Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen, insbesondere dann nicht, wenn es um Arbeitsplätze, um die finanziellen Situationen und die sozialen Nöte der Menschen in der Region geht. Lieber Kollege Kaidas, das weise ich sehr stark zurück.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion verengt den Blick bei der Diskussion um die Arbeitsplätze im Lande Niedersachsen bei der Reduzierung der Bundeswehrstandorte allein auf die Arbeitsplatzsituation. Bei der Reform der Bundeswehr geht es um eine zweite wichtige Diskussion in Bezug auf das, was am 11. September in New York passiert ist, aber auch das, was im Irak passiert ist. Es geht darum, die neue Situation zu erkennen und eine Reform der Bundeswehr und eine Reform der Verteidigungsdoktrin so durchzuführen, wie es für die Zukunft notwendig sein wird.
Die Grünen sagen Ja zu einer Reform der Bundeswehr. Wir sagen Ja zu einer Abschaffung der Wehrpflicht,
und wir sagen Ja zu einer neuen Gewichtung der Landesaufgabe „Landesverteidigung“. Darauf müssen das Schwergewicht und der Fokus gelegt werden, wenn es darum geht, die Bundeswehr nicht nur unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Es geht auch um die Frage der Gewichtung der Landesverteidigung. Das ist in dieser Debatte der zentrale Punkt.
Wir unterstützen die Bundesregierung und insbesondere auch den Minister Struck in der Frage der Neuformulierung der Begriffe „Sicherheit und Verteidigung“. Es geht darum, diese Begriffe neu zu definieren. Meine verehrten Kollegen von der CDU-Fraktion, diese Definition bleiben Sie in Ihrer konservativen Art einfach schuldig. Sie drücken sich vor einer neuen begrifflichen Definition in diesem Bereich.
Das alte Bedrohungsszenario, unter dem Sie anscheinend immer noch leiden, gibt es nicht mehr. Der Ost-West-Konflikt ist aufgelöst, die Mauer und der eiserne Vorhang sind gefallen.
Daraus hat sich auch für uns in der Bundesrepublik - mitten in Europa - eine neue Verantwortung ergeben. Wir müssen darüber diskutieren, was Sicherheit in diesem Lande eigentlich bedeutet, und zwar auch in Bezug auf die Bündnispartnerschaften, die wir in der EU und mit der NATO eingegangen sind. Diese Diskussion bleiben Sie schuldig. Sie verengen den Blick und spielen mit den Ängsten der Menschen in diesen Regionen. Sie verengen den Blick auf die Arbeitsmarktsituation. Sie müssen da einfach nachliefern und nacharbeiten.
Zukünftig wird - das ist auch bei der Diskussion um die Bundeswehrreform und um die Schließung der Standorte in Niedersachsen unser Schwerpunkt das Aufgabenspektrum der Bundeswehr diskutiert werden müssen. Wo ist die internationale Notwendigkeit, auch mit der NATO zusammen einzuschreiten; wo ist Krisenbewältigung zu leisten; wo ist Peacekeeping im Rahmen der EU und der multinationalen Einsätze durchzuführen? - Das sind die Fragen, die wir zu beantworten haben, und nicht die Frage, ob 1 000 Arbeitsplätze verschwinden. Ich halte dem die 6 500 Stellen gegenüber, die Sie bei den Bezirksregierungen streichen wollen. Auch das sind Arbeitsplätze, lieber Kollege Jens Kaidas. Die verheimlichen Sie in dieser Debatte. Sie wollen hier eine einseitige Diskussion führen.
Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, ich erwarte auch von Ihnen eine Diskussion in dieser Debatte. Gerade Sie als Verfechter der Betriebswirtschaft, der wirtschaftlichen Gedanken, der Kosten-Nutzen-Analyse, die Sie uns in anderen Bereichen vorhalten, müssen uns etwas dazu sagen, warum wir unwirtschaftliche Standorte nicht schließen sollen, warum Sie der CDU das Wort in dieser Frage reden und Jens Kaidas dabei unterstützen, dass man diese Standorte erhalten soll.
Wir stellen uns hinter den GI, den Generalinspektor Schneiderhan, den wir alle kennen, der deutlich gemacht hat, dass im Rahmen der Bundeswehrreform drei Säulen, die er in einem Text im Februar dieses Jahres genannt hat, notwendig sind, die überprüft werden müssen. Er hat gesagt: Wir müs
sen die Menschen bei der Bundeswehr und ihre Fähigkeiten prüfen; wir müssen die Ausrüstung und die Leistungsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit im Rahmen von Beschaffung und Betrieb überprüfen. Das ist zurzeit das zentrale Problem - nicht nur auf landespolitischer, sondern auch auf bundespolitischer Ebene. Wir müssen sparen. Wir müssen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten schauen, was im Rahmen von Landesverteidigung und Bundesverteidigung noch sinnvoll ist. Diese Antwort haben Sie bislang nicht gegeben. Die sind Sie schuldig geblieben. Sie spielen mit den Ängsten in den betroffenen Regionen. Ich erwarte eine andere Herangehensweise von Ihnen. Mischen Sie sich konstruktiv ein. Herr Kaidas, als ehemaliger Pionier der Bundeswehr, seien Sie Mitpionier bei einem neuen Denken der CDUFraktion in dieser Frage. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann die Diskussion durchaus nachvollziehen. Wir haben uns hier öfters über die Frage unterhalten, welche Belastungen entstehen, wenn Standorte geschlossen werden. Man kann dabei jedoch die Geschichte nicht völlig ausgrenzen, die wir Mitte der 90er-Jahre erlebt haben. Niedersachsen war von Standortschließungen in höchstem Maße überproportional betroffen. Zum Glück ist das Land bei der zweiten großen Welle Ende der 90er-Jahre nicht so sehr betroffen gewesen, sondern andere. Wenn Niedersachsen jetzt wieder an zweiter Stelle steht, dann hat das auch etwas damit zu tun, dass wir traditionell – ge.schichtlich gewachsen - sehr viele Standorte hatten. Ich will mich dem anschließen, was der Kollege von der Fraktion der Grünen zum Ausdruck gebracht hat. Der Bundesverteidigungsminister hat gesagt: stärkere Einsatzorientierung, geringere Betriebskosten, höhere Investitionen. Diesen neuen Kurs müsse er mit der Bundeswehr einschlagen.
Wir haben eben in der Aktuellen Stunde im Zusammenhang mit dem Antrag der SPD-Fraktion über Systeme diskutiert, die nicht mehr finanzierbar sind. Wenn wir weltpolitische Veränderungen
haben und auf die Haushaltssituation Rücksicht nehmen, dann muss es auch Veränderungen bei den Streitkräften geben. Ich würde Ihnen empfehlen, statt Anträge zu Aktuellen Stunden zu stellen und Klagelieder zu singen, den Versuch zu unternehmen, Standorte zu erhalten, und zwar in Gesprächen außerhalb der Öffentlichkeit, die Sie für besonders notwendig halten. Der Glaube, mit Verteidigungspolitik könne man in Niedersachsen Strukturpolitik betreiben, ist ein Irrglaube. Wir haben - ich bedauere das sehr - viele Standorte in der Vergangenheit verloren. Aber Sie wissen auch, eine aus Kostengesichtspunkten optimale Struktur für die Bundeswehr wäre wahrscheinlich ein großer Heeresstandort rund um Munster, irgendwo ein Luftwaffenstandort im Süden der Republik und vielleicht ein Marinestandort an der Ostsee. - Das wäre aus Kostengründen das Optimale. Das wird nicht gemacht. Eine gewisse Rücksichtnahme findet zwar statt, aber das kann nicht über gewisse Grenzen hinweggehen, weil auch dem Verteidigungsminister finanzielle Grenzen gesetzt sind und er sich an neuen Anforderungen orientieren muss. Diese neue Anforderungen kann man auch in Niedersachsen nicht negieren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus allen Wortbeiträgen ist deutlich geworden, dass Niedersachsen in den letzten Jahren, insbesondere in den Jahren 2001 bis 2003, durch Standortreduzierungen überproportional belastet worden ist. Das hat natürlich etwas mit Arbeitsplätzen zu tun. Das ist gerade in der jetzigen Situation ein ganz wichtiges Thema.
Ich bin in der Landesregierung derjenige, der für Verwaltungsreform zuständig ist. Mir wird man nicht vorwerfen können, dass ich gegen Reformen an sich bin, aber sie müssen Sinn machen und vor allem wirtschaftlich sein. Ich darf an die Diskussion im Sommer erinnern, als es darum ging, die Standorte Eydelstedt und Großenkneten nach Schleswig-Holstein zu verlegen. Ich hatte den Verteidigungsminister zweimal schriftlich aufgefor
dert, doch einmal darzulegen, aus welchen Gründen die Verlegung wirtschaftlicher sei. Denn es ist überhaupt nicht bestritten worden, dass zunächst einmal 41 Millionen Euro investiert werden müssen. Es kann ja sein, dass dadurch langfristig Einsparungen erzielt werden. Aber das ist mir auch nicht dargelegt worden. Das ist etwas, was man nicht hinnehmen kann, weil es keine klaren Fakten, sondern - das muss ich unterstellen - politische Entscheidungen gewesen sind, um andere Bundesländer weniger zu belasten als unser Bundesland. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können.
Herr Minister, es ist doch üblich, dass bei Standortschließungen und Strukturentscheidungen das Land einbezogen wird. Hat der Bundesminister Sie gerade bei der Standortschließung in Eydelstedt einbezogen, und wie haben Sie sich dazu verhalten?
In diesem Punkt ist das Land nicht mit einbezogen worden. Ich habe das recherchieren lassen: Gerade in den Jahren 2001 bis 2003 ist das Land bei allen Standortentscheidungen nicht mit einbezogen worden.
Das ist etwas, was man schlichtweg nicht akzeptieren kann. Das fordern wir jetzt auf jeden Fall ein.
Das Land ist jetzt wieder überproportional betroffen und steht an zweiter Stelle. Die Zahlen sind bereits genannt worden: Insgesamt sind in Niedersachsen 14 Standorte betroffen; die Auflösung des Standortes Axstedt und die Reduzierung in Bremervör
de, Lorup und Zetel treffen uns hart. Insofern müssen wir ein klares Zeichen setzen. Ich bin der CDU-Fraktion sehr dankbar, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung genommen hat. Meine Damen und Herren, hier ist längst nicht Schluss. Denn der Bundesverteidigungsminister hat angekündigt, dass er in diesen Tagen und Anfang nächsten Jahres 100 bis 110 weitere Standorte schließen will. Jetzt kommt es darauf an, mit ihm rechtzeitig ins Gespräch zu kommen und unsere Belange darzustellen.
Ich bin vorsichtig optimistisch; denn am 22. September dieses Jahres hat es ein Gespräch gegeben: Staatssekretär Biederbeck aus dem Bundesverteidigungsministerium und Frau Dr. Wurzel, die Chefin unserer Staatskanzlei, haben über dieses Thema gesprochen und vereinbart, regelmäßig im Dialog zu bleiben. Darauf sollten wir uns jetzt konzentrieren. Der Bundesverteidigungsminister hat klar gemacht, dass er beim Thema der Reduzierung der Depots nicht mit sich reden lässt. Wir halten das nicht für sinnvoll, aber wir haben es zu akzeptieren. Wir müssen in die Zukunft schauen und müssen sehen, dass wir bei der Reduzierung unseren Einfluss deutlich machen und verhindern, dass Niedersachsen erneut überproportional betroffen wird.
Meine Damen und Herren, wenn gerade die Fakten eine andere Sprache sprechen als bei Eydelstedt und Großenkneten, dann gehe ich davon aus, dass alle Fraktionen in diesem Hause dem Bundesverteidigungsminister deutlich machen, dass wir das nicht akzeptieren.
Es ist richtig, dass die Bundeswehr sich den neuen Herausforderungen stellen, neue Strategien entwickeln und sich reformieren muss. Wir dürfen aber einen Punkt nicht vergessen - das habe ich bei dem Beitrag der Fraktion der Grünen völlig vermisst -, nämlich den Bereich Heimatschutz. Das muss bei der Umstrukturierung der Bundeswehr insgesamt mit berücksichtigt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz: Mit dem Begriff „Heimatschutz“ kann ich nicht so viel anfangen, muss ich ehrlich gestehen.
Wir sind zurzeit - ich hoffe, das bleibt auch so - von Freunden umzingelt. Deswegen hat die Frage der Landesverteidigung in der Tat nicht mehr die Priorität, die sie in der Vergangenheit hatte.
Ich wollte zu einem Aspekt noch etwas sagen, Herr Schünemann, weil Sie zum Ausdruck gebracht haben, dass auch Hilfe notwendig ist. Das passt eigentlich nicht zusammen, wenn gleichzeitig im Haushalt, den wir jetzt beschließen werden, die Konversionsmittel auf null gesetzt und dann wieder künstlich auf 100 000 Euro hochgezogen werden, damit sie überhaupt erhalten bleiben. Meine Damen und Herren, dieses Geld ist für unsere Kommunen, die unter den Schließungen der Standorte leiden, dringend erforderlich. Deswegen ist es etwas problematisch, wenn man sich hier hinstellt und gegen Berlin „klagt“, aber die eigenen Leistungen nicht erbringt.
Lassen Sie mich eines noch hinzufügen; da unterscheide ich mich in der Tat von den Grünen. Mir ist es wichtig, noch einmal zu sagen, dass ich ein entschiedener Befürworter der Beibehaltung der Wehrpflicht bin. Wenn wir die Wehrpflicht abschaffen, meine Damen und Herren, haben wir die nächste Runde der Reduzierung von Standorten. Das ist für mich aber nicht der wesentliche Grund. Der wesentliche Grund für mich ist, dass ich keine Söldnerarmee haben will. Ich will nicht, dass sich diese Einrichtung von dem abkoppelt, was sie an die Bevölkerung bindet. Das ist der Grund, warum ich ein entschiedener Befürworter der Beibehaltung bin, trotz der vielen Probleme.