(Heinrich Aller [SPD]: Gucken Sie sich doch den Laden einmal an! - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Können Sie ein- mal sagen, wo die zuständige Ministe- rin ist?)
Einen kleinen Moment bitte! - Ich habe sehr wohl gesehen, dass Sie, Herr Aller, sich zur Geschäftsordnung gemeldet haben. Ich unterbreche den Redner nach unserer Geschäftsordnung jetzt aber nicht. Wenn Herr McAllister zu Ende gesprochen hat, werde ich Ihren Antrag zulassen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass zwischenzeitlich der Vorsitzende der SPD-Fraktion eingetroffen ist. Herzlich willkommen, Herr Gabriel.
Meine Damen und Herren, die Schulpflicht für Realschulabsolventen, die unmittelbar nach dem Besuch der Realschule zur Bundeswehr gehen, soll zukünftig ohne Ausnahmeantrag oder Erlass schlicht per Gesetz ruhen. Mit dieser Gesetzesänderung wollen wir vor allem verhindern, dass die Bundeswehr aufgrund der restriktiven Rechtslage in Niedersachsen die entsprechenden Ausbildungsplätze von niedersächsischen Standorten in andere Bundesländer verlegt. Auch damit wollen wir einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Benachteiligung Niedersachsens im Bereich der Bundeswehr endlich ein Ende findet.
Im letzten Sommer haben wir im Kultusausschuss die Änderung der Bezeichnung „Sonderschule“ in „Förderschule“ als notwendig angekündigt. Das setzen wir jetzt konsequent um. Diese Änderung der gesetzlichen Bezeichnung ist mehr als eine Begriffsänderung. Mit dieser neuen Bezeichnung wollen wir dem Paradigmenwechsel in der Sonderpädagogik mit der stärkeren Betonung des Fördergedankens Rechnung tragen.
Wir halten es für wichtig, deutlich zu machen, dass wir Schülerinnen und Schüler gerade nicht aussondern wollen, wie es der bisherige Begriff „Sonderschule“ zum Ausdruck gebracht hat, sondern wir wollen sie vor allem besonders fördern. Die individuelle Förderung jedes einzelnen Schülers ist das Maß aller Dinge in allen Schulformen. Deshalb ist es für uns so wichtig, eine bessere Förderung zu erreichen.
Wer die individuelle Förderung nicht nur propagieren, sondern auch durchsetzen will, der muss auch entsprechende Instrumente wie z. B. den individuellen Förderplan bis zur Klasse 10 verpflichtend einführen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der im Vorfeld der heutigen Debatte am meisten diskutierte Punkt unserer Gesetzesnovelle ist das so genannte Kopftuchverbot. Herr Gabriel, meiner Meinung nach sollte jemand, der der Regierungsmehrheit hier in diesem Hause in einer dpaMeldung Kulturkampf vorgeworfen hat - das ist ein sehr schwer wiegender Vorwurf -, jetzt vielleicht einmal eine Minute am Stück still sein und nicht immerzu etwas mit komischen Grunzlauten von sich geben, damit wir die Argumente hier im Stück austauschen können.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns am 24. September mit dem so genannten Kopftuchurteil eindeutig die Kompetenz zugewiesen, dieses Problem in eigener Zuständigkeit gesetzlich zu regeln. Genau das tun wir jetzt. Wir legen klare Grenzen für politische, religiöse oder weltanschauliche Bekundungen von Lehrkräften in unseren öffentlichen Schulen fest. Diese Grenzen sind für uns dann überschritten, wenn diese Bekundungen geeignet sind, die Neutralität des Landes infrage zu stellen oder den Schulfrieden zu gefährden. Damit wird weder unseren Lehrkräften in den Schulen ein Maulkorb auferlegt, was Sie, Frau Harms, uns haben weismachen wollen, noch wird ihnen ihre Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit in unangemessener Weise beschnitten. Alles, was wir beschließen, galt an unseren Schulen in Niedersachsen auch bisher schon. Jetzt stellen wir es nur auf eine neue gesetzliche Grundlage. Für die Aufregung der Opposition fehlt daher jeder Anlass.
Ich frage ausdrücklich Sie, Herr Jüttner oder Herr Gabriel: Wollen Sie tatsächlich, dass künftig Lehrkräfte einen Sticker mit der Aufschrift „Stoppt Schröder!“ in der Schule tragen dürfen, oder wollen Sie das nicht? - Wir als Christdemokraten wollen, dass solche Meinungsbekundungen in der Schule während des Unterrichts weiterhin verboten sind.
Es gäbe tausende von Gründen, dass gerade niedersächsische Lehrerinnen und Lehrer „Stoppt Schröder!“-Plaketten tragen könnten, und ich weiß, dass das auch viele im Gedanken nach der Unterrichtszeit tun. Aber trotzdem gehört das nicht in den Unterricht. Ich hätte übrigens noch lieber das Beispiel mit der „Stoppt Gabriel“-Plakette gewählt doch da gibt es nichts mehr zu stoppen. Deshalb muss Schröder dafür nach wie vor herhalten.
Meine Damen und Herren, wollen Sie wirklich zulassen, dass künftig in den Schulen ein Kopftuch getragen wird? - Ich halte diese Auffassung für unvertretbar.
Meine Damen und Herren, wenn die Grünen anführen, eine Demokratie müsse das Tragen des Kopftuchs aushalten - so habe ich das von Ihnen gelesen, Frau Harms -, dann frage ich mich ernsthaft, ob Sie das Problem tatsächlich erkannt haben. Wir handeln hier nicht vornehmlich zum Schutz der Demokratie, sondern wir handeln vornehmlich zum Schutz unserer Kinder. Wir haben eine Schulpflicht. Weder Kinder noch Eltern können sich dem entziehen. Gerade deshalb haben wir für eine entsprechende Neutralität in unseren staatlichen Schulen zu sorgen.
Entscheidend ist in dieser Debatte, wofür das Kopftuch steht. Es ist eben nicht nur ein religiöses Symbol,
es ist vornehmlich ein politisches. Es steht sowohl für die Unterdrückung der Frau als auch für eine islamistische Weltanschauung. Beides ist mit den Werten in unserer Gesellschaft, ganz unabhängig von der Religionszugehörigkeit, schlicht unvereinbar.
Meine Damen und Herren, wir dehnen hier auch nichts aus. Selbstverständlich können Lehrerinnen nach Unterrichtsende in ihrer Freizeit ein Kopftuch tragen. Aber in der Schule, wenn sie im Dienst des Staates unterrichten und als Vorbilder Verantwortung für unsere Kinder - auch in den Bereichen der Erziehung und der Vermittlung von Werten - tragen, können und werden wir zum Schutze unserer
Meine Damen und Herren, unsere Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche, Frau Dr. Käßmann, hat dazu sehr kluge Sätze gesagt:
„Wer in unserem Land lebt, muss die Verfassung bejahen, und die sagt: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Ein Mädchen muslimischen Glaubens, das sich tapfer eben darauf beruft und... ohne Kopftuch in die Schule kommt, wird sich durch eine Lehrerin mit Kopftuch gerade nicht ermutigt fühlen.“
„Der Freiheitsgedanke wurde in Europa hart erkämpft. Das aufzugeben um vermeintlicher Toleranz willen halte ich für Versagen.“
Weiter sagt Frau Käßmann, dass unsere staatlichen Schulen ein Klima der Freiheit und nicht ein Klima der Angst - gerade auch für Mädchen und Frauen - vermitteln sollten.
Das ist der zentrale Punkt, an dem wir uns auch mit unserer Landesbischöfin auf einer Linie bewegen: Wir wollen die Freiheit in unseren Schulen bewahren.
Meine Damen und Herren, ein Vorwurf ist auch ungerecht, nämlich der Vorwurf, wir würden nicht genügend tun, um unsere islamischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu integrieren. Wir unternehmen gerade in den Schulen in Niedersachsen große Anstrengungen, um dem islamistischen Fundamentalismus zu begegnen. So waren wir bundesweit die Ersten, die den Islamunterricht an staatlichen Grundschulen eingeführt haben, gerade um fundamentalistischen Kräften – insbesondere den Koranschulen - zu begegnen.
Dann kommt die Einlassung der SPD-Fraktion, des Fraktionsvorsitzenden Gabriel. Die SPD-Opposition fordert, wenn das Kopftuch nicht erlaubt sei, müssten auch die christlichen Symbole in der
Schule verboten werden. Diese Gleichsetzung von Kopftuch und christlichen Symbolen ist nicht nur sachlich falsch, sondern sie verkennt auch die religiös-kulturelle Verwurzelung sowie die gewachsenen Schultraditionen in unserem Bundesland Niedersachsen.
Das Kopftuch steht vornehmlich für Intoleranz und Herabsetzung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie. Es ist ein fundamentalistisch-kämpferisches Symbol für ein theokratisches Staatswesen.
Wer eine Gleichsetzung von Kopftuch und christlichen Symbolen fordert, leistet genau den Werten Vorschub, die nicht mit unseren Werten von Toleranz, Offenheit und Gleichwertigkeit aller Menschen vereinbar sind.
Meine Damen und Herren, wer diese Gleichsetzung fordert, lässt die konfessionelle Zusammensetzung unserer Bevölkerung sowie die religiöse Verwurzelung in Niedersachsen völlig außer Acht. Herr Gabriel, Sie haben in Ihrer Pressekonferenz über Verfassungsrecht gesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich in seinem Urteil ausgeführt:
„Dies schließt ein, dass die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen können, weil bei dem zu findenden Mittelweg auch Schultradition, die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starke religiöse Verwurzelung berücksichtigt werden dürfen.“