Protokoll der Sitzung vom 27.05.2004

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Nordhorn-Range ist im Niedersächsischen Landtag nicht neu. Bereits Ende der 80er-Jahre und Ende der 90er-Jahre haben eindeutige Entschließungen des Niedersächsischen Landtages die jeweilige Bundesregierung aufgefordert, den Luft/Boden-Schießplatz Nordhorn-Range aufzugeben und endgültig zu schließen.

Nach Übernahme der Verantwortung der Bundesluftwaffe im Rahmen des NATO-Truppenstatuts von der britischen Luftwaffe ab dem Jahre 2000 hat es zwar teilweise Erleichterungen gegeben, z. B. durch längere Pausenzeiten und weniger Einsätze auf der Range. Trotzdem wird mit hoher Belastung für die Menschen in der Region weiterhin im Nacht- und im Tagflugbetrieb teilweise innerhalb von 75 m Flughöhe auf Nordhorn-Range geübt. Seit über 50 Jahren müssen die Menschen in dieser Region nicht nur sehr hohe Lärmbelästigungen ertragen. Von Munitions- und militärischen Abfallresten im Boden gehen ebenfalls erhebliche Gefährdungspotenziale durch mögliche Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers für die Bevölkerung aus.

Die Stadt Nordhorn hat im Nahbereich der Range eine Reihe von Brunnen für die Trinkwasserversorgung der Region.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Darüber hinaus liegt eine Reihe von technischen und sensiblen Betrieben wie Chemieunternehmen und Atomkraftwerke in unmittelbarer Nähe der Flugrouten bzw. der Schießplatzrunden. Weit über 100 000 Menschen im Umfeld des Schießplatzes Nordhorn-Range werden also ständig belastet bzw. laufen Gefahr, durch Fehlabwürfe zu Schaden zu kommen. Selbst die wirtschaftliche und bauliche Entwicklung eines Nordhorner Stadtteils

ist durch den Vorrang militärischer Interessen erheblich beeinträchtigt.

Deshalb unterstützt die SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich die Bemühungen der betroffenen Landkreise, Städte und Gemeinden und nicht zuletzt der Notgemeinschaft Nordhorn-Range, den Übungsbetrieb weiter zu reduzieren und den Platz dauerhaft zu schließen. Die Menschen in der Region haben über 50 Jahre eine überdurchschnittlich hohe Last im Rahmen der NATO-Sicherheitspolitik getragen. Sie erwarten zumindest eine gerechtere Verteilung dieser Belastungen unter Einbeziehung der übrigen Übungsplätze in der Bundesrepublik Deutschland und auch im Ausland. Im Zusammenhang mit der Umstellung der Bundesluftwaffe auf den Eurofighter ist ohnehin zu überprüfen, inwieweit Nordhorn-Range für diese neue Technik überhaupt genutzt werden kann. Außerdem stellt sich die dringende Frage, ob es weiter hinnehmbar ist, dass ein Teil des Übungsbetriebs auf die amerikanische A 10 entfällt, die zuletzt im Irak mit Uranmunition erhebliche Verstrahlungsschäden verursacht hat. Wir wollen kurzfristig erreichen, dass weitere Entlastungen mit der Bundesluftwaffe vereinbart werden. Wir wollen einen schrittweisen Abbau des Übungsbetriebes.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, derzeit hält die Bundesluftwaffe an einem Gesamtkonzept für die Plätze Siegenburg, Nordhorn-Range und Wittstock weiter fest. Die anderen betroffenen Bundesländer wie MecklenburgVorpommern und Brandenburg befinden sich jedoch in intensiven Gesprächen bzw. Verhandlungen mit der Bundesregierung. Sie wollen eine mögliche Inbetriebnahme von Wittstock durch die Bundeswehr von vornherein verhindern. Das wird auch durch öffentliche Stellungnahmen in der bundesweiten Presse immer wieder untermauert. Selbst der verteidigungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag spricht sich in öffentlichen Stellungnahmen für eine weitere, höhere Belastung von Nordhorn und Siegenburg aus, um eine Inbetriebnahme Wittstocks für überflüssig zu erklären. Von der Niedersächsischen Landesregierung hört man öffentlich jedoch dazu nichts. Das Problem wird, angefangen beim Ministerpräsidenten bis hin zum Innenminister, die sich als permanente Wahlhelfer für die anstehende Landratswahl in der Grafschaft tummeln, nicht einmal angesprochen.

(Klaus Rickert [FDP]: Wo wart ihr denn? - Wolfgang Ontijd [CDU]: Das hast du schon alles vergessen, was? So etwas Verlogenes!)

Die betroffenen Menschen in der Region vermissen eine klare Aussage zur Schließung der Range. Hier fehlt die eindeutige und klare Position der Landesregierung, die die Menschen vor Ort erwarten. Die Landesregierung muss hierzu eindeutig Position beziehen und endlich die niedersächsischen Interessen gegenüber dem Bund vertreten.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Landesregierung auf, mit der Bundeswehr und der Bundesregierung Gespräche darüber zu führen, wie eine weitergehende Entlastung am Standort NordhornRange kurzfristig sichergestellt werden kann,

(Heinz Rolfes [CDU]: Wie heißt denn der Verteidigungsminister? Wie heißt denn der Bundeskanzler, und wo wohnt der denn?)

wie z. B. durch Abbau des Nachtfluges und Verlängerung von Pausenzeiten während der Ferien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung heute auf, die Interessen des Landes Niedersachsen auch für die Schließung des Luft/Boden-Schießplatzes Nordhorn-Range bei der Bundesregierung in die Waagschale zu werfen.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Das ist wohl nötig bei dieser Bundesregierung!)

Ansonsten laufen wir Gefahr, dass NordhornRange weiter zementiert wird und die Bundesluftwaffe in ihrem Schießplatzkonzept auf den bequemsten Weg setzt nach dem Motto: Wir üben zunächst dort, wo möglichst wenig Widerstand entsteht, und üben dort mehr, wo es billiger ist als in den USA, in Kanada oder auf Sardinien.

Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich genauso engagiert für die Schließung der Nordhorn-Range einsetzt, wie die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sich gegen die Wiederinbetriebnahme des Schießplatzes Wittstock einsetzen. Es kann doch nicht hingenommen werden, dass eine weitere Nutzung von Nordhorn-Range mit einer Konzentration und Erhöhung der Flug- und Schießplatzübungen einhergeht nach der Devise: Die Kapazitäten dort sind längst noch nicht ausgeschöpft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erfüllung der Aufgaben der Einsatzbereitschaft so

wohl in der NATO als auch in der Bundesluftwaffe ist eine gesamtdeutsche Aufgabe und kann nicht nur zwei Standorten in den alten Bundesländern überlassen bleiben. Die deutschen Pflichten im Rahmen der NATO-Aufgaben sind nur gesamtdeutsch erfüllbar und können in diesem Fall nicht auf zwei Schießplätze in den alten Bundesländern reduziert bzw. konzentriert werden. Wir erwarten von der Niedersächsischen Landesregierung ein intensives Engagement zur Reduzierung der Belastungen und zur langfristigen Aufhebung des NATO-Schießplatzes Nordhorn-Range.

(Beifall bei der SPD - Bernhard Bu- semann [CDU]: Könnt ihr das nicht auf dem nächsten Parteitag unter euch besprechen?)

Für die Landesregierung hat nun Minister Schünemann das Wort. Ich erteile es ihm.

(Reinhold Coenen [CDU]: Da muss aber etwas geradegerückt werden! Das ist dringend notwendig!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die Aufforderung, muss Sie, Herr Will, aber leider enttäuschen, denn wir haben längst gehandelt.

(Ach! bei der SPD)

Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns dafür einsetzen. Ich kann Ihnen das hier auch darlegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Antrag der SPD-Fraktion datiert vom 18. Mai 2004. Zuletzt hatte sich Staatssekretär Dr. Koller in dieser Angelegenheit an Herrn Staatssekretär Biederbick im Bundesministerium der Verteidigung gewandt; denn einer dpa-Meldung vom Februar 2004 war zu entnehmen, dass der Luft/Boden-Schießplatz Nordhorn-Range auch in den kommenden Jahren als Übungsgelände erhalten bleiben soll.

(Reinhold Coenen [CDU]: Interes- sant!)

Herr Staatssekretär Dr. Koller hat deshalb mit Schreiben von Anfang April noch einmal daran erinnert, dass sich bisher alle niedersächsischen Landesregierungen für die Aufhebung des Bombenabwurfplatzes Nordhorn-Range eingesetzt haben und diese Zielsetzung auch weiterhin konsequent verfolgt wird. Das heißt, wir haben längst gehandelt, ohne dass wir das jedes Mal in irgendwelchen Wahlkampfveranstaltungen sagen, sondern das ist unser tägliches Geschäft.

Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass der Erhalt des Luft/Boden-Schießplatzes Nordhorn-Range als Übungsgelände Teil der im Februar 2002 durch den Deutschen Bundestag gebilligten Fortschreibung des Truppenübungsplatzkonzeptes ist. In dem Bewusstsein, dass derlei Entscheidungen der ausschließlichen Hoheit des Bundes unterliegen, wurde von hier aus versucht, den Bund dazu zu bewegen, nunmehr entsprechend seines Truppenübungsplatzkonzeptes einen dritten Luft/Boden-Schießplatz in Woodstock/Brandenburg einzurichten.

(Heiner Bartling [SPD]: Woodstock war das nicht! Wittstock ist das! - Heiterkeit)

- In Woodstock wäre es auch schön gewesen. Das hätte richtig Charme. Aber es ist Wittstock; das gebe ich zu.

(Heiterkeit)

Ziel ist, die Lärmbelästigung in den bisherigen Liegenschaften in Nordhorn und Siegenburg in Bayern durch eine gleichmäßige Lastenverteilung im Norden und Süden und dann auch im Osten zu vermindern.

Ich finde es ganz interessant, dass Sie sich hier hinstellen und diese Forderung ebenfalls erheben. Die SPD und insofern auch Sie, Herr Will, sollten sich deshalb doch eher an Ihre Freunde in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wenden, die - allen voran Ministerpräsident Platzeck und Ministerpräsident Ringsdorff - alles dafür tun, dass die Lasten ungleich verteilt bleiben, und die mit großem Getöse gegen das Bombodrom Wittstock schießen. Damit verschärft die SPD die Lärmsituation in Niedersachsen. Ich meine, dass es sehr viel sinnvoller wäre, wenn Sie sich auf Ihren Wegen, die wahrscheinlich sogar etwas besser sind als unsere, an Verteidigungsminister Dr. Struck wenden, um dort vielleicht etwas zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben die Gespräche schon geführt. Vielleicht können Sie hierfür Ihre Drähte nutzen. Ich muss Ihnen nicht näher erläutern, dass die Absicht des Bundes, das Bombodrom Wittstock in das Konzept einzubeziehen, dort nicht gerade auf Gegenliebe stößt. Gegen die Nutzung in Wittstock sind daher auch mehrere Verwaltungsgerichtsklagen anhängig. Dem Bund wurde in diesem Zusammenhang jedoch von hier verdeutlicht, dass es aus Sicht des Landes Niedersachsen keinesfalls hinnehmbar sei, falls sich hierdurch die Zahl der Übungen in Nordhorn wieder erhöhen sollte. Das Bundesministerium der Verteidigung wurde deshalb von hier gebeten, alles nur Denkbare zu unternehmen, um die Nutzung der Liegenschaft in Wittstock so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Herr Will, die Antwort der Bundesregierung liegt mir seit einigen Tagen vor. Darin wird bestätigt, dass die im Februar 2002 erfolgte Fortschreibung des Truppenübungsplatzkonzeptes ausdrücklich die Nutzung aller drei Luft/Boden-Schießplätze Nordhorn, Siegenburg und Wittstock unter Maßgabe der vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages erwarteten ausgewogenen Lastenteilung des noch in Deutschland verbleibenden Anteils der Luft/BodenSchießausbildung vorsieht. Der größte Teil der Ausbildung wird bereits jetzt im Ausland durchgeführt. Der Bund hält den Truppenübungsplatz Wittstock unter Berücksichtigung der neuen verteidigungspolitischen Rahmenbedingungen aufgrund seiner optimalen Übungs- und Ausbildungsvoraussetzungen für unverzichtbar und will deshalb auch, falls erforderlich, alle gerichtlichen Instanzen zur Gewährleistung einer militärischen Nutzung des Platzes ausschöpfen. Wir unterstützen dieses. Ich hoffe, dass wir dort auch tatsächlich so schnell wie möglich zu einer Entscheidung kommen.

Meine Damen und Herren, ich will, weil hier am Rednerpult die rote Lampe leuchtet, Sie nicht noch mit allen anderen Details behelligen. Denn eines ist doch klar: die politische Aussage, dass wir versuchen, Nordhorn-Range mittelfristig infrage zu stellen. Aber das Wichtigste ist, dass die Belastungen wirklich nicht erhöht werden. Das ist doch völlig klar, und ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Dazu brauchen wir keine Aufforderung von Ihnen, sondern das haben wir längst vorher gemacht, bevor Sie überhaupt diesen Antrag gestellt haben. Wenn Sie wollen, dass wir das jeden Tag in Ihrer

Region auch noch sagen, dann werden wir auch dafür noch Sorge tragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Kethorn das Wort.

(Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt kommt Kethorn-Range!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir uns in den letzten Jahren verstärkt informiert und uns mit dem Thema Nordhorn-Range beschäftigt haben. Es ist bedauerlich, dass wir das heute wieder tun müssen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das ist be- dauerlich!)

Der Kollege Will hat in seinem Debattenbeitrag noch einmal die Beschlüsse der vergangenen Landtage aufgeführt, heute also nichts Neues erzählt. Ich bin Innenminister Uwe Schünemann sehr dankbar, dass er daraufhin noch einmal die Haltung der Landesregierung bekräftigt hat: Sie verfolgt konsequent das Ziel, daran mitzuwirken, dass der Luft/Boden-Schießplatz Nordhorn-Range langfristig geschlossen wird und dass die Belastungen, die von dem Flugbetrieb ausgehen, minimiert werden - soweit das überhaupt im Zuständigkeitsbereich dieser Landesregierung liegt.

(Einige Abgeordnete sprechen mit Mi- nistern an der Regierungsbank - Glo- cke des Präsidenten)

Herr Kethorn, einen Augenblick! - Ist das da links eine eigene Versammlung? Dann lösen wir die jetzt auf! - Herr Kethorn, fahren Sie fort!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie Sie sehen, hat die Landesregierung die Position, die sie schon in Oppositionszeiten immer wieder vorgetragen hat, eingenommen und daran überhaupt nichts geändert. Meine Damen und Herren, ich darf an dieser Stelle klar und deutlich feststellen: Diese Landes

regierung und die CDU- und die FDP-Fraktion haben keinen Nachholbedarf durch die SPD an Aufforderungen und Informationen bezüglich Nordhorn-Range. Das hat die Antwort deutlich gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)