Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

(Beifall bei der CDU)

Allerdings - darauf weise ich hier noch einmal hin - hat dieser Bericht letztendlich zu der Beschlussfassung des Kabinetts vom August geführt, den Auftrag des Lenkungsausschusses um die Prüfung der Möglichkeit einer Privatisierung bzw. des gleichzeitigen Abschlusses entsprechender Beleihungsverträge zu erweitern. Der Prüfauftrag in Richtung einer alternativen Rechtsform hat, meine Damen und Herren, für eine weitere Verunsicherung gesorgt, denn im Land Thüringen haben sich - so ist eindeutig festgestellt worden - derartige Beleihungsverträge nicht positiv auf die Betriebsführung in den Bezirkskrankenhäusern ausgewirkt.

Meine Damen und Herren, diese Verunsicherung des Personals - in den zehn Landeskrankenhäusern gibt es immerhin 6 600 Arbeitsplätze - ist ein außerordentlich schlechter Stil. Herr Kollege Schwarz, Sie haben gesagt, wir hätten in den Wahlkampfveranstaltungen klar Position bezogen. Wir haben das immer getan, wir haben bei jeder Wahlkampfveranstaltung gesagt, wo wir stehen, im Gegensatz zu den Kollegen Ihrer Couleur.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe viele Veranstaltungen besucht, auf denen von Ihren Kollegen immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es sich lediglich um einen Auftrag handelt. Aber da dieses Damoklesschwert „Privatisierung“ immer über den Bediensteten und über dem Leitungspersonal geschwebt hat, hat es eine große Verunsicherung gegeben. Ich möchte damit endlich Schluss machen, und Frau Ministerin hat ja auch klar den Weg aufgezeigt, den wir in dieser Frage gehen wollen. Ich meine, dieser Weg ist auch der richtige.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die die Empfehlungen für

den Lenkungsausschuss erarbeitet haben. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Werk. Darin werden alternative Betriebsführungsmodelle aufgezeigt, Vergleiche zwischen den Bundesländern angestellt, alle negativen Auswirkungen und alle positiven Effekte eventueller Veränderungen dargestellt.

Auf dieser Arbeitsgrundlage können wir gemeinsam die Aufgabe angehen, erstens die Zukunft der Landeskrankenhäuser zu sichern und zweitens den 6 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit zu geben. Die Landeskrankenhäuser sind für ihre Standortkommunen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Für die Menschen ist es darüber hinaus wichtig, dass es in Niedersachsen eine flächendeckende Versorgung für psychisch kranke Menschen, für psychiatrische Patientinnen und Patienten gibt. Wir müssen darauf achten, dass der Bestand der Landeskrankenhäuser für die Zukunft gesichert wird.

(Beifall bei der CDU)

Zur Situation der niedersächsischen Landeskrankenhäuser möchte ich noch Folgendes ausführen: In Niedersachsen sind alle nach gängigen Psychatriestandards vorzuhaltenden Leistungen flächendeckend zugänglich. Wichtig ist, dass alle Angebote, also auch teure wie z. B. die niedrigschwellige Drogenentgiftung, in ausreichendem Maß vorgehalten werden.

Bei ihrem Leistungsangebot richten sich die niedersächsischen Landeskrankenhäuser im Rahmen ihrer Betriebsführung nicht nur nach dem Rentabilitätsprinzip, sondern bekennen sich auch uneingeschränkt zu dem Prinzip der Voll- und Pflichtversorgung bei der Patientenaufnahme. Deshalb ist es besonders anerkennenswert, dass trotz dieser versorgungsorientierten Ausrichtung ausgeglichene Betriebsergebnisse vorliegen. Dies ist sicherlich auch auf die seit 1996 praktizierte Änderung der Betriebsführung im Rahmen eines Zwei-EbenenModells zurückzuführen, wonach die Landeskrankenhäuser unmittelbar dem Sozialministerium unterstehen und nicht noch zusätzlich Mittelbehörden eingeschaltet werden müssen.

Gerade in dem sehr sensiblen Bereich der Psychatrieversorgung von Menschen muss berücksichtigt werden, dass eine reine Ökonomisierung des Gesundheitssystems gewachsene Netzwerke zerstören und psychisch Kranke zu primären Objekten ökonomischer Überlegungen machen wür

de. Es ist klar geworden, dass auch Sie das nicht wollen. Wir wollen es erst recht nicht. Frau Ministerin von der Leyen hat klar und deutlich gesagt, dass die Patientenversorgung bei uns an erster Stelle steht.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich möchte auch noch einmal auf den Antrag der SPD-Fraktion zurückkommen. Interessant ist, dass die Landesregierung aufgefordert wird, den mittelfristigen Investitionsbedarf im Maßregelvollzug durch eine mittelfristige Finanzplanung abzudecken. Es ist schön, dass die SPD-Fraktion auch an den Maßregelvollzug denkt. Aber ich glaube, wir haben über dieses Thema in den vergangenen Monaten und Jahren ausreichend diskutiert. Auch Frau Ministerin von der Leyen hat es deutlich gesagt: Sie haben 13 Jahre Zeit gehabt, hier eine positive Entwicklung zu steuern.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie haben diese Aufgabe versäumt und haben uns das hinterlassen, was wir jetzt vorfinden.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Sie haben durch den Beschluss von 1998 dafür gesorgt, dass es eine erhebliche Verschlechterung in der Personalausstattung gegeben hat, weil eine andere Berechnung vorgenommen wurde.

Sicherlich stimmen wir aber darin überein, dass über eine Weiterentwicklung in der psychiatrischen Krankenversorgung nachgedacht werden muss, dass die steigende Zahl der Patienten im Maßregelvollzug zu Konsequenzen führen muss und dass das Betriebsführungsmodell optimiert werden kann unter Mitarbeit aller Betroffenen, d. h. der Krankenhausleitungen, der Personalräte, aber auch der Patientenvertretung und natürlich des MS. Sie haben sicherlich aber auch Verständnis dafür, dass eine CDU-FDP-Regierung nach 30 Tagen noch nicht die Entscheidungen hat treffen können, die Sie in 13 Jahren nicht getroffen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wichtig bei all diesen Überlegungen ist, dass die Zukunftsfähigkeit der LKHs gesichert wird, dass die Qualität der psychiatrischen Versorgung weiterentwickelt wird, dass finanzwirtschaftliche und haushaltsrechtliche Aspekte optimiert werden und dass die personellen Bedingungen und Investitio

nen beim Maßregelvollzug verbessert werden. Es ist deutlich geworden, dass der Auftrag, den der Lenkungsausschuss gehabt hat, seine Empfehlungen im Februar vorzulegen - es hätte dann eine Kabinettsvorlage im März geben sollen -, aufgrund der Landtagswahlen korrigiert worden ist. Sie haben sicherlich auch Verständnis dafür, wenn wir innerhalb von vier Wochen diese Kabinettsvorlage noch nicht vorliegen haben. Aber Sie haben von der Ministerin auch gehört, dass wir an dieser Kabinettsvorlage insgesamt und gemeinsam arbeiten werden. Wir wünschen uns, dass wir auch in den Ausschussberatungen konstruktiv mit dieser Empfehlungsausrichtung des Lenkungsausschusses umgehen können. Es ist eine gute Arbeitsgrundlage. Wir werden daran arbeiten und werden für die Menschen in Niedersachsen zu einem positiven Ergebnis kommen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Meißner von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt worden. Ich werde trotzdem noch einiges sagen.

Was ich mit Sicherheit für die FDP sagen kann, ist, dass auch bei uns genauso das Wohl der Patienten an erster Stelle steht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Versorgung der psychisch Kranken ist ganz wichtig und muss sichergestellt werden - auch qualitativ. Die Ministerin sagte schon, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt keinen Anlass sieht, die öffentliche Trägerschaft infrage zu stellen. Wir müssen es noch weiter prüfen.

(Aha! bei der SPD)

Aus meiner Sicht heißt aber „prüfen“, dass man durchaus auch andere Dinge mit in Betracht ziehen kann, aber wohlgemerkt: immer unter dem Gesichtspunkt, dass die Qualität und die psychiatrische Versorgung auf jeden Fall sichergestellt sein müssen. Das ist ganz klar.

Sie alle wissen, wir Liberale haben den Grundsatz - auch das stand in unserem Wahlprogramm -, dass der Staat nur das machen soll, was er machen muss, und dass Private das machen können sollen, was sie besser machen können. Das heißt jetzt nicht, dass wir die Landeskrankenhäuser privatisieren wollen. Ich möchte das nur in die Überlegung mit einbeziehen. Privatisierung von Krankenhäusern kann in manchen Fällen sehr wohl die bessere Lösung sein. Das hat man schon gesehen. Ich kann dazu ein Beispiel anführen: In Lehrte ist im Stadtkrankenhaus eine Abteilung für die psychiatrische Versorgung für die Lehrter vor Ort entstanden, und zwar durch private Initiative. Das wäre normalerweise nicht da. Also kann private Initiative bei Krankenhäusern sehr wohl auch etwas Gutes bedeuten.

Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten der Privatisierung. Eine gemeinnützige GmbH ist z. B. etwas, was die Beteiligung privater Investoren durchaus mehr ermöglicht als eine Anstalt öffentlichen Rechts. Das soll nicht heißen, es soll keine Anstalt des öffentlichen Rechts bleiben. Man sollte aber durchaus prüfen, wenn wir in das Prüfungsstadium gehen, was für die qualitative Versorgung sämtlicher Patienten möglich und am besten ist. Darüber hinaus muss gesagt werden: In BadenWürttemberg gibt es verschiedene Anstalten des öffentlichen Rechts - im Moment neun -, wobei man der Meinung ist, dass es auch für die qualitative Versorgung der psychisch Kranken besser ist, eine gGmbH zu planen.

Das ist jetzt überlegt worden, und das ist durchaus etwas, was uns einen Anstoß geben soll, darüber nachzudenken. Man ist darauf gekommen, dass es dadurch wirtschaftlich noch erfolgreicher sein könnte. Wohlgemerkt, ich sage jetzt nicht, dass wir das brauchen. Aber wir sollten es in die Überlegungen einbeziehen.

Das Modell von Thüringen halte ich überhaupt nicht für gut. Es ist auch meine persönliche Meinung, dass der Maßregelvollzug eine hoheitliche Aufgabe ist und bleiben muss. Dort darf auf keinen Fall privatisiert werden. Andere Dinge können wir sehr wohl zumindest noch überlegen.

Im Bericht des Lenkungsausschusses steht auf Seite 29, eine unbedingte BAT-Bindung könne als Hindernis der Personalrekrutierung gesehen werden. Dazu ist angemerkt worden, dass vielleicht sogar die qualitativ höchstwertigen Pflegekräfte nicht zur Verfügung stehen, wenn man sich zu

stark in starren Formen bewegt, weil sie zu dem Preis nicht kommen. Auf Seite 50 heißt es sinngemäß weiter: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind wichtig für die Qualität des Krankenhauses und eine tragende Säule.

Damit komme ich wieder zum Anfang zurück. Die Qualität muss stimmen, und wir wollen das Beste für die psychisch Kranken. Maßregelvollzug muss auf jeden Fall eine hoheitliche Aufgabe sein. Wie gesagt, eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann durchaus die richtige Form sein, aber wir sollten noch einmal genauer darüber diskutieren, damit wir wirklich das Beste für die Versorgung der psychisch Kranken erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Prüfung der Privatisierung der Landeskrankenhäuser durch die vorherige Landesregierung war vorrangig haushaltspolitisch motiviert. Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stand diesem Vorhaben immer ablehnend gegenüber, und zwar zum einen, weil die Unterbringung forensischer Patienten eine hoheitliche Aufgabe bleibt, und zum anderen, weil für uns nie ersichtlich gewesen ist, warum sich durch eine Privatisierung die Qualität der psychiatrischen Versorgung verbessern würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man wundert sich natürlich ein bisschen, wenn die SPD-Fraktion jetzt, kaum dass sie die Regierungsbank verlassen hat, mit einem Antrag das einfordert, was sie bis vor knapp zwei Monaten in aller Ruhe hätte erledigen können.

(Zuruf von der CDU: Genau! So ist es!)

Die massive Überforderung der Landeskrankenhäuser durch die steigenden Patientenzahlen und die längere Verweildauer im Maßregelvollzug sind leider bislang nicht bewältigt worden. Frau Ministerin, die Verweildauer, über die Sie sprachen, ist vielleicht deshalb länger geworden, weil die Rahmenbedingungen schlechter wurden und weil die

therapeutischen Angebote nicht in dem Maße aufrechterhalten werden konnten, wie das nötig gewesen wäre. Das haben mir jedenfalls Fachleute bestätigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber nun kann ja alles gut werden. Die CDUFraktion hat sich in der Vergangenheit intensiv mit diesem Thema beschäftigt - ich habe gesehen, dass eine Große Anfrage gestellt worden ist - und kann ja jetzt in aller Ruhe das tun, was sie schon immer tun wollte.

Natürlich muss ausgebaut werden. Zu den Kapazitätsproblemen haben meine Vorredner schon genügend gesagt. Dieser Aufbau muss aber dezentral erfolgen, und die Einheiten dürfen nicht mehr als 100 Patienten umfassen. Alles andere ist nämlich therapeutisch unsinnig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur erfolgreichen Behandlung müssen Sicherungsmaßnahmen flexibel und individuell gehandhabt werden. Deswegen müssen forensische Kliniken ein breit gefächertes Angebot von Betreuungs-, Wohn- und Lebensformen bieten, von der gesicherten Verwahrung im Intensivbereich über offen geführte Stationen bis zu ausgelagerten Wohngruppen, die von den stationären Mitarbeitern betreut werden. Dies ist aus unserer Sicht bei allen weiteren Ausbauplanungen unbedingt zu berücksichtigen.