Silva Seeler

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Wir haben gehört, dass der Bewerber aus Sachsen-Anhalt die besten Zensuren gehabt hat.
Wir haben gehört, dass er jetzt nach Niedersachsen umgezogen ist. Wenn er sich jetzt neu bewirbt, ist er Bewerber mit den besten Zensuren und einem Wohnsitz in Niedersachsen. Kann er dann genommen werden?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Streit geht doch um die Frage, ob der Erlass des Kultusministeriums mit dem Schulgesetz übereinstimmt. Ich zitiere jetzt die Zusammenfassung aus dem Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 31. Januar 2006:
„Die Auffassung des MK, dass Ganztagsschulen nur an drei Nachmittagen ein Förder- und Freizeitangebot bereitstellen müssten und an einem vierten Tag dieses Angebot zusammen mit dem regulären Unterricht auf einen Vormittag konzentrieren dürften, finden in den Gesetzesmaterialien zu § 23 Abs. 1 Satz 2 NSchG keine Stütze. Auch sonst sind keine Auslegungsgesichtspunkte ersichtlich, die diese einschränkende Auslegung des
§ 23 Abs. 1 Satz 2 NSchG tragen könnten.“
Es gibt für diesen Erlass also keine gesetzesmäßige Absicherung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, es besteht überhaupt kein Zweifel darüber, dass die Regelungen zum Feiertagsgesetz, soweit sie denn die Feiertage betreffen, einstimmig hier im Hause verabschiedet werden können. Das ist auch nie bestritten worden. Allerdings habe ich in meiner 15-jährigen Tätigkeit als
Landtagsabgeordnete noch nie erlebt, dass die schulpolitische Sprecherin im mitberatenden Ausschuss plötzlich, obwohl es nicht auf der Tagesordnung steht und es auch keine Vorlage dazu gibt, eine Änderung im Rahmen des Feiertagsgesetzes einbringt, die überhaupt nichts mit Feiertagen zu hat, sondern bei der es um die Änderung des Kindertagesstättengesetzes geht.
Das ist eine Änderung, die tausende von Eltern betrifft.
Versteckt im Feiertagsgesetz sollten mal eben die Einkommensgrenzen, bis zu denen Eltern keine Kindertagesstättengebühren bezahlen sollen, erhöht werden.
- Hören Sie doch zu! - Im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung ist die Grenze von 569 Euro auf 690 Euro erhöht worden - zu Recht.
- Könnten Sie nicht einfach einmal zuhören? - Das ist richtig.
Nein, ich möchte meine Ausführungen erst einmal beenden. Danach kann er gern fragen.
In diesen 690 Euro sind jetzt auch alle Pauschalbeträge enthalten, die früher einzeln beantragt werden konnten, wie z. B. Einschulungshilfen, also für Schulranzen, Zuschüsse für Winterkleidung oder Zuschüsse für Klassenfahrten. Alle diese Beihilfen könnten jetzt nicht mehr extra beantragt werden.
Insofern war diese Erhöhung der Einkommensgrenze sehr richtig.
Sie war aber noch aus einem anderen Grunde richtig. Wir alle wissen, dass gerade diejenigen, deren Einkommen kurz über der Sozialhilfegrenze liegt, oft große Schwierigkeiten haben, das notwendige Geld aufzubringen, um ihre Kinder in Kindertagesstätten anzumelden.
Es wäre wichtig, dass diese Kinder nicht nur kurze Zeit, eben ein Jahr vor der Einschulung, sondern wirklich über drei Jahre eine optimale Förderung in den Kindertagesstätten bekommen. Diese Forderung ist auch bei uns immer unstrittig gewesen.
- Sie sagen, es sei ein Gesetzesfehler. Wenn es denn ein Gesetzesfehler gewesen wäre, dann frage ich mich, warum die CDU/CSU-Bundestagsfraktion trotz all der wissenschaftlichen Beratung, die ihr zur Verfügung steht, dem zugestimmt hat.
Dann frage ich auch, warum diese Landesregierung mit all ihren guten Beamten diesen angeblichen Fehler nicht bemerkt hat;
denn diese Landesregierung hat im Bundesrat den Hartz-Gesetzen zugestimmt.
Also haben auch Sie gewusst, was auf Sie zukommt.
Sie behaupten hier - auch Herr Busemann hat es eben behauptet -, wir würden einfach die alte
Gesetzeslage wiederherstellen. Das stimmt ja nicht; das habe ich eben erläutert.
In Ihrer Begründung schreiben Sie, liebe Kollegen von der CDU und von der FDP, diese Änderung des Kindertagesstättengesetzes habe keine Auswirkung auf den Landeshaushalt. Das stimmt. Aber sie hat sehr große Auswirkungen auf einkommensschwache Eltern.
- Wenn sich nichts ändern würde, brauchten Sie die Regelung ja gar nicht zu ändern.
Sie hat große Auswirkungen auf eben die einkommensschwachen Eltern, die ab dem 1. August ihre Kinder in die Kindertagesstätten hätten schicken können, ohne Beiträge dafür zu zahlen. Auch eine Verbesserung, die Sie diesen Eltern vorenthalten, ist für diese eine reale Verschlechterung.
Aber diese negative Auswirkung ist ja offensichtlich durchaus beabsichtigt, wie ich den Ausführungen des Parlamentarischen Geschäftsführers, Herrn Althusmann, entnehmen konnte. Er rechtfertigt diese Neuregelung nämlich mit der finanziellen Entlastung der Kommunen von jährlich 10 Millionen Euro.
- Sie schreien nur dazwischen, weil Sie Angst haben, da Sie gesehen haben, welche Wirkung das in der Öffentlichkeit hat. Seien Sie einfach mal still, und hören Sie zu.
Herr Althusmann befürchtet eine zusätzliche Belastung von 10 Millionen Euro für die Kommunen.
„Er befürchtet“, so die HAZ vom 16. Juni, „dass die Kommunen die Mehrbelastung an alle Kindergarteneltern weitergegeben hätten. Dann müssten alle höhere Gebühren bezahlen.“
Das wollte die CDU nicht. Nun kann man ja einmal rechnen. Bei 250 000 Kindern in unseren Kindertagesstätten und angenommenen Mehrkosten von 10 Millionen Euro im Jahr hätte das bedeutet, dass jeder Elternteil pro Kind 3,33 Euro im Monat hätte mehr zahlen müssen. Das wollen Sie nicht. Sie wollten nicht, dass auch die Besserverdienenden mehr zahlen sollen.
Ihnen ist es lieber, dass die einkommensschwachen Eltern pro Monat 90 bis 100 Euro mehr zahlen müssen.
Wir wollen so etwas nicht. Wir wollen, dass auch einkommensschwache Eltern ihre Kinder lange in die Kindergärten schicken können.
Sie, Herr Busemann, haben gesagt, die Gesetzesänderung würde die frühkindliche Bildung nicht berühren. Das stimmt doch gar nicht. Je früher wir die Kinder, und zwar möglichst alle, in die Kindergärten schicken können, umso besser. Deswegen sind wir dafür, dass die Hartz-Regelungen auch in Niedersachsen greifen. Ich finde es allerdings sehr bedauerlich, dass die zuständige Sozial- und Familienministerin, Frau von der Leyen, selbst bei so eklatanten familienpolitischen Fragen wieder einmal schweigt.
Ich frage mich: Was soll man denn von einer Sozialministerin erwarten, die ewig zustimmt, sei es bei der Streichung der Hausaufgabenhilfe, sei es bei der Kürzung von Förderstunden, sei es bei der
Abschaffung von Lernmittelfreiheit - das alles betrifft die Familie -, und die dann sogar noch selbst die Streichung des Blindengeldes vorschlägt? - „Sozialministerin“ kann man so etwas nicht nennen.
Zu Ihrer Behauptung, die Erhöhung würde die niedersächsischen Kommunen sehr belasten: Abgesehen davon, dass die Kommunen von der Hartz-Gesetzgebung finanziell profitieren und allein durch die Neugestaltung der Einkommensgrenzen bundesweit um 45 Millionen Euro entlastet werden, ist Ihre Argumentation mit der Mehrbelastung der Kommunen aber auch aus anderen Gründen an Doppelzüngigkeit nicht zu überbieten. Sie sind es doch, die den Kommunen 100 Millionen Euro Entlastung durch die Hartz-Gesetzgebung vorenthalten.
Nein. - Sie haben doch dem Gesetzespaket im Bundesrat zugestimmt. Würde es tatsächlich eine Mehrbelastung geben, dann müssten Sie den Kommunen im Sinne des Konnexitätsprinzips diese Kosten erstatten; denn schließlich haben Sie diesen Gesetzen zugestimmt.
Nein, meine Damen und Herren, Ihrem Änderungsantrag zum Kita-Gesetz können wir nicht zustimmen. Wir lehnen ihn strikt ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, Sie haben hier eben so getan, als ob die prozentuale Steigerung des Kultushaushaltes eine besondere Leistung dieser Landesregierung sei.
Sie haben allerdings verschwiegen, dass der KitaBereich aus dem Sozialministerium zusätzlich zum Kultusbereich gekommen ist. Das sind hunderte von Millionen Euro. Da ist nicht ein einziger zusätzlicher Cent hinzugekommen.
Ferner verschweigen Sie, dass das Ganztagsschulprogramm ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert wird; auch dazu haben Sie nichts getan!
Die prozentuale Steigerung hat deswegen also überhaupt nichts mit mehr Mitteln für Unterricht oder Förderung zu tun, sondern ist ausschließlich auf die Umschichtung von Mitteln im Landeshaushalt zurückzuführen.
Und das wollen Sie als Leistung bezeichnen? Schämen Sie sich eigentlich nicht?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion, die SPD-Fraktion, wird dem Entwurf eines Gesetzes über die „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“ zustimmen. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Beratungen im Ausschuss zu wichtigen und für uns unabdingbaren Verbesserungen des Gesetzentwurfs geführt haben. Ich möchte heute nur die drei für uns wichtigsten Veränderungen darstellen, die wir in den Beratungen durchgesetzt haben.
Erstens. Die Gedenkstättenarbeit der vielen Initiativen und Gedenkstätten in privater Trägerschaft wird durch die jetzigen Formulierungen ihrer tatsächlichen Bedeutung entsprechend im Gesetz gewürdigt und auch abgesichert. Die Interessengemeinschaft erhält zwar keinen gesetzlich abgesicherten Sitz im Stiftungsrat, aber während der Ausschussberatungen wurde von der SPD und den Grünen deutlich gefordert, dass eines der drei Mitglieder, die vom Stiftungsbeirat in den Stiftungsrat entsendet werden, von der Interessengemeinschaft niedersächsischer Gedenkstätten und Initiativen zur Erinnerung an die NS-Verbrechen gestellt werden soll. Die Interessengemeinschaft wird also einen Sitz im Stiftungsrat bekommen.
So wichtig die Arbeit der beiden staatlichen Gedenkstätten Bergen-Belsen und Wolfenbüttel auch ist, so darf nicht übersehen werden, dass es gerade die vielen, vielen ehrenamtlichen Initiativen sind, die maßgeblich dazu beitragen, dass das Gedenken an die, vor allem aber die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen ganz konkret am Ort des Geschehens stattfinden können. Hier vor Ort können die Schülerinnen und Schüler selbst Geschichte erforschen und nachvollziehen. Dieses konkrete Erleben ist es, was zu neuen Erkenntnissen führt. Deshalb war es uns so wichtig, diese Arbeit stärker im Gedenkstättengesetz zu verankern.
Zweitens. Die wissenschaftliche Beratung der Stiftung wird gesetzlich vorgeschrieben. Über die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Beratung muss der Stiftungsrat nach Beratung mit dem Stif
tungsbeirat entscheiden. So kann sich die Stiftung eben je nach aktueller Situation oder nach dem Bedarf durch entsprechende Fachleute kundig machen lassen; sei es z. B. bei der Neukonzeption der pädagogischen Arbeit der Gedenkstätten oder auch bei der Vergabe neuer Forschungsprojekte oder bei Veränderungen von Ausstellungen.
Drittens. Im Entwurf zum Gedenkstättengesetz war eine Beteiligung des Landtages und der verschiedenen Fraktionen nicht vorgesehen; weder im Stiftungsrat noch im Stiftungsbeirat. Die Landesregierung hatte sich demgegenüber gleich drei Sitze im Stiftungsrat gesichert. So geht das natürlich nicht. Schließlich ist es das höchste Recht, aber auch die Pflicht von uns Abgeordneten, über das Landesvermögen, das jetzt in eine Stiftung überführt wird, und über die erheblichen Mittel, die dort jährlich als Zuschuss für die Gedenkstättenarbeit gegeben werden, mitzubestimmen. Das ist nun wirklich nicht die alleinige Aufgabe der Landesregierung.
Außerdem ist es, glaube ich, bei der Gedenkstättenarbeit und angesichts all der Emotionen, die damit zusammenhängen, nur angemessen, die Gedenkstättenarbeit aus der normalen politischen Auseinandersetzung herauszuhalten. Dies kann unserer Auffassung nach dann besonders gut gelingen, wenn alle Fraktionen durch ihre Vertreterin bzw. durch ihren Vertreter in die Arbeit und die Entscheidungsfindung im Stiftungsrat miteingebunden sind. Das haben wir nun auch durchgesetzt. Jede Fraktion, auch die kleineren, hat einen Sitz im Stiftungsrat. - Diese drei Punkte stellen für uns die drei wichtigsten Beratungsergebnisse dar.
Zum Schluss möchte ich mich bei den anderen Fraktionen, vor allem aber auch bei Ihnen, Herr Busemann, für die sachgerechte und die kompromissbereite Beratung bedanken. Ich wünsche mir, dass die Überführung der Gedenkstättenarbeit in eine Stiftung das von uns allen erhoffte Ziel erreicht, nämlich das Ziel, dass die Gedenkstättenarbeit stärker als bisher inhaltlich, aber auch finanziell von Menschen aus dem In- und Ausland unterstützt wird, damit die Gedenkstätten und die sie tragenden Initiativen noch besser als bisher zum Gedenken an die NS-Verbrechen und deren Opfer beitragen können, dass unsere Kinder und Kindeskinder aus der Geschichte lernen können, wie wichtig es ist, Zivilcourage und Mut zu entwickeln, dass Diktatur und Faschismus zu Menschenverachtung und Tod führen, dass unsere Kinder und Kindeskinder lernen, dass nur die Demokratie un
sere Menschenrechte erhalten kann und wie wichtig es ist, für diese Demokratie zu arbeiten und sie zu erhalten.
In diesem Sinne wünsche ich der neuen „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“ für die Zukunft viel Erfolg bei ihrer Arbeit. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit nunmehr 50 Jahren sorgt die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung auf Seminaren und Tagungen, auf Veranstaltungen vor Ort, durch Ausstellungen und große Kongresse, durch die Erstellung von Materialien für Unterricht und für Einrichtungen der Erwachsenenbildung dafür, dass das Wissen und das Verständnis für unsere Demokratie und für die unterschiedlichen Themen unserer Gesellschaft ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen nahe gebracht und verstärkt werden.
Im Laufe dieser 50 Jahre haben sich Themen und Inhalte immer wieder den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst. Lag zu Beginn der Arbeit in den 50er-Jahren der Schwerpunkt in der Ausbildung von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern oder solchen Menschen, die sich um ein Mandat bewerben wollten, so wechselten die Themen von der Aufarbeitung des Nazi-Regimes und z. B. dem Verhalten der Justiz im Dritten Reich über Fragen der unterschiedlichen Systeme zwischen der Bundesrepublik und der DDR hin zu
Fragen der Integration von Ausländern und Aussiedlern. Fragen des europäischen Einigungsprozesses wurden dabei ebenso diskutiert wie Programme gegen Gewalt an Schulen unterstützt.
Die Akzeptanz der Landeszentrale wuchs dabei von Jahr zu Jahr, u. a. deshalb, weil sie die einzige Einrichtung ist, die in staatlicher Hand überparteilich informiert und weiterbildet.
Allein im Jahr 2003 haben 25 000 Menschen die politischen Veranstaltungen der Landeszentrale besucht. Wie unstrittig gut die Arbeit der Landeszentrale war und ist, kann man u. a. daran erkennen, dass jedes Mal bei der Diskussion über die Jahresberichte fraktionsübergreifend die Arbeit gelobt wurde.
Sie, Frau Vogelsang, als jetzige Vorsitzende des Kuratoriums waren es doch, die jedes Mal den Leiter der Landeszentrale aufgefordert hat, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich für ihre ausgezeichnete Arbeit zu danken.
War dieses Lob denn eigentlich niemals richtig ernst gemeint, sondern nur eine inhaltslose Floskel? Ist denn alles das, was jahrelang hervorragend war, nun plötzlich entbehrlich?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können so ein Verhalten nicht verstehen. Sie können nicht verstehen, dass nach dem Kabinettsbeschluss im Juli dieses Jahres zur Auflösung der Landeszentrale von Ihnen, meine Damen und Herren Kuratoriumsmitglieder von CDU und FDP, nicht ein einziges Wort des Protestes kam.
Das war vor Jahren, als die damalige Landesregierung einen ähnlichen Beschluss gefasst hatte, ganz anders. Damals gab es einen Konsens aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die Landeszentrale zu erhalten. Damals wurde dann der
Kabinettsbeschluss revidiert und die Landeszentrale erhalten.
Doch jetzt halten CDU und FDP still. Dabei ist die politische Bildung nötiger denn je; denn unsere Gesellschaft befindet sich in einem tief greifenden Umbruchsprozess, der nur gelingen kann, wenn er von möglichst vielen Menschen getragen wird. Nicht nur durch das Zusammenwachsen Europas und die Globalisierung werden die Probleme immer komplexer. Wenn sie immer komplexer werden, wird es auch immer schwieriger, Politik zu durchschauen und eigene Einflussmöglichkeiten zu erkennen. Deshalb können ohne politische Bildung Populisten und leider auch Extremisten Boden gewinnen, wie wir jetzt gerade bei den Wahlergebnissen im Saarland wieder einmal erleben mussten.
Demokratie ist deshalb niemals stabil, wie von der CDU behauptet wurde. Es würde dem Wesen von Demokratie ja auch widersprechen, starr und unveränderbar zu sein; denn schließlich wird sie von immer anderen Menschen neu gestaltet. Ministerpräsident Teufel hat anders als unser Ministerpräsident die Wichtigkeit der Landeszentralen sehr wohl erkannt.
Ich zitiere jetzt aus der Stuttgarter Zeitung vom 15. September dieses Jahres:
- unsere kostet 1,6 Millionen Euro
„sei für ihn völlig ausgeschlossen, sagte Teufel vor Medienvertretern. Nach der Weimarer Republik und dem Dritten Reich sei es eine ganz zentrale Aufgabe, Jugendlichen politische Bildung zu vermitteln. Darauf könne nicht verzichtet werden, so Teufel.“
Recht hat er!
Seine Aussagen gelten eben auch für Niedersachsen. Niedersachsen ist schließlich nicht gefeit gegen solche Gefahren, wie uns die jährlichen Verfassungsschutzberichte immer wieder zeigen.
Genau auf diesem Gebiet leistet unsere Landeszentrale hervorragende Arbeit. Sie hat nicht nur qualitativ wertvolle Seminare, Tagungen und Kongresse organisiert. Sie hat nicht nur die Initiativen gegen Rechtsextremismus inhaltlich, organisatorisch und finanziell unterstützt. Sie hat eben auch viel für Völkerverständigung getan und beispielsweise Schulpartnerschaften mit Polen initiiert und unterstützt. Die Materialien zu Bundestags-, Landtags- und Europawahlen werden der Landeszentrale geradezu aus den Händen gerissen. Sie mussten immer wieder nachgedruckt werden. In einer Auflage von 500 000 Exemplaren dienen sie dazu, Jugendliche und Erwachsenen über Wahlverfahren zu informieren und zum Wählen zu animieren. Nach dem Kabinettsbeschluss soll dies alles ersatzlos gestrichen werden.
Nun wissen wir alle: Das Land hat kein Geld. Es muss gekürzt werden. Aber es kommt darauf an, trotz Sparzwang keine wichtigen Strukturen zu vernichten und die richtigen Prioritäten zu setzen.
In anderen Ländern, denen es finanziell noch schlechter geht als Niedersachsen - ich nenne hier z. B. Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern -,
steht eine Schließung der Landeszentralen deshalb nicht zur Debatte. In Sachsen-Anhalt, dem ärmsten Bundesland, hat die CDU nach ihrem Wahlsieg den Etat sogar verdoppelt. Dort weiß man eben, dass eine Demokratie ohne Erziehung und ohne politische Bildung nicht möglich ist.
Übrigens: Sollte der Beschluss zur Schließung tatsächlich umgesetzt werden, wäre Niedersachsen das einzige Land ohne Landeszentrale für politische Bildung.
Dabei gibt es auch in Niedersachsen zur Schließung Alternativen.
Die SPD-Fraktion ist auch bereit, über diese Alternativen zu beraten. Trotz des Versprechens von Minister Busemann vor der Sommerpause, dass es auch nach der Überführung der Gedenkstättenarbeit in eine Stiftung weiterhin eine unabhängige Landeszentrale für politische Bildung mit 15 Fachreferenten geben wird, waren wir von der SPD bereit, über eine verwaltungstechnische Kooperation mit dem NiLS zu reden und gemeinsame Lösungsvorschläge zur Kosteneinsparung zu erarbeiten. Dabei hätten etliche Stellen und damit Kosten eingespart werden können, ohne die politisch inhaltliche Arbeit zu beeinträchtigen. So hatte es der Staatssekretär des Kultusministeriums, Herr Saager, in der Kuratoriumssitzung am 10. Juni 2004 vorgeschlagen. In dieser Sitzung sicherte Herr Saager nochmals ausdrücklich 15 Fachreferenten zu. Ich zitiere aus dem Protokoll des Kuratoriums:
„Auf die Frage der Abgeordneten Hemme, ob neue Einstellungen erfolgen würden, sollte die Zahl der Beschäftigten der Landeszentrale unter 15 fallen, erwiderte der Staatssekretär, er garantiere 15 Stellen.“
Am 13. Juli 2004, also nur einen Monat später, beschließt das Kabinett dann plötzlich, die Landeszentrale aufzulösen und alle Aufgaben ersatzlos zu streichen.
Nun haben wir ja eben bei der Diskussion um das Landesblindengeld gesagt, dass die Verfallszeiträume beim Sozialministerium ein Jahr betragen. Beim Kultusministerium betragen sie einen Monat.
Wir nennen so etwas Wortbruch. Die Landesregierung bricht damit ein den Abgeordneten gegebenes Versprechen.
Hier wurde bewusst einem Gremium des Landtages, nämlich dem Kuratorium, nicht die Wahrheit gesagt; denn wir wissen alle genau, Herr Busemann genauso wie Herr Saager, auch Sie, Herr McAllister und Herr Rösler, dass der Finanzminister, Herr Möllring, solche weit reichenden Ent
scheidungen nicht alleine in seinem Kämmerlein trifft. Sollte es doch so sein, dann frage ich mich allerdings: Wie wenig ernst nimmt Finanzminister Möllring eigentlich seine eigenen Kabinettskollegen? Sind die Zusagen von Fachministern Ihrer Landesregierung denn gar nichts wert?
Inzwischen merken auch CDU und FDP, dass die ersatzlose Streichung der Landeszentrale und ihrer Aufgaben überhaupt nicht durchzuführen ist. Es gibt bestehende Verträge und Projekte, wie z. B. die Schulpartnerschaft mit Polen, unseren Landtagswettbewerb und auch das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, die nicht einfach so ohne weiteres eingestampft werden können. Dafür muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Dann allerdings stimmt die Einsparsumme nicht mehr. Der Kabinettsbeschluss ist also schlicht und ergreifend nicht durchdacht.
Nun ist Herr Busemann nicht da. Ich bitte deswegen Herrn Schünemann, ihm zu sagen, dass wir ihn wirklich darum bitten, dass er seine Versprechungen und die seines Staatssekretärs einhält, und ich bitte Sie, dafür sorgen, dass der Kabinettsbeschluss rückgängig gemacht wird.
Aber auch Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, können dabei helfen, die Landeszentrale zu erhalten: Stimmen Sie einfach unserem Antrag zu! Es ist nämlich zu spät, nach politischer Bildung zu rufen, wenn die Radikalen wieder in den Parlamenten sitzen oder in Niedersachsen wieder Häuser brennen. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Ich freue mich, wenn es heißt, die politische Bildung soll weitergehen. Aber ich frage mich: Was ist das für eine politische Bildung, die nicht von einem unabhängigen und parteiübergreifenden Kuratorium kontrolliert wird? Soll jetzt der Innenminister oder sonst irgendein Minister über die Inhalte der politischen Bildung bestimmen? - Das ist für uns keine überparteiliche Bildung. Herr Schünemann, wenn es, wie Sie gesagt haben, nach der Herauslösung der Gedenkstättenarbeit aus der Landeszentrale nicht mehr zu verantworten ist, die Landeszentrale weiterzuführen, dann frage ich mich, warum Herr Busemann genau das versprochen hat, obwohl schon klar war, dass die Gedenkstätten in eine Stiftung überführt werden sollen, und warum Herr Saager noch in der JuniSitzung des Kuratoriums versprochen hat, dass es weiterhin 15 Fachreferenten für eine überparteiliche politische Arbeit geben wird. Was heißt das eigentlich? Wie sind die Versprechungen der Landesregierung einzuordnen?
Herr Schünemann, soll das heißen, dass Sie im Juli, als dem Kuratorium diese Versprechen gegeben wurden, von der Finanzlage noch keine Ahnung hatten?
Der vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport vorgelegte Verfassungsschutzbericht 2003 warnt vor den Gefahren durch rechtsextremistische Jugendgruppen. Der Niedersächsische Landtag hat am 29. April 2004 den gemeinsamen Antrag „Ausländerfeindlichkeit und Gewalt verurteilen - Integration fördern“ von den Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einstimmig verabschiedet.
Zeitgleich sperrt das Kultusministerium mit einem Erlass vom 30. April 2004 den Titel für die „Zuschüsse an Sonstige im Rahmen des Aktionsbündnisses gegen Rechts“. Während im Haushaltsjahr 2003 für Projekte gegen Rechtsextremismus noch 682 000 Euro zur Verfügung standen, wurde der Ansatz bei diesem Titel im Haushaltsjahr 2004 bereits auf 362 000 Euro halbiert. Von dem Ansatz für 2004 sind bislang nur 43 000 Euro freigegeben worden, davon 32 000 Euro für das Jugendcamp in Bergen-Belsen.
Durch die Sperrung der Mittel von rund 320 000 Euro können jetzt keine Projekte gegen Rechts mehr finanziert werden. Bis Anfang Mai waren 72 Anträge für Projekte gegen Rechtsextremismus bei der Landeszentrale für politische Bildung mit einem Finanzvolumen von 210 000 Euro eingegangen. 33 dieser Projekte wollten weniger als 50 % Zuschuss, der Rest der Kosten sollte von Kirchen, Vereinen und Verbänden sowie Sponsoren privat und ehrenamtlich finanziert werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. In welcher Höhe konnten Finanzmittel in den Jahren 2002, 2003 und 2004 durch die Kofinanzierung der Landesmittel mobilisiert werden?
2. Wie bringt die Landesregierung die Sperrungen der im Haushalt 2004 vorgesehenen Mittel in Höhe von rund 320 000 Euro in Einklang mit dem einstimmig verabschiedeten Antrag „Ausländerfeindlichkeit und Gewalt verurteilen - Integration för
dern“ mit der Warnung vor rechtsextremistischen Jugendgruppen im Verfassungsschutzbericht?
3. Welche anderen Maßnahmen plant die Landesregierung gegen die im Verfassungsschutzbericht 2003 auf Seite 21 genannte „latente und damit unkalkulierbare Gewaltbereitschaft rechtsextremistisch geprägter Jugendlicher“?
Herr Minister, Sie haben eben gesagt, dass die Mittel nicht gestrichen, sondern nur gesperrt seien. Wenn sie nur gesperrt sind, werden sie ja irgendwann auch wieder freigegeben.
Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, wann das der Fall sein wird. Wir haben nämlich folgendes Problem: Die Initiativen brauchen mehrere Wochen oder Monate, um ihre Aktionen und Veranstaltungen zu planen und durchzuführen. Allerdings dürfen sie mit der Planung nicht beginnen, bevor die Veranstaltung nicht bewilligt worden ist. Täten sie das doch, würden die Zuschüsse entfallen.
Wann also wollen Sie diese Mittel endlich freigeben? - Ansonsten ist das Jahr vorbei und Sie stellen sich hier hin und sagen: Tut mir furchtbar Leid, die Mittel sind gar nicht gebraucht worden.
Herr Minister, am 3. März 2004 ist den Landtagsabgeordneten im Kuratorium mitgeteilt worden, dass am 4. März 2004 die Mittel freigegeben werden. Das ist nicht geschehen.
Am 29. April hat der Landtag einstimmig den Antrag für Aktivitäten gegen Rechts beschlossen. Am 30. April, also einen Tag später, sind die Mittel gesperrt worden. Meinen Sie, dass das ein richtiger Umgang mit Landtagsabgeordneten bzw. mit dem Parlament ist?
Herr Minister, Sie haben eben zu Recht festgestellt, dass Integration nicht nur in Integrationsklassen stattfindet. Bei uns vor Ort findet sie in Kooperation mit der Geistigbehindertenschule und anderen Schulformen statt. Doch auch diese Kooperationsklassen sind jetzt durch Ihren neuen Unterrichtsversorgungserlass gefährdet, weil es nämlich nicht mehr möglich ist, in den so genannten Partnerklassen die Anzahl der Schülerinnen und Schüler niedriger zu gestalten als in den „normalen“ Schulklassen. Nun können Sie sich sicherlich vorstellen, dass es nicht möglich ist, bei einer Klassenfrequenz von 28 noch zusätzlich z. B. sieben Kinder einer G-Klasse mit zu unterrichten.
Wollen Sie dafür sorgen, dass auch für die Partnerklasse die Zahl der Schülerinnen und Schüler kleiner sein kann, sodass eine sinnvolle Kooperation überhaupt noch stattfinden kann?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, die Gedenkstätten in eine Stiftung zu überführen, hat uns auch schon in der vergangenen Legislaturperiode beschäftigt. Damals hat das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung, zu deren Zuständigkeit auch die Gedenkstättenarbeit gehört, einstimmig beschlossen, die Überführung in eine Stiftung erst dann zu konkretisieren, wenn die Ausbaumaßnahmen in Bergen-Belsen abgeschlossen sind. Alle Fraktionen waren damals der Meinung,
dass beim Bund nicht der Eindruck entstehen sollte, dass sich nun, wo der Bund Millionen Euro an Zuschüssen gibt, das Land aus seiner Verantwortung zurückzieht. Angesichts der derzeitigen Finanzlage des Landes hat aber auch meine Fraktion vollstes Verständnis dafür, wenn schon vom jetzigen Zeitpunkt an der Aufbau einer Stiftung forciert wird, um so besser Geld aus der Wirtschaft und von Privatpersonen für die Gedenkstätten einwerben zu können. Außerdem unterstützen wir das Ziel, durch die Einrichtung einer Stiftung und die daraus resultierenden Möglichkeiten die Gedenkstättenarbeit in einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern und deren Engagement dann auch herauszufordern.
Über das Ob einer Stiftung gibt es keinerlei Dissens. Über das Wie, über die gesetzliche Ausgestaltung, muss allerdings noch ausführlich beraten werden.
Wie vorhin erwähnt - auch Frau Vogelsang hat es eben ausgeführt -, hat das Kuratorium der Landeszentrale als Beratungs- und Aufsichtsgremium bisher darüber gewacht, dass die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit stets überparteilich und sachgerecht blieb. Im Kuratorium war es üblich, dass alle Beschlüsse einvernehmlich gefasst wurden. Differenzen wurden in Gesprächen ausgeräumt, und Kompromisse wurden gefunden. Dies hat dem Ansehen der Gedenkstätten und deren Arbeit nur gut getan und sollte beibehalten werden.
So wurden durch diese Regelung unterschiedliche Auffassungen der Fraktionen eben nicht durch die für die Medien oft notwendige Zuspitzung verschärft, sondern sachgerecht ausdiskutiert und durch Kompromisse Lösungen gefunden.
In dem Entwurf zum Gedenkstättengesetz ist eine Beteiligung des Landtages und der verschiedenen Fraktionen nicht vorgesehen, weder im Stiftungsrat noch im Stiftungsbeirat. Die Möglichkeit einer solchen konstruktiven Zusammenarbeit wird damit abgeschafft ebenso wie die Aufsicht durch Vertretung des gewählten Parlamentes. Meiner Meinung nach könnte sich das eher kontraproduktiv auswirken und möglicherweise zu einer Parteipolitisierung führen. Die Landesregierung hat sich nämlich demgegenüber gleich drei Plätze im Stiftungsrat reserviert, und zwar für das Kultus-, das Finanzund das Justizministerium.
Als ich Herrn Busemann in der vergangenen Woche darauf ansprach und auf dieses Missverhältnis
aufmerksam gemacht habe, hat er genauso wie eben im Plenum gleich Kompromissbereitschaft signalisiert. Ich freue mich darüber, weil das zeigt, dass wir wohl auch hier einen Kompromiss hinbekommen werden.
Ferner müssen wir noch einmal darüber nachdenken, ob alle betroffenen Organisationen im Stiftungsbeirat vertreten sind, die das gerne wollen. Uns hat zumindest die AvS, die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten, gemeldet, dass auch sie Interesse an einer Mitarbeit hätte.
Ein weiterer Diskussionspunkt müssen meiner Ansicht nach die Ängste der privaten Träger von niedersächsischen Gedenkstätten sein. Diese Ängste sind auch in deren Stellungnahme zum Gesetzentwurf formuliert worden. Aus der Stellungnahme ist nämlich zu entnehmen, dass sie befürchten, dass ihre Arbeit in Zukunft möglicherweise nicht wie bisher unterstützt wird. Zu Recht weist die Interessensgemeinschaft niedersächsischer Gedenkstätten und Initiativen zur Erinnerung an die NS-Verbrechen auf ihre wichtige lokale und regionale Arbeit hin. Immerhin gibt es neben den beiden Gedenkstätten Bergen-Belsen und Wolfenbüttel mehr als 60 weitere Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen von ganz unterschiedlicher Größe. Sie sind es, die immer wieder für eine inhaltliche Auseinandersetzung vor Ort sorgen. Diese Initiativen haben gegen das Vergessen und Nichterinnern angekämpft. Sie haben Orte des Erinnerns geschaffen, Orte des Verbrechens aufgedeckt und durch ihre Arbeit immer wieder zum Nachdenken angeregt. Sie sind es, die oft mit kleinem Budget Großes leisten. Während der Ausschussberatungen sollten wir also überlegen, ob es nicht doch sinnvoll ist, sie im Gesetzestext namentlich zu nennen und den Gedenkstättenfonds zur Förderung regionaler Gedenkstättenarbeit abzusichern.
Probleme werden vor Ort auch bei der Aufnahme der Gedenkstätte Wolfenbüttel in die Stiftung gesehen, weil sie erstens innerhalb einer Justizvollzugsanstalt liegt und zweitens im Verhältnis zu Bergen-Belsen so viel kleiner ist. Die Stadt Wolfenbüttel hat deshalb eine andere, möglicherweise sinnvollere Lösung vorgeschlagen. Auch deren Argumente sollten wir im Ausschuss sehr sorgfältig prüfen.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist der Sitz der Stiftung. Ist es wirklich sinnvoll, den Sitz der Stiftung nach Celle zu verlegen, obwohl dort weder eine
Gedenkstätte noch Büroräume, noch ein Archiv existieren. Dies führt meiner Ansicht nach nur zu unnötigen Miet- und Dienstfahrtkosten. Die Gelder könnten an anderer Stelle viel sinnvoller im Sinne des Stiftungszweckes ausgegeben werden. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass es mögliche Zustifter und Zustifterinnen oder auch Spenderinnen und Spender überzeugt, wenn sie vor Ort in Bergen-Belsen sehen können, wie sinnvoll ihr Geld eingesetzt werden kann.
Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber einig, dass die Gründung einer „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“ richtig ist. Über die Ausgestaltung des entsprechenden Gesetzes gibt es noch Beratungsbedarf. Dies sollten wir in den zuständigen Ausschüssen auch tun. Denn eines ist mir wirklich wichtig: Die niedersächsischen Gedenkstätten müssen weiterhin einerseits Orte der Trauer und des Erinnerns, der Mahnung und des Gedenkens, andererseits aber auch des Lernens und des Begreifens sein. Sie müssen uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass Hass nur Krieg und Tod bringt, Verstehen und Wissen aber Frieden, Toleranz und Zusammenarbeit ermöglichen. Ich danke Ihnen für das Zuhören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst einmal etwas zu der merkwürdigen Unterstellung von Frau Körtner sagen. Frau Körtner hatte damals im Ausschuss behauptet, dass das Modell der SPD zu Ganztagsschulen familienersetzend und das der CDU familienergänzend sei. Daraufhin habe ich gesagt, das sei Unsinn, es gebe überhaupt keine Schule, die familienersetzend sein könne; sie wolle doch wohl nicht behaupten, dass eine Ganztagsschule in Frankreich, Schweden, Dänemark, England oder sonst wo eine Familie ersetzen würde. So viel zu dem Unsinn.
Nun komme ich zu dem, was Herr Busemann gesagt hat. Herr Busemann, Ihre Unterstützung für Ganztagsschulen ist genauso wenig hilfreich wie Ihre Unterstützung für die vollen Halbtagsschulen. Wie bei den vollen Halbtagsschulen geben Sie denen zwar noch das Etikett der vollen Halbtags
schule, aber Sie streichen ihnen die Stunden und die Mittel.
Aber nicht nur das. Sie kürzen bei allen Ganztagsschulen - auch bei den bestehenden - den Anspruch auf Zusatzstunden derart dramatisch, dass z. B. der Anspruch an meiner Hauptschule, die Ganztagsschule ist, von jetzt 60 Stunden Zusatzbedarf auf 24 Stunden gekürzt wird. Eine sinnvolle pädagogische Arbeit ist so nicht mehr möglich. Die Schulen im Lande sind auch nicht dankbar für dieses Konzept. Wenn man sich vor Ort blicken lässt und mit deren Vertretern redet, dann erfährt man, dass sie entsetzt darüber sind, dass sämtliche ihrer pädagogischen Konzepte durch das, was Sie mit Ihrem Ganztagsschulerlass und Ihrem Unterrichtsversorgungserlass bewirken, kaputt gemacht werden. Ein Fördern der Lernstarken oder der Lernschwachen in einem Ganztagsschulprogramm ist so überhaupt nicht möglich.
Dass die Schulträger ihre Anträge aufrechterhalten haben, hat etwas damit zu tun, dass das Programm der Bundesregierung nicht etwa die pädagogische Arbeit - denn das ist die Aufgabe des Landes - unterstützen, sondern die bauliche Situation der Schulen verbessern wollte. Die Schulträger haben ihre Anträge aufrechterhalten, damit sie wenigstens die bauliche Ausstattung entweder erhalten oder verbessern können. Das, was Sie machen, indem Sie den Schulen einfach nur das Etikett „Ganztagsschule“ geben, um an die Bundesmittel heranzukommen, finde ich ziemlich unredlich.
Herr Busemann, Sie gehen ja davon aus, dass die Schulen durch das Ausleihen von Schulbüchern Gewinne erwirtschaften können. Dieses Geld sollen sie für die Anschaffung neuer Schulbücher oder anderweitig verwenden können. Sind diese Gewinne eigentlich steuerpflichtig?
Wenn das so ist, wie Sie soeben vorgelesen haben, hätte ich gerne gewusst, warum die dritte Sportstunde in der Grundschule gestrichen wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei Frau Korter für ihre wirklich sehr ausführlichen Darstellungen bedanken. Dann möchte ich aber auf das eingehen, was Frau Körtner hier gesagt hat. Sie haben eben gesagt, sie wollten alle Schulen gleich behandeln, das sei gerecht. Dazu möchte ich Ihnen ein Gleichnis erzählen: Vor einem Baum stehen ein Affe, eine Schildkröte, ein Elefant und eine Ente. Der Lehrer steht vor ihnen und sagt: Ich bin gerecht; ihr bekommt alle die gleiche Aufgabe. Klettert auf diesen Baum! Wer zuerst oben ist, hat gewonnen.
So gerecht, Frau Körtner und meine Damen und Herren von den Fraktionen von CDU und FDP, ist Ihre Schulreform!
Weil Frau Korter schon einiges gesagt hat, will ich mich auf einige andere Aspekte der Anträge beziehen. Ich beginne mit einem Zitat aus der Zeit. Sie schreibt in ihrer 6. Ausgabe dieses Jahres:
„Unser gegliedertes Schulsystem soll die Kinder begabungsgerecht fördern. Doch die Auslese geschieht völlig willkürlich. Ein Grundpfeiler des deutschen Schulsystems erweist sich als morsch, die so genannte Übergangsempfehlung am Ende des vierten Schuljahres.“
So die Zeit!
Eigentlich soll bei der Schullaufbahnempfehlung die Leistung der Schüler den Ausschlag geben. Doch das gelingt nur in Ansätzen, nämlich nur bei den sehr starken und bei den sehr schwachen Schülerinnen und Schülern. Bei dem großen Mit
telfeld, bei fast jedem zweiten Kind, wird recht willkürlich auf die verschiedenen Schularten verteilt.
Doch das ist leider noch nicht alles. Alle Vergleichsstudien belegen, dass der Nachwuchs von sozial Schwachen und Einwanderern systematisch benachteiligt wird. So hat das Kind eines Managers bei gleicher Leistung eine drei mal so große Chance auf eine Gymnasialempfehlung wie das Kind eines Arbeiters. Ich wiederhole: bei gleicher Leistung.
Herr Busemann, obwohl Sie diese Ergebnisse ganz genau kennen, und obwohl Sie wissen, dass 50 % aller Schullaufbahnempfehlungen falsch sind, haben Sie trotzdem alle Eltern der 4., 5. und 6. Klassen angeschrieben und sie aufgefordert, sich an die Schullaufbahnempfehlungen zu halten. Dazu muss man sagen: Bildungsbürgereltern schicken trotz eines solchen Schreibens ihre Kinder auf das Gymnasium oder auf die Realschule. Diejenigen aber, die wegen ihres Sozialstatus schon ungerecht beurteilt werden, haben meistens nicht den Mut, sich nach einem solchen Schreiben des Kultusministers anders zu verhalten, als die Empfehlung vorgibt. Deshalb, Herr Kultusminister, ist Ihr Handeln schlicht unverantwortlich.
In den vergangenen Tagen konnte man lesen, dass Sie erleichtert sind, weil nur 35 % der Eltern auf das Gymnasium pochen. Aber wieso sind Sie deshalb eigentlich erleichtert? - Andere Staaten erreichen Abiturquoten von mehr als 40, 50 und 60 %.
Unsere Kinder sind nicht dümmer. Die anderen Staaten erreichen diese Quoten dann auch noch mit besseren Leistungen als bei uns.
Herr Busemann, Sie sind erleichtert, dass immerhin 19,2 % der Eltern ihr Kind auf eine Hauptschule schicken, obwohl die Schulen 35 % dafür empfohlen haben. All diese Zahlen zeigen doch nur eines, nämlich dass die Schullaufbahnempfehlungen bei zehnjährigen Kindern problematisch sind. Aber das ist Ihnen ja egal. Hauptsache, Sie können Ihr gegliedertes Schulsystem durchziehen. Aber auf wessen Kosten? - Auf Kosten der Zukunftschancen unserer Kinder!
Doch das ist leider noch nicht alles. Sie streichen die Hausaufgabenhilfe und reduzieren die Förderstunden, Sie kürzen den muttersprachlichen Unter
richt, und selbst bei den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern für Schülerinnen und Schüler bei persönlichen Problemen, den Beratungslehrkräften, wird kräftig in den Topf der Anrechnungsstunden gegriffen. Statt bisher fünf Stunden pro 500 Schülerinnen und Schüler wird es künftig nur noch drei Stunden geben - pro Woche drei Stunden Beratung für 500 Schülerinnen und Schüler!
Aber Sie gehen noch weiter. Sie führen zwar den vorschulischen Sprachunterricht fort, streichen aber die dafür vorgesehenen 280 zusätzlichen Stellen
und nehmen stattdessen die benötigten Stunden aus dem allgemeinen Fördertopf der Schulen. Folge: Ab Februar, also jeweils im zweiten Schulhalbjahr, wenn es um die Versetzung und die Schullaufbahnempfehlung geht, gibt es wegen der vorschulischen Sprachförderung nur noch vereinzelt Förderung an den Grundschulen. Reicheren Eltern macht diese Kürzung nicht viel aus; die finanzieren ihrem Nachwuchs nämlich einfach außerschulischen Nachhilfeunterricht. Doch was machen die Ärmeren?
Deren Kinder, Herr Klare, werden von Ihnen einfach als nicht so begabt eingestuft und bekommen nur eine Real- oder Hauptschulempfehlung. Sie nennen das dann ein begabungsgerechtes Schulsystem. Ich nenne das soziale Ungerechtigkeit und Selektion à la CDU und FDP!
Aber bei der Regierungsmehrheit gelten nicht soziale Gerechtigkeit oder Leistungssteigerung als Qualitätsnachweis - nein, bei ihr muss ein Schulsystem einfach und schlicht sein. Dann ist es per se gut. Deshalb soll auch der Erlass zur Berechnung der Unterrichtsversorgung einfach sein. Aber nicht etwa, weil die Eltern und Schulen nicht mit einem komplizierteren Erlass umgehen konnten nein, die Kollegen von der CDU-Fraktion konnten im Ausschuss, obwohl ihnen die Soll- und Istzahlen genannt wurden, nicht die entsprechende Prozentzahl ausrechnen.
- Zum Lachen ist das leider nicht. Das ist eher traurig. - Ob so ein einfacher Erlass zur Unterrichtsversorgung tatsächlich den unterschiedlichen Gegebenheiten, Schulen und Klassen gerecht wird, wage ich anzuzweifeln.
Auch der Landeselternrat hat natürlich gemerkt, welche Spielchen sie da treiben, Herr Busemann. Sie redeten immer davon, dass der Unterrichtserlass nur einfach und verständlich sein muss. Die Eltern haben dann auch verstanden. Sie haben verstanden, dass mit diesem Erlass der Anspruch der Kinder auf Unterricht nicht erfüllt wird, weil tausende von Stunden gekürzt werden. Deswegen haben die Eltern ihre Zustimmung zu diesem Erlass verweigert und ihr Veto eingelegt. Denn sie haben Ihren Erlass als grandioses Täuschungsmanöver entlarvt. Vor der Wahl haben Sie eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung versprochen. Sie haben aber bereits ein Jahr nach der Wahl wieder Lehrerstellen einkassiert. Sie tricksen und rechnen die Unterrichtsversorgung schön!
Bei Ihnen werden aus ehemals 86 % - wie uns übrigens auch Herr Klare immer vorgerechnet hat ohne eine Unterrichtsstunde mehr plötzlich 100 %. Die Folge ist ein Streichkonzert bei Förderkonzepten, Wahlpflichtbereichen, schulformübergreifendem Unterricht, Differenzierungen und individuellen Förderungen. Sie streichen gerade bei den pädagogisch sinnvollen Maßnahmen. Aber Schule muss eben mehr sein als nur Unterricht. Wenn Sie nicht endlich die notwendigen Förderstunden zur Verfügung stellen, dann erfüllen die gerade beschlossenen Förderpläne für jedes Kind eigentlich nur eine Art Alibifunktion für Ihr Schulsystem. Aber sie sind dann keine Grundlage mehr für eine individuelle Leistungssteigerung bei den Kindern.
Herr Klare, ich finde es richtig perfide, wenn Sie sich auf den PISA-Papst Professor Baumert berufen. Der hat nämlich nicht gesagt, man könne die Klassenobergrenzen ruhig erhöhen, wie Sie es immer behaupten. Herr Professor Baumert hat gesagt, dass es sinnvoller sei, Geld in individuelle Förderung und zusätzliche Fördermaßnahmen zu stecken, anstatt die Klassenobergrenzen zu senken. Also, Herr Klare, missbrauchen Sie nicht Herrn Professor Baumert für Ihre Zwecke.
Ich gebe Ihnen stattdessen einen anderen Tipp: Schließen Sie sich lieber der FDP-Fraktion an. Diese will nämlich nach Finnland reisen, um sich über das dortige Schulsystem zu informieren und daraus zu lernen. Vielleicht hat sie ja noch ein paar Plätze für die CDU-Schulpolitiker frei. Es wäre besser gewesen, Sie wären vor Verabschiedung des Schulgesetzes gefahren. Aber zum Lernen ist es ja schließlich nie zu spät, und Schulgesetze kann man ändern.
Meine Damen und Herren, sowohl in unserem als auch im Antrag der Grünen werden zahlreiche Forderungen nach Änderungen in den Erlassentwürfen gestellt, damit pädagogische Konzepte weitergeführt werden können, den Schulen Entwicklungsmöglichkeiten bleiben und wenigstens ein Hauch von Durchlässigkeit erhalten werden kann. Doch Sie machen das Gegenteil. Sie hungern die Gesamtschulen systematisch aus. Nachdem Sie sich wegen der massenhaften Proteste nicht getraut haben, die Gesamtschulen aus dem Schulgesetz zu streichen, lassen Sie sie jetzt per Erlass verhungern. Es gab 1 500 Eingaben, die gegen Ihr Vorgehen protestiert haben, und zwar nicht nur von der Gesamtschule Göttingen, sondern auch von vielen anderen Schulen.
Wie ernst Sie die Anliegen der Petentinnen und Petenten nahmen, kann man daran erkennen, dass die Ausschusskolleginnen und -kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP über die Eingaben anfangs sogar ohne Beratung abstimmen lassen wollten. So gehen Sie mit Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern, Eltern, Lehrkräften und Schulträgern um!
Die Grünen und wir haben solch ein skandalöses Vorgehen allerdings nicht zugelassen. Die Eltern haben nämlich Recht mit ihren Protesten. Deshalb hat meine Fraktion beantragt, diese 1 500 Eingaben der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Bei der Abstimmung gleich wird sich ja zeigen, wer auf der Seite der Eltern steht, wer mit den Eltern für ein differenziertes pädagogisches Angebot und damit für die Möglichkeit von individueller Förderung der Kinder ist.
Meine Damen und Herren, auch im gegliederten Schulsystem zerstören die Erlasse fast alle pädagogischen Konzepte. Streichung der Teampflege zur Förderung in größeren Klassen, Kürzungen im Wahlpflichtbereich und beim schulformübergreifenden Unterricht - die Bildung von individuellen Lernschwerpunkten ist so doch kaum noch möglich. Wie soll eigentlich der Unterricht in Arbeit/Wirtschaft/Technik, der Unterricht in Hauswirtschaft, der Schwimmunterricht oder der naturwissenschaftliche Unterricht in Klassen mit 32 Schülerinnen und Schülern stattfinden? - Sie wissen doch selbst, dass die Werkstätten und Küchen der Schulen gar nicht groß genug sind und dass das Sicherheitsrisiko bei so großen Gruppen viel zu hoch ist. Aber Sie tun wirklich gnadenlos alles, nur um auf dem Papier eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung zu erreichen.
Selbst den Ausbau der Ganztagsschulangebote wollen Sie nur noch auf Kosten der bestehenden Ganztagsschulen vorantreiben. Deshalb werden dort die Zusatzstunden gekürzt. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner Region, von einer Ganztagsschule vor Ort - übrigens einer Hauptschule, die Sie ja angeblich stärken wollen. Für diese Schule bedeuten Ihre Kürzungen, dass sie für ihre Schülerinnen und Schüler anstatt wie bisher 60 Zusatzstunden für Förderung in Sport, Spiel, Musik, Theater etc. ab dem kommenden Schuljahr nur noch 24 Stunden bekommt. Das nennen unsere Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP dann Stärkung der Hauptschule! Das ist keine Stärkung, das ist ein Ausbluten von pädagogischen Konzepten! Das sind verpasste Chancen zur Förderung und Eingliederung!
An dieser Schule wird mit großem Engagement versucht, den vielen Aussiedlerkindern Deutsch, Lesen, Rechnen und Schreiben beizubringen und sie nicht in ihrem Getto zu lassen.
Diese Schule überlegt übrigens, ob sie das Ganztagsangebot nicht verpflichtend machen muss Frau Körtner, halten Sie einfach Ihren Mund und hören Sie zu! -,
weil dort die hochproblematischen Kinder und Jugendlichen nämlich nicht freiwillig an den Nachmittagsangeboten teilnehmen.
Diese hatten nämlich bisher so viele Misserfolgserlebnisse, dass sie die Schule am liebsten von außen sehen und nicht noch nachmittags freiwillig dort bleiben. Von diesen Kindern haben wir gestern in der Aktuellen Stunde gesprochen.
Denen will diese Schule mit einem verpflichtenden Nachmittagsangebot Halt geben, so, wie Sie das gestern gefordert haben.
Deswegen plant diese Schule auch, den Vormittagsunterricht anders zu strukturieren. Doch dazu braucht sie mehr Zeit und das verpflichtende Nachmittagsangebot. Da ist es dann schon bitter, wenn Sie die Möglichkeiten der Schule, so etwas zu tun und auf die Ausgangslagen und Lernbedingungen der Schüler einzugehen, immer weiter einschränken. Wir müssen den Kindern und Jugendlichen doch Chancen eröffnen, und zwar rechtzeitig. Wir müssen ihnen die Gelegenheit geben, Erfolgserlebnisse zu haben und mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln.
- Frau Körtner, dass Sie jetzt nicht zuhören, finde ich so etwas von schlimm, weil Sie nämlich nachher diese Entscheidung treffen. Sie müssen einmal zuhören, was in unseren Schulen eigentlich los ist!
Wir müssen unseren Kindern mehr Selbstwertgefühl geben. Das ist nämlich - neben vielem ande
ren - ein Baustein, um zu verhindern, dass Jugendliche andere quälen müssen, um sich stark zu fühlen. Es nützt nämlich gar nichts - wie das Frau Dr. von der Leyen im Landtag getan hat -, ein liebevolleres Elternhaus zu fordern, das den Alltag strukturiert, wenn wir doch ganz genau wissen, dass die Eltern das diesen Jugendlichen nicht geben können, weil sie selbst so viele Probleme haben. Es klingt wie Hohn, wenn Herr Wulff hier feststellt: Die Gesellschaft hat manchen aufgegeben. Manche haben sich aber selbst aufgegeben. - So ist das. Manche dieser Jugendlichen haben sich selbst aufgegeben - aber nach welcher familiären und schulischen Vorgeschichte? Nach welcher Serie von Misserfolgen und Missachtung?
Herr Busemann hat doch Recht, wenn er sagt: Wir haben andere Waffen als Videokameras. Wir haben Sozialarbeit und Pädagogik. - Herr Busemann, lassen Sie dieser Erkenntnis doch aber auch Taten folgen. Lassen Sie die Stunden für Pädagogik in den Schulen, und hören Sie auf zu kürzen, kürzen, kürzen. Sie kürzen die Pädagogik für solche schwierigen Jugendlichen aus den Schulen weg. Videokameras, Sicherheitskonzepte und mehr Sozialarbeiter an berufsbildenden Schulen - all das sind möglicherweise richtige Maßnahmen, um gewaltbereite Jugendliche zu kontrollieren. Aber wirklich helfen oder gar Entwicklungen bei Jugendlichen verhindern, das können diese Maßnahmen nicht. Dazu bräuchten wir neben liebevolleren Elternhäusern vor allem Schulen, die jedes Kind dort abholen, wo es sich befindet, Schulen, die unterstützen und Kinder stärken, Schulen, die Chancen und Schullaufbahnen öffnen und nicht verschließen. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, nehmen unseren Schulen mit Ihren Erlassen viele dieser Möglichkeiten. Wir machen da nicht mit. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fragen wir doch einmal diejenigen, die es betrifft. Neben den Schülern sind das hauptsächlich die Eltern. Der Stadtelternrat in Hannover hat sich dazu geäußert, vor allen Dingen zu Ihrer Behauptung, dass die Sprachförderung das A und O sei und dass sie so viel zur individuellen Förderung der Kinder beitragen würde.
Ich zitiere:
„Die Sprachfrühförderung ist ein wesentlicher, aber nicht der einzige Schlüssel für den Schulerfolg. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn die
Frühförderung nur für ein halbes Jahr durchgeführt werden soll.“
„Migrantenkinder, ausländische Kinder und Kinder aus belasteten Familienverhältnissen brauchen Sprachförderung plus Hausaufgabenhilfe - auch im weiteren Verlauf der Schulzeit. Für die Sprachförderung andere wichtige Förderangebote und Arbeitsgemeinschaften zu streichen, heißt, auf der einen Seite Löcher dadurch zu stopfen, dass sie auf der anderen Seite wieder aufgerissen werden. Gerade durch die angesprochenen Streichungen bleiben nicht nur die benachteiligten Schüler aus einer Klasse auf der Strecke, sondern alle Kinder dieser Klasse, da durch ungenügende Förderung das Leistungsniveau insgesamt nicht angehoben wird. Wir begrüßen zwar ausdrücklich die Absicht, für alle Kinder individuelle Förderpläne bis zur 6. Klasse aufzustellen, nur bezweifeln wir, dass Sie den Schulen die Mittel geben wollen, den Kindern maßgeschneiderte Förderangebote machen zu können.“
Genau hier liegt der Knackpunkt, meine Damen und Herren. Sie benutzen Schlagworte wie Durchlässigkeit und individuelle Förderung und suggerieren damit - oder versuchen es zumindest -, dass Sie tatsächlich etwas dafür täten. Aber genau das tun Sie nicht. Das merken inzwischen die Eltern und Lehrer. Auch deswegen gibt es draußen die großen Demonstrationen gegen Ihre Politik.
Herr Schünemann, ich würde Ihre Einschätzung ja teilen, dass man hier keine Namen nennt, aber Frau Westermann-Krieg hat sich selbst in der Öffentlichkeit geäußert.
Deswegen frage ich die Landesregierung, ob sie das Folgende für richtig hält: Frau WestermannKrieg hat Folgendes in der Zeitung gesagt: Ich kenne den Niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Hirche gut.
Über ihn ist der Wechsel zustande gekommen. - Ist das in der Zukunft so üblich?
Hält die Landesregierung es für rechtmäßig, dass jetzt nicht mehr nach Qualifikationen entschieden wird, sondern nach parteipolitischen Mitgliedschaften,
wie man das hier sehen kann? Frau WestermannKrieg ist FDP-Mitglied und hat durch ihren Kontakt zu Herrn Hirche diesen Posten bekommen.
Ich frage Sie, ob das in Zukunft wirklich so üblich sein soll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lernmittelfreiheit wird abgeschafft. So haben es die Fraktionen von CDU und FDP im Kultusausschuss beschlossen, und so wird es nun wohl auch gleich die Landtagsmehrheit beschließen, und das, obwohl niemand weiß, wie es denn nun für finanzschwache Eltern weitergehen soll. Wieder einmal wird die Konzeptlosigkeit der beiden Fraktionen und der Landesregierung deutlich.
Das wäre nun ja nicht so schlimm, wenn Sie sich wenigstens vernünftig beraten ließen und auch Argumente hören würden. Doch dem ist leider nicht so. Bei der CDU-Fraktion und bei der FDP-Fraktion ist die Konzeptlosigkeit nämlich auch mit der Arroganz der Macht gepaart.
Argumente werden einfach weggestimmt. Eine grundlegende, wirklich differenzierende Argumentation hat da wenig Sinn. Deshalb will ich mich auch auf zwei Argumente beschränken.
Erstens. Im Landeshaushalt sollen bei den Lernmitteln von den veranschlagten 22,5 Millionen Euro 12,8 Millionen Euro gekürzt werden. Wir haben in Niedersachsen rund eine Million Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen. Schulbücher kosten bei Neukauf pro Jahr und Kind zwischen 100 und 250 Euro. Das macht also eine Summe zwischen 100 und 250 Millionen Euro Kosten für die Eltern aus, und das nur, um 12 Millionen Euro im Landeshaushalt einzusparen. Ist das, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, etwa Ihr neues Wirtschaftsförderungsprogramm für Verlage und Buchläden, und das auf dem Rücken der Eltern?
Und nun kommen Sie mir nicht mit den Schulbuchflohmärkten, auf denen man angeblich billig gebrauchte Schulbücher einkaufen kann. Sie können damit nämlich nicht argumentieren; denn Sie wollen die Lernmittelfreiheit ja u. a. deshalb abschaffen, damit die Schülerinnen und Schüler in die Bücher hineinschreiben können und die Bücher für die späteren Jahre zum Nachschlagen behalten. Dann kann man sie eben nicht mehr verkaufen.
Schon bei der ersten Beratung haben Sie, Frau Bertholdes-Sandrock, völlig unlogisch argumentiert.
Einerseits sollen die Kinder die Bücher wie Arbeitsmaterialien behandeln. Sie sollen hineinschreiben, Randbemerkungen machen, unterstreichen und Kommentare hineinschreiben. Andererseits sollen die Bücher aber sauber und ordentlich weiter verkauft werden, um Kosten zu senken.
Ein zweites Argument gegen die Abschaffung der Lernmittelfreiheit: Bei der ersten Beratung haben sowohl die Kollegen von der CDU-Fraktion und FDP-Fraktion als leider auch die Kollegen von der Fraktion der Grünen argumentiert, dass sie es für sozial gerechter halten, wenn reiche Familien stärker finanziell belastet werden. Nach dieser Logik ist der Vorschlag von Herrn Schünemann eigentlich nur konsequent, auch den Schulbusverkehr für reichere Eltern kostenpflichtig zu machen. Konsequent wäre es dann auch, reiche Eltern an den Kosten für die Lehrkräfte zu beteiligen. Solchen Vorschlägen müssten Sie nach Ihrer Logik zustimmen und sie nicht voller Empörung zurückweisen.
Wir sehen das anders. Nach Ihrer Meinung sollen demnächst nur noch Sozialhilfeempfänger oder Bezieher von Wohngeld Unterstützung für die Anschaffung von Schulbüchern erhalten. Bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und von der FDP-Fraktion, scheinen alle Eltern, die über dem Sozialhilfesatz liegen, schon gleich zu den Reichen zu gehören. Mir war es bisher unbekannt, dass der Reichtum gleich über dem Sozialhilfesatz anfängt. Wir von der SPD-Fraktion wissen, dass dem nicht so ist. Wir wissen, wie sehr tausende und abertausende von Familien rechnen, sich einschränken und knausern müssen, um Miete, Lebensmittel, Telefon, Versicherungen und Kleidung - kurz: den täglichen Lebensunterhalt bezahlen zu können.
- Frau Körtner, Sie beweisen gerade wieder, dass Sie eben nicht zuhören und Argumenten gegenüber nicht aufgeschlossen sind.
Wir wissen, dass es bei diesen Familien auf jeden Euro ankommt und dass 150 bis 250 Euro pro Kind und Jahr da erheblich ins Gewicht fallen. Das ist z. B. die Summe für die Geburtstagsgeschenke oder Weihnachtsgeschenke für die Kinder, oder das ist das Geld für einen Wochenendausflug oder für neue Winterstiefel. Auch diese Eltern wollen ihren Kindern gerne einmal etwas schenken, was
nicht nützlich, aber bei ihren gleichaltrigen Kameradinnen und Kameraden eben „in“ ist - z. B. ein Handy oder die neuesten Computerspiele.
Wir von der SPD-Fraktion haben Verständnis für diese Familien und sagen deshalb Nein zu einer zusätzlichen Belastung von Eltern. Wir wissen, dass es eben nicht nur die reichen Eltern auf der einen Seite und die Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger auf der anderen Seite gibt. Zwischen diesen beiden Extremen versuchen Millionen von Familien zurecht zu kommen mit steigenden Kosten und dem Wunsch, ihren Kindern trotzdem Musikunterricht, Sportverein, Kinobesuch oder Kindergeburtstag zu finanzieren. Diese Eltern haben Probleme, zusätzliche Kosten - wie z. B. für Schulbücher - aufzufangen, die neben Klassenfahrten, Ausflügen, Materialien usw. entstehen.
Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen von CDU und FDP, wischen diese Probleme vom Tisch und kommen gebetsmühlenartig mit der Haushaltslage des Landes. Diese war und ist allen bekannt.
Wir wollen die Eltern trotz der desolaten Haushaltslage nicht zusätzlich belasten. Damit stehen wir im Landtag zwar alleine da, sodass der Antrag auf Beibehaltung der Lernmittelfreiheit gleich abgelehnt wird. Aber dann sind wir eben die einzige Fraktion, die die Lage der meisten Eltern versteht. Hier geht es eben nicht um die reichen, sondern um die vielen normalen Eltern, die gerade so mit ihrem Geld auskommen.
Jetzt zitiere ich aus der Unterschriftensammlung der Eltern. Die Eltern schreiben:
„Die Kosten für die Bildung von Kindern sollen nach Vorstellung der Landesregierung zu einem weit größeren Teil als bisher allein aus dem Einkommen der Eltern bezahlt werden, während der Nutzen, den die Gesellschaft davon hat, gern von der Gesamtgesellschaft, insbesondere auch von den Kinderlosen, angenommen wird. Dass es zu Einsparungen, zur
Konsolidierung des Landeshaushaltes kommen muss, ist unstrittig. Hier wird aber nicht gespart, sondern umverteilt. Hier werden die Kosten für Lernmittel, die bisher steuerfinanziert waren, allein Eltern und Familien mit schulpflichtigen Kindern aufgebürdet. Uns sind keine Sparpläne bekannt, bei denen die Landesregierung nur und ausschließlich Kinderlose zur Kasse bitten will, die, weil sie keine Kinder haben, in der Regel ohnehin über ein höheres Pro-Kopf-Einkommen verfügen. Jede Form der finanziellen Mehrbelastung, die einzig und allein die Familien trifft, ist in bildungsund familienpolitischer Hinsicht völlig kontraproduktiv.“
Dem ist überhaupt nichts mehr hinzuzufügen. - Ich danke für Ihr Zuhören.
Herr Busemann, nur ganz kurz.
Erstens. Es geht nicht darum, dass wir jedem alles geben wollen, sondern es geht darum, dass wir Familien mit Kindern unterstützen wollen. Darum geht es.
Zweitens. Wenn Sie Ihr Ausleihsystem, das Sie eben grob skizziert haben, einführen, dann können die Schüler und Schülerinnen wieder nichts in die Bücher hineinschreiben, sie können sie wieder nicht behalten, und der Verwaltungsaufwand wird auch nicht kleiner werden, als er jetzt ist. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass heutzutage Kinder zu einem immer größeren Armutsrisiko werden und dass dies neben den fehlenden Betreuungs- und Ganztagsangeboten an den Schulen ein Hauptgrund dafür ist, dass sich immer mehr junge Paare gegen eigene Kinder entscheiden.
Frau Ministerin von der Leyen sagte hier gestern - meiner Ansicht nach zu Recht -, dass Kinder hochwillkommen seien, und forderte, die Familien zu entlasten. Recht hat sie, unsere Frau Ministerin. Aber dann, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, tun Sie es doch auch.
Lassen Sie - trotz der großen Finanzprobleme des Landes, die wir ja alle kennen - die Finger weg von all denjenigen Haushaltstiteln, die Eltern und ihre Kinder entlasten, und erst recht von all jenen, bei denen es sich um Bildung und Ausbildung unserer Kinder handelt. Aber in dem Haushaltsplanentwurf wird genau das Gegenteil getan. Da wird zusammengestrichen, was der Rotstift so hergibt. Der Ansatz für Lernmittel wird um mehr als die Hälfte reduziert, und das auch noch planlos und ohne irgendein Konzept. Im Haushaltsplanentwurf steht nur die nichtssagende Erläuterung: „Es ist beabsichtigt, die allgemeine Lernmittelfreiheit mit Wirkung zum 01.08.2004 aufzuheben. Durch Gesetzesänderung wird sichergestellt, dass bedürftige Personenkreise weiterhin an einem eingeschränkten Auswahlverfahren teilnehmen können.“