Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

- Das, was Sie mit den Insolvenzen sagen, ist doch Quatsch!

(Katrin Trost [CDU]: Er hat ja kein Problem mit Insolvenzen!)

Der Kollege Bley von der CDU-Fraktion hat hier noch einmal auf die Situation in Südtirol hingewiesen. In der Tat ist dort der Meisterzwang aufgehoben worden. Die Zahl der Handwerksbetriebe ist dort von 12 000 auf 13 000 angestiegen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Pizzabäcker!)

- Das waren doch keine Pizzabäcker. Das ist doch gar kein Handwerksberuf. Dafür gab es vorher doch gar keinen Meisterzwang. - Dort sind zusätzliche Arbeitsplätze entstanden.

Wenn jetzt jemand aus der Europäischen Union kommt, um sich in Deutschland niederzulassen, dann kann ihm das keine Wirtschaftsbürokratie - auch Ihre nicht, Herr Hirche - verwehren; denn er hat hier Niederlassungsfreiheit. Wenn er seine Qualifikation nachweist, dann müssen Sie ihn sich hier wirtschaftlich betätigen lassen. Deutsche werden aber diskriminiert. Von Deutschen verlangen Sie über die Handwerksordnung in allen diesen Berufen den Großen Befähigungsnachweis. Ich meine, es ist an der Zeit, dass mit der Inländerdiskriminierung Schluss gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Noch etwas, Herr Hirche: Sie reden ja immer von Bürokratieabbau. Wir hatten neulich im Wirtschaftsausschuss die Petition eines Unternehmers, der kleine Holzhäuser erstellt und diese Holzhäuser auch aufgestellt hat. Das war für ihn ein hervorragender Markt, den er erschlossen hat. Um das möglichst kostengünstig zu machen, hat er auch die Streifenfundamente für diese kleinen Holzhäuschen gelegt.

(Oh, oh! bei der SPD)

Was meinen Sie, was da passiert ist? - Da kam - ich will den Landkreis nicht nennen; der ist ja unschuldig; der wendet nur das geltende Recht an die Bürokratie und hat gesagt: Da greifst du aber in das Gewerk der Maurermeister ein! Du darfst keine Streifenfundamente machen! - Ich glaube, die meisten von uns trauen sich zu, ein ordentliches Streifenfundament zu legen. Das wurde erstens verboten, und zweitens - -

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

- Sie vielleicht nicht, Herr Dinkla.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, dieser Unternehmer musste 500 Euro Bußgeld zahlen, weil er ein kostengünstiges Gesamtangebot entwickelt hat, das marktgerecht war und mit dem die Kunden zufrieden waren. Er hat dargelegt, wenn er diese Leistung für Maurermeister, für Handwerksbetriebe ausschreibt, dann wären diese Häuser so teuer, dass er sie nicht mehr verkaufen kann.

Und Sie wollen etwas von Wettbewerbsfreiheit erzählen, Herr Hirche? - Das ist doch nicht glaubwürdig! Sie sind für Flexibilisierung und für mehr Wettbewerb, wenn es um Arbeitnehmerschutzrechte, um Tarifschutzrechte geht. Aber wenn Ihre eigene Klientel betroffen ist, dann sind Sie betonkonservativ, dann wollen Sie keine Änderungen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen Wettbewerb, und wir wollen Qualitätswettbewerb. Auch jeder Handwerker in der Anlage B kann sich zum Meister qualifizieren. Er kann mit dem Meisterbrief sozusagen ein Zertifikat vorweisen, das den von ihm geforderten Verbraucherschutz - - - Jetzt kommen Sie übrigens mit Verbraucherschutz, Vertrauen der Verbraucher in die Qualität. Wenn es aber um Verbraucherberatung

geht, dann streichen Sie die Zuschüsse ganz radikal.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie die Interessen der Verbraucher im Auge haben, dann sehen Sie hier doch mal den mündigen Verbraucher, der ja dann zwischen den Handwerkern, die sich ohne Meisterbrief unternehmerisch betätigen - vielleicht aber auch mit Erfolg; es ist ja nicht gesagt, dass ein Meister automatisch Qualität liefert; Qualität ist immer in der Sache zu sehen und nicht in der formalen Zugangsvoraussetzung -, und den anderen mit Meisterbrief wählen kann. Wir können also einen Qualitätswettbewerb mit denjenigen haben, die den Meisterbrief erwerben. Wir halten in diesem Sinne am Meisterbrief fest. Aber wir wollen gleichzeitig Wettbewerb zulassen und die wettbewerbsfeindlichen und europafeindlichen Regelungen in der Handwerksordnung beseitigen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Grünen und lehnen den Antrag der Koalitionsfraktionen ab.

(Beifall bei der SPD - Hermann Dinkla [CDU]: Aber Sie werden sich nicht durchsetzen!)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Hermann das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Oppermann, auf einem von Ihnen gefertigten Streifenfundament würde ich mein Haus nicht bauen.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Herr Oppermann, ich würde mir sogar überlegen, ob ich ein Gartenhaus darauf bauen könnte. Selbst das wäre mir zu riskant. Lassen Sie uns das lieber von den Fachleuten machen.

(Axel Plaue [SPD]: Das könnten Sie auch! Das kann ich Ihnen zeigen!)

- Genau, Sie können das. - Meine Damen und Herren, gerade die, die von mir aus auf der linken Seite sitzen, sprechen Sie doch einmal mit den Bäcker-, Fleischer- und Friseurmeisterinnen und - meistern in diesem Land. Bitte tun Sie das endlich einmal. Das kann ich nicht oft genug sagen.

Wissen Sie, was die Ihnen sagen werden? - Sie werden sagen: Lasst uns doch in Ruhe! Das ist doch ein Nebenschauplatz.

(Beifall bei der FDP)

Aber nichts passiert; im Gegenteil: Sie verunsichern die Angehörigen dieses wichtigen Wirtschaftszweiges in unserem Land. Meine Kolleginnen und Kollegen, es kann keine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gemacht werden, wenn Sie den Wirtschaftszweig schlechthin - welcher übrigens als die tragende Säule der Gesellschaft allein in Niedersachsen aus über 60 000 Meisterbetrieben besteht - unter Druck setzen. Die Betriebe resignieren mittlerweile. Sie haben auch die Lust daran verloren, auszubilden. Sie zweifeln ja mittlerweile sogar an ihrer unternehmerischen Zukunft. Das müssen Sie bedenken, wenn Sie hier so argumentieren, Herr Oppermann. Übrigens macht mir nicht nur die Novelle der Handwerksordnung Sorgen, sondern auch die neu aufgetretene Diskussion über Vermögen- und Erbschaftsteuer, und insbesondere über die drohende Ausbildungsplatzabgabe.

(Unruhe)

Herr Hermann, bitte warten Sie einen Augenblick. Meine Damen und Herren, es ist hier wirklich unerträglich laut. Daher ist es für den Redner sehr schwierig, zu sprechen.

(Heidrun Merk [SPD]: Das hängt mit dem Redner zusammen! Er redet so schlecht! Wolfgang Hermann (FDP):

Ich meine, ich rede laut genug. - Schließlich will das niedersächsische Handwerk seine Ausbildungskapazität von schon 12 % noch erhöhen. Der Durchschnitt in Deutschland liegt übrigens bei 4 %. Ich meine, das diese hervorragende Ausbildungsleistung nicht mehr umzusetzen wäre, wenn die von der Bundesregierung geplanten Änderungen angenommen würden. Kann man so etwas in unserer Zeit verantworten? - Ich sage Nein.

Natürlich gibt es im deutschen Handwerk auch Modernisierungsbedarf. Die FDP-Fraktion möchte die Dynamik des Handwerks durch die Öffnung der Handwerksordnung steigern. Wir wissen, dass es hier durchaus Nachholbedarf gibt. Wir wollen durch

Qualifikation neue Existenzen schaffen - aber nur mit und nicht gegen die Gewerke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zudem wollen wir eine großzügige Anerkennung von anderen Zugangswegen erreichen.

Verehrte Damen, meine Herren, insgesamt gesehen muss ich sagen: Wer die Tradition nicht ehrt - das sage ich zu der linken Seite dieses Hauses -, der ist wohl auch der Zukunft nicht wert. Achten Sie darauf. Es ist wichtig, die Tradition zu ehren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Dieter Haase [SPD]: Un- verschämtheit! - Weitere Zurufe von der SPD)

Es ist an der Zeit, im Landtag zu demonstrieren, dass das Handwerk für den Mittelstand eine wichtige Kommunikationsebene in unserer Gesellschaft, in unseren Städten, Gemeinden und in unserem Land ist. Durch solche Diskussionen vernichten wir sie. Über Traditionen können wir aber gerne sprechen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam mit sinnvollen Reformen die Zukunft des Handwerks angehen. Wir sollten die 60 000 Meisterbetriebe in Niedersachsen in Ruhe lassen, damit sie sich für die Zukunft keine Sorgen machen müssen, und ihnen jetzt die Sicherheit geben, damit sie unternehmerisch wirken können. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Hirche das Wort. Bitte!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Mensch, Walter, nicht wieder so dolle jetzt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss einmal fragen, worum es in der Sache geht.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist eine gute Idee!)

Erstens. Das Handwerk ist der Wirtschaftsbereich, in dem die meisten Ausbildungsplätze vorhanden sind. 12 % der Personen, die dort tätig sind, sind

Auszubildende. Wir haben heute Morgen gehört, dass es bei den Gewerkschaften nur 1 % sind. Deswegen lassen wir uns von ihnen nicht sagen, wie die Ausbildung gemacht werden soll.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Im Bereich des Handwerks waren die Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren trotz des Konjunkturrückgangs sicherer als in jedem anderen Wirtschaftsbereich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)