Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 5. Sitzung im zweiten Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.
Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 23. Danach setzen wir den Tagesordnungspunkt 2 fort, nämlich die am Mittwoch zurückgestellten Eingaben. Wir behandeln heute die Eingaben, die strittig sind. Anschließend erledigen wir die Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 24 und behandeln dann die Tagesordnungspunkte 25 und 26.
Von der CDU-Fraktion haben sich für den heutigen Tag Frau Jahns, Frau Klopp und Herr Dr. Runkel entschuldigt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP für die 15. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages wurde die Ablehnung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes angekündigt. Das hat der Fraktionsvorsitzende der CDU vor dem Landtagsplenum bekräftigt.
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz würde bei seiner Umsetzung zu erheblichen Mehreinnahmen führen und damit die Einhaltung der Maastricht-Kriterien ermöglichen. Der Landeshaushalt, aber auch die Haushalte der niedersächsischen Kommunen würden entlastet, und damit würde eine höhere Verschuldung vermieden werden. Die Entlastung beträgt für die Länder voraussichtlich ca. 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2003 und 4,1 Milliarden Euro im Jahr 2004. Die Entlastung für die Kommunen beträgt voraussichtlich ca. 280 Millionen Euro im Jahr 2003 und 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2004. Für 2005 betragen die Zahlen 5,5 Milliarden Euro bzw. 2,3 Milliarden Euro.
Im Rahmen der Beratung über das Steuerpaket des Bundes haben die Ministerpräsidenten Steinbrück und Koch gestern einen erfreulichen Kompromiss zur Körperschaftsteuer vorgelegt. Das Volumen ist allerdings geringer als erwartet. Widerstand kam u. a. aus Niedersachsen.
1. Wie bewertet sie die Tatsache, dass bei einem Scheitern des Steuervergünstigungsabbaugesetzes Einnahmeverluste beim Land und bei den Kommunen entstehen würden?
2. Welche Alternativen schlägt sie vor, um die Einnahmeausfälle für das Land und für die Kommunen zu kompensieren?
3. Wie will sie künftig die gemeinsame Verantwortung des Bundes, der Länder und der Gemeinden für die Einhaltung des Maastrichter Stabilitätspaktes gestalten?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen wird nicht aufgefallen sein, dass Herr Wenzel die Anfrage, die er schriftlich eingereicht hat, ein bisschen verändert und aktualisiert hat. Ich weiß nicht, ob das nach der Geschäftsordnung zulässig ist. Durch seinen Einschub hat sich die Antwort praktisch erledigt. Trotzdem möchte ich die von ihm schriftlich gestellte Frage gerne beantworten, damit ich meiner Auskunftspflicht nachkomme.
Ich möchte vorwegschicken, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz mit ganz großer Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist
und dass inzwischen weder die Bundesregierung noch die A-Länder versuchen, es zu retten, sondern Sie haben eben richtig darauf hingewiesen, dass man inzwischen schon sehr viel weiter ist und nur noch das Körperschaftsteuergesetz ändern will, um die Fehler zu korrigieren.
Darüber hinaus möchte ich anführen, dass die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung - sie sind unverdächtig, also weder B-Länder noch sonst was - darauf hingewiesen haben, dass das Gesetz mindestens 0,5 % Wirtschaftswachstum kosten würde und damit die Wirtschaft weiterhin nach unten treiben würde, sodass es wohl richtig war, dass der Bundesrat dieses Gesetz abgelehnt hat.
Sie schicken Ihrer Anfrage eine Darstellung der von der Bundesregierung erwarteten Mehreinnahmen aufgrund des Steuervergünstigungsabbaugesetzes voraus. Dessen Umsetzung würde danach zu den berechneten Entlastungen der öffentlichen Haushalte und zur Erfüllung der MaastrichtKriterien führen. - Wenn man „Entlastung der öffentlichen Haushalte“ sagt, ist das natürlich immer eine Belastung der Wirtschaft, weil es ja um Steuererhöhungen geht. - Die aus den vorgesehenen Regelungen erwachsenden Risiken sehen Sie aber offenbar nicht. Auch die massive und nahezu einhellige Kritik der Experten in der Anhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestages am 15. Januar zu diesem Gesetz ist Ihnen verborgen geblieben. Hierzu möchte ich in aller Kürze Folgendes bemerken, Herr Wenzel:
auf die Äußerung der fünf Wirtschaftsweisen. Denn die mit den geplanten Maßnahmen zwangsläufig verbundene weitere Schwächung des Wirtschaftswachstums lässt weitere Einbrüche bei den Steuereinnahmen befürchten. 0,5 % Minuswachstum würde allein für Niedersachsen 125 Millionen Euro Steuermindereinnahmen bedeuten. Das hätten wir nicht einmal aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz bei besten Annahmen erwartet. Auf längere Sicht führt sie überdies - durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit - zu einer Belastung der sozialen Sicherungssysteme und damit zu einer Belastung der öffentlichen Kassen. Den Beweis, dass die geplanten Steuererhöhungen ungeachtet dieser zwangsläufig zu erwartenden Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft die prognostizierten Erfolge zeigen könnten, ist die Bundesregierung bisher schuldig geblieben. Die Sekundärfolgen wurden bei der Schätzung, auf die Sie sich stützen, bisher überhaupt nicht berücksichtigt.
Zu Frage 1: Es ist bisher keineswegs nachgewiesen, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz den hochgesteckten Erwartungen der Bundesregierung auch nur ansatzweise gerecht werden könnte.
Selbst wenn sich die Steuereinnahmen über die geplanten Steuererhöhungen kurzfristig tatsächlich nennenswert steigern ließen - eine mehr als nur kurzfristige Steigerung halte ich für völlig unwahrscheinlich -, würden langfristig die negativen Folgen verschiedener zusätzlicher wirtschaftlicher Belastungsfaktoren in einer konjunkturell labilen Situation überwiegen. Denn Mehreinnahmen für den Staat bedeuten Mehrbelastungen für Bürger und Unternehmen, Mehrbelastungen, die die Leistungs- und Investitionsbereitschaft hemmen und dem privaten Konsum abträglich sind. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Krisenlage, mit der sich nicht nur Niedersachsen, sondern ganz Deutschland auseinander zu setzen hat, erscheinen die geplanten umfangreichen und überwiegend fiskalisch orientierten Steuererhöhungen wirtschaftspolitisch verfehlt. Das haben auch die Wirtschaftsweisen gesagt.
Dabei ist sich die Niedersächsische Landesregierung durchaus bewusst, dass aus Haushaltsgründen eine zielgenauere Steuerung von Steuervergünstigungen zwingend ist. Ein Steuervergünstigungsabbaugesetz, das diesen Namen verdient, würde deshalb auch meine Zustimmung finden. Das so ge
nannte Steuervergünstigungsabbaugesetz in seiner gegenwärtigen Form - jetzt muss man schon sagen: in seiner früheren, gescheiterten Form - enthält jedoch auf der einen Seite eine ganze Reihe nicht durchdachter Steuerbelastungen, während auf der anderen Seite die grundlegenden Probleme unseres Steuersystems ungelöst bleiben. Eine solche investitionsfeindliche und damit arbeitsplatzvernichtende Steuergesetzgebung kann ich nicht mittragen.
Gerade ein Land wie Niedersachsen mit einer mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur ist auf eine wachstumsfreundliche Steuerpolitik angewiesen, die investitionswilligen Unternehmern die erforderlichen finanziellen Spielräume eröffnet. In diesem Sinne werde ich mich für eine Vereinfachung des Steuerrechtes bei gleichzeitiger Reduzierung der Steuersätze einsetzen.
Zu Frage 2: Ich bin davon überzeugt, dass eine nachhaltige Sanierung der öffentlichen Haushalte nur im Wege einer umfassenden Strukturreform gelingen kann. Dabei muss auch das Steuerrecht einer gründlichen Modernisierung unterzogen werden, wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland - das bedeutet natürlich auch: der Wirtschaftsstandort Niedersachsen, die niedersächsischen Kommunen - im internationalen Wettbewerb um Produktionsanteile und damit um Arbeitsplätze bestehen will.
Zu den dringend gebotenen und schon lange überfälligen Reformen gehört es selbstverständlich auch, dass bestehende steuerliche Subventionstatbestände auf den Prüfstand gestellt werden, um die verfassungsrechtlich gebotene Belastungsgleichheit wiederherzustellen. Wer aber glaubt, dass eine weitere Erhöhung der Staatsquote der richtige und einzige Weg zur Konsolidierung der Staatsfinanzen des Landes und der Kommunen sei, der befindet sich auf dem Holzweg. Wenn der Staat seine finanzielle Handlungsfähigkeit wiederherstellen will, muss er sparen. Er muss sich auf seine Kernaufgaben zurückbesinnen. Eine konsequente Rückführung der Bürokratie auf ein vernünftiges und finanzierbares Maß kommt der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft gleichermaßen zugute. Deshalb genießt für diese Landesregierung die Reform der Landesverwaltung erste und oberste Priorität.
Zu Frage 3: Das Staatsdefizit der Bundesrepublik Deutschland hat im letzten Jahr 3,6 % des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht und lag damit klar über der Maastricht-Grenze von 3 %. Auch für dieses Jahr gilt: Die Defizitgrenze wird sich angesichts der anhaltenden Wachstumsschwäche in Deutschland nur bei deutlicher wirtschaftlicher Erholung einhalten lassen. Fiskalische Maßnahmen, die zwar der Einnahmeerzielung dienen, aber gleichzeitig Wachstum bremsen oder sogar reduzieren, sind also auch vor dem Hintergrund der europäischen Verpflichtungen Deutschlands kontraproduktiv und daher abzulehnen. Deshalb haben wir sie auch abgelehnt.
Die Länder haben sich als Gesamtheit im Finanzplanungsrat immer dazu bekannt, ihren Beitrag zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen Deutschlands zu leisten. Dazu gehören auch eine Begrenzung der Ausgabenzuwächse der Länder auf 1 % in den Jahren 2003 und 2004, die Verabredung einer quotalen Aufteilung der zulässigen Defizite zwischen den Ebenen sowie die Zielsetzung, die Defizite der Länder langfristig in Richtung null zu steuern. Das ist richtig und gut so. Das streben wir an. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.
Die neue Niedersächsische Landesregierung bekräftigt darüber hinaus ihre Zielsetzung, die Defizite im Landeshaushalt zu verringern und bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode 2013 auch in Niedersachsen eine Haushaltssituation „close to balance“ zu erreichen. Das bedeutet, dass in vielen Bereichen Ausgaben gekürzt werden müssen. Vieles, was vielleicht wünschenswert wäre, wird sich daher nicht realisieren lassen. Die Sparmaßnahmen sind aber erforderlich, wenn die Ausgabenzuwächse ungeachtet steigender Zinskosten und steigender Tariflöhne und -gehälter sowie steigender Zahlungen im kommunalen Finanzausgleich auf 1 % begrenzt werden sollen.
Die von Ihnen aufgestellte Vermutung, dass die steuerpolitischen Pläne der Landesregierung die Schulden ansteigen ließen, trifft somit nicht zu.
Vielmehr ist diese Landesregierung – im Einklang mit der Mehrheit der Fachleute – der festen Überzeugung, dass die von der Bundesregierung geplanten Steuererhöhungen ungeeignet sind, um die Schuldenuhr zum Stillstand zu bringen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Möllring, in Ihrer Regierungserklärung am Mittwoch und auch heute in Ihrer Antwort haben Sie erklärt, ein Steuervergünstigungsabbaugesetz, das seinen Namen verdient, würde die Zustimmung dieser Landesregierung finden. Ich frage Sie: Welchen Steuervergünstigungen und welchen Steuervergünstigungsabbaumaßnahmen - das ist ein schwieriges Wort; ich habe es nicht erfunden - würde diese Landesregierung zustimmen, und welche Mehreinnahmen sind aus Ihrer Sicht daraus zu erwarten?