröffnen kann. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Eckel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im schulpolitischen Alltagsgeschäft, so habe ich den Eindruck, findet die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, kurz IGLU genannt, immer weniger häufig Erwähnung. Das ist schade, denn sie liefert in ihren Analysen eine Menge Grundlagen zur Qualitätsverbesserung besonders der Grundschule, und sie hat ein sehr erfreuliches Ergebnis gezeitigt, nämlich: Es gibt sie auch in der Bundesrepublik, es gibt die Schulform, die im internationalen Vergleich mithalten kann, in der die Lernenden hoch motiviert sind und von der die meisten Schüler und Schülerinnen sagen, dass sie sie gern besuchen.
Die Grundschule beispielgebend in der deutschen Schullandschaft, das kam für manchen so unerwartet, dass er gleich ein Haar in der Suppe finden wollte. Nicht repräsentativ, so hieß es. Wir sind der Meinung, es wäre fahrlässig, die IGLU-Ergebnisse in ihrer Abhängigkeit von der praktizierten Grundschulpädagogik nicht einer sehr gründlichen Diskussion zu unterziehen. Es geht um genaues Hinsehen, um Auswerten und darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Daher haben wir die Einrichtung eines runden Tisches gefordert.
Nun wissen wir, dass uns der neue Grundschulerlass in Kürze vorliegen wird, ohne dass es einen solchen runden Tisch gegeben hat. Unser im April vorgelegter Antrag ist inzwischen dreimal im Ausschuss behandelt worden. Beim ersten Mal einigte man sich darauf, den Antrag erst abschließend zu beraten, wenn die Ergebnisse der IGLU-Studie im Detail vorliegen, und lud die Projektleiterin, Frau Lankes, in den Ausschuss ein, um sich die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung erläutern zu lassen.
Leider hat die überzeugende Darstellung der IGLU-Ergebnisse bei CDU und FDP nicht gefruchtet. Bei der abschließenden Beratung des Antrages zu Beginn dieses Monats vertrat man nämlich die Meinung, alle Forderungen des Antrags seien bereits erfüllt, der Antrag habe sich erledigt. Mich erinnert diese Behauptung sehr an Kinder, die ihren Eltern strahlend verkünden: Mein Zimmer ist aufgeräumt. - Das trifft auch zu, solange man vermeidet, unter das Bett zu schauen, die Schranktüren zu öffnen und in die Ecken und Nischen zu sehen. Denn was die CDU als Beleg ins Feld führt - höhere Unterrichtsversorgung, immer mehr Verlässliche Grundschulen und Ganztagsschulen,
Formulierung von verbindlichen Standards -, führt eben nicht schnurstracks zu einer Qualitätsverbesserung,
führt nicht schnurstracks zu individueller Förderung und zum Abbau sozialer Benachteiligungen. Wenn die CDU und die FDP Standards vor allem als Grundlagen für Vergleichsarbeiten und Leistungsüberprüfungen nutzen möchten, verspielen sie sogar die Rolle, die Standards als Instrumente der Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht und bei der individuellen Förderung übernehmen könnten.
Unser Antrag hat das Ziel, die guten Arbeitsansätze an den Grundschulen zu unterstützen, sie aber auch weiterzuentwickeln, und dieses Ziel wollen wir weiterhin verfolgen.
Es geht auch darum, herauszufinden, was aus der Grundschulpädagogik in die Arbeit an der Sekundarstufe I übertragen werden kann. Denn dass die Wurzeln des PISA-Desasters nicht in der Grundschule liegen, wie mancher zur Entlastung der weiterführenden Schulen gehofft hat, ist durch IGLU bewiesen.
Wie kann erreicht werden, dass die gute Platzierung der Grundschüler und Grundschülerinnen, z. B. bei der Lesekompetenz, erhalten bleibt und die 15-Jährigen nicht unter Mittelmaß rutschen? Im Umkehrschluss zur beklagten Feminisierung der Grundschule könnte man behaupten, die Erklärung für diese Verschlechterung und das stärkere Auseinanderdriften von Jungen und Mädchen liegt darin, dass in den weiterführenden Schulen mehr Männer als in der Grundschule unterrichten. Solche populistisch einfache Erklärung wollen wir uns nicht zu Eigen machen. Der Grundschule gelingt es, einen großen Teil ihrer sehr heterogenen Schülerschaft auf ein relativ hohes Niveau zu heben - trotz der Vielfalt der Herkunftsfamilien, der Begabungen, der Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Ist es für die Lehrkräfte, die Sechs- bis Zehnjährige unterrichten, leichter, Begabung als dynamisch und nicht als statisch anzusehen und ihren Unterricht nicht nur begabungsgerecht, sondern auch entwicklungsgerecht zu gestalten? Übernehmen sie mehr Verantwortung für das einzelne Kind, weil die Möglichkeit des Abschulens nicht besteht? Konnten deswegen moderne Unterrichtsmethoden, Binnendifferenzierung und selbstständiges Lernen in der Grundschule eher Fuß fassen als in Hauptschule, Realschule und Gymnasium? Warum können Grundschullehrerinnen in der Mehrheit besser mit sozialen Disparitäten umgehen?
Die IGLU-Ergebnisse weisen aber auch auf Schwächen hin. Zu wenige der deutschen Grundschulkinder erreichen die hohen Lesekompetenzstufen 3 und 4, und bei der Übergangsempfehlung der Grundschullehrkräfte gelingt es diesen nicht, die Schülerinnen und Schüler so zu empfehlen, wie es ihrer Leistung entspricht. Auch am Ende der Grundschule spielt die soziale Herkunft schließlich eine größere Rolle als die individuelle Begabung. Die Arbeit an der Grundschule muss gestärkt werden. Da gibt es manches, was auf der Hand liegt. Ich denke hier z. B. an die Forderung nach einer diagnostischen Kompetenzausbildung der Lehrkräfte. Soll individuelles Lernen gefördert werden, muss die Erstellung von Lernstandsanalysen und von Lernarrangements für jedes einzelne Kind Teil der Lehrerausbildung bzw. der -fortbildung sein.
Der Schlüssel für eine Qualitätssteigerung an der Grundschule liegt allerdings in einer gedanklichen Veränderung bei der Herangehensweise. Die Verantwortung für das Lernen und den Lernerfolg des Kindes müssen die Lehrkräfte übernehmen. Dieser Paradigmenwechsel - das machen uns die PISASieger vor - macht individuelle Förderung und Chancengleichheit erst wirklich möglich. Es geht um Fördern, nicht aber um die Perfektionierung der frühen Auslese. Außerdem geht es um Fordern; denn nur in einem anregungsreichen Lernmilieu können Schülerinnen und Schüler ihr Entwicklungspotenzial entfalten. Schade, dass es uns im Ausschuss nicht gelungen ist, zu einem konstruktiven Miteinander zu kommen. - Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sichern die Qualität in der Grundschule. Zunächst einmal sei erwähnt, dass wir durch die zusätzlich in diesem Schuljahr zur Verfügung gestellten 2 500 Lehrerstellen eine etwa 100-prozentige Unterrichtsversorgung an den Grundschulen herstellen.
Wir haben außerdem die Verantwortlichkeit für die Kindertagesstätten wieder in das Kultusministerium zurückgeholt. Dadurch wird die planerische bzw. gesetzgeberische Verzahnung stattfinden. Im Gesetz haben wir die Zusammenarbeit der Grundschulen mit den Kindergärten festgeschrieben. Im Hinblick auf den Bildungsauftrag des Kindergartes ermöglichen wir die kontinuierliche Weiterführung z. B. der notwendigen Sprachförderung. Die Sprachtests in den Kindertagesstätten sind in den letzten Tagen abgehalten worden. Ab dem nächsten Jahr laufen - wie wir schon gehört haben - flächendeckend die Sprachförderungen für 10 032 Kinder an, die mit insgesamt 7,2 Millionen Euro in den 252 Kindertagesstätten mit mehr als 40 % Kindern aus zugewanderten Familien abgehalten werden; denn nach der Diagnose folgt die Therapie.
Wir folgen damit den PISA-Siegerländern, die nämlich, wie z. B. in Schweden, nicht ein einziges Kind, das die Landessprache nicht beherrscht, in die Grundschule schicken. Das, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, haben Sie bei Ihrer Kommentierung der verschiedenen PISA-Studien, von TIMSS und wie sie sonst noch heißen, immer unerwähnt gelassen. In der Sprachförderung haben nämlich gerade Sie unverantwortliche Kürzungen vorgenommen.
Die Nähe zwischen Kindertagesstätte und Grundschule ist unbedingt notwendig, da die Grundlagen für die Grundschulbildung schon im Kindergarten gelegt werden.
An dieser Stelle sei einmal ganz vehement festgestellt, dass sowohl Erzieherinnen und Erzieher als auch Grundschullehrerinnen und -lehrer immer ganz hervorragende Arbeit geleistet haben,
eben orientiert an den Vorgaben. Sie haben das Beste aus Ihren Vorgaben, den Vorgaben der damals regierenden SPD gemacht. Die Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie die Erzieherinnen und Erzieher sind bisher schon von sich aus dem Prinzip „Fördern und Fordern“ gefolgt und haben unter erschwerten Bedingungen ausgesprochen gute Arbeit geleistet. Hierfür möchte ich nochmals ausdrücklich meinen Dank aussprechen.
Aber es kann nicht angehen, dass Eltern zum Helfen beim Anziehen in den Sportunterricht in die Schule gebeten werden oder dass ein Kind, das die Uhr bei der Schultauglichkeitsuntersuchung lesen kann, herumgezeigt wird wie das achte Weltwunder. Wie wir alle wissen, wird die infantilisierende Unterforderung von Grundschulkindern unter dem Motto „Gelobt sei, was Spaß macht“ bereits seit Ende der 60er-Jahre diskutiert. Seit damals liegt aber bereits auf der Hand, was heute von uns umgesetzt wird: dass nämlich Kinder in diesem Alter für das Lernen besonders empfänglich sind und deshalb früh an Leistung heranzuführen sind. Dies ist besonders wichtig für Kinder aus bildungsfernen Schichten. Wenn Kinder in der Grundschule systematisch unterfordert werden, schadet das den ohnehin Benachteiligten, während Schüler aus dem bildungsnahen Bildungsmilieu das mithilfe des kulturellen Kapitals ihrer Familie weitaus besser kompensieren können.
Immerhin stellt die Grundschule die einzig flächendeckende und konkurrenzlose Gesamtschule in ganz Deutschland dar. Alles sollte dort spielerisch sein. Systematischer Unterricht galt ebenso als kinderfeindlich wie das Erteilen von Zensuren vom Wiederholen einer Klasse ganz zu schweigen.
All das zusammen deutet darauf hin, dass Anstrengungen und Leistung in der Grundschulkultur bisher keine zentralen Werte darstellten.
Dies aber, meine Damen und Herren, fordern Kinder geradezu heraus. Sie wollen sich miteinander vergleichen und messen. Dies erst fordert den Wettbewerb und Ehrgeiz heraus. Klassische Lerntechniken wie Einmaleins, Auswendiglernen von Gedichten, Vorlesen von Texten und vor allem
ständiges Üben des Gelernten sind weitgehend verloren gegangen. Der Unterricht muss die notwendigen Individualisierungsprozesse von Schülern fördern und ermutigen. Diese Individualisierung bedeutet allerdings nicht, dass alle zur selben Zeit am selben Problem arbeiten, sondern Individualisierung ist das Ergebnis von Anstrengung, Mühe und Auseinandersetzung, die der Person von außen, etwa aus dem gesellschaftlichen Leben oder auch von den Schulstoffen, aufgenötigt werden.
Individuell ist in diesem Zusammenhang die Art und Weise der Aneignung; denn das Gelernte muss erst mit der Vorstellungswelt des Schülers verbunden werden, damit es in seine bisherigen Erfahrungen und Vorstellungen eingebaut werden kann.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Gebt Ihr doch mal die richtige Rede!)
Die falsch verstandene Orientierung allein am Leistungswillen der Kinder nach dem Motto „Gelobt sei, was Spaß macht“ hat übrigens nicht unwesentlich zur Benachteiligung der Kinder aus bildungsfernen Familien und damit zur Vertiefung der Chancenungleichheit beigetragen, wie sich in der PISA-Studie erwiesen hat. Die Orientierung entspricht nämlich dem häuslichen Milieu von Mittelschichtkindern und verstärkt es damit. Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien jedoch müssen sich mithilfe der Schule von ihrem Familienhintergrund emanzipieren oder zumindest eine innere Gegenwelt dazu aufbauen, wenn sie das schulische Lernangebot optimal nutzen wollen.
Was sie dazu brauchen, ist ein Lehrer, der nicht nur Moderator für selbstbestimmte Lernprozesse ist, sondern auch die Führung und die entsprechende Orientierung übernimmt. Nur so werden wir die Quote von 10 % Schulabsolventen ohne Abschluss in den Griff bekommen.
Völlig aus dem Blickfeld verschwunden ist, dass der politische Charakter der Schule als einer Einrichtung der Gesellschaft bzw. des Staates die - wenn auch pädagogisch modifizierten - Forderungen an die nachwachsende Generation zu stellen hat. Unsere Investitionen für das Bildungswesen müssen einer angemessenen Bereitschaft zur Leistung und Anstrengung seitens der Schüler entsprechen. Es dürfen also auch Anforderungen jenseits des Spaßprinzips gestellt werden. Dieses
Prinzip dient nicht der persönlichen Entwicklung, ignoriert die Vorleistungen der staatlichen Gemeinschaft und ist ökonomisch nicht ausgewogen.
Es bedurfte nicht dieses Antrags, da die von mir vorgetragenen Sachverhalte einerseits in dem von uns gesetzlich geregelten Dialog zwischen Eltern und Schule und andererseits in der Einführung der allgemeinen Leistungsstandards ihren Niederschlag finden. Die Einzelpunkte haben wir schon umgesetzt und erledigt, und wir haben die Konsequenzen aus PISA und IGLU gezogen.