Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Meine Damen und Herren, wenn diese Betrachtungsweise bei der Begründung von Finanzlasten - also beispielsweise bei der Schaffung von neuen Stellen - richtig ist - und sie ist es, wie ich eben dargelegt habe , dann muss diese Methodik auch beim Abbau von Finanzlasten angewandt werden. Denn nur so kann der tatsächliche Minderaufwand

als Folge von Einsparmaßnahmen umfassend und vollständig erfasst werden, weil jede eingesparte Planstelle eben nicht nur die aktuellen Personalund Beihilfeausgaben verhindert, sondern auch keine Versorgungslasten entstehen lässt. Diese in der Wirtschaft seit jeher übliche, an den Kosten und nicht nur an den Ausgaben orientierte Betrachtungsweise ist spätestens seit 1998 auch für Gesetzesfolgenabschätzungen selbstverständlich. Der Landtag selbst hat sie mit seinem Beschluss vom 18. Juni 1997 eingefordert

Meine Damen und Herren, nach diesen Grundsätzen sind wir bei der Gesetzesfolgenabschätzung vorgegangen. Wir haben insgesamt 5 458 Stellen in die Betrachtung eingestellt. Die im Hinblick auf unser Einsparziel von 6 743 Stellen verbleibenden 1 285 Stellen entfallen auf Aufgabenbereiche, für die eigene Gesetzesfolgenabschätzungen zu erstellen sind. Dies gilt z. B. für den Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr, die Hafenämter oder das Landesamt für Statistik. Wir werden diese Finanzfolgenbetrachtungen zu gegebener Zeit in die Beratungen der Ausschüsse einbringen, wie wir Sie in diesem Zusammenhang auch über relevante Veränderungen der Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzesfolgenabschätzung unterrichten werden, die sich nach dem maßgeblichen Stichtag 1. Juni 2004 noch ergeben.

Eine Differenzierung zwischen Besoldungs- und Vergütungsgruppen haben wir nicht vorgenommen. Stattdessen haben wir zur Abschätzung des mit diesen Stellen verbundenen Finanzvolumens einen Durchschnittswert über alle Stellen und Kapitel der Landesverwaltung gebildet, den wir aus den aktuellen kapitelspezifischen Durchschnittswerten aller personalkostenbudgetierten Kapitel abgeleitet haben. Er liegt mit 44 394 Euro zwischen den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 und entspricht erfahrungsgemäß den Verhältnissen bei den Bezirksregierungen. Unter Einbeziehung aller maßgeblichen Personalkostenpositionen nach den bereits erwähnten Grundsätzen der Staatskanzlei für Gesetzesfolgenabschätzungen aus 1998 ergibt sich ein Brutto-Stellenwert von 77 276 Euro. Dieser Wert, multipliziert mit der Zahl der jeweils wegfallenden Stellen, ergibt die Brutto-Kostenentlastung des Landes.

Meine Damen und Herren, wir haben, eben weil es ein für Gesetzesfolgenabschätzungen vorgeschriebenes Verfahren ist, die gleiche Berechnungsmethode gewählt wie unsere Vorgängerregierung. Wir haben auch exakt die gleiche Form

der öffentlichen Darstellung wie die frühere SPDRegierung gewählt. Wenn Sie das jetzt kritisieren, Herr Gabriel,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das tun wir nicht! Wir kritisieren, dass Sie die Hälfte verschwiegen haben!)

dann kritisieren Sie sich selbst. Vor allem aber diskreditieren Sie die Methodik der Gesetzesfolgenabschätzung, weil Sie so tun, als würden wir hier mit Luftbuchungen arbeiten.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das tun Sie auch!)

Meine Damen und Herren, das ist mitnichten der Fall.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aus gutem Grund folgt eine Gesetzesfolgenabschätzung einer anderen Logik als ein Haushaltsaufstellungsverfahren. Es war leider die jahrelange Praxis, bei der Neueinstellung von Landespersonal zukünftige Pensionsausgaben zu ignorieren, obwohl jeder weiß, dass diese Lasten späterhin anfallen. Es war leider jahrelange Praxis, die Abschreibungen für Gebäude nicht in die Kostenbetrachtung einzubeziehen. Genau aus diesem Grunde haben wir heute, nicht nur beim Land, sondern auch in den Kommunen, einen riesigen Sanierungs- und Investitionsbedarf, dem wir nur unzureichend gerecht werden können.

Meine Damen und Herren, die von mir in der Öffentlichkeit als Einsparsumme der Verwaltungsreform genannten Zahlen stimmen nicht nur, sie sind auch die einzig realistische Größe für eine Kostenbetrachtung. Jeder Kaufmann weiß, Gebäude verfallen, Kosten entstehen - und jeder Landespolitiker sollte wissen, Pensionszahlungen werden eines Tages unweigerlich fällig. Die von uns zugrunde gelegte betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise der Verwaltungsreform entspricht der Lebenswirklichkeit.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie halten mir allen Ernstes vor, wir würden der Öffentlichkeit geschönte Zahlen präsentieren. Herr Gabriel, wenn Sie Ihrer Fraktion einmal den Unterschied zwischen Gesetzesfolgenabschätzung und dem Verfahren zur Haushaltsaufstellung erklären sollen, dann empfehle ich Ihnen einmal den Besuch eines Wochenendseminars im Haus Sonnenberg.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Da müssen Sie selbst lachen!)

Der Stellenabbau wird - das ist eine Folge unseres Anspruchs, die Reformen sozialverträglich umzusetzen - nur mittelfristig erfolgen können. Gleichwohl beabsichtigt die Landesregierung, den Stellenabbau in einem Zeitraum von fünf Jahren zu vollziehen. Hierzu wird es flankierender Maßnahmen bedürfen wie der Aufrechterhaltung des Einstellungsstopps während des gesamten Zeitraums, der Optimierung der Job-Börse sowie weiterer geeigneter Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der erforderlichen reformbedingten Folgekosten - wie Kosten für den Umzug von Behörden und Beschäftigten, Trennungsgeldzahlungen, Fortbildungen und Kosten durch vorzeitige Pensionierungen - ergeben sich für den Landeshaushalt Kostenentlastungen, die 2005 bei 36,5 Millionen Euro liegen und die bis zum Jahr 2015 auf 360,5 Millionen Euro anwachsen.

Meine Damen und Herren, diese Zahlen machen deutlich, dass die von uns betriebene Verwaltungsreform nicht nur neue, schlanke und effiziente Verwaltungsstrukturen schafft, sondern dass über den reformbedingt möglichen Stellenabbau ein ganz wesentlicher Beitrag zur Kostenentlastung des Landeshaushalts und zur Entschärfung der auch vom Landesrechnungshof gerügten Personalkostenfalle geleistet wird.

Meine Damen und Herren, es ist das gute Recht, ja sogar die Pflicht der Opposition, nach auch nur vorrübergehenden Mehrkosten unserer Verwaltungsreform zu fragen. Allerdings hätte ich mir schon gewünscht, dass die Vorgängerregierungen das gleiche Kostenbewusstsein, das Sie jetzt plötzlich beim Abbau von Bürokratie zeigen, auch beim Aufbau von Bürokratie gehabt hätten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aus den letzten 13 Jahren kann man so einiges aufzählen. Bei der Gründung des NLÖ, bei der Gründung des LAVES, bei der Gründung des Landesjugendamtes haben Sie dieses Kostenbewusstsein vermissen lassen. Deshalb ist die Rolle, die Sie jetzt zu spielen versuchen, so wenig glaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Trotz Verwaltungsreform und damit einhergehendem Stellenabbau wird die Landesverwaltung ihre Flächenpräsenz behalten, auch durch eine Konzentration verbleibender Aufgaben an den Standorten der Bezirksregierungen: Die Gewerbeaufsichtsämter, die Betriebsstellen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft und Küstenschutz, die Standorte des Landesamtes für zentrale soziale Aufgaben, die aus dem Zusammenschluss von Katasterämtern und Flurbereinigungsbehörden entstehenden Behörden, die Betriebsstellen des Landesbetriebs für Verkehr und Straßenbau - alle diese Behörden und Dienststellen werden, genau wie die Filialen der N-Bank, in Lüneburg, in Braunschweig und in Oldenburg vorhanden sein, und sie werden gestärkt aus dieser Reform hervorgehen.

Die Verwaltungsreform wird keine Konzentrationswirkungen zugunsten der Landeshauptstadt nach sich ziehen, wie uns immer wieder vorgeworfen wurde. Im Gegenteil, bei Einrichtungen, die sich dafür anbieten, gehen wir ganz bewusst den umgekehrten Weg. So wird der Standort Braunschweig des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung durch Aufgabenverlagerung um 30 Arbeitsplätze verstärkt.

(Zuruf von Axel Plaue [SPD] - Gegen- ruf von Hans-Christian Biallas [CDU]: Haben Sie Zahnschmerzen, Herr Plaue?)

- Können Sie das noch einmal lauter sagen, Herr Plaue? Ich habe Sie nicht verstanden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir ver- stehen ihn auch nie! - Axel Plaue [SPD]: Ich habe gefragt, was CDU- Abgeordnete aus der Region Hanno- ver wohl zu Ihrer Rede sagen!)

- Sie wissen, dass der Kommunalminister alle Regionen in diesem Land im Auge hat. Das ist der Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Axel Plaue [SPD]: Das ist die nächste Unwahrheit! - Unruhe)

- Ich weiß gar nicht, warum Sie so nervös werden. Sie werden sehen, wie wir die Regionen, wie wir unser Land insgesamt betrachten. Hier bedarf es überhaupt keiner Aufregung seitens der Opposition. Sie haben während Ihrer Regierungszeit immer

nur einige wenige Regionen im Auge gehabt. Wir müssen das ganze Land im Auge haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei Einrichtung einer zentralen Reisekostenbearbeitung bilden die Außenstellen des NLBV in Braunschweig und in Lüneburg die beiden landesweiten Zentren. Mitarbeiter der Bezirksregierung, deren bisherige Aufgaben wegfallen, können dann in diese Bereiche wechseln, weil auch im NLBV Beschäftigte ausscheiden werden.

Auch das zentrale Mahngericht des Landes haben wir nicht in Hannover, sondern in Uelzen angesiedelt. Unter Berücksichtigung von Immobilienpreisen und Mietspiegel bietet eine solche Standortentscheidung nachweisbare Kostenvorteile. Strukturpolitisch sinnvoll ist es ohnehin.

Meine Damen und Herren, seit vielen Jahren wird von verschiedenen Seiten angemahnt, entsprechend den Beschlüssen der Ministerkonferenz für Raumordnung bei Neugründungen und Verlagerungen von Behörden den ländlichen Raum zu stärken. Wir setzen diese Politik endlich einmal um.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Standorte der bisherigen Bezirksregierungen bleiben auch nach der Verwaltungsreform Sitz wichtiger Landesbehörden. So kommt die neu einzurichtende Anstalt für Kommunalprüfung nach Braunschweig, ebenso wird die Landesforstanstalt dort angesiedelt. Lüneburg wird Sitz des neuen Landesschulamtes. Wichtige Aufgaben der Oberfinanzdirektion werden von Hannover nach Oldenburg verlagert.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ohne der berufsständischen Selbstverwaltung vorgreifen zu wollen: Der Sitz einer künftigen Landwirtschaftskammer Niedersachsen wird nicht Hannover, sondern Oldenburg sein, weil es richtig ist, diesen Standort inmitten der größten europäischen Agrarregion zu begründen und nicht in der Landeshauptstadt. Meine Damen und Herren, wir müssen auch einmal sagen, dass wir uns für diese Region so einsetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun komme ich zu Ihnen, Herr Plaue. Völlig unabhängig von dem Sitz von Landesbehörden wollen wir die Region Hannover gemeinsam mit Braun

schweig und Göttingen als Metropolregion über Niedersachsens Grenzen hinaus profilieren.

(Lachen bei der SPD)

Dies ist keine willkürliche Entscheidung, sondern dies ist der Tatsache geschuldet, dass wir von der Besiedlungsdichte, von der Wirtschaftskraft, vom Forschungs- und Entwicklungspotenzial, aber auch von der kulturellen Ausstrahlung her hier die idealen Voraussetzungen für eine Metropolregion finden.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Nehmen Sie Osnabrück noch mit dazu! Oldenburg! Ganz Niedersachsen eine Metropol- region!)

So wenig die Verlagerung von Landesbehörden aus Hannover hinaus in die Fläche eine Politik gegen die Landeshauptstadt ist, so wenig ist die Bildung einer Metropolregion Hannover/Braunschweig/Göttingen eine Politik gegen den ländlichen Raum. Meine Damen und Herren, beide Entscheidungen zeigen vielmehr, dass wir uns unserer Verantwortung für alle Landesteile sehr bewusst sind. Deshalb sage ich an die Adresse der SPD: Hören Sie auf, die Regionen gegeneinander auszuspielen. Das ist von der Sache her nicht richtig, meine Damen und Herren. Damit schädigen Sie auch unser Land.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Standorte der Bezirksregierungen bleiben, wie erwähnt, Sitz wichtiger Landesbehörden. In den meisten Fällen werden Beschäftigte der Mittelinstanz in die neuen oder gestärkten Fachbehörden am gleichen Ort wechseln können. Nur in Ausnahmefällen wird es dabei zu einem Ortswechsel von Mitarbeitern kommen. Dies allein schon deshalb, weil wir die in der Vergangenheit weitgehend wirkungslose JobBörse im Landesdienst entscheidend umgestalten. Im Umfang der mit dem Hinweis „künftig wegfallend“ detailscharf für einzelne Stellen ausgebrachten Haushaltsvermerke werden nach einer Sozialauswahl in den vom Personalabbau betroffenen Behörden einzelne Bedienstete namentlich der Job-Börse benannt werden. Mit dieser Praxis werden wir gewährleisten, dass der Wechsel in andere Landesbehörden weitaus besser als in der Vergangenheit funktioniert. Gleichzeitig werden wir mit der Sozialauswahl sicherstellen, dass allein erziehende oder teilzeitbeschäftigte Landesbedienstete nach Möglichkeit ortsnah berufstätig

bleiben können. Das ist selbstverständlich, und das ist auch notwendig.

Ganz sicher ist der unfreiwillige Wechsel des Dienstortes für keinen Betroffenen angenehm, auch nicht für Leitungspersonal aus Landesämtern oder Bezirksregierungen. Wir meinen aber, diese Mobilität gerade von Führungskräften guten Gewissens verlangen zu dürfen. Für Bundesbeamte sind derartige Versetzungen übliche Praxis, und die von der Bundesregierung getroffenen Entscheidungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt beinhalten noch ganz andere Regelungen.

Mir fehlt deshalb auch das Verständnis für den Aufschrei der Gewerkschaften, wenn wir derartige Ansprüche formulieren. Ich bin auch der festen Überzeugung, die Beschäftigten selbst sind sehr viel weiter als einzelne Interessenverbände.